Polyethylenglycol: Kann PEG unverträglich sein?
Gleich zu Beginn der Corona-Impfkampagnen wurde bekannt, dass es im Zusammenhang mit den neuen mRNA-Impfstoffen bei einigen Geimpften zu Unverträglichkeitsreaktionen kam. Allergie-Experten stellten daraufhin Überlegungen an, ob Polyethylenglycol, kurz PEG genannt, ein Inhaltsstoff dieser Impfstoffe, ein Grund sein könnte. Deshalb stellt sich zunächst die Frage: Was ist eigentlich PEG, was ist bekannt und kann es tatsächlich unverträglich sein? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. med. Axel Schnuch, Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) an der Universität Göttingen.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Axel Schnuch
Herr Prof. Schnuch, was genau ist PEG??
PEG steht für Polyethylenglycol und wird auch als Makrogol bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Polymer, also um einen chemischen Stoff, der die Basis für die Herstellung von Plastik darstellt.
Es gibt viele Arten von PEGs, die sich durch ihre Kettenlänge und damit durch ihr Molekulargewicht unterscheiden. Das heißt, es gibt PEG in flüssiger, fester oder wasserlöslicher Form.
Wo wird PEG eingesetzt?
PEG wird sehr vielseitig verwendet, unter anderem in Medikamenten und in Medizinprodukten, wie zum Beispiel in Wundverbänden und Hydrogelen. Auch in Abführmitteln und in Produkten zur Darmreinigung im Vorfeld von Darmspiegelungen kommt PEG zum Einsatz. Aber auch in Haushaltsprodukten wie Waschmitteln und Poliermitteln wird PEG häufig verarbeitet. Ebenso in Kosmetikprodukten, wie Cremes und Wischtüchern für Babys. Selbst in Lebensmitteln kommen PEGs zum Einsatz, zum Beispiel als Konservierungsmittel.
Kam es in der Vergangenheit durch PEG zu Unverträglichkeits-Reaktionen?
Ja, allerdings selten. Entscheidend ist, dass man daran denkt, dass nicht nur Wirkstoffe und Zusatzstoffe wie Konservierungsmittel, sondern auch Hilfsstoffe zu Unverträglichkeits-Reaktionen führen können. Den bislang vorliegenden Berichten zu Folge können diese allergischen Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen, von milden Reaktionen bis hin zur lebensbedrohlichen Anaphylaxie. Dabei scheint die Beschaffenheit des jeweiligen PEGs eine Rolle zu spielen, denn das Potenzial, schwerere allergische Reaktionen auszulösen, steigt wohl proportional zur Molekülmasse und Konzentration.
Wodurch kam es denn bislang zu allergischen Reaktionen, die man auf PEG zurückgeführt hat?
In einer englischen Studie1) wurden fünf Fälle von Anaphylaxie auf PEG beschrieben.
Diese wurden auf die folgenden Arten von Medikamenten, die teilweise in Kombination eingenommen wurden und die alle PEG enthielten, zurückgeführt:
- Verhütungsmittel
- Abführmittel
- Mittel gegen Sodbrennen
- Mittel zur Prophylaxe bzw. Behandlung von Malaria
- Antientzündliche Mittel
- Antibakterielle Medikamente
- Herzmedikamente
- Thrombosemedikamente
Dabei stellten die Studienautoren fest, dass der Schwellenwert, bei dem es zu allergischen Reaktionen auf PEG kommt, individuell sehr unterschiedlich zu sein scheint. Dabei spielten auch das erwähnte Molekulargewicht des jeweils eingesetzten PEG und die PEG-Konzentration eine Rolle. Auch kam es bei den untersuchten Fällen sehr schnell nach der Gabe der PEG-haltigen Arzneien zu allergischen Reaktionen.
Kann man denn mit Sicherheit sagen, dass PEG der Auslöser der allergischen Reaktionen war?
In einer anderen Studie2) in den USA wurden zwei Patienten untersucht, von denen bekannt war, dass sie in der Vergangenheit allergische Reaktionen auf Medikamente gezeigt hatten, die PEG 3350 enthielten. Beide Patienten reagierten bei Hauttestungen und Provokationstests auf PEG 3350 und Polysorbat 80. Polysorbat 80 ist eine Substanz, die der Struktur von PEG ähnelt und die zum Beispiel als Emulgator in Lebensmitteln, Kosmetika und Arzneimitteln eingesetzt wird. Möglicherweise kam es hier bei den PEG-unverträglichen Patienten zu einer Kreuzreaktion.
Auch fand man im Blutplasma dieser Patienten sowohl Anti-IgE als auch IgG auf PEG. Auch hier erhöhte sich die Reaktivität mit dem Molekulargewicht der getesteten PEG-Substanzen. In dieser Studie berichten die Autoren auch, dass der Food and Drug Administration (FDA) weitere 53 mögliche Fälle von Anaphylaxien auf PEG 3350 bekannt seien.
Was sollten Patienten tun, wenn Sie den Verdacht haben, auf PEG allergisch zu reagieren?
Auf jeden Fall sollten diese Patienten eine gründliche Diagnose durchführen lassen um festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine Allergie auf PEG handelt. Dies sollte dann im Allergiepass vermerkt werden und die Patienten sollten individuelle Empfehlungen zum Umgang mit PEG und Peg-haltigen Medikamenten erhalten. Allzu häufig fehlen Angaben zum Vorhandensein in Medikamenten in der Rubrik „Inhaltsstoffe“. Der Betroffene muß grundsätzlich in der zusätzlichen Rubrik „Weitere Inhalts- und Hilfsstoffe“ nachsehen.
Das PEGs mit hohem Molekulargewicht in so vielen Produkten des Alltagsgebrauchs eingesetzt werden, könnte eine Sensibilisierung auf diesem Wege erfolgen und dann irgendwann zu Problemen führen. Allergologen sollten diese Option bei Patienten mit dieser Konstellation im Hinterkopf behalten.
Herr Prof. Schnuch, herzlichen Dank für dieses Interview!
Quelle:
1) Priya Sellaturay, MRCP, Shuaib Nasser, FRCP, and Pamela Ewan, Polyethylene GlycoleInduced Systemic Allergic Reactions (Anaphylaxis), F J ALLERGY CLIN IMMUNOL PRACT, FEBRUARY 2021, VOLUME 9, NUMBER 2
2) Cosby A. Stone, Jr., MD, MPH , Yiwei Liu, PhD , Mary V. Relling, PharmD , Matthew S. Krantz, MDc , Amanda L. Pratt, MD , Andrew Abreo, MD , Jonathan A. Hemler, MD , and Elizabeth J. Phillips, MD, Immediate Hypersensitivity to Polyethylene Glycols and Polysorbates: More Common Than We Have Recognized, J ALLERGY CLIN IMMUNOL PRACT, MAY/JUNE 2019, Vol. 7, No 5
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/ A. Schnuch, www.mein-allergie-portal.com
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