IgG-Wert: Was sagt ein IgG-Test aus, was nicht?
Was ist ein IgG-Test und welche Aussagekraft hat er? Was ist der Unterschied zum IgE-Test? Das sollten Patienten wissen, denen der IgG-Bluttest angeboten wird. Allergologen und Oecotrophologen sehen die Aussagekraft von IgG-Bluttests kritisch. Warum das so ist, darüber sprach MeinAllergiePortal mit Dipl oec. troph. Sonja M. Mannhardt, Gesundheitsmanagement, Schliengen.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Dipl oec. troph. Sonja M. Mannhardt
Frau Mannhardt, was ist ein IgG-Test?
Ein IgG-Test ist ein Bluttest, der das Vorhandensein von Immunglobulin G im Blut misst. Zum Teil wird er von Ärzten und Heilpraktikern empfohlen. Er wird aber auch im Internet angeboten und dann ist es für Patienten auch möglich, diesen Test selbstständig zu Hause durchzuführen und an ein Labor zu schicken. Die Ergebnisse werden dann online zur Verfügung gestellt oder dem Patienten zugeschickt.
Welche Aussagekraft hat der IgG-Test? Ist der Test sinnvoll?
Gar keine! Die Patienten hoffen, dass sie durch IgG-Tests erfahren, auf welche Nahrungsmittel sie allergisch sind oder unverträglich reagieren. Dafür haben die IgG-Tests aber keine Aussagekraft, denn sie geben nur wieder, welche Nahrungsmitteln der Patient irgendwann einmal gegessen hat.
Wie wird die Diagnose gestellt, ohne einen IgG-Bluttest?
Es gibt daher kein besseres diagnostisches Instrument in der Medizin, als ein eingehendes Anamnesegespräch, das Führen eines genauen Beschwerdeprotokolls- und eines Ess-/Trink-Tagebuchs. Die genaue Beobachtung des Betroffenen selbst und das nachfolgende, sehr detaillierte Gespräch zwischen Mediziner oder Ernährungstherapeut und Patient, bilden die Grundlage für eine klare Diagnose. Erhöhte IgG-Werte, die in keinem kausalen, konkreten Zusammenhang mit den Beschwerden stehen, sind vollkommen bedeutungslos, wenn nicht gar gefährlich. Leider gilt genau dieses für die IgG-Tests im Speziellen.
Warum wollen trotz dieser Erfahrungen dennoch viele Patienten eine IgG-Untersuchung machen?
Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich zunächst die Position der Betroffenen einnehmen. Menschen, die "Unverträglichkeitssymptome" haben, suchen nach Hilfe, nach Unterstützung, nach Klarheit. Sie wollen wissen, was sie haben, wollen wissen, woher ihre Beschwerden kommen, wollen etwas tun, damit es ihnen besser geht. Da ist es verständlich, dass diese Menschen nach jedem Strohhalm greifen, der sich ihnen bietet. Nicht selten haben sie bereits eine Odyssee hinter sich. Grundsätzlich wird in diesem Zusammenhang die Labordiagnostik leider überschätzt. Patienten glauben, dass die sogenannten „IgG-Bluttests auf Nahrungsmittel“ besser in der Lage sind zu erkennen, was ihnen fehlt, als sie selbst.
Doch dem ist nicht so. Labordiagnostik bestätigt nur einen Verdacht, der vorher bereits bestand. Die Blutwerte eines IgE-Tests zum Beispiel, liefern Hinweise auf ein allergisches Geschehen (oder besser gesagt eine Sensibilisierung), sind aber niemals als Beweis zu verstehen, der unabhängig von Symptomen des Patienten gilt.
Was macht die IgG-Tests aus Ihrer Sicht so gefährlich?
Gefährlich können IgG-Tests sein, weil der Patient zum einen durch diese Laborwerte noch immer nicht weiß, was genau von den zahlreichen "Bösewichten" tatsächlich seine Beschwerden verursacht. Zum anderen besteht für den Betroffenen die Gefahr, in eine Fehl- oder Mangelernährung oder gar in eine künstlich verursachte Essstörung hineinzugeraten.
Das liegt daran, dass er die vielen Lebensmittel, die im IgG-Testergebnis als „unverträglich“ bezeichnet werden, einfach weglässt. Nicht weil diese nachweislich Beschwerden verursachen, sondern häufig, weil sie auf einer "Verbotsliste" stehen. Ich kenne Menschen, die mit Listen zu mir in die Praxis kommen, auf denen mehr als 40 verbotene Lebensmittel stehen.
Das heißt, es gibt keinen Zusammenhang zwischen einer Allergie und dem IgG und ein IgG-Test ist auch nicht dazu geeignet, Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu testen?
Genau. Jeder bildet IgG. Die Tests gehen davon aus, dass VIELE dieser Antikörper bedeuten, man sei KRANK. Aber das ist nicht so. Ohne genaue Anamnese, ohne Rücksprache mit einem Arzt oder Ernährungstherapeuten sind solche Tests leider ohne Aussagewert. Darüber hinaus werden in den Testergebnissen der IgG-Tests mit Hilfe von Balkendiagrammen strikte Diäten empfohlen, die jedoch unter Umständen die Problematik verschärfen. Ich kenne leider Menschen, die massiv an Gewicht verloren haben und aufgrund der Tests eine massive Angst entwickelten, etwas Falsches zu essen - bis hin, dass sich daraus ein völlig gestörtes Essverhalten oder sogar eine manifeste Angst- und/oder Essstörung entwickelte.
Das heißt ein IgG-Test ist nicht geeignet zur Diagnose einer Nahrungsmittelallergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeit?
Auf keinen Fall! Ausführliche Anamnesegespräche, das Führen eines Beschwerdeprotokolls, sowie diätbegleitende Beratungsgespräche haben nicht stattgefunden. Auf meine Frage an Patienten, die diese Tests gemacht haben: "Sind Ihre Beschwerden denn jetzt vollkommen verschwunden?" antworten viele von ihnen häufig wie folgt: "Dann wäre ich nicht bei Ihnen, aber ich traue mich nicht mehr, diese Lebensmittel zu essen. Ich habe Angst etwas falsch zu machen." Die Tests sind teuer, beseitigen trotz strikter Befolgung der Listen selten die gesamten Beschwerden und doch halten Patienten an diesen Listen fest und entwickeln Ängste was das Essen anbelangt. Eine professionelle Diagnostik wird damit unmöglich gemacht. Und nochmal: Eine Nahrungsmittelallergie ist nicht gleichzusetzen mit einer gastroenterologischen, nicht immunologischen Nahrungsmittelunverträglichkeit. Da herrscht leider viel Verunsicherung und Unwissen.
Was kostet ein IgG-Test?
Es gibt Anbieter im Internet oder auch Heilpraktiker und einige Ärzte, die den IgG-Test anbieten. Die Kosten belaufen sich auf rund 400.- Euro. Es kann aber auch deutlich mehr sein. Das ist ziemlich viel Geld dafür, dass die Testergebnisse dieser IgG-Tests keine Aussagekraft haben.
IgG steht für Immunglobulin G, aber was genau bedeutet das? Was wird damit gemessen? Wodurch kommen diese Messergebnisse zustande? Und: Was sagen diese aus?
Um es ein wenig ironisch auszudrücken: Wenn jemand wissen möchte, mit welchen Lebensmitteln er bereits in Kontakt kam und daraufhin eine gewisse immunologische Toleranz entwickelt hat, der sollte IgG-Tests durchführen. Wer hingegen wissen möchte, ob er unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten leidet oder unter Nahrungsmittelallergien, ob er unter einem Reizdarmsyndrom leidet oder gar unter einer Zöliakie, ob er nun auf Fruchtzucker, Milchzucker und Weizen mit gastroenterologischen Symptomen reagiert oder unter einer echten Nahrungsmittelallergie der sollte zu einem Allergologen oder noch besser zu einer Ernährungsfachkraft gehen, die erst einmal die Spreu vom Weizen trennt, denn Beschwerden können vielfache Ursachen haben. Je nachdem, welche Symptome der Patient hat, müssen dann ganz unterschiedliche Tests durchgeführt werden, um einen Verdacht zu bestätigen. Aber sicher kein IgG-Test.
Was ist der Unterschied zwischen einem IgG-Test und einem IgE-Test, dem Goldstandard in der Allergologie?
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen kann man den Unterschied zwischen IgG-Tests und IgE-Tests so erklären: Immunglobuline haben die Aufgabe, zusammen mit anderen Zellen, körperfremde Stoffe abzuwehren. Es gibt viele Subgruppen (z.B. A, M, E, D). Die Subgruppe G ist insbesondere bei der Abwehr von Viren und Bakterien beteiligt, die Subgruppe E bei der Abwehr von Parasiten und bei allergischen Sofortreaktionen. Je nach Testverfahren, werden die unterschiedlichen Subgruppen im Blut ermittelt.
Um herauszufinden, welcher "Übeltäter" das betreffende Symptom auslöst, wird nach Hinweisen in der Krankengeschichte, dem Beschwerdeprotokoll und eventuell richtungsweisenden Hauttests auch nach spezifischen Immunglobulinen IgE gesucht. Werden solche Immunglobuline (IgE) gefunden, so bedeutet das, dass der Mensch auf das spezifische Lebensmittel bereits sensibilisiert ist und Antikörper entwickelt hat. Je kleiner dieser Wert ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Allergie. Sind die spezifischen IgEs hoch und reagiert der Mensch zusätzlich auf dieses Lebensmittel mit Sofortreaktionen, so ist eine Allergie wahrscheinlich. Bei Pseudoallergien und Intoleranzen haben IgE-Testungen keine Relevanz. IgG und IgG4-Antikörper finden sich auch bei gesunden Kontrollpersonen. IgG zeigt dann zum Beispiel an, ob ein Mensch, der viel Milch trinkt oder mal Mumps hatte, sich bereits mit Milch oder Mumps auseinandergesetzt hat. Der Immunoglobulin-Test zeigt aber aber nicht, ob er aktuell Mumps oder eine Unverträglichkeit auf Milch hat. Vielleicht wird mit diesem Beispiel der Unterschied klarer.
Wie sehen die normalen Blutwerte von IgG aus und was bedeutet ein erhöhter IgG-Wert im Blutbild, was ein niedriger Wert?
Ein erhöhter IgG-Wert im Blut bedeutet gar nichts. Jeder Mensch produziert Immunglobulin G. IgG sind sind ganz normale Antikörper, die jeder bildet, der mit einem Lebensmittel oder einem Erreger in Kontakt kommt. Es gibt keine Deutung dieses Blutwertes als„zu hoch“ oder „zu niedrig“. Genau das ist ja der Trugschluss, vergleichbar vielleicht mit: "Ich habe 10 Paar Pumps, die ich schon häufig getragen habe und 4 Paar Sneaker im Schrank, davon mag ich die einen lieber, als die anderen, aber Gummistiefel sagen mir gar nichts. Das ist doch weder gut noch schlecht, sondern einfach nur eine Feststellung."
Am ehesten kann man an einem IgG-Wert im Blut ablesen, womit unser Immunsystem bereits wiederholten Kontakt hatte, nicht mehr und nicht weniger. Meinen Patienten rate ich deshalb: Bitte machen Sie sich nicht verrückt, sondern führen Sie lieber ein Symptomtagebuch! Das hilft Ärzten und Ernährungstherapeuten im Anamnesegespräch deutlich mehr.
Manche Patienten, die ihre Ernährungsweise entsprechend der Ergebnisse eines IgG-Tests umgestellt haben, berichten von einer Verbesserung ihres Wohlbefindens – wie lässt sich dies erklären?
Wer viel Geld für etwas ausgibt, der profitiert einerseits von einem nicht zu unterschätzenden Placebo-Effekt, weil es sich ja rentieren muss. Andererseits ist es auch denkbar, dass sich ja tatsächlich unter all den Lebensmitteln, die weggelassen werden, dasjenige befindet, das die Beschwerden macht. Nur welches ist es konkret? Egal, ob Reizdarmsyndrom, Laktosemalabsorption, Fruktosemalabsorption, Sorbitintoleranz, Kreuzallergie, Zöliakie oder Allergie, bei all diesen Diagnosen reagieren die Patienten ja auf gewisse Nahrungsmittel.
Wenn aufgrund von IgG-Testungen Lebensmittel weggelassen werden, kann es ja durchaus sein, dass einige davon auch die Übeltäter sind. Nur eben nicht, weil die IgG-Testungen eine Diagnose gestellt haben, sondern weil die sich daran anschließende Diät zufällig einige problematischen Lebensmittel ausschließt. Ich muss in den Beratungen nahezu wieder von Null anfangen, um das herauszufinden. Ein Beispiel: Wenn Ihr Auto nicht mehr fährt und Sie gleichzeitig Öl nachfüllen, Benzin tanken, die Reifen aufpumpen, das Kühlwasser auffüllen und den Schlüssel ins Schloss stecken, ohne vorher eine genaue ANALYSE zu machen, woher wollen Sie wissen, was nun das Problem war? So ähnlich verhält es sich, wenn Menschen IgG-Tests machen.
Welche Konsequenzen kann es haben, wenn ein Patient seine Ernährung entsprechend der Ergebnisse eines IgG-Tests umstellt?
Die Beschwerden sind nicht weg oder sie sind besser, aber nicht weg, oder sie kommen nach kurzer Zeit sogar verstärkt wieder. Dadurch verstärken sich die Unsicherheiten in der Regel und die Odyssee der selbstauferlegten Diäten oder das Ärztehopping geht weiter. Der Mensch schränkt seine Lebensmittelauswahl noch weiter drastisch ein, ohne zu wissen, was denn tatsächlich Beschwerden macht. Die Gefahr, dass ernste Krankheiten übersehen werden steigt, ebenso die Gefahr für Fehl- und Mangelernährungszustände. Auch das Risiko, ein gestörtes Essverhalten zu entwickeln oder gar diffuse Ängste, sind nur einige Aspekte, die ich hier erwähnen möchte.
Was raten Sie Patienten, die einen IgG-Test gemacht haben und jetzt unsicher sind?
Ich rate dringend eine professionelle Ernährungstherapeutin aufsuchen, denn bevor eine Lösung gesucht wird, muss zunächst das Problem glasklar erkannt sein.
Frau Mannhardt, herzlichen Dank für dieses Interview!
Quellen
https://dgaki.de/wp-content/uploads/2010/05/Leitlinie_KeineIgG-TestsNahrungsmittel2009.pdf
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/S. Mannhardt, www.mein-allergie-portal.com
Lesen Sie auch
-
Eliminationsdiät bei Unverträglichkeiten: Was genau ist das?
-
Entzündung: Wie hilft antientzündliche Ernährung?
-
Eosinophile Ösophagitis: Wie diagnostizieren, wie behandeln?
Weitere Beiträge
Allergische Frühreaktionen & Spätreaktionen bei Nahrungsmittelallergie
News - Nahrungsmittelallergie und -unverträglichkeiten
- Urmilch: Hilft das bei milch-induzierter Eosinophiler Oesophagitis?
- Beifuß Allergie - Allergie auf Korbblütler: Symptome
- Allergisch auf Erdbeeren, gibt es das?
- Allergie auf Tomaten: Symptome & Maßnahmen
- Eosinophile Ösophagitis durch Reinigungsmittel?
- Sulfit-Intoleranz: Was kann man noch essen?
- Alpha-Gal-Syndrom? Fleischallergie? Symptome & Risiken
- Soja-Allergie - Soja-Unverträglichkeit : Was essen?