Knieimplantat - Metallunverträglichkeit - Kontaktallergie?
Beim Stichwort Kontaktallergie denken die meisten Menschen zunächst an allergische Reaktionen an der Haut. Tatsächlich kann es jedoch auch im Körperinneren zu Kontaktallergien kommen, z.B. durch eine Metallallergie auf die in einem Knieimplantat verwendeten Metalle. Häufig werden für Knieprothesen Nickel-Chrom-Kobalt-Legierungen eingesetzt und diese enthalten klassische Kontaktallergene. Wie kommt es zur Allergie auf Knieimplantate? Wie erkennt man eine Metallallergie? Wie kann man sie vermeiden? Was tun, wenn bereits allergische Reaktionen auftreten? Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) sprach mit MeinAllergiePortal über Allergien auf Knieimplantate.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller
Herr Prof. Heller, wie häufig kommt es nach dem Einsetzen einer Knieprothese zu Unverträglichkeitsreaktionen?
In der Öffentlichkeit entsteht manchmal der Eindruck, Kontaktallergien auf Knieimplantate seien ein häufiges Phänomen, tatsächlich sind sie jedoch extrem selten. Rund 165.000 Knieimplantate werden in Deutschland jährlich implantiert 1), aber bei sicherlich nur unter 1 Prozent der Patienten kommt es zu allergischen Reaktionen auf diese Implantate.
In Zukunft könnte sich dies jedoch ändern, denn die Patienten, die eine Knieprothese erhalten, werden immer jünger und jüngere Menschen leiden deutlich häufiger an Allergien als ältere Menschen. Auch Frauen neigen häufiger zu Allergien und 70 Prozent der Knieimplantat-Patienten sind Frauen.
Bestehen die Allergien in der Regel bereits oder werden Sie durch die Prothesen hervorgerufen?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt Patienten, die z.B. bereits vor dem Einsatz einer nickelhaltigen Knieprothese eine Kontaktallergie auf Nickel hatten und dies daran bemerkten, dass sie nickelhaltigen Modeschmuck nicht vertrugen. Allerdings bedeutet eine allergische Reaktion auf ein bestimmtes Metall an der Haut nicht unbedingt, dass ein Patient auch auf ein Implantat allergisch reagiert, das dieses Metall enthält.
Es kann aber auch sein, dass Patienten, die vorher nie eine Kontaktallergie auf Metalle hatten, auf die Metalle im Implantat allergisch reagieren. Eine Metallallergie muss nicht unmittelbar nach dem Eingriff auftreten. Sie kann sich langsam entwickeln, meist innerhalb der ersten drei Jahre nach der Operation.
Woran merkt der Patient, dass er eine Kontaktallergie auf sein Knieimplantat hat?
Treten nach dem Einsatz eines Knieimplantats Schmerzen, Schwellungen und Entzündungen im Knie auf, verschlechtert sich die Gehfähigkeit, könnte dies viele Ursachen haben. Häufige Gründe sind z.B. eine bakterielle Entzündung oder eine Fehlstellung bzw. Lockerung des Implantats. Auch auf einen gewissen Abrieb durch Verschleiß kann es zu, meist dumpfen, Schmerzen und Schwellungen am Knie kommen. Dies sollte also zunächst abgeklärt werden.
Seltener können Kniebeschwerden durch eine allergische Reaktion auf eines der Metalle in der Nickel-Chrom-Kobalt-Prothese hervorgerufen werden. Eine Metallallergie auf die Knieprothese entwickelt sich, wie gesagt, in den ersten drei Jahren nach Einsatz der Prothese. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es nach jahrelanger Beschwerdefreiheit plötzlich zu einer allergischen Reaktion kommt.
Besteht tatsächlich eine Metallallergie auf das Knieimplantat, beschränken sich die Beschwerden in der Regel allein auf das Knie. In extrem seltenen Fällen kann es auch an anderen Körperregionen zu Symptomen kommen. Möglich sind dann z.B. ein Ausschlag, Juckreiz oder Rötungen an der Haut, Schwellungen oder Kopfschmerzen.
Was genau löst die Metallallergie, d.h. die allergische Reaktion auf die Knieprothesen aus?
Bei Knieprothesen werden häufig Nickel-Chrom-Kobalt -Legierungen verwendet, weil diese ausgesprochen lange haltbar sind. Im Laufe der Zeit entsteht durch die ganz normale Bewegung des Knies ein feiner Metallabrieb, was bei Gelenkprothesen durchaus üblich und keineswegs problematisch für den Patienten ist. Problematisch wird der Metallabrieb erst dann, wenn das umliegende Gewebe mit allergischen Reaktionen auf eines der Metalle reagiert.
Welches Metall löst die Kontaktallergie auf das Knieimplantat aus, Nickel, Chrom oder Kobalt?
In der Vergangenheit ging man davon aus, dass Nickel die Hauptursache für die Allergie auf die Knieprothese ist. Mit der Zeit gibt es aber immer mehr Anhaltspunkte dafür, dass nicht Nickel, sondern Chrom und Kobalt die Auslöser der allergischen Reaktionen sind. Eine Arbeitsgruppe in Hamburger konnte z.B. in typischen „Allergiegeweben“ einen extrem hohen Kobalt- und Chromgehalt nachweisen, aber keinen erhöhten Nickelgehalt.
Auch beim Knochenzement Polymethylmethacrylat (PMMA) können Patienten auf einen Bestandteil reagieren, der allerdings flüchtig ist.
Gibt es für Knieprothesen verträglichere Alternativen zu den Nickel-Chrom-Kobalt–Legierungen?
Alternativ zu den Nickel-Chrom-Kobalt -Legierungen kann man am Knie Titan-Implantate einsetzen, die deutlich seltener Allergien auslösen. Auch diese Modelle bestehen aus Nickel-Chrom-Kobalt –Legierungen, die jedoch mit einer Titan-Keramik- Beschichtung quasi „versiegelt“ ist. Es gibt auch Multi-Layer-Modelle, bei denen der Prothesenkern durch sieben verschiedene Schichten abgesichert ist.
Beide Modelle sind sehr hochwertig, so dass ein Abrieb der Schutzschichten weitgehend ausgeschlossen werden kann. Es gibt zwar keine langjährigen Erfahrungen mit diesen relativ neuen Produkten, aber es gibt auch keine Hinweise auf eine schnellere Abnutzung. Allerdings: Völlig unmöglich ist eine Kontaktallergie auch bei diesen Modellen nicht.
Weiter sind Titan-Implantate und Multi-Layer-Modelle durchschnittlich 500 € teurer - als die Nickel-Chrom-Kobalt –Legierungen, die mit den Fallpauschalen für Knieimplantate abgedeckt sind. Es ist deshalb nicht möglich, für Knieprothesen standardmäßig Titanlegierungen zu nutzen – sie werden nur bei Patienten mit Allergien eingesetzt.
Wie erfolgt die Diagnose einer Allergie auf die Knieprothese?
Um andere, wahrscheinlichere, Ursachen für die Kniebeschwerden als eine Metallallergie auszuschließen, würde man zunächst bildgebende Verfahren einsetzen. So könnte man z.B. sehen, ob die Kniebeschwerden eventuell auf eine Lockerung der Prothese zurückzuführen sind.
Ebenso könnten die Beschwerden durch Abrieb der Kunststoffschicht, die im Implantat den Meniskus ersetzt, hervorgerufen werden. Je nachdem, wie das Knie belastet wird bzw. wie das Implantat eingesetzt wurde, kann es bei dieser Kunststoffschicht zu einem Verschleiß kommen, was sich an einer asymmetrischen Darstellung bei den bildgebenden Verfahren zeigen würde.
Um zu überprüfen, ob eine Allergie der Auslöser der Kniebeschwerden nach dem Einsatz eines Knieimplantats ist, würde man zunächst die klassische Allergiediagnostik an der Haut und am Serum einsetzen. Findet man hier Sensibilisierungen, muss dies jedoch nicht bedeuten, dass es auch beim Gewebe des Körperinneren zu allergischen Reaktionen kommt, denn die Zellen der Haut und der Gelenkschleimhaut unterscheiden sich deutlich.
Letztendliche Klarheit gibt eine Arthroskopie, d.h. eine Gelenkspiegelung. Dabei handelt es sich um eine minimal-invasive Maßnahme, bei der über kleine Schnitte im Knie ein Arthroskop, das ist im Prinzip ein Endoskop, eingeführt wird. Es werden kleine Gewebeproben entnommen und in einem pathologischen Labor untersucht. Dabei geht es darum, eine allergische Reaktion von einer bakteriellen Infektion abzugrenzen, die ähnliche Beschwerden hervorrufen kann. Ein Hinweis darauf, dass die Schmerzen im Knie durch eine allergische Reaktion auf die Metalle Knieprothese hervorgerufen wurden, ist die starke Vermehrung bestimmter Entzündungszellen.
Was kann man tun, wenn eine Unverträglichkeit der Knieprothese erwiesen ist?
Besteht tatsächlich eine Metallunverträglichkeit auf die im Knieimplantat vorhandenen Metalle, kann man zunächst versuchen, die Beschwerden durch eine Behandlung mit Kortison in den Griff zu bekommen. Gelingt dies nicht, muss die Knieprothese durch ein anderes Modell ersetzt werden. Eine verträgliche Alternative ist, wie gesagt, ein Implantat aus Titannitrid.
Der Austausch eines Knieimplantats ist ein großer Eingriff, weil das eingebaute Implantat ja zunächst wieder entfernt werden muss, bevor ein neues eingesetzt werden kann. Um das bestehende Implantat aus seiner Verankerung im Knochen zu lösen, muss weitere Knochensubstanz entfernt werden. Das bedeutet, dass die neue Prothese größer ausfallen muss, als die bestehende.
Da man bei jedem erneuten Eingriff nach Einsatz eines Implantats in bereits vorgeschädigtes Gewebe eindringt, steigen zudem die Risiken für die Verletzung von Nerven und Gefäßen. Auch das Risiko für eine verstärkte Narbenbildung wächst mit jedem erneuten Eingriff. Ich würde deshalb den betroffenen Patienten raten, eine Fachklinik für Orthopädie zu konsultieren, die sich mit Wechseloperationen auskennt und diese in hoher Zahl durchführt.
Welche Maßnahmen sollten vor dem Einsatz der Knieprothese getroffen werden?
Steht der Einsatz einer Knieprothese an, sollte es der Patient dem Arzt auf jeden Fall mitteilen, wenn er in der Vergangenheit allergische Reaktionen auf Metall gezeigt hat. Dies gilt für allergische Reaktionen auf Modeschmuck, Reißverschlüsse etc. genauso wie für Reaktionen auf Zahnimplantate etc..
Bestätigen dann Prick-Test und IgE-Test die Sensibilisierungen auf die in der Knieprothese eingesetzten Materialien, heißt dies zwar nicht unbedingt, dass es auch an der Gelenkschleimhaut des Knies zu allergischen Reaktionen kommen würde. Vorsichtshalber sollt man jedoch den Einsatz einer anti-allergischen Multilayerprothese bevorzugen.
Herr Prof. Heller, herzlichen Dank für dieses Interview!
Quellen:
1) https://www.endoprosthetics-guide.com/wir-uber-uns-2/
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Josse/K.D. Heller, www.mein-allergie-portal.com
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