Lichturtikaria: Symptome, Ursachen, Diagnose, Therapie
Die Lichturtikaria, auch „solare Urtikaria“, „Sonnenurtikaria“ oder „Urticaria solaris“ genannt, wird durch Sonne bzw. Licht ausgelöst und verursacht unangenehme Hautsymptome. Für die Betroffenen einer „Lichtallergie“, wie die Erkrankung fälschlicherweise oft bezeichnet wird, ist das ausgesprochen lästig. Egal ob im Sommer, im Urlaub im Süden oder beim Wintersport, wenn andere unbeschwert den Aufenthalt im Freien genießen, haben die von Lichturtikaria Betroffenen Beschwerden. Welche Symptome sind typisch für die Lichturtikaria? Wie erfolgt die Diagnose? Was ist therapeutisch möglich? MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. habil. Bettina Wedi, stellvertretende Klinikdirektorin und Vorstandsvorsitzende des als Comprehensive Allergy Center (CAC) zertizifierten MHH-Allergiezentrums (MHH-AZ) an der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Medizinischen Hochschule Hannover.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. habil. Bettina Wedi
Frau Prof. Wedi, kennt man die Ursachen für die Lichturtikaria – wie kommt es dazu?
Die Symptome der solaren Urtikaria werden durch Histaminausschüttung von Mastzellen ausgelöst. Die zugrundeliegenden Mechanismen für die Aktivierung der Mastzellen durch das Licht sind bisher jedoch nicht im Detail geklärt. Immer wieder vermutet wird eine IgE-vermittelte „echte“ allergische Reaktion auf Licht. Bisher konnte dies nicht bewiesen werden und auch ein „Photoallergen“ konnte bislang nicht identifiziert werden.
An welchen Symptomen erkennt man eine Lichturtikaria oder Sonnenurtikaria?
Die selten vorkommende solare Urtikaria oder Lichturtikaria gehört zu den chronischen induzierbaren Urtikariaformen (CindU). Man erkennt sie am lichtinduzierten Auftreten von juckenden flüchtigen Quaddeln. Das bedeutet, innerhalb von wenigen Minuten nach dem Lichtkontakt kommt es dann zu erhabenen Rötungen an der Haut.
An welchen Stellen am Körper zeigen sich bei der Lichturtikaria die Quaddeln?
Die Hautveränderungen bei der solaren Urtikaria kommen im belichteten Areal vor und sind durch UV-Licht und/oder sichtbares Licht bedingt. Bei starker Einstrahlung kann das Licht auch durch die Kleidung dringen und Beschwerden, das heißt rote erhabene Quaddeln, in eigentlich bedeckten Arealen auslösen.
Wie lange halten die Quaddeln bei der solaren Urtikaria an?
Die einzelnen Quaddeln dieser durch Licht verursachten Nesselsucht bestehen meist nur sehr kurz, etwa 15 Minuten bis drei Stunden. Sie hinterlassen unauffällige Haut, treten aber bei weiterem Lichtkontakt an anderer Stelle erneut auf.
Gibt es Menschen, die ein hohes Risiko tragen, eine Lichturtikaria zu entwickeln?
Betroffen sind meist Frauen im dritten bis vierten Lebensjahrzehnt. Viele haben ganzjährige Beschwerden, andere nur von Frühling bis Herbst. Durchschnittlich hält eine Lichturtikaria mehrere Jahre an und kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen.
Gibt es bei der Lichturtikaria bzw. der solaren Urtikaria verschiedene Phänotypen?
Die meisten Fälle werden durch UVA und/oder sichtbares Licht ausgelöst. Eine Unterscheidung in verschiedene Phänotypen hat sich bisher nicht durchgesetzt. Wichtig ist die Abgrenzung zu anderen durch Licht ausgelösten Erkrankungen, denn von allen photosensitiven Hauterkrankungen macht die solare Urtikaria nur ca. 4 Prozent aus.
Bei welchen anderen Erkrankungen hat man ähnliche Symptome, wie bei einer Lichturtikaria?
Viel häufiger als die Urticaria solaris ist die fälschlicherweise als „Sonnenallergie“ bezeichnete polymorphe Lichtdermatose. Allerdings treten bei der „Sonnenallergie“ die Hautveränderungen in Form von roten Quaddeln oder entzündlichen Papeln meist erst viele Stunden bis Tage nach der Lichteinstrahlung auf.
Weitere lichtinduzierte Hauterkrankungen sind phototoxische oder photoallergische Reaktionen, Sonnenbrand, Bindegewebserkrankungen wie Lupus und andere. Die Abklärung sollte durch eine Dermatologin bzw. einen Dermatologen erfolgen.
Wird die Lichturtikaria nur durch direkte Sonneneinstrahlung ausgelöst, oder kann es auch im Schatten, hinter einer Glasscheibe oder durch Kunstlicht zu lichtbedingten Nesselsucht-Symptomen kommen?
Eine Lichturtikaria wird am häufigsten durch UVA-Licht und/oder sichtbares Licht ausgelöst. Beides dringt durch Fensterglas hindurch. Somit können die Nesselsucht-Symptome auch durch Sonnenlicht ausgelöst werden, dass durch eine Scheibe auf die Haut trifft, wenn eine Lichturtikaria besteht. Auch künstliches Licht, direkt oder durch Glas, zum Beispiel einer Autoscheibe, kann zu allergischen Reaktionen auf Licht führen.
Kann es bei einer solaren Urtikaria auch zum anaphylaktischen Schock kommen?
Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Luftnot, Abgeschlagenheit sind bei der Lichturtikaria möglich, wenn große Areale bzw. die gesamte Haut betroffen sind. Grundsätzlich ist dann auch eine schwere anaphylaktische Reaktion mit Bewusstlosigkeit durch die starke Histaminausschüttung möglich.
Gibt es Risikofaktoren, die bei der Lichturtikaria das Auftreten einer Anaphylaxie begünstigen?
Risikofaktor für einen allergischen Schock bei einer Lichturtikaria könnte eine gleichzeitig bestehende Mastzellerkrankung sein. Besteht zum Beispiel eine Mastozytose, sind vermehrt Mastzellen im Körper vorhanden. Somit kann sehr viel mehr Histamin ausgeschüttet werden.
Wie erfolgt die Diagnose der „Lichtallergie“?
Die Diagnose der Lichtallergie wird durch die standardisierte Provokationstestung mit Licht an nicht sonnenexponierter Haut gesichert. Das bedeutet man kann eine solare Urtikaria diagnostizieren, wenn Lichtbestrahlung, zum Beispiel am Gesäß, die typischen, juckenden und flüchtigen Quaddeln auslöst.
Mit welcher Art Licht wird die Diagnose Lichturtikaria beim Provokationstest gestellt?
Die Provokationstestung wird mit UVA, UVB und sichtbarem Licht durchgeführt, um das auslösende UV-Spektrum und die auslösende Dosis, also die minimale urtikarielle Dosis, einzugrenzen.
Wenige Minuten nach Fotoprovokation mit UVA-1 bei allen drei Dosierungen (10, 30 und 60 J/cm²) Auftreten stark juckender Quaddeln
Wie sieht bei der Lichturtikaria die Therapie aus? Muss man die Sonne und alle Lichtquellen stets meiden?
Bei einer Lichturtikaria sollte man Licht in jeder Form meiden. Aber: Nur bei wenigen Patienten reichen konsequente Lichtschutzmaßnahmen wie Lichtschutzfilter, UV-dichte Kleidung, Kopfbedeckung, UV-Schutzfolien für Fenster etc., bezogen auf das jeweilige Lichtspektrum, aus. Zu beachten ist, wie gesagt, dass auch im Schatten UV-Licht vorkommt und auch UV-A-Licht durch Fenster- und Windschutzscheiben dringt. Deshalb ist bei sichtbarem Licht eine Meidung nicht wirklich möglich.
Gibt es Medikamente, bzw. Tabletten gegen Lichturtikaria: Welche Behandlung kann helfen?
Bei einer Lichturtikaria ist die medikamentöse Therapie der ersten Wahl der Einsatz von modernen H1-Antihistaminika. Das ist, leitliniengerecht, gegebenenfalls auch in erhöhter Dosierung möglich, bis zur vierfachen Dosis. Sollte dies nicht ausreichen, kann vor Beginn der sonnenreicheren Saison ein UV-Hardening versucht werden. Unter UV-Hardening versteht man eine gezielte Gewöhnung an das Licht durch Anwendung ansteigender Dosierungen mit dem auslösenden UV-Spektrum. Eine weitere Möglichkeit für therapie-resistente Betroffene ist das monatliche Spritzen von Omalizumab, einem Anti-IgE-Antikörper, unter die Haut. Omalizumab ist ein Biologikum, das bisher allerdings nur für die Behandlung der chronischen spontanen Urtikaria zugelassen ist. Das bedeutet, dass bei der solaren Urtikaria eine off-label-Anwendung besteht.
Welche Erfahrungen hat man mit der Diagnose und Behandlung der Lichturtikaria gemacht?
Da die Lichturtikaria so selten vorkommt, gibt es bisher noch nicht so viele Erfahrungen und auch keine zugelassene Therapie. Die Behandlung kann schwierig sein.
In den Leitlinien wird für die Lichturtikaria-Therapie, wie bei anderen induzierbaren Urtikariaformen auch, das Folgende empfohlen:
- das Meiden des Auslösers
- die Gabe von modernen H1-Antihistaminika
- Photohardening
- Omalizumab
Weitere Möglichkeiten der Therapie einer solaren Urtikaria, mit positiven Einzelfallbeschreibungen, sind:
- Plasmapherese
- Ciclosporin A
- Photopherese
- Plasmaaustausch
- intravenöse Immunglobuline
- (Hydroxy-)Chloroquin
Ist bei der Lichturtikaria auch das Bestimmen einer Reizschwelle relevant?
Der Erfolg der Behandlung kann durch Veränderung der Reizschwelle, der minimalen urtikariellen Dosis, vor und unter der Therapie, beurteilt werden.
Frau Prof. Wedi, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S.Jossé/B.Wedi, www.mein-allergie-portal.com
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