Eosinophile Ösophagitis durch Reinigungsmittel?
Die eosinophile Ösophagitis (EoE) ist eine häufige Erkrankung, bei der es zu einer chronischen Entzündung der Speiseröhre kommt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form der Nahrungsmittelallergie, die oft auch mit Schluckstörungen einhergeht. Unklarheit herrschte bislang über die Ursache der Erkrankung, aber dazu gibt es jetzt interessante Forschungsergebnisse. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Cezmi A. Akdis, Universität Zürich und Schweizerisches Institut für Allergie- und Asthmaforschung (SIAF) über Reinigungsmittel als mögliche Ursache der Eosinophilen Ösophagitis.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Cezmi A. Akdis
Herr Prof. Akdis, warum könnten Reinigungsmittel die Ursache für eine Eosinophile Ösophagitis sein?
Seit den 60er Jahren sehen wir steigende Zahlen bei Allergien, Autoimmunerkrankungen und metabolischen Erkrankungen. Gerade auch bei Nahrungsmittelallergien, Anaphylaxie und der eosinophilen Ösophagitis steigen die Erkrankungszahlen. Gleichzeitig sind mit der zunehmenden Industrialisierung, Urbanisierung und einem westlichen Lebensstil bestimmte Umweltfaktoren allgegenwärtig geworden. Dazu gehören unter anderem Reinigungsmittel aller Art, die auch Tenside, Emulgatoren und Enzyme enthalten. Das sind Stoffe, die die Oberflächenspannung des Wassers verringern bzw. für eine bessere Waschkraft sorgen. Mit diesen Reinigungsmitteln kommen wir heutzutage tagtäglich unzählige Male in Kontakt und es ist bekannt, dass sie eine toxische Wirkung auf Körperzellen haben. Gerade über den Mund bzw. die Speiseröhre gelangen diese Substanzen permanent in den Körper und genau dort kommt es ja zur eosinophilen Ösophagitis. Das hat uns bewogen, einen möglichen Zusammenhang zwischen Reinigungsmitteln und der eosinophilen Ösophagitis zu untersuchen.
Wie kommt es bei Putzmitteln für Gegenstände zu einem Kontakt mit der Speiseröhre?
Es gibt zahlreiche orale Berührungspunkte mit Tensiden, Emulgatoren und Enzymen. Zahncremes und Mundspülungen, zum Beispiel, enthalten all diese Stoffe und werden direkt in den Mund eingebracht, wobei Spuren davon auch geschluckt werden. Aber auch durch Speisen und Getränke, die auf Geschirr serviert werden, das mit Geschirrspülmitteln oder in Geschirrspülmaschinen gereinigt wurde, gelangen Reinigungsmittel in den Mund und die Speiseröhre. Hinzu kommt, dass auch viele Oberflächen in der Küche, die mit Nahrungsmitteln in Berührung kommen, wie Schneidebretter oder Vorratsdosen, mit Haushaltsreinigern bearbeitet werden. Auch dadurch gelangen zelltoxisch wirkende Tenside, Emulgatoren und Enzyme in Mund und Speiseröhre. Hinzu kommen noch Seifen, Shampoos und diverse Kosmetika, die auf die Haut aufgetragen und potenziell aufgenommen werden. Emulgatoren und Zusatzstoffe findet man aber auch in vielen industriell hergestellten Lebensmitteln und Fertigprodukten.
Was weiß man über die Auswirkungen von Reinigungsmitteln?
Wir wissen, wie gesagt, dass es einen klaren epidemiologischen Zusammenhang zwischen den steigenden Allergikerzahlen und dem zunehmenden Kontakt mit Wasch- und Reinigungsmitteln gibt. Natriumdodecylsulfat (SDS) und Natriumdodecylbenzolsulfonat, zwei der am häufigsten eingesetzten Inhaltsstoffe in Reinigungsmitteln, sind in der Lage, sowohl die Tight Junctions des Lungenepithels als auch des Hautepithels zu beeinträchtigen. Mit „Epithel“ ist die oberste Zellschicht der Haut und der Schleimhaut gemeint. Selbst bei relativ geringen Konzentrationen wird die Barrierefunktion der Schleimhaut geschädigt. Zudem hat eine kürzlich erschienene Studie gezeigt, dass Alkoholethoxylate in Klarspülern, wie sie in gewerblichen Geschirrspülmaschinen etwa in der Gastronomie benutzt werden, toxisch und entzündungsfördernd auf die Epithelzellen des Darmes wirken.
Was weiß man konkret über die Rolle von Reinigungsmitteln bei der Entstehung einer EoE?
Die Studienergebnisse legen nahe, dass Natriumdodecylsulfat in Geschirrspülmitteln eine eosinophile Ösophagitis begünstigen könnten. Die Studie wurde an Organoiden, das sind in diesem Fall im Labor gezüchtete Epithelzellen der Speiseröhre von Mäusen, durchgeführt. Hier konnte man sehen, dass Natriumdodecylsulfat die Ösophagusbarriere, also die Schleimhautbarriere der Speiseröhre, schädigt. Zudem kam es zu einer epithelialen Hyperplasie, das ist eine Schädigung der Zellen der Mundschleimhaut und zu einer Gewebeeosinophilie, das ist eine starke Vermehrung eosinophiler Granulozyten im Gewebe und ein Hinweis auf eine Entzündung. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass von Mäusen oral über das Trinkwasser aufgenommenes Natriumdodecylsulfat in einer Konzentration von 0.5 Prozent unter anderem zum Absterben der Schleimhautzellen führte und so deren Barrierefunktion beeinträchtigte. Diese Studienergebnisse stützen die Epithelbarriere-Hypothese.
Was besagt die Epithelbarriere-Hypothese?
Die Epithelbarriere-Hypothese besagt, dass Erkrankungen wie Allergien, Autoimmunerkrankungen und metabolische Erkrankungen auf die Exposition gegenüber einer Vielzahl von Substanzen zurückzuführen sind, die die Epithelbarriere schädigen. Damit werden Veränderungen im Gewebe auf molekularer Ebene in den Fokus der Forschung gerückt. Möglicherweise gehen Veränderungen des Mikrobioms des Darmes, auf genau diese Störungen auf molekularer Ebene zurück.
Heißt das, die Zusammensetzung des Mikrobioms wird von einer durch Reinigungsmittel gestörten Schleimhaut beeinflußt?
In Geweben mit einer beschädigten Epithelbarriere kann es zu einer unerwünschten Besiedlung mit Keimen und Pilzen kommen. Das kann unter anderem zu einer veränderten Mikrobiota-Diversität und lokalen Entzündungen führen. Unter Umständen regeneriert sich das Gewebe dann nur noch ungenügend und es kann sogar zu einem Remodeling, einem Umbauvorgang des beschädigten Gewebes kommen. Diese entzündlichen Vorgänge wiederum triggern bei chronisch entzündlichen Erkrankungen das Krankheitsgeschehen.
Angesichts steigender Erkrankungszahlen ist es wichtig, die öffentliche Wahrnehmung auf die toxischen Effekte von Reinigungsmitteln zu lenken. Die Zusammenhänge zwischen Reinigungsmitteln und Erkrankungen wie EoE müssen dringend weiter untersucht werden, damit die Regulierungsbehörden ihre Rahmenbedingungen und Dosisempfehlungen entsprechend anpassen können.
Herr Prof. Akdis, herzlichen Dank für dieses Interview!
Quelle:
Duygu Yazici, Yagiz Pat, Yasutaka Mitamura, Cezmi A. Akdis, Ismail Ogulur, Detergent-induced eosinophilic inflammation in the esophagus: A key evidence for the epithelial barrier theory, First published: 16 January 2023, https://doi.org/10.1111/all.15646
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S.Jossé/A.Akdis, www.mein-allergie-portal.com
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