Exogen-allergische Alveolitis beim Kind: Symptome, Diagnose, Therapie
Die exogen-allergische Alveolitis (EAA) gehört nicht zu den typischen und häufigen Allergien des Kindesalters. Dabei kommt es zu einer Entzündung der Alveolen, der Lungenbläschen. Die Symptome können sehr vielfältig sein und ähneln teilweise auch den Symptomen anderer Erkrankungen. Die Diagnose ist nicht einfach, und so kann sich die Therapie verzögern. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Jens-Oliver Steiß, Facharzt für Kinder und Jugendmedizin, Allergologie und Kinder-Pneumologie in Fulda und Oberarzt an der Universitäts-Kinderklinik Gießen.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Jens-Oliver Steiß
Herr Prof. Steiß, was für eine Krankheit ist die exogen-allergische Alveolitis?
Eine exogen-allergische Alveolitis ist eine immunologisch vermittelte, also allergisch bedingte, Entzündungsreaktion des Lungenparenchyms, des Lungengewebes. Gemeint sind die winzigen Lungenbläschen, die Alveolen, einschließlich des benachbarten Zwischenzellgewebes. Die Entzündungsreaktion ist eine Antwort auf Reizungen des Atemwegssystems, die „exogen“, also „von außen“ kommen. Daher der Name „exogen-allergische Alveolitis.
Ist eine „Hypersensitivitätspneumonitis“ ein Synonym für exogen-allergische Alveolitis?
Die exogen-allergische Alveolitis (EAA) ist eine allergisch bedingte Entzündung des Lungengewebes, die durch das wiederholte Einatmen von organischen Partikeln, zum Beispiel Schimmel, Vogelfedern, Holzstaub, ausgelöst wird, gegen die die Betroffenen sensibilisiert sind. Daher wird die EAA auch als Hypersensitivitätspneumonitis bezeichnet. Somit handelt es sich um ein Synonym.
Ist die exogen-allergische Alveolitis eine typische Allergie?
Die exogen-allergische Alveolitis ist eine komplexe Immunkrankheit mit einer Kombination von humoraler Typ III- und zellulärer Typ IV- Reaktion. Bei diesen Reaktionen handelt es sich um eine Allergie vom verzögerten Typ. Das ist eine seltenere Variante der allergischen Reaktion. Normalerweise sind etwa 90 Prozent der Allergien im Kindesalter Typ I Reaktionen vom Soforttyp. Ein Beispiel hierfür ist der klassische Heuschnupfen. Hier reagieren die Patienten beim Kontakt mit den Pollen sofort mit den typischen Allergiesymptomen.
Welche Allergene können die exogen-allergische Alveolitis auslösen?
Die exogen-allergische Alveolitis kann durch das Einatmen „infektiöser“ Allergene, wie beispielsweise Bakterien, Schimmel - wie zum Beispiel Aspergillus -, Vogelfedern oder Holzstaub ausgelöst werden. Aber auch „toxische“, giftige Substanzen, wie zum Beispiel Gase, können eine EAA auslösen. Gase sind bei Kindern allerdings eher nicht die Ursache der exogen-allergischen Alveolitis. Eine durch toxische Substanzen am Arbeitsplatz verursachte EAA wird vor allem bei Erwachsenen beobachtet. Die exogen-allergische Alveolitis kann auch eine Berufskrankheit sein.
Die Liste der Antigene, von denen bekannt ist, dass sie eine exogen-allergische Alveolitis hervorrufen, ist sehr lang. Oft spiegelt der Name der Erkrankung die Berufsgruppe oder das Hobby des Patienten wider, zum Beispiel Farmerlunge oder Vogelhalterlunge, Vogelzüchterlunge oder Taubenzüchterkrankheit.
Die Auslöser der exogen-allergischen Alveolitis werden in 5 Kategorien unterteilt:
- Bakterien
- Schimmelpilze
- Mykobakterien (Mykoplasmen und Chlamydien, die auch Lungenentzündungen verursachen können)
- Proteine
- Chemische Produkte
Wie häufig ist die exogen-allergische Alveolitis bei Kindern?
Epidemiologische Daten über die Prävalenz und Altersverteilung speziell im Kindesalter bei der exogen-allergischen Alveolitis fehlen. Es ist mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen; denn die Inzidenz der exogen-allergischen Alveolitis bei Kindern ist nicht bekannt.
Bisher verfügbare Informationen stammen aus Falldarstellungen und kleinen Serien von Patienten. Insgesamt rechnet man bei inhalativ verursachter exogen-allergischer Alveolitis in Deutschland in Deutschland mit etwa 2,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.
Was passiert bei einer exogen-allergischen Alveolitis im Körper?
Die allergische Entzündung in den Alveolen, den Lungenbläschen, ist eine zwei-phasige Reaktion. Zunächst wandern neutrophile Granulozyten aus dem Blut ein, gefolgt von der lymphozytären Phase der Alveolitis.
Tritt die exogen-allergische Alveolitis allein auf oder ist sie eine Folge anderer Erkrankungen?
Die exogen-allergische Alveolitis ist eine Ersterkrankung.
Wie sehen die Symptome der exogen-allergischen Alveolitis aus?
Die häufigsten Symptome der exogen-allergischen Alveolitis sind:
- Trockenes Hüsteln
- Luftnot bei körperlicher Anstrengung (Belastungsdyspnoe)
- Husten
- Feinblasige Rasselgeräusche beim Atmen
- Sauerstoffmangel im Blut (Hypoxämie)
- Blausucht (Zyanose)
Seltene Symptome der exogen-allergischen Alveolitis sind:
- Fieber
- Schwitzen
- Frösteln
- Müdigkeit
Gibt es verschiedene Krankheitsstadien bei der exogen-allergischen Alveolitis?
Die EAA wird heute in eine akute und chronische Verlaufsform eingeteilt.
Die akute Verlaufsform der EAA ist dadurch gekennzeichnet, dass es 4 bis 12 Stunden nach einer wiederholten und intensiven Allergenexposition zu plötzlichen grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Reizhusten und Abgeschlagenheit kommt. Nach Allergenkarenz werden die Patienten in der Regel innerhalb von 24 bis 48 h ohne Therapie wieder beschwerdefrei.
Bei der chronischen Form der EAA kommt es demgegenüber ständig zum Kontakt mit kleinen Allergenmengen. Die allergischen Reaktionen verursachen einen bindegewebsartigen Umbau des Lungenzwischenzellgewebes und eine Verdickung der Alveolenwände, also der Blut-Luft-Schranke, was den Gasaustausch behindert. Die zunehmende Atemnot bei körperlicher Anstrengung steht daher an erster Stelle. Das führt zu einer schleichenden Entwicklung von unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, einem langsamen Leistungsabfall mit Krankheitsgefühl, und – nicht selten – zu einer auffälligen Gewichtsabnahme. Bei der chronischen Form der EAA ist die Prognose schlechter als bei der akuten, da die Veränderungen des Lungengerüsts auch bei Meiden des Allergens teilweise bestehen bleibt. Bei schweren Formen kann die EAA eine fortschreitende Lungenfibrose zur Folge haben.
Wann kommt es bei der exogen-allergischen Alveolitis zu Allergiesymptomen?
Die Betroffenen reagieren bei der exogen-allergischen Alveolitis zumeist nicht unmittelbar nach Allergenkontakt, sondern erst mit einer gewissen Verzögerung. Die Symptome treten ca. vier bis acht Stunden nach Allergeninhalation auf und klingen meist 12 bis 48 Stunden nach Allergenkarenz wieder ab. Nicht selten kommt es aber auch erst Wochen oder Monate nach dem Antigen-Kontakt zu Symptomen.
In pädiatrischen Fallberichten werden die meisten Fälle als Reaktion auf Proteine oder Kotstaub von Vögeln beschrieben. Die Exposition dauert meist Wochen, unter Umständen bis hin zu Jahren, bevor es zu ersten Symptomen einer exogen-allergischen Alveolitis kommt.
Wie stellt man bei der exogen-allergischen Alveolitis die Diagnose?
Die Diagnose einer Sensibilisierung erfolgt bei der exogen-allergischen Alveolitis durch den Nachweis spezifischer Antikörper. Verwendet werden Allergietests, wie ELISA oder der Immunfluoreszenz Test vom IgG Typ im Serum. Die Antigene, die bei exogen allergischer Alveolitis eine Rolle spielen, sind unter anderem in Aerosolen, Dämpfen, Bakterien, Schimmelpilzen und Gasen enthalten. Die Partikelgröße dieser Substanzen ist meist kleiner als 5 µm. Ein wichtiger Hinweis: Im Gegensatz zu den klassischen Allergietests weisen wir bei der Diagnose der exogen-allergischen Alveolitis nicht IgE-Antikörper, sondern IgG-Antikörper nach.
Es gibt jedoch keine definitiven diagnostischen Tests für die EAA. Unter den verschiedenen vorgeschlagenen diagnostischen Kriterien eignen sich folgende besonders zur Verifizierung der Diagnose der exogen-allergischen Alveolitis:
- Antigenexposition
- Expositions- und/oder zeitabhängige Symptome
- Spezifische IgG-Antikörper im Serum
- Knisterrasseln
- Typische Veränderungen im konventionellen Röntgenbild oder im HR-CT
- pO2 in Ruhe und oder bei Belastung erniedrigt oder verminderte Diffusionskapazität
Sind alle 6 Kriterien erfüllt, liegt eine exogen-allergische Alveolitis vor.
Und wie stellt man die Diagnose bei der exogen-allergischen Alveolitis, wenn eines dieser Kriterien fehlt?
Fehlt eines der Kriterien, kann dieses Kriterium durch eine der folgenden Kriterien ersetzt werden:
- Lymphozytose in der bronchoalveolären Lavage
- Typische histologische Merkmale
- Positiver Karenztest
- Positive inhalative Exposition oder Provokationstestung
Was sieht man, wenn man die Lunge eines Patienten mit exogen-allergischer Alveolitis mit bildgebenden Verfahren untersucht?
Radiologisch weisen die meisten Kinder bereits eine auffällige Thoraxübersichtsaufnahme auf. Dabei finden sich netzförmige und knötchenartige (retikulonoduläre) Veränderungen. Auch sieht man eine interstitielle, das heißt eine dazwischenliegende, Zeichnungsvermehrung in den Bronchien. In der hochauflösenden Computertomographie (CT) wird zumeist eine milchglasartige Trübung, eine netzförmige (feinretikuläre) Zeichnungsvermehrung mit Knötchen festgestellt. Bei fortgeschrittener Erkrankung sieht man ein Honigwabenmuster oder Bronchiektasen, das sind irreversible Ausweitungen einer Bronchie. Lungenfunktions- analytisch wegweisend ist eine restriktive Ventilationsstörung. Das ist eine Störung der Atmung, bei der das Lungenvolumen und die Dehnbarkeit der Lunge vermindert sind. Dies geht einher mit reduzierter Diffusionskapazität, das heißt mit reduzierter Kapazität des Sauerstoffaustauschs der Lunge.
Wann sollte man an eine exogen-allergischen Alveolitis denken?
Der Verdacht auf eine exogen-allergische Alveolitis liegt immer dann nahe, wenn ein Kind die folgenden Symptome hat:
- starke Atemwegsprobleme
- Hypoxämie, eine Sauerstoffunterversorgung und bläuliche Verfärbung verschiedener Gewebe
- Restriktive Lungenfunktionsstörung
Im typischen Fall bilden sich die Beschwerden im Krankenhaus, unter Allergenkarenz, mit und ohne Therapie, rasch zurück und treten anschließend zu Hause bei erneutem Allergenkontakt rasch wieder auf.
Kann man die exogen-allergische Alveolitis mit anderen Atemwegserkrankungen verwechseln?
Die Diagnose einer exogen-allergischen Alveolitis kann schwierig sein, da eine Reihe der Zeichen und Beschwerden den Symptomen infektiöser oder anderer respiratorischer Krankheiten ähnlich sind.
Differenzialdiagnostisch müssen bei verlängertem Krankheitsverlauf, Leistungsabfall, Gewichtsverlust und Fieber die folgenden Erkrankungen ausgeschlossen werden:
- Tuberkulose
- HIV-Infektion
- Rezidivierende Pneumonien
- Wegener-Granulomatose
- Sarkoidose
- Idiopathische Lungenfibrose als weitere interstitielle Lungenerkrankung
- Maligne Erkrankungen
Kann man durch die exogen-allergische Alveolitis auch ein allergisches Asthma entwickeln?
Bei EEA ist die Erkrankung im Lungengewebe und den Lungenbläschen, nicht wie beim Asthma bronchiale in den Bronchien lokalisiert. Nach dem Allergenkontakt treten die Symptome bei akuter EEA etwas zeitlich versetzt (um wenige Stunden) auf, im Gegensatz zum allergischen Asthma mit Sofortreaktion. Die Lunge bei EEA zeigt Verdichtungen und es werden evtl. IgG-Antikörper nachgewiesen. Bei Asthma hingegen liegt eine wechselnde Verengung der Atemwege (reversible Obstruktion) vor, die Lunge ist überbläht und es können evtl. Antikörper vom IgE-Typ nachgewiesen werden. Fazit: Durch eine EAA kann sich kein allergisches Asthma entwickeln, jedoch können Patienten mit einem Asthma bronchiale bei entsprechender Exposition auch eine EAA bekommen.
Was passiert, wenn man die exogen-allergische Alveolitis nicht rechtzeitig erkennt und behandelt?
Bestehen die Allergenexposition und die exogen-allergische Alveolitis über einen langen Zeitraum, kann sich eine chronische Form der exogen-allergischen Alveolitis entwickeln.
Welche Komplikationen können bei der exogen-allergische Alveolitis auftreten?
Mögliche Komplikationen chronischer Fälle schließen die folgenden Symptome ein:
- Trommelschlegelfinger
- Bluthusten
- Lungengefäßhochdruck (pulmonale Hypertonie).
Sie sagten, dass als Auslöser der exogen-allergischen Alveolitis auch Gase in Frage kommen. Als Auslöser von Allergien gelten eigentlich Proteine, wie kommt bei der EAA die Allergie ins Spiel?
Eine Allergie setzt immer eine immunologische Reaktion voraus. Beim allergischen Asthma bronchiale oder der allergischen Rhinokonjunktivitis handelt es sich um eine Typ I-Reaktion, bei der IgE Antikörper eine wichtige Rolle spielen. Bei der exogen-allergischen Alveolitis handelt es sich um eine Kombination aus einer Typ III- und Typ IV- Reaktion (Immunkomplexe beziehungsweise zellvermittelt).
Welche Auslöser der exogen-allergischen Alveolitis sind bei Kindern am häufigsten?
Die häufigste Form der exogen-allergischen Alveolitis im Kindesalter ist die Vogelhalterlunge, die von Federn und/oder Kotstaub der Vögel hervorgerufen wird. Dabei reicht bereits ein einziges Tier im Haushalt aus, um eine exogen-allergischen Alveolitis auszulösen.
Wie sieht die Therapie der exogen-allergischen Alveolitis aus?
Wichtigste therapeutische Maßnahme bei der exogen-allergischen Alveolitis ist die Allergenkarenz. Dabei sollten aber mögliche Kreuzreaktionen berücksichtigt werden. So sollten zum Beispiel Patienten mit einer Taubenzüchterlunge auch den Kontakt mit Ziervögeln, Enten, Gänsen und Hühnern meiden.
Meist wird eine zusätzliche systemische Steroidtherapie mit Kortison befürwortet. Das dient dazu, akute, immunologische Prozesse rasch zu unterdrücken. Systematische Studien, die die Wirksamkeit belegen, stehen allerdings noch aus.
Da die exogen-allergische Alveolitis allergisch bedingt ist, könnte eine Hyposensibilisierung helfen?
Wie bereits erwähnt handelt es sich bei der EAA um eine Kombination aus einer Typ III- und Typ IV-Reaktion. Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) hingegen eignet sich für Patienten mit IgE-vermittelten Typ-I-Allergien, vor allem bei Allergien gegenüber Pollen sowie gegen Hausstaubmilben, Tierhaaren, Insektengiften oder Schimmelpilzen. Somit kann bei der EAA keine spezifische Immuntherapie eingesetzt werden.
Ist eine exogen-allergische Alveolitis heilbar?
Der Verlauf einer exogen-allergischen Alveolitis hängt letztendlich von der Karenz ab. Die Prognose im Einzelfall ist sehr unterschiedlich, Sie erstreckt sich von kompletter Heilung bis hin zur Lungenfibrose.
Haben Patienten mit einer exogen-allergischen Alveolitis eine geringere Lebenserwartung?
Bei strikter Allergenkarenz wird zumeist bei akuter EEA eine vollständige Heilung erreicht. Entzündliche Veränderungen sind auch medikamentös gut behandelbar, narbige Bezirke lassen sich hingegen nicht mehr beeinflussen. Insofern ist bei der chronischen Form die Prognose schlechter, da die Veränderungen des Lungengerüsts auch bei Meiden des Allergens bestehen bleiben. In späten Stadien der Lungenfibrose können Komplikationen wie Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie) und Herzschwäche (Rechtsherzinsuffizienz infolge eines Cor pulmonale) die Prognose und die Überlebenschancen verschlechtern. Dies ist jedoch im Kindesalter selten.
Herr Prof. Steiß, herzlichen Dank für das Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/J.-O. Steiß, www.mein-allergie-portal.com
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