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Neurodermitis & Immunsystem: Neue systemische Therapien

Neurodermitis Immunsystem Therapie
Dr. med. Peter Weisenseel: Neurodermitis & Immunsystem - Neue systematische Therapien! Bildquelle: P. Weisenseel

Juckreiz und Ekzeme, das sind die quälendsten Symptome bei Neurodermitis. Eine Ursache ist das Immunsystem, das „verrücktspielt“ und falsche Signale sendet. Was aber passiert dabei im Körper? Was läuft schief? Und wie können neue Therapien den Patienten helfen?

Autor: Dr. med. Peter Weisenseel, Facharzt für Dermatologie, Leitung Klinische Forschung am Dermatologikum Hamburg

Was macht eigentlich das Immunsystem?

Das Immunsystem hat die Aufgabe, den Organismus vor Eindringlingen aller Art zu schützen. Dazu gehören zum Beispiel Bakterien, Viren, Pilze und Schadstoffe, mit denen der Körper täglich konfrontiert wird. Gleichzeitig soll das Immunsystem dafür sorgen, dass alle Körperzellen in einem optimalen Zustand sind. Wenn körpereigene Zellen drohen zu entarten, also bösartig zu werden, greift das Immunsystem ein. Dies geschieht bereits in einem frühen Stadium der Veränderung, damit ein Schaden möglichst gar nicht erst entsteht. Zudem muss das Immunsystem zum einen zwischen gefährlichen und ungefährlichen Stoffen aus der Umwelt unterscheiden. Gleichzeitig muss aber auch erkannt werden, ob ein Stoff körpereigen oder körperfremd, ein sogenanntes Antigen, ist.

Was passiert, wenn das Immunsystem verrücktspielt?

Das Immunsystem ist kein einzelnes großes Organ, sondern ein System, an dem viele verschiedene Organe beteiligt sind. Bei der Neurodermitis ist die Haut das zentrale Organ. Aber auch der Darm und die Lymphknoten spielen beim atopischen Ekzem eine Rolle. Die Organe des Immunsystems sind eng miteinander verbunden. Im besten Fall funktionieren sie wie ein gut abgestimmtes „Orchester“, bei dem alle Beteiligten perfekt und harmonisch im Gleichklang spielen. Aber: Gerät das „Orchester“ außer Rand und Band, ist die Harmonie dahin. Das Gleiche kann auch beim Immunsystem passieren, zum Beispiel wenn es aufgrund einer Allergie überreagiert und auf eigentlich harmlose „Eindringlinge“ mit einer Entzündung, einer sogenannten Typ-2-Inflammation, reagiert. Auch bei der Neurodermitis kommt es zu Reaktionen des Immunsystems, die eine Entzündung bedingen.

Neurodermitis: Was passiert in der Haut?

Ist das „Orchester“ Immunsystem aus dem Gleichgewicht geraten, kommt es darauf an, zu analysieren, was genau „schief klingt“. Meistens sind es nur einzelne Teile des Immunsystems, die besänftigt werden müssen. Generell kann man sagen: Wenn es im Körper zu einer Entzündung kommt, sind zwei wesentliche Faktoren - Zellen und Botenstoffe - beteiligt. Unterschiedliche Zellen produzieren dabei unterschiedliche Botenstoffe, und diese regulieren netzwerkartig die Kommunikation zwischen den einzelnen Zellen. Wesentlich sind hierbei die Botenstoffe, die Signale an die Zellen übermitteln und Entzündungen regulieren können. Das bedeutet, sie können sowohl Entzündungen begünstigen als auch bremsen. Bei der Neurodermitis befördern bestimmte Botenstoffe die Entzündung.

Neurodermitis: Was machen TH2-Zellen und Botenstoffe?

Weiter sind sogenannte T-Helfer-Zellen, vor allem die TH2-Zellen, an der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung Neurodermitis beteiligt. TH2-Zellen produzieren Interleukine, ebenfalls Botenstoffe, die zwischen den weißen Blutzellen ausgetauscht werden und diese aktivieren. Insgesamt sorgen diese Zellen und deren Botenstoffe dafür, dass Immunzellen aktiviert und alarmiert werden. Das bleibt so lange so bis die Ursache der Entzündung beseitigt ist. Die Konsequenz: Solange „Alarm vor Ort“ herrscht, bleiben die Zellen aktiv und befeuern die Entzündungsreaktion. Darüber hinaus können bei Neurodermitis auch äußere Faktoren die Entzündung triggern, zum Beispiel Allergene oder eine Besiedlung der Ekzeme durch Bakterien.

Neurodermitis: Wie gelangen die Signale in die Zellen?

Jede Zelle hat sogenannte Rezeptoren, die den Botenstoffen als Andockstation dienen. Dabei gibt es für jeden Botenstoff, also für jedes Molekül, den passenden Rezeptor, entsprechend dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Sobald ein solches Botenstoff-Molekül an den passenden Rezeptor bindet, kommen häufig die sogenannten Januskinasen ins Spiel. Das sind Enzyme, die immer paarweise an diesen Rezeptoren angesiedelt sind. Sie haben eine Art Wächterfunktion und sorgen dafür, dass das Signal des Botenstoffs erst dann den Zellkern erreicht, wenn bestimmte Prozesse abgelaufen sind.

Neurodermitis behandeln – beim Immunsystem ansetzen!

Das Wissen darüber, was sich im Immunsystem bei Neurodermitis abspielt, hat man sich bei der Entwicklung neuer Therapiekonzepte zunutze gemacht. Moderne Wirkstoffe basieren auf dem Prinzip, gezielt in das „Orchester Immunsystem“ einzugreifen. Das geschieht auf unterschiedlichen Wegen. Werden klassische Immunsuppressiva eingesetzt, etwa Kortison, wird das ganze „Orchester“ leiser. Mit modernen Therapien, dazu gehören Biologika und Januskinase-Inhibitoren, werden nur gewisse Funktionen des Immunsystems gedämpft. Die übrigen Prozesse funktionieren weiter. Das ist auch hinsichtlich der Verträglichkeit oder möglicher Nebenwirkungen der Therapien wichtig.

Neurodermitis: Mit Biologika Botenstoffe hemmen

Der Teil des „Orchesters“, der durch Biologika gedämpft wird, sind einzelne Interleukine, die bei Neurodermitis eine entzündungsfördernde Wirkung haben. Dabei hemmen die biotechnologisch hergestellten Medikamente entweder den Botenstoff selbst oder die passenden Rezeptoren der Botenstoff-Moleküle auf der Zelle. Auf diese Weise werden die Botenstoffe daran gehindert, an den Rezeptor zu binden. Der Alarm der Immunzellen geht zurück und damit die Entzündung. Zur Behandlung der Neurodermitis sind die Biologika Dupilumab und Tralokinumab zugelassen. Sie werden mit einer Spritze oder einem sogenannten Pen verabreicht.

Neurodermitis: Kann man die Januskinasen bremsen?

Januskinase-Inhibitoren, auch JAK-Inhibitoren oder sehr stark verkürzt „JAKi“ genannt, bremsen den Prozess, der der Entzündung zugrunde liegt, gezielt in der Zelle. Indem sie an Januskinasen binden, sorgen sie dafür, dass das Signal der Botenstoffe nicht an den Zellkern transportiert wird. Damit ist der Entzündungskreislauf unterbrochen. Dabei kommt es darauf an, nur die relevante Januskinase zu blockieren. Es gibt vier verschiedene Januskinasen: JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2. Je nachdem, welcher dieser JAK-Typen aktiviert oder gehemmt wird, werden unterschiedliche Prozesse in Zellen des Immunsystems an- oder ausgeschaltet. Es kommt aber auch auf die richtige Dosierung an. Schließlich will man nicht sämtliche Signale in den Zellkern unterbinden, sondern nur diejenigen, die für die entzündliche Reaktion bei Neurodermitis verantwortlich sind. In entsprechend großen Studien hat man dies untersucht und die optimale Dosierung ermittelt. Zur Behandlung von Neurodermitis stehen zur Zeit die JAK-Inhibitoren Baricitinib, Upadacitinib und Abrocitinib in Tablettenform, zur Einnahme einmal täglich, zur Verfügung.

Der aufgezeichnete DigiPat zum Thema „Neurodermitis – was hilft wirklich?“ steht Ihnen für mehr Details auf der Onlineplattform Mein-Allergie-Portal.com hier zur Verfügung.

(DE-ABBV-220507)

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

09. November 2022

Autor: Dr. med. Peter Weisenseel, www.mein-allergie-portal.com

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