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Deutscher Allergiekongress (DAK) 2024: Neues aus Forschung und Praxis

Deutscher Allergiekongress DAK
Kongreß-Präsidentinnen Alisa Arens und Dr. med. Kristina Stamos, ©Sebastian Semmer, Berlin/AKM Allergiekongress und Marketing GmbH

Spannendes aus Forschung und Praxis, das wurde beim 19. Deutschen Allergiekongress in Dresden geboten, der vom 26. bis 28. September 2024 stattfand. Die Kongreß-Präsidentinnen Alisa Arens und Dr. med. Kristina Stamos hatten ein ambitioniertes, abwechslungsreiches und interaktives Programm zusammengestellt, das auf großes Interesse stieß. Veranstalter waren die drei allergologischen Fachgesellschaften DGAKI, AeDA und GPA, unter der Leitung der GPA. MeinAllergiePortal war auch in diesem Jahr wieder ein Medienpartner.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Allergien: Sind Epithel-Barrierestörungen die Ursache?

In den letzten 15 Jahren haben in den USA bestimmte Formen der Nahrungsmittelallergien mit Anaphylaxie Risiko zugenommen und ähnliche Trends zeigen sich auch für andere Länder in Europa und weltweit. „Dabei fällt auf, dass neben Kindern und Jugendlichen insbesondere die jüngeren Erwachsenen im Alter zwischen 25 bis 44 sehr viel häufiger und ausgeprägter von multiplen Sensibilisierungen betroffen sind als die ältere Generation“, informierte Prof. Dr. med. Markus Ollert, Director of Department of Infection & Immunity, Translational & Clinical Immunology und Director of Department of Infection & Immunity, Department of Infection and Immunity in Luxembourg, „es müssen also Faktoren eine Rolle spielen, die in den letzten Jahren vermehrt auftraten“. Als möglicher Verursacher steht seit längerem der „Western Lifestyle“ in Verdacht. Zunehmend richtet sich der Fokus der Forschung aber auch auf die Epithelbarriere, also auf die Haut und die Schleimhäute. Die Epithelbarriere-Theorie geht davon aus, dass sich die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung schädigend auf diese „Grenzen zur Umwelt“ auswirken könnten. Konkret heißt das, Haut und Schleimhäute, auch der Atemwege und des Gastrointestinaltraktes, werden aufgrund dieser Umwelteinflüsse durchlässig, so dass schädigende Substanzen eindringen und entzündliche Prozesse auslösen können. So kommt es zu einer Entzündungskaskade, die zum Beispiel die Immunantwort startet und die Allergieentstehung begünstigt. Eine mögliche Ursache für die Schädigung der epithelialen Barriere könnten Reinigungsmittel sein. So kann man aus einer Studie an Labormodellen und Mäusen ableiten, dass auch Seifenstoffe in der Lage sind, die Barrieren von Haut und Schleimhäuten zu schädigen.

Die folgenden Substanzen stehen in Verdacht, Haut und Schleimhäute zu schädigen:

  • Bakterien
  • Viren
  • Pilze
  • Allergene (Pollen und Milben)
  • Dieselabgase
  • Feinstaub
  • Zigarettenrauch
  • Ozon
  • Nanopartikel
  • Microplastik
  • Oberflächenbehandlungsmittel
  • Waschmittel
  • Geschirrspülreiniger
  • Haushaltsreiniger
  • Shampoos
  • Duschgele
  • Zahncreme

Eindeutig nachgewiesen ist diese Hypothese allerdings nicht, denn es gibt auch Studien, die zu gegenteiligen Schlüssen kommen. So zeigte eine andere, noch nicht veröffentlichte Studie, dass milde Seifenstoffe die Integrität der Epithelbarriere auch fördern und zu Gewebereparaturmechanismen führen können. Es muss also noch viel geforscht werden.

Was ist ein Hypereosinophilie-Syndrom?

Kann man Lebensmittelallergien verhindern?

Haut und Schleimhäute spielen auch bei der Entwicklung von Toleranz bzw. Intoleranz gegenüber Allergenen eine wesentliche Rolle. „Aus der Forschung an Mäusen ist bekannt, dass eine Sensibilisierung auf bestimmte Nahrungsmittelallergene zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Leben erfolgen kann, wenn der Erstkontakt über die Haut erfolgt, insbesondere dann, wenn die Haut bereits geschädigt ist“, erläuterte Prof. Dr. med. Randolf Brehler, Oberarzt, Klinik für Hautkrankheiten Allergologie, Berufsdermatologie und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Münster (UKM). Diese Schädigung der Hautbarriere kann durch einen genetischen Defekt verursacht worden sein. Aber auch durch Umwelteinflüsse, Infektionen und eben auch durch Detergentien - chemische Reinigungsmittel - kann es zu Entzündungen oder zu einem veränderten Haut-Mikrobiom kommen. Dadurch wird die Haut geschädigt, sie wird „löchrig“, und dies kann das Eindringen von Allergenen und eine allergische Sensibilisierung begünstigen. Erfolgt der Kontakt mit Nahrungsmittelallergenen jedoch erstmals oral, also über die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes, führt dies primär zu Toleranz. „Hier gibt es ein „Window of Opportunity“ in der frühen Kindheit, das es zu nutzen gilt“, empfahl Prof. Brehler. Gezeigt hat dies die LEAP-Studie, die nachweise konnte, dass die Entwicklung einer Erdnuss-Allergie durch frühzeitige Gabe von Erdnuss-Protein in der Zeit zwischen dem 6. und 11. Lebensmonat verhindert werden kann. Zudem konnte eine Anschlussstudie nachweisen, dass die in der frühen Kindheit erworbene Toleranz langfristig erhalten bleibt, unabhängig von späteren Verzehrgewohnheiten. „Dabei scheint es ausschlaggebend zu sein, dass der Erstkontakt mit dem Allergen tatsächlich über die Mundschleimhaut erfolgt und nicht über die Haut“, betonte Prof. Brehler.

Schweres Asthma: Es gibt eine neue Therapie!

Ein allergisches Asthma kann mit einer erhöhten Anzahl von Eosinophilen im Blut einhergehen, das ist aber nicht immer der Fall. In vielen Fällen ist das allergische Asthma sehr gut behandelbar, so dass die Symptome als kontrolliert gelten. Es gibt aber auch Fälle eines schweren allergisch-eosinophilen unkontrollierten Asthmas, bei dem die Therapeutika bislang nicht ausreichten, um die Asthmasymptome zu kontrollieren, wobei ein Zusammenhang mit den Eosinophilen besteht. Mit Anti-TSLP gibt es nun aber ein neues Therapiekonzept für die Behandlung des allergisch-eosinophilen schweren und unkontrollierten Asthmas, das an der Spitze der Entzündungskaskade ansetzt. „TSLP steht für ‚Thymic Stromal Lymphopoietin‘ und wird in den Epithelzellen der kleinen Atemwege gebildet, wo es entzündliche Prozesse auslöst“, berichtete Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann, Institute of Allergology, Charité Universitätsmedizin Berlin, Fraunhofer Institute for Translational Medicine and Pharmacology (ITMP), Allergology and Immunology Berlin, „und damit triggert TSLP allergische Immunantworten“. Studien haben gezeigt, dass Tezepelumab, ein Anti-TSLP, die Symptome bei bestimmten Beschwerdebildern deutlich reduziert, insbesondere im Hinblick auf Auswurf. Zudem verhindert Anti-TSLP Asthmaanfälle und verbessert die Lungenfunktion. „Dies reduziert die Häufigkeit von Notfalltherapien und Krankenhausaufenthalten, wobei es nur selten zu Nebenwirkungen kommt“, ergänzte Prof. Bergmann, „allerdings braucht es bei Anti-TSLP eine gewisse Zeit, bis die Wirkung eintritt“.

Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen: Ist Remission möglich?

Insbesondere dann, wenn eine chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen einhergeht, kann das für die Betroffenen sehr belastend werden. Oft ist nicht nur die Nasenatmung eingeschränkt, sondern es kommt unter anderem auch zu Riechstörungen bzw. Geschmacksverlust, was die Lebensqualität erheblich einschränken kann. Die Behandlung der Nasenpolypen ist herausfordernd. „Die Therapie mit kortisonhaltigen Nasentropfen, Kortisontabletten oder Antibiotika führt nicht bei allen Betroffenen zu einer Symptomkontrolle, und auch die operative Entfernung der Nasenpolypen hilft oft nicht dauerhaft“, erklärte Prof. Dr. med. Boris Haxel, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie am Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen“, seit 2019 stehen Biologika zur Verfügung für schwer Erkrankte, die auf die klassischen Therapiekonzepte nicht ausreichend ansprechen“. Möglich wird damit sogar eine sogenannte Remission der Erkrankung.

Eine Remission bei chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen bedeutet:

  • Dauerhafte Symptomfreihei
  • Riechvermögen ist zurückkehr
  • Keine entzündlichen Schleimhautveränderungen bei der endoskopischen Untersuchung
  • Kein Bedarf an systemischen Glukokortikoiden oder erneuten Operationen

„Allerdings bedeutet „Remission“ nicht „Heilung“, denn häufig ist eine langfristig Therapie mit Kortisonnasensprays und Biologika nötig, da wir bislang davon ausgehen müssen, dass es nach Absetzen dieser Therapie zu einem Wiederaufflammen der Entzündung mit erneuter Polypenbildung kommt", ergänzte Prof. Haxel.

HAE-Langzeitprophylaxe: Wie sieht die Therapie der Zukunft aus?

„Vollständige Krankheitskontrolle und die Normalisierung des Lebens“, das sollten die Therapieziele beim hereditären Angioödem sein, so wie es die aktuellen WAO/EAACI-Guidelines formuliert haben. „Mit den neuen und kommenden therapeutischen Möglichkeiten rücken diese Ziele in Form von prophylaktisch wirksamen Substanzen in greifbare Nähe“, berichtete Prof. Dr. med. Markus Magerl, Leiter des Bereichs Klinische Studien am Institut für Allergieforschung und der Angioödemsprechstunde der Charité in Berlin. So werden zurzeit unter anderem Studien durchgeführt, die mit neuen Wirkmechanismen auf das (Prä)-Kallikrein abzielen. Eine davon ist die Phase-1-Studie zu NTLA-2002 einer CRISPR/Cas9-basierten Therapie, die intravenös verabreicht wird und bislang nur leichte Nebenwirkungen zeigte. Mit Donidalorsen steht ein neues Therapiekonzept auf Basis der mRNA-Technologie im Fokus. Hier zeigte die Phase-3-Studie ebenfalls eine deutliche Reduzierung der Attacken bei niedrigem Nebenwirkungsprofil. Geforscht wird außerdem an dem Bradykininrezeptorantagonisten Deucrictibant, der als Tablette zur Verfügung stehen soll. In der Phase-2-Studie zeigte sich bislang eine deutliche Reduzierung der HAE-Attacken bei guter Verträglichkeit. Schon sehr bald zur Verfügung stehen wird voraussichtlich der Faktor XII-Antikörper Garadacimab, der zu Beginn des Signalweges einer HAE-Attacke ansetzt und das Auftreten von Schwellungen zuverlässig verhindert. Die Substanz wird einmal monatlich gegeben und kann von den Patienten selbst, subkutan mittels Pen, verabreicht werden. In der Phase-2-Studie zeigte Garadacimab eine 87prozentige Reduktion der HAE-Attacken. 62 Prozent der Patienten blieben über einen längeren Beobachtungszeitraum sogar völlig beschwerdefrei. Auch hier zeigte sich eine gute Verträglichkeit des Präparates.

CARE: Neues Register für das Hereditäres Angioödem (HAE)

Noch immer wird das Hereditäre Angioödem (HAE) bei vielen Betroffenen sehr spät diagnostiziert, aber mit dem neuen Register für Patienten mit Hereditärem Angioödem CARE, soll sich dies ändern. „Das hereditäre Angioödem hinterlässt als „Täter“ bei vielen seiner „Opfer“ bestimmte Fingerabdrücke, die durch den neu entwickelten „Fingerabdruckscanner“ CARE nun besser denn je erkannt werden können“, berichtete Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Buttgereit, Facharzt am Institut für Allergieforschung, Charité - Universitätsmedizin Berlin. Im Prinzip handelt es sich bei CARE um eine Mischung aus Diagnosetool und Register, das die Patienten noch vor dem Arztgespräch bearbeiten können. CARE ermöglicht so die Identifikation von typischen Anzeichen, die auf ein HAE hinweisen. Dabei werden auch bereits erfolgte Therapien sowie mögliche familiäre Vorbelastungen abgefragt, was eine schnellere Diagnose ermöglichen sollte. Das gleiche Tool dient aber auch zur Erfassung unterschiedlicher Angioödem-Formen, wie HAE, HAE mit normalem C1 Inhibitor, Mastzell-vermitteltem Angioödem etc., so dass langfristig Analysen möglich sein werden, die zu neuen Erkenntnissen führen und die Therapie weiter verbessern könnten. Die Teilnahme und der Umgang mit CARE ist leicht und benutzerfreundlich. „Mediziner, die den neuen Fingerabdruckscanner CARE testen und von den Vorteilen profitieren möchten, können gerne an careoffice@urtikaria.net wenden“, erklärte PD Dr. Buttgereit.

Neue Therapien bei systemischer Mastozytose

Anaphylaxie in KiTa und Schule: Wie steht es mit der Versorgung?

Eigentlich besteht in Deutschland für jedes Kind ab dem 1. Lebensjahr ein Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz. „In der Praxis sieht es leider anders aus, insbesondere dann, wenn das Kind an einer allergischen Erkrankung leidet“, berichtete Britta Stöcker, Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Asthma-, Anaphylaxie- und Neurodermitistrainerin, Kindergynäkologin und zertifizierte Kinderschutzmedizinerin DGKIM aus Bonn. Eine besonders große Hürde stellt das Notfallset dar. Es muss bei Kindern mit Anaphylaxie im Notfall auch vom KiTa-Personal angewendet werden, davor schrecken jedoch viele zurück. Aber auch die Verpflegung von Kindern mit Nahrungsmittelallergien stößt beim KiTa-Personal oftmals auf Vorbehalte in Bezug auf die Umsetzbarkeit im KiTa-Alltag. Ähnlich sieht es bei der Schule aus. Zwar ist auch hier Inklusion das Ziel, das heißt Kinder mit und ohne Behinderung sollen möglichst gemeinsam gefördert werden, aber auch dies wird in der Praxis nicht in allen Bundesländern bzw. Schulen gleichermaßen umgesetzt. So sehen auch die Schulen in der Anwendung des Notfallsets und der Verpflegung der Kinder maßgebliche Hürden für die Bereitschaft, ein Kind aufzunehmen. Wichtig zu wissen für die Eltern, und das gilt für KiTa und Schule gleichermaßen: Eltern sollten die Einrichtungen über Schulungsmöglichkeiten zum Umgang mit dem Notfallset, insbesondere dem Adrenalin-Autoinjektor (AAI), informieren. Hilfe bekommt man zum Beispiel über AGATE, die kinder- und jugendärztliche Praxis oder Patientenorganisationen. Auch ist es für den Notfall sinnvoll, einen AAI dauerhaft in KiTa und Schule zu deponieren. Weiter ist auch zu empfehlen, sich mit den Verantwortlichen zum Umgang mit dem jeweiligen Nahrungsmittelallergen auszutauschen und abzusprechen. Manche Einrichtungen können allergenfreie Mahlzeiten ermöglichen, oft über den Caterer. Bei anderen können die mitgebrachten Mahlzeiten aufgewärmt werden.

Zu KiTa und Schule gehören auch Feste, Ausflüge und Klassenfahrten und auch hier sollte ein Kind nicht aufgrund der Anaphylaxie ausgeschlossen werden. „Im Umgang mit den Einrichtungen ist es ratsam, sachlich zu bleiben und auf Zusammenarbeit zu setzen“, riet Britta Stöcker, „dabei helfen sachliche Informationen über Allergie und Notfallmanagement, passende Formulare (Notfallplan, Ermächtigung) und Informationen zu Instruktion und/oder Schulung“.

Was kann eine Anaphylaxie triggern?

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

07. November 2024

Autor: S.Jossé,www.mein-allergie-portal.com

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