Allergie & Impfung: Risiko für allergische Reaktionen?
Das Impfen zur Vermeidung von Kinderkrankheiten oder Infektionskrankheiten wird stark diskutiert. Zunehmend geraten mögliche Nachteile in den Fokus. Eltern befürchten, das Impfen könnte dem Kind schaden, insbesondere im Hinblick auf Allergien. Dabei stellen sich drei wesentliche Fragen: 1. Können Impfungen Allergien auslösen? 2. Gibt es eine Impfallergie? 3. Können allergische Kinder geimpft werden? Aber wie hoch ist das Risiko für allergische Reaktionen beim Impfen tatsächlich? MeinAllergiePortal sprach mit dem Kinderarzt Dr. med. Christopher Kolorz, Allergologe, Kinder-Pneumologe, Umweltmediziner in Telgte.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Dr. med. Christopher Kolorz
Herr Dr. Kolorz, können allergische Kinder geimpft werden?
Grundsätzlich ja. Es kommt natürlich auf die Art der Allergie an. Bei Allergien auf Inhaltsstoffe der jeweiligen Impfstoffe ist höchste Vorsicht zu walten. Deshalb ist bei allen Impfungen von allergischen Kindern im Vorfeld eine sorgfältige Anamnese durchzuführen. Bei Kindern mit Heuschnupfen oder Asthma ist eine Impfung gewöhnlich ohne Probleme möglich. Allerdings kann bei Kindern mit Neurodermitis eine Impfung, wie auch ein Infekt, einen Schub auslösen. Dies führt oft dazu, dass medizinisch notwendige Impfungen leider zu spät oder gar nicht durchgeführt werden.
Kann es bei allergischen Kindern zu Impfnebenwirkungen kommen, wenn sie geimpft werden?
Selbstverständlich können bei allergischen Kindern Impfnebenwirkungen und Impfreaktionen auftreten. Zunächst sollte man jedoch Impfreaktionen von Impfnebenwirkungen unterscheiden.
Was ist eine Impfreaktion?
Mögliche Impfreaktionen sind:
- Leichtes Fieber
- Rötung an der Einstichstelle
- Schwellung an der Einstichstelle
- Überwärmung an der Einstichstelle
- Schmerzen an der Einstichstelle
Zu solchen Impfreaktionen kann es bei allergischen Kindern und genauso bei nicht-allergischen Kindern kommen. Dies entspricht der gleichen Häufigkeit und kann von 1/10 (sehr häufig) bis 1/10.000 (sehr selten) auftreten. In der Regel treten Impfreaktion bis max. 14 Tage nach einer Impfung ein.
Was ist eine Impfnebenwirkung?
Impfnebenwirkungen sind sehr viel seltener und treten später auf. Sie können vor allem dann auftreten, wenn das Kind gegen Bestandteile des Impfstoffes, wie Konservierungsmittel, oder Stoffe, die zur Anzüchtung der Impfviren notwendig sind, allergisch ist. Die Häufigkeit ist proportional zum Ausmaß der klinischen Reaktionen gegen die Stoffe. Das bedeutet, die Impfnebenwirkungen auf diese Stoffe treten nicht häufiger auf als die Allergien auf eben jene Stoffe.
Mögliche Impfnebenwirkungen können leicht sein, wie ein Ausschlag oder sogar bis zum allergischen Schock führen. Diese Nebenwirkungen erfordern eine umgehende fachärztliche Behandlung und können unbehandelt fatale Auswirkungen haben.
Wie wahrscheinlich ist es, dass es bei Kindern mit und ohne Allergien zu Impf-Nebenwirkungen kommt?
Bei nicht-allergischen Kindern sind Impf-Nebenwirkungen sehr selten. Das Risiko einer Impf-Reaktion bei einem entsprechend disponierten Kind erhöht sich proportional zum Ausmaß der klinischen Allergie. Vereinfacht gesagt: Ein hoher Grad an klinischer Allergie bedeutet eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Impfnebenwirkung. Man könnte auch sagen, je stärker die Allergie ausgeprägt ist, desto eher kommt es beim Impfen zu Nebenwirkungen. Für den behandelnden Arzt bedeutet das: Strenge Indikation, ausführliche Anamnese und gegebenenfalls vorherige Testung, fraktionierte Impfung oder stationäre Beobachtung.
Welche Bestandteile der Impfstoffe können nach dem Impfen allergische Reaktionen auslösen?
Im Prinzip kann jeder Inhaltsstoff eines Impfstoffes eine allergische Reaktion hervorrufen. Dies können Adjuvanzien, also Verstärkerstoffe, Konservierungsmittel oder aber Anzuchtmedien im Impfstoff sein.
Hühnereiweiß ist ein häufiger Bestandteil von Impfstoffen, warum ist das so?
Moderne Impfstoffe brauchen zur Herstellung ein sogenanntes Nährmedium, um sich zu vervielfältigen. Dies geschieht bei einigen Impfstoffen, wie zum Beispiel bei Impfstoffen gegen Masern-Mumps-Röteln, Tollwut oder FSME auf Hühnerfibroblastenzellkulturen. Der Hühnereiweißgehalt ist gering, so dass die Kinder meistens problemlos geimpft werden können. Andere Impfstoffe, wie zum Beispiel Impfstoffe gegen Influenza oder Gelbfieber wiederum enthalten größere Anteile an Hühnereiweiß.
Viele Eltern von Kindern mit Allergie, insbesondere Hühnerei, haben Angst, ihr Kind könnte auf das Impfen allergisch reagieren, wie ist das zu beurteilen?
In jedem Fall ist vor einer Impfung eine sehr ausführliche und gründliche Anamnese erforderlich, um die Stärke der Allergie festzustellen. Liegt bei einem Kind zum Beispiel eine hochgradige Hühnereiweiß-Allergie vor, so ist ein Impfstoff mit einem hohen Hühnereiweißgehalt, wie zum Beispiel gegen Gelbfieber, nur unter stationärer Überwachung möglich. So kann eine allergische Reaktion nach der Impfung sofort behandelt werden. Gegebenenfalls muss, nach vorheriger Testung, fraktioniert geimpft werden. Das heißt man impft in mehreren Dosen, um eine allergische Reaktion zu vermeiden. Von einer schweren Hühnereiallergie spricht man dann, wenn das Kind schon bei Haut- oder Schleimhautkontakt auf kleinste Mengen Hühnereiweiß mit starken Hautausschlägen, oder sogar mit Kreislaufreaktionen reagiert. Es sollte in diesen Fällen immer ein versierter Kinder-Allergologe zur Rate gezogen werden. Im Zweifel erfolgen diese Impfungen unter stationärer Beobachtung.
Sollten Kinder mit Allergien grundsätzlich fraktioniert, also in mehreren kleinen Dosen und in einem größeren Abstand als empfohlen geimpft werden?
Wie gesagt, es kommt auf die Art der Allergie an. Bei einer Hühnereiweißallergie mit der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks sollte die Möglichkeit einer fraktionierten Gabe eines, zum Beispiel, Masern-Impfstoffes, erwogen werden. Bei einem Impfstoff ohne Hühnereiweißinhalte wie zum Beispiel Tetanus oder Pneumokokken-Impfstoff ist wie bei jedem anderen Kind eine normale Menge an Impfstoff in den empfohlenen Abständen ohne Probleme möglich.
Welche weiteren Impfstoffe enthalten Hühnereiweiß?
In erster Linie sind dies die Masern- und Grippe-Impfstoffe. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch einmal die Tatsache, dass bei einer reinen Sensibilisierung ohne klinische Reaktion, also nur auf Grund eines positiven Test-Ergebnisses im Haut- oder Bluttest, eine Impfung möglich ist. Insofern sei an dieser Stelle noch einmal auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Anamnese durch einen allergologisch erfahrenen Arzt oder Ärztin hingewiesen. Ansonsten werden oft ohne medizinischen Grund wichtige Impfungen nicht durchgeführt.
Wie hoch ist der Hühnereiweißgehalt bei den verschiedenen Corona-Impfungen?
In dem für Kinder und Jugendliche zugelassenen Impfstoff Comirnaty ist kein Hühnereiweiß vorhanden. Auch in den anderen Impfstoffen anderer Firmen sind keine Hühnerweißinhaltsstoffe.
Welche Allergien sprechen gegen eine Corona-Impfung beim Kind?
Es gibt Berichte von allergischen Reaktionen auf Inhaltsstoffe der Corona-Impfstoffe. Dieses ist in erster Linie das sogenannte PEG (Polyethylenglykol). Dieses ist meist Bestandteil von Laxantien, Darmspüllösungen oder Hautpflegepräparaten. Grundsätzlich sollte auch nach einer allergischen Reaktion auf die erste Gabe eines Corona-Impfstoffes die zweite Impfung, nach sorgfältiger Indikationsstellung, dann unter spezieller ärztlicher Überwachung erfolgen.
Unterscheiden sich die Impf-Reaktionen und Impf-Nebenwirkungen bei Lebendimpfstoffen wie Masern-Mumps-Röteln, Gelbfieber und Varizellen (Windpocken) von Totimpfstoffen wie dem Zeckenimpfstoff gegen FSME und Keuchhusten?
Grundsätzlich kann bei einer Lebendimpfung eine Impfreaktion nach 7 bis 10 Tagen intensiver ausfallen als bei einem Tot-Impfstoff. Das liegt daran, dass der Impfstoff Bestandteile eines abgeschwächten Erregers enthält und das Immunsystem wie bei einer Infektion mit einer Aktivierung des Abwehrsystem antwortet, um lebenslänglich Impf-Antikörper zu bilden. Dies kann dazu führen, dass Symptome wie bei der „echten“ Infektion auftreten, jedoch abgeschwächt und selten stark beeinträchtigend. Bei einem Tot-Impfstoff sind meist nur Lokalreaktionen zu erwarten. Echte Impfnebenwirkungen können bei beiden Impfstoffen gleichermassen auftreten.
Kann man Kindern mit Neurodermitis problemlos impfen?
Ja kann man. Allerdings kann eine Impfung, wie auch jeder Infekt oder Stress, als ein Triggerfaktor eines Neurodermitis Schubes wirken. Auch ist ein abklingender Schub unter lokaler Kortisonbehandlung keine Kontraindikation.
Können Impfungen Allergien auslösen?
Das Entstehen von Allergien ist ein sehr komplexer Prozess. Unterschiedliche Faktoren wie Lebensstil, Geschwisteranzahl, Antibiotikatherapie oder Häufigkeit von viralen Infekten können dies beeinflussen. Mehrere Studien haben diese Befürchtung eingehend untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass kein Zusammenhang zwischen Impfungen und einem erhöhte Risiko Allergien zu entwickeln, besteht.
Wie sollten Eltern bei einem Kind mit einer Hühnereiweiß-Allergie vorgehen, wenn das Kind geimpft werden soll?
Die Eltern sollten mit ihrem Kinderarzt in einem ausführlichen Gespräch über ihre Sorgen sprechen. Er wird ein offenes Ohr dafür haben. Es sollte eine ausführliche allergologische Anamnese erfolgen, die das Ausmaß der klinischen Allergie nach den folgenden Fragestellungen einordnet:
- Gibt es nur einen positiven Hauttest?
- Traten klinische Reaktionen, wie Ausschlag, Luftnot, Quaddeln, Bauchschmerzen auf?
- Oder kommt es sogar zu systemischen Reaktionen mit Kreislaufreaktionen?
In jedem Fall sollte ein erfahrener Kinder-Allergologe zur Rate gezogen werden, wo immer Unklarheiten bestehen.
Gibt es eine Impfallergie bzw. Impfstoffallergie?
Es gibt Allergien gegen Inhaltsstoffe von Impfstoffen. Wenn möglich kann auf ein Alternativ-Impfstoff gewechselt werden, der diesen Inhaltsstoff nicht enthält. Dann kann und sollte man somit einen Impfschutz aufbauen.
Herr Dr. Kolorz, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/C. Kolorz, www.mein-allergie-portal.com
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