Allergien verhindern mit molekularer Allergologie?
Molekulare Allergologie? Viele denken dann zuerst an die molekulare Allergiediagnostik. Was tatsächlich dahintersteckt und welche Möglichkeiten sich für die Allergie Therapie bieten, ist schon weniger bekannt. Dabei besteht hier das Potenzial, dass sich Allergien sogar verhindern lassen. Darüber sprach MeinAllergiePortal bei der Fachkonferenz Allergologie im Kloster mit Prof. Dr. med. Rudolf Valenta, Universität Wien, Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Rudolf Valenta
Autor: Sabine Jossé M.A.
Herr Prof. Valenta, was ist die Voraussetzung dafür, dass zukünftig möglich sein könnte, Allergien zu verhindern?
Basis für eine sekundäre oder gar primäre Allergieprävention ist die molekulare Allergologie. Erst dadurch wird es möglich, die Allergene, die für die jeweiligen allergischen Symptome verantwortlich sind, präzise zu erfassen. Diese Präzision bei der Diagnose ist wiederum die Voraussetzung für eine präzise Therapie und zukünftig auch für die Allergie Prävention.
Was steckt hinter dem neuen molekularen Ansatz in der Allergologie?
Molekulare Allergologie bedeutet, dass man die Struktur von Allergenen entschlüsselt, und so werden Diagnostik und Therapie präziser. Damit die spezifische Immuntherapie, die Hyposensibilisierung, wirksam ist, braucht man eine präzise Diagnose und muss verstehen, wie die Erkrankung Allergie „funktioniert“. Ganz so neu ist die molekulare Allergologie allerdings nicht. Schon vor mehr als 30 Jahren sind die ersten Allergene kloniert worden, das erste war das Bet v 1 Allergen der Birke.
Warum ist es so wichtig, die Struktur eines Allergens zu kennen?
Die Struktur eines Allergens ist wichtig, weil man die symptomverursachenden Proteine präziser identifizieren kann und Zusammenhänge erkennt, die zuvor nicht zu Tage traten. Durch den molekularen Ansatz haben wir zum Beispiel gesehen, dass bei der Allergie auf Birke auch Profiline eine Rolle spielen. Profiline sind Proteine, die in ganz unterschiedlichen Allergenquellen vorhanden sind, nicht nur bei der Birke. Erst durch den molekularen Ansatz konnten wir das Phänomen der Kreuzreaktivität erkennen. Das ist das Phänomen, dass die Allergie auf ein bestimmtes Allergen auch bei Kontakt zu anderen Allergenen zu Symptomen führen kann. Es gibt aber noch eine weitere Erkenntnis, die uns die molekulare Allergologie gebracht hat: Nicht alle Patienten, die auf einen Prick-Test an der Haut mit einem Birkenpollenextrakt positiv, also mit einer Quaddel, reagieren, sind auf Birkenpollen allergisch. Manche Patienten reagieren auch im Hauttest auf die Profiline, die im Birkenpollenextrakt meist ebenso enthalten sind.
Was bedeutet es für einen Birkenpollenallergiker, dass man durch die molekulare Allergologie eine Kreuzallergie erkennen kann?
Für Allergie Patienten ist die molekulare Herangehensweise bei der Allergie Diagnose ein fundamentaler Unterschied.
Ein Beispiel: Wenn ein Patient mit einer Allergie auf Birke auch auf Äpfel mit Allergiesymptomen reagiert, gibt es es zwei mögliche Ursachen:
- Der Patient hat 2 verschiedene Sensibilisierungen, eine spezifisch auf Apfel und eine spezifisch auf die Birke
- Der Patient hat ausschließlich eine Sensibilisierung auf das Allergen der Birke, aber aufgrund von dessen Ähnlichkeit mit dem Apfel Allergen reagiert er auch auf Apfel kreuzreaktiv
Der Vorteil für Allergie Patienten ist also: Mit der molekularen Allergiediagnostik lässt sich genau bestimmen, ob ein solcher Patient zwei Allergien hat oder eine Allergie plus Kreuzallergie. Mit einer klassischen Prick-Test Diagnose an der Haut mit den übliche Allergen Extrakten kann man diesen Unterschied nicht erkennen. Außerdem kann man im Falle der Birke einen Allergie Test mit nur zwei Molekülen, sogenannten rekombinanten Allergenen, durchführen, und damit den gesamten Allergenextrakt ersetzen. Zur Diagnose eine Birkenpollenallergie braucht man ihn nicht mehr und auch nicht zur Therapie.
Wie wirkt es sich auf die Allergie Therapie aus, dass rekombinante Allergene zur Verfügung stehen?
Die rekombinanten Allergene machen es möglich, das individuelle Allergen Profil eines Patienten zu entschlüsseln. Mit einem Allergen Chip lassen sich so viele Allergene, Profiline etc. auf einmal testen. Damit lässt sich auch die Allergen Immuntherapie deutlich wirksamer machen.
So lässt sich mit der molekularen Allergiediagnostik unterscheiden:
- ob ein Patient auf ein Allergen reagiert, oder auf Profiline
- ob eine primäre Allergie auf ein Nahrungsmittel besteht, oder eine Kreuzallergie
- welches Allergen das dominante ist, wenn multiple Sensibilisierungen bestehen
Für Allergie Patienten bedeutet das, dass der Therapieerfolg einer Hyposensibilisierung vorab bessere eingeschätzt werden kann. Außerdem wird es möglich, das richtige Therapieallergen besser auszuwählen. Auch kann man bei multiplen Sensibilisierungen auf eine Therapie mit sämtlichen positiven Allergenen verzichten, wenn man das Hauptallergen identifiziert hat. Dann reicht es aus, nur dieses zu behandeln und unnötige Immuntherapien werden verhindert.
Inwiefern kann die rekombinante Allergologie dazu beitragen, Allergien zu verhindern?
Hierzu haben wir eine Studie durchgeführt, die spannende Erkenntnisse gebracht hat. Wir haben die rekombinante Allergiediagnostik bei Kindern gleichen Alters, sogenannten Geburtskohorten, eingesetzt, die keine Allergie Symptome gezeigt haben. Dazu haben wir das Serum dieser Kinder im Alter von 4, 8 und 16 Jahren untersucht. Bei vielen Kindern, die mit 4 Jahren noch symptomfrei waren, zeigte sich im Alter von 8 Jahren Allergie Symptome. Man hat dann gesehen, dass diese Kinder bereits im Alter von 4 Jahren eine stille IgE-Sensibilisierung hatten. Das heißt, das Erfassen der stillen Sensibilisierung wäre eine gute Gelegenheit, spezifische, sekundärpräventive Maßnahmen einzuleiten. Das molekulare Profil der Kinder zu einem sehr frühen Zeitpunkt wäre dann ein Prädiktor für die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kinder eine Allergie auf ein ganz bestimmtes Allergen entwickeln und man könnte schnell eingreifen. Bei anderen Erkrankungen, zum Beispiel bei Krebs, geht man schon lange so vor.
Welche Maßnahmen könnten bei Kindern mit stillen IgE-Sensibilisierung ein Ausbrechen der Allergie verhindern?
Die ersten Maßnahmen zur Allergieprävention wären auch hier die Allergenkarenz. Man könnte also zum Beispiel Milbensanierungsmaßnahmen durchführen. Eine weitere Option könnte aber auch eine präventive Immuntherapie sein, also eine Hyposensibilisierung, lange bevor es zu allergischen Symptomen kommt. Dies wäre eine Gelegenheit, Allergien von vornherein zu verhindern, das muss allerdings erst in klinischen Studien untersucht werden.
Gibt es denn auch neue Konzepte für die Hyposensibilisierung gegen Allergien?
Wir arbeiten an einer Plattform-Technologie, die es ermöglicht, mit wenigen Injektionen eine schützende Antikörper Antwort aufzubauen, die man dann durch sehr wenige Booster Injektionen aufrechterhalten kann. Konkret entwickeln wir eine Therapie gegen die Hausstaubmilben Allergie für Erwachsene. Dabei wurden die Allergene Der p 1, Der p 2, Der p 5, Der p 7, Der p 21 und Der p 23 auf 2 gentechnologisch hergestellter Moleküle aufgebracht, die somit das gesamte Repertoire der Hausstaubmilben Allergie enthalten. An einem ähnlichen Konzept arbeiten wir für die Allergie auf Katze. Hier enthalten die sogenannten „SuperCat-Impfstoffe“ nicht nur das Hauptallergen der Katze Fel d 1, sondern auch Fel d 4 und Fel d 7, Minorallergene, auf die viele Katzen Allergiker reagieren. Aber auch an der Therapie der Birkenpollenallergie mit Kreuzallergie auf Apfel forschen wir.
Wie sieht die Therapie auf die Birkenpollenallergie mit Kreuzallergie auf Apfel aus?
Auch an einem neuen Therapiekonzept für die Allergie auf Birke arbeiten wir aktuell. Viele Birkenpollenallergiker reagieren kreuzallergisch auf Apfel. Bei einer Hyposensibilisierung auf das Hauptallergen Bet v 1 der Birke, verschwindet das orale Allergiesyndrom auf das Apfelallergen aber oftmals nicht. Um dieses Problem zu lösen, haben wir ein sogenanntes „Fusionsprotein“ entwickelt, bei dem wir die Hauptepitope des Birken Allergens zusammen mit den Hauptepitopen des Apfel Allergens kombiniert haben. Damit kann man dann also sowohl die Birkenpollenallergie als auch die Kreuzallergie auf Apfel behandeln. Das Protein lässt sich sehr einfach und in großen Mengen im Bioreaktor herstellen und ist somit auch preisgünstig.
All diese Konzepte werden zeitnah in klinischen Studien überprüft. Am Ende des Tages ist es aber unser Ziel eine präventive Allergenspezifische Impfung zu entwickeln. Es ist technisch möglich, präventiv zu impfen und die Allergie, genau wie eine Infektionserkrankung, zum Stillstand zu bringen.
Die Zukunft der Allergie Therapie wäre dann also eine Art Allergie Impfung?
Die Hyposensibilisierung kleiner Kinder, die bereits eine stille IgE-Sensibilisierung aufweisen, wäre ein wichtiger Schritt zur Verhinderung von Allergien, aber es handelt sich immer noch um eine sekundäre Allergieprävention. Eine primäre Allergieprävention wäre es, wenn man die Kinder bereits durch die Impfung der Mütter vor einer Allergie schützen könnte. So könnte man die Sensibilisierung der Kinder verhindern.
Herr Prof. Valenta, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S.Jossé/ R. Valenta, www.mein-allergie-portal.com
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