Kann man Asthma und COPD gleichzeitig haben?
Man kann durchaus Asthma und COPD gleichzeitig haben. Mit „Asthma-COPD-Overlap Syndrom“, kurz ACOS, wurde dehalb ein neuer Begriff eingeführt, der eine spezielle Variante chronischer Lungenerkrankungen beschreiben soll. Dahinter steht die Absicht, einem Phänomen einen Namen zu geben, das eine Mischung aus den Symptomen des Asthmas und den Symptomen der COPD (chronic obstructive pulmonary disease) darstellt. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier über Definition, Häufigkeit, Symptome und Behandlung beim Asthma-COPD-Overlap, auch als Überlappungssyndrom bezeichnet. Prof. Vogelmeier ist Direktor der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie am Universitätsklinikum Marburg und Mitglied des MeinAllergiePortal-Fachbeirats.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier
Herr Prof. Vogelmeier, was versteht man unter dem Asthma-COPD-Overlap?
Bei einem bestimmten Prozentsatz der Patienten ist es nicht möglich, die Diagnosen Asthma und COPD klar voneinander abzugrenzen. Bei diesen Patienten passt das Erkrankungsmuster weder genau zum klassischen Asthma noch zur klassischen COPD, denn es zeigen sich Facetten, die sowohl zu COPD als auch zu Asthma passen. Diese Patienten diagnostiziert man heutzutage zunehmend mit dem sogenannten „Asthma-COPD-Overlap Syndrom“ (ACOS) oder auch “Asthma-COPD-Overlap" (ACO). Zu dieser Patientengruppe gehören zum Beispiel Patienten mit einer COPD, die früher bereits einmal mit Asthma diagnostiziert wurden. Auch Patienten, die als erstes die Diagnose COPD erhalten und die dann im späteren Leben deutliche Anhaltspunkte für eine Allergie zeigen, können in diese Patientengruppe fallen.
Welche Symptome sind typisch für Asthma?
Typisch für Asthma ist die ist eine anfallartige Atemnot bzw. Atemnot-Anfälle, die durch unterschiedliche Trigger ausgelöst werden können.
Zu den klassischen Triggern für Asthma-Anfälle gehören zum Beispiel:
- Exposition gegenüber relevanten Allergenen
- Kalte Luft
- Körperliche Anstrengung
- Respiratorische Infekte
Typisch für den Asthmatiker ist, dass er, insbesondere nachts bzw. dezidiert in den frühen Morgenstunden, Husten und/oder Atemnot verspürt und deswegen aufwacht.
Welche Symptome sind typisch für COPD?
Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der typischen COPD eher um eine schleichende Entwicklung. Der Patient hat klassischerweise keine anfallsartige Atemnot. Vielmehr verspürt er eine zunehmende Atemnot bei körperlicher Anstrengung, möglicherweise in Verbindung mit Symptomen einer chronischen Bronchitis, das heißt Husten und/ oder Auswurf.
Hierzu muss man sagen, dass eine chronische Bronchitis üblicherweise mit Husten und Auswurf einhergeht, und in der Vergangenheit ging einer COPD klassischerweise eine chronische Bronchitis voraus. Mittlerweile sehen wir aber sehr viele Patienten, bei denen keine chronische Bronchitis auftrat, bevor sie über Luftnot klagten und eine COPD diagnostiziert wurde.
Unterscheiden sich die Symptome beim Asthma-COPD-Overlap von denen der Patienten, die nur Asthma oder nur COPD haben?
Laut aktueller Datenlage sind die Asthma-COPD-Overlap-Patienten schwerer belastet als Patienten, die nur COPD oder nur Asthma haben. Patienten mit Asthma-COPD-Overlap haben mehr Symptome und es kommt häufiger zu Exazerbationen, das heißt zu krisenhaften Verschlechterungen. Das bedeutet, Asthma-COPD-Overlap-Patienten müssen aus diesem Grund auch häufiger ins Krankenhaus.
Wie häufig kommt es zum Asthma-COPD-Overlap?
Auf Basis der existierenden Literatur zum Thema Asthma-COPD-Overlap Syndrom ist die Häufigkeit der Erkrankung sehr schwer zu schätzen, denn die Bandbreite der Studienergebnisse ist sehr groß. Es gibt Untersuchungen, die auf bis zu 50 Prozent vom Asthma-COPD-Overlap Syndrom (ACOS) betroffenen Patienten kommen.
Die Ursachen für die große Bandbreite der Untersuchungsergebnisse liegen darin, dass sie jeweils sehr unterschiedliche Definitionen verwendet haben. Es gibt aktuell noch keine allgemeinverbindliche Definition des Asthma-COPD-Overlap Syndrom (ACOS) und damit bleiben viele Untersuchungen schwer vergleichbar.
Aus meiner persönlichen Sicht, unter Berücksichtigung der Literatur und der eigenen Erfahrung, würde ich von ca. 10 bis maximal 20 Prozent Patienten ausgehen, deren obstruktive Lungenerkrankung nicht passgenau einer der Diagnosen Asthma oder COPD zuzuordnen ist. Das bedeutet, relativ viele Patienten sind betroffen. Die Bezeichnung dieser „Mischung“ aus Asthma und COPD als Asthma-COPD-Overlap Syndrom birgt aus meiner Sicht aber ein gewisses „Verwirrungspotenzial“.
Warum ist die Bezeichnung einer Mischung aus Asthma und COPD mit „Asthma-COPD-Overlap“ verwirrend?
Sowohl bei Asthma als auch bei COPD handelt es sich um Erkrankungen, die jeweils für eine Vielzahl unterschiedlicher „Erkrankungszustände“ stehen - Asthma ist nicht gleich Asthma und COPD ist nicht gleich COPD! Jetzt noch einen dritten Begriff einzuführen, der noch nicht klar definiert ist, halte ich für nicht sinnvoll.
Wichtiger ist aus meiner Sicht die genaue Analyse der Symptomatik des jeweiligen Patienten, indem man die folgenden Fragen stellt:
- Was genau bei der Symptomatik des Patienten passt denn nicht zum klassischen Asthma oder zur klassischen COPD?
- Was genau kann man denn tun, um das spezifische Problem dieses Patienten auch spezifisch zu behandeln?
Welche Erkrankung kommt zuerst, COPD oder Asthma?
Bei der Mehrzahl der Patienten, bei denen heute die Diagnose Asthma-COPD-Overlap gestellt wird, hat man COPD diagnostiziert und in der Vorgeschichte hatten sie Asthma. Dazu muss man wissen: Asthma ist typischerweise eine Erkrankung des jüngeren Lebensalters, während COPD klassischerweise eine Erkrankung der späteren Lebensjahre ist, COPD-Patienten unter 40 Jahren gibt es kaum. Schon aus diesem Grund ist es meist die Asthmaerkrankung, die der COPD vorausgeht.
Gibt es beim Asthma-COPD-Overlap verschiedene Stadien? Wenn ja, wie sehen sie aus?
Es gibt bei Asthma-COPD-Overlap-Patienten unterschiedliche Schweregrade. Eine systematische Untersuchung mit einer Einteilung in unterschiedliche Stadien gibt es jedoch nicht.
Wie schnell schreitet eine Asthma-COPD-Overlap voran bzw. wie schnell verschlechtert es sich?
Aus der aktuell vorhandenen Literatur zu ACO lässt sich ableiten, dass Patienten mit einem Asthma-COPD-Overlap im Vergleich zu Patienten mit reinem Asthma oder COPD mehr Symptome, eine schlechtere Lebensqualität und eine gesteigerte Exazerbationsrate aufweisen. Zudem bestehen bei den Overlap-Patienten auch ein gesteigertes Risiko für Krankenhausaufnahmen, sowie eine beschleunigte Verschlechterung der Lungenfunktion. Auch das Mortalitätsrisiko ist bei ACO-Patienten, im Vergleich zu Patienten mit reinem Asthma oder COPD, erhöht. Wie schnell diese Entwicklung voranschreitet, lässt sich jedoch nicht vorhersagen.
Was ist die Ursache von COPD bzw. dem Asthma-COPD-Overlap?
In unseren Breiten sind die Erkrankungen COPD und Asthma-COPD-Overlap Syndrom an das Rauchen gekoppelt. Das heißt, der Patient kann selbst dazu beitragen, COPD oder ACOS zu vermeiden, indem er die Rauchexposition beendet. In anderen Ländern, zum Beispiel in Indien, Südamerika oder Mittelamerika, ist dies anders. Dort herrscht eine hohe Biomassenexposition, es wird viel am offenen Feuer und ohne Kaminabzug gekocht, und viele Menschen zeigen ein COPD-artiges Krankheitsbild, ohne eine Raucher-Anamnese aufzuweisen. Weltweit sind ca. 2 Milliarden Menschen betroffen!
Gibt es bei Asthma, COPD und dem Asthma-COPD-Overlap weitere Erkrankungen, die zusätzlich auftreten können?
Sowohl Asthma als auch COPD können mit weiteren Komorbiditäten einhergehen. Beim Asthma haben die Patienten zum Beispiel häufig Probleme mit den oberen Atemwegen und auch ein gastroösophagealer Reflux kann bei Asthma-Patienten eine Rolle spielen.
COPD ist hingegen häufig mit kardiovaskulären Erkrankungen, Osteoporose und dem metabolischen Syndrom vergesellschaftet. Diese typischen Komorbiditäten sind ein Spiegel der Risikofaktoren für COPD selbst.
Beim Asthma-COPD-Overlap Syndrom gibt es in der Literatur zu dieser Frage noch keine klaren Aussagen. Ich würde jedoch von ähnlichen, gleichermaßen auftretenden Komorbiditäten wie bei Asthma oder COPD ausgehen.
Wie werden COPD bzw. Asthma-COPD-Overlap diagnostiziert?
Patienten mit COPD oder ACOS weisen eine irreversible Bronchialobstruktion auf, was man über einen Lungenfunktionstest feststellen kann. Im Akutversuch, dem sogenannten Lyse-Test, gibt man dem Patienten ein bronchienerweiterndes Medikament, typischerweise Salbutamol, das die Bronchien bei Asthma normalerweise „öffnet“. Bei COPD-Patienten oder ACOS-Patienten tritt diese Wirkung allerdings nur teilweise ein.
Wie behandelt man Patienten mit COPD, Asthma und Asthma-COPD-Overlap?
Die Behandlung der Patienten mit Asthma-COPD-Overlap entspricht der Behandlung von Asthmatikern.
Man gibt bei der COPD primär Medikamente, die die Bronchien erweitern.
Beim Asthma würde man primär ein inhalierbares Kortikosteroid verordnen, das die Entzündung bekämpft, eventuell in Verbindung mit einem langwirkenden Betamimetikum, das ebenfalls die Bronchien erweitern soll.
Gibt es Hinweise auf ein Asthma-COPD-Overlap Syndrom, behandelt man primär wie beim Asthma mit einem inhalierbaren Kortikosteroid, typischerweise kombiniert mit einem langwirkenden Betamimetikum. Eventuell kann die Behandlung durch einen weiteren Bronchialerweiterer ergänzt werden, ein sogenanntes langwirkendes Anticholinergikum, das auch häufig bei COPD eingesetzt wird.
Ein allergisches Asthma behandelt man mittlerweile auch mit der spezifischen Immuntherapie oder Hyposensibilisierung, ist das auch bei Patienten mit Asthma-COPD-Overlap möglich?
Zur spezifischen Immuntherapie bei der Indikation Asthma-COPD-Overlap Syndrom gibt es noch keinerlei Erfahrungen. Man kann aber sagen: Die Hyposensibilisierung wirkt jedoch um so schlechter, je schlechter die Lungenfunktion ist. Deshalb wird die spezifische Immuntherapie auch nur bei leichtem bis moderatem Asthma empfohlen. Bei schweren Asthmatikern hat diese Behandlung oft nicht die gewünschte Effektivität bzw. es kommt zu relevanten Nebenwirkungen. Angesichts der Tatsache, dass die Patienten beim Asthma-COPD-Overlap Syndrom verengte Bronchien haben, die nicht aufgehen, wenn man bronchienerweiternde Medikamente verabreicht, würde ich bei diesen Patienten jedoch zur Vorsicht raten.
Wie ist die Prognose beim Asthma-COPD-Overlap, verringert sich die Lebenserwartung?
Wie gesagt: Aktuell scheint die Prognose beim COPD-Asthma-Overlap in Bezug auf das Fortschreiten der Erkrankung, die Krankenhausaufenthalte und die Mortalität schlechter zu sein, als bei Patienten mit den reinen Krankheitsbildern, Asthma und COPD.
Was können die Patienten mit Asthma-COPD-Overlap selbst für Ihre Gesundheit tun, zum Beispiel durch Sport oder Ernährung?
Auch beim Asthma-COPD-Overlap sollten die Patienten körperlich aktiv bleiben oder, wenn sie es nicht sind, werden. Eine gesteigerte körperliche Aktivität ist sicher anzustreben. Bezüglich der Ernährung gibt es keine spezifischen Empfehlungen. Es gibt aber neue, sehr interessante Untersuchungen zum Einfluss des Klimas auf COPD.
Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen COPD und dem Klima?
Zum Zusammenhang zwischen dem Klima und der COPS gibt es inzwischen sehr eindeutige Daten, sowohl zur Umgebungsluft als auch zum Innenraumklima. In drei unabhängigen Studien in verschiedenen Ländern hat man festgestellt, dass die Außentemperatur bei COPD-Patienten einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit für Exazerbationen, die stationär behandelt werden müssen, hat. Man hat hierzu eine sogenannte U-Shaped-Curve entwickelt, eine U-förmige Kurve. Daraus geht hervor, dass bei COPD-Patienten sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Außentemperaturen ein hohes Risiko für plötzlich eintretende Verschlechterungen der Symptome besteht. Am besten verträglich sind bei COPD mittlere Temperaturen zwischen 20 und 25 °C.
Eine koreanische Studie hat sowohl den Einfluss von Feinstaub in der Außenluft auf COPD, als auch den Einfluss der Raumluft untersucht. Dabei wurden die Patienten mit Hilfe einer Warn-App über hohe Feinstaubkonzentrationen in der Außenluft informiert und gegebenenfalls gebeten, das Haus nicht zu verlassen. Zudem wurden für die Wohnungen der Patienten entsprechende Lüftungsmaßnahmen empfohlen und Raumluftfilter eingesetzt. Insgesamt konnte man zeigen, dass sich durch dieses Maßnahmenpaket die Exazerbationsrate senken ließ.
Des Weiteren hat sich während der Corona-Zeit gezeigt, dass es durch die sogenannten Shielding Measures bei COPD-Patienten deutlich seltener zu anfallsartigen Symptomverschlechterungen kam. Das bedeutet offensichtlich, dass persönliche Schutzmaßnahmen bei COPD günstige Auswirkungen haben. Dazu gehören das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit, zu Hause bleiben und Kontaktvermeidung mit den Enkeln, um Infekte zu vermeiden.
Scheinbar gibt es, jenseits der klassischen Medikation, Präventionsmaßnahmen, die durchaus signifikante Effekte haben können und die es weiter zu beobachten gilt.
Herr Prof. Vogelmeier, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.Wichtiger Hinweis
Autor: S. Jossé/C. F. Vogelmeier, www.mein-allergie-portal.com
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