Gewichtszunahme ohne Grund? Was hilft bei Übergewicht?
Viele Menschen kämpfen gegen Übergewicht und das oft nicht erfolgreich. In der Regel wird das auf „zu viel Essen“ zurückgeführt, aber das ist nicht immer der eigentliche Grund. Was Viele nicht wissen, ist, dass es „Dickmacherfallen“ gibt, die eine Gewichtzunahme regelrecht fördern. Dann nimmt man zu, obwohl man nicht viel isst. Was hilft wirklich, bei einer Gewichtszunahme ohne Grund? Was muss man beachten, wenn man abnehmen will, und was hilft gegen Übergewicht? Das erklärt Dr. med. Constanze Storr, Ernährungs- und Allgemeinmedizinerin, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München und Autorin des Buches „Die geheimen Dickmacher“, für MeinAllergiePortal.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Dr. Constanze Storr
Übergewicht verlieren: Die wichtigsten Fakten!
▶Nicht nur was, sondern auch wie man isst, beeinflusst das Gewicht
▶Medikamente, Stoffwechselerkrankungen, Zusatzstoffe und das Alter können Übergewicht verursachen
▶Massives Übergewicht kann zu Folgeerkrankungen führen
▶Abnehmen sollte ein langfristiges Projekt sein
▶Auch bei operativen oder medikamentösen Maßnahmen muss das Essverhalten optimiert werden
Frau Dr. Storr, warum werden wir dick?
Übergewicht kann natürlich viele Ursachen haben, aber ein wesentlicher Grund ergibt sich aus zwei Faktoren:
- Zu viele Kalorien
- Zu wenig Bewegung bzw. Kalorienverbrauch
In der westlichen Welt überwiegt der sogenannte “Sedentary Lifestyle”, der sitzende Lebensstil. Dieser sitzende Lebensstil führt dazu, dass die Menschen einen im Verhältnis zu den aufgenommenen Kalorien deutlich zu geringen Energieverbrauch haben. Kurz gesagt: Wir essen zu viel und bewegen uns zu wenig und deshalb stimmt die Bilanz nicht! Es gibt jedoch eine ganze Reihe zusätzlicher Einflüsse, die dazu führen, dass man zunimmt.
Welche Faktoren spielen bei Übergewicht noch eine Rolle?
Ob man zunimmt oder nicht, kann zum Beispiel von den folgenden Faktoren abhängen:
- Der Energiedichte der bevorzugten Nahrungsmittel
- Der “sitzende Lifestyle” bzw. die bewegungsarme Lebensweise
- Medikamente
- Stoffwechsel Erkrankungen, die dazu führen, dass der Metabolismus sich verlangsamt
- Zusatzstoffe in Lebensmitteln
- Das Lebensalter
Was passiert im Körper, wenn man zunimmt?
Der Körper ist in der Lage, alle Stoffe, die ihm zugeführt werden, umzuwandeln, zunächst in den Einfachzucker Glukose. Ein Überangebot an Glukose wird in Form von Glykogen, ein “Speicherzucker”, eingelagert. Die Kapazitäten für die Einlagerung von Glykogen sind allerdings begrenzt. Ein 70 kg schwerer Mann kann zum Beispiel circa 600 Gramm Glykogen einlagern, leichtere Männer oder Frauen entsprechend weniger. Aber: Sobald die Glycogenspeicher voll sind, wird die Glukose in Fett umgewandelt und Fette kann der Körper leider unbegrenzt speichern.
Wie kommt es, dass der Körper unbegrenzt Fett speichern können?
Die Ursache ist evolutionsbedingt, denn um zu überleben, mussten die frühen Menschen der Steinzeit in der Lage sein, im Überfluss für schlechte Zeiten vorzusorgen. Hatten sie ein Bison erlegt, wurde das komplett verzehrt und das “zu viel” wanderte in die Fettdepots – ein sehr sinnvolles Konzept. In den heutigen Zeiten des Überflusses mit stets gut gefülltem Kühlschrank ist das Anlegen von Fettpolstern nicht mehr nötig und auch nicht erwünscht, aber der Körper funktioniert nun einmal so. Übrigens: Wenn Menschen weiterhin mit einem massiven Überangebot an Nahrung konfrontiert werden, kann es durchaus sein, dass der Körper die Fähigkeit, Fett zu speichern, verliert. Dies wird mutmaßlich erst in sehr ferner Zukunft der Fall sein.
Adipozyten - Fett speichernde Zellen des weißen und braunen Fettgewebes.
Adipozyten - Fett speichernde Zellen des weißen und braunen Fettgewebes.
Was kann noch ein Grund dafür sein, dass man immer mehr zunimmt?
Nicht nur was man isst, hat einen Einfluss auf das Gewicht, auch das Essverhalten kann der Grund für Übergewicht sein. Vielen Menschen ist das eigene Essverhalten aber gar nicht bewusst. Um zunächst einmal festzustellen, wie die Patienten essen, empfehle ich deshalb, für sieben Tage ein Ernährungstagebuch zu führen.
Im Ernährungstagebuch sollten die Patienten die folgenden Fragen beantworten:
- Was essen Sie?
- Wie viel essen Sie?
- Wie oft essen Sie?
- Unter welchen Umständen essen Sie?
Welche Erkenntnisse kann ein Ernährungstagebuch bringen, wenn man zu viel an Gewicht zugelegt hat?
Wenn man zu viel wiegt, muss man herausfinden, wie hoch der eigene Energiebedarf ist und welche Faktoren verhindern, dass man an Gewicht verliert. Erst dann kann man an der Verhaltensänderung arbeiten. Das Allerwichtigste dabei ist aber, dass man keine schnellen Wunder erwarten darf. Gewicht dauerhaft zu verlieren ist ein Projekt, das man langfristig angehen sollte. Zwar ist es durchaus möglich, in sechs Monaten 20 Kilo abzunehmen, aber danach kommt wieder die Evolution ins Spiel. Sobald man nach einer solch radikalen Diät wieder anfängt, „normal“ zu essen, wird der Körper an jeder Kalorie doppelt so hartnäckig festhalten, weil der Körper die 6-monatige Diät als “schlechte Zeiten” wertet, für die es nun vorzusorgen gilt. Dann kommt es zu dem bekannten JoJo-Effekt. Deshalb gilt die Regel: Will man viel Gewicht langfristig und nachhaltig abnehmen, muss das über mehrere Jahre passieren. Wichtig zu wissen ist, dass bereits eine Reduktion des Körpergewicht um nur 5 Prozent viele positive Effekte auf die Gesundheit hat. Jedes Gramm hilft, denn damit kann man zum Beispiel den Blutdruck schon senken, den Zuckerstoffwechsel positiv beeinflussen und den Fettstoffwechsel optimieren. Außerdem sinkt dann auch das Risiko für die Folgeerkrankungen des Übergewichts.
Welche Diät zum Abnehmen ist die Beste?
Zunächst zur Klärung: Der Begriff “Diät” wird in unserem Sprachgebrauch nicht korrekt verwendet, denn damit bezeichnet man in der Regel eine kalorienreduzierte Kost. Eigentlich bedeutet Diät aber “Kostform”, ganz gleich, ob es ums Abnehmen geht oder nicht.
Welche Kostform eignet sich denn am besten, um langfristig und gesund Pfunde zu verlieren?
Eine Ernährung, mit der man nicht nur abnimmt, sondern auch einen gesundheitlichen Nutzen hat, ist die sogenannte mediterrane Kost. Es gibt Daten, die zeigen, dass diese Ernährungsweise sich sehr positiv auf die Gesundheit auswirkt. Bei der mediterranen Kost isst man viel Gemüse, Salat, aber auch mal Fleisch und Fisch. Sie enthält auch reichlich ungesättigte Fettsäuren, etwa in Form von Olivenöl. Auch die “Brigitte Diät” ist ein Konzept, das der mediterranen Kost relativ ähnlich ist. Grundsätzlich empfehle ich den Betroffenen, das Thema “Abnehmen” mit dem Arzt ihres Vertrauens zu besprechen, denn ein wenig “Kontrolle von außen” kann die Motivation steigern. Deshalb fällt das Abnehmen auch gemeinsam immer leichter. Es empfiehlt sich deshalb, auch den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin mit ins Boot holen.
Warum ist es bei Übergewicht auch wichtig zu untersuchen, unter welchen Umständen man isst?
Oft stellt sich anhand des Ernährungstagebuchs heraus, dass die Patienten eher “nebenbei” essen, etwa im Stehen oder während der Fahrt zur Arbeit in der U-Bahn. Andere wiederum haben es sich angewöhnt, kontinuierlich zu snacken. Dadurch kommen Magen und Darm nie wirklich zur Ruhe, der Insulinspiegel bleibt kontinuierlich hoch und man nimmt dadurch sehr schnell zu. Man spricht dann von einer sogenannten Insulinmast, ein Teufelskreis, der sich auch bei insulinpflichtigen Diabetikern zeigt. Deswegen ist es bei zu viel Gewicht so wichtig, auch das Essverhalten zu erfassen. Gelingt es, die Essfehler zu korrigieren, kann man allein dadurch schon Gewicht verlieren. Kommen zu diesen Verhaltensfehlern noch Medikamente, eine psychiatrische Erkrankung oder eine Stoffwechselerkrankung hinzu, potenzieren sich diese Faktoren. Dann kommt es aus mehreren Gründen zu Übergewicht.
Nimmt man bei Übergewicht wirklich erfolgreich ab, wenn man das Essverhalten verändert?
Mit einer Änderung der Essgewohnheiten im positiven Sinne ist es sehr gut möglich, abzunehmen, das wurde bereits in großen Studien nachgewiesen. Aber einfach ist das für die Patienten nicht. Verhaltensänderungen brauchen immer eine gewisse Zeit, bis sie umgesetzt werden und bis man sich letztendlich an das neue Verhalten gewöhnt hat.
5 einfachen Regeln, um überflüssige Pfunde zu verlieren:
- Nur drei Hauptmahlzeiten am Tag
- Kein Snacking zwischendurch
- Energieärmere Lebensmittel
- Ausreichend Wasser trinken
- Entspannungsübungen in den Alltag integrieren, zum Beispiel Progressive Muskelrelaxation
- Mehr Bewegung in den Alltag integrieren, 5 x 30 Minuten flott Spazierengehen bewirkt schon sehr viel
Wie ernährt man sich ausgewogen?
Eine ausgewogene Ernährung bedeutet, selbst zubereitete Speisen zu essen und keine Fertigprodukte. Außerdem ist Vielfalt in der Ernährung wichtig. Man sollte möglichst nicht jeden Tag das gleiche essen, sondern Abwechslung in den Speiseplan bringen. Das kann an einem Tag ein Salat sein und am nächsten Tag Gemüse oder Hülsenfrüchte. Fertigprodukte, Pasta mit Sahnesoße, Pizza und Pommes sollten nicht mehrmals in der Woche auf dem Speiseplan stehen.
Wie findet man heraus, warum man trotz richtiger Ernährung nicht abnimmt?
Bevor man mit dem Abnehmen beginnt, sollte man zunächst einmal den eigenen Grundumsatz bestimmen. Dafür gibt es inzwischen relativ genaue Kalorienbedarfsrechner im Internet, zum Beispiel bei der Techniker Krankenkasse Damit weiß man, wie viele Kalorien man pro Tag zu sich nehmen kann, um sein Gewicht zu halten. Es gibt inzwischen auch hilfreiche Apps, die nach Eingabe der verzehrten Speisen automatisch die Kalorien berechnen. Oft kann man in diesen digitalen Helfern auch den Aktivitätslevel angeben, so dass man seine individuelle Kalorienbilanz erhält. Eine genauere Möglichkeit wäre zum Beispiel die indirekte Kalorimetrie.
Was ist eine Kalorimetrie?
Eine Kalorimetrie ist eine Methode, mit der man den individuellen Grundumsatz über den Sauerstoffverbrauch und den CO2-Ausstoß in der Atmung berechnen kann. Kalorimetrien werden von ernährungsmedizinischen Instituten durchgeführt. Das übernimmt die Gesetzliche Krankenkasse leider nicht. Meines Erachtens ist es aber nicht unbedingt nötig, diese spezielle Untersuchung durchzuführen, da die Apps inzwischen schon sehr genaue Daten liefern.
Welche Ursachen führen am häufigsten zu einer Gewichtszunahme?
Genaue Zahlen hierzu liegen mir nicht vor, aber aus meiner Erfahrung in der Klinik für Psychiatrie sind die Medikamente eine sehr häufige Ursache für Übergewicht. Das ist insbesondere deshalb relevant, weil im psychischen Bereich auch immer mehr Medikamente verordnet werden. Experten gehen davon aus, dass vor allem Antidepressiva oft nur deshalb verordnet werden, weil nicht ausreichend Psychotherapeuten für die Behandlung der Patienten zur Verfügung stehen. Die Ärzte sind deshalb oft gezwungen, ersatzweise Antidepressiva zu verordnen, bis eine Möglichkeit für eine Psychotherapie gefunden wird. Das ist schade, denn bei milden und mittelgradigen Depressionen hat eine Psychotherapie die gleiche Wirkstärke wie ein entsprechendes Antidepressivum. Eine Psychotherapie ist zwar kein nebenwirkungsfreies Verfahren, aber zu einer Gewichtszunahme kommt es dabei nicht. Nur bei schweren Depressionen bzw. psychotischen Erkrankungen wird man auf Medikamente nicht verzichten können.
Welche Medikamente begünstigen Übergewicht?
Es gibt eine ganze Reihe von Arzneimitteln, die eine Gewichtszunahme auslösen können, das ist Vielen gar nicht bewusst. Klassiker sind die Neuroleptika, Medikamente, die man bei psychotischen Erkrankungen, wie zum Beispiel der Schizophrenie einnehmen muss. Neuroleptika, wie der Arzneistoff Olanzapin, können zu einer massiven Gewichtszunahme von 20 bis 30 kg führen. Aber auch einige Antidepressiva, Medikamente, die bei Depressionen verordnet werden, können zu Übergewicht führen. Vor allem in den Wechseljahren, über 40 Jahre, kann es zu einer Gewichtszunahme kommen. Hormone gehören ebenfalls zu den Substanzen, die das Gewicht erhöhen können. Das gilt für die Pille genauso wie für die Hormonersatztherapie. Allerdings geht aus der Studienlage hervor, dass die Gewichtszunahme durch hormonelle Substanzen eher marginal ist, wir sprechen hier von ein bis zwei Kilo. Auch die Glucocorticoide, das ist das allgemein bekannte Kortison, führen häufig zu einer Gewichtszunahme, weil sie den Zuckerstoffwechsel beeinflussen können.
Beim Kortison, das ja insbesondere bei der Behandlung von Allergikern eingesetzt wird, gibt es verschiedene Darreichungsformen, kann Kortison in all diesen Formen eine Gewichtszunahme auslösen?
Ja, Kortison kann leider in jeglicher Form zu einer Erhöhung des Körpergewichtes führen, ganz gleich ob als Nasenspray, Tabletten zum Einnehmen oder in Form von Spritzen. Zunächst hatte man ausschließlich die oralen und die intravenös zu verabreichenden Kortison-Medikamente in Verdacht, eine Gewichtszunahme auszulösen. Bei den kortisonhaltigen Nasensprays ging man hingegen von einer ausschließlich topischen Wirkung, nur an der Nase, aus. Aber es gibt inzwischen erste Hinweise darauf, dass auch Kortison in Nasensprays teilweise in den Körper aufgenommen werden könnte. Damit könnten auch kortisonhaltige Nasensprays eine anabole und diabetogene Stoffwechsellage fördern. Vor allem der Zuckerstoffwechsel könnte durch kortisonhaltige Nasentropfen negativ beeinflusst werden. Die Gewichtszunahme fällt hier aber bei weitem nicht so massiv aus, wie bei den Neuroleptika.
Welche Stoffwechselerkrankungen können eine Gewichtszunahme auslösen?
Die bekannteste Erkrankung, bei der man an Gewicht zulegt, ist die Schilddrüsenunterfunktion. Schilddrüsen Hormone sind dafür zuständig den Stoffwechsel anzuheizen und in Gang zu halten. Werden zu wenig Schilddrüsenhormone produziert, verlangsamt sich der Stoffwechsel und das führt auf lange Sicht zu Übergewicht.
Auch Erkrankungen der Hypophyse, der Hirnanhangsdrüse, können zu Übergewicht führen. Die Hypophyse produziert das Hormon, das die Schilddrüse steuert, und auch hier kann ein Hormonmangel dafür sorgen, dass man Kilos zulegt.
Auf einer höheren Ebene wiederum, produziert der Hypothalamus, ein Areal im Zwischenhirn, ein Hormon, das die Hirnanhangdrüse steuert. Eine Erkrankung des Hypothalamus kann deshalb ebenfalls dazu führen, dass man zunimmt.
Eine weitere Erkrankung, die zu einer Gewichtszunahme führen kann, ist der Pseudohypoparathyreoidismus, eine sehr seltene Erkrankung der Nebenschilddrüse.
Welche Zusatzstoffe in Lebensmitteln können zu einer Gewichtszunahme führen?
Bei den Zusatzstoffen, die dazu führen können, dass man zunimmt, denke ich zum Beispiel an Aspartam oder Erythrit. Diese Zuckerersatzstoffe gaukeln dem Körper eine süße Speise vor, aber das Gehirn ist nicht so einfach zu überlisten. Es registriert natürlich, dass hier die Kalorien fehlen, dann tritt auch kein Sättigungsgefühl ein und dadurch kann eine Gewichtszunahme begünstigt werden. Deshalb rate ich davon ab, kalorienarme Speisen oder Getränke zu konsumieren.
Das gilt übrigens auch für fettreduzierte Produkte. Damit diese überhaupt schmecken, denn Fett als Geschmacksträger fällt ja weg, enthalten fettarme Produkte meist sehr viel Zucker. Da der Körper den überschüssigen Zucker aber in Fett umwandelt, hat man mit diesen Produkten in Bezug auf die Gewichtskontrolle nichts gewonnen.
Aber auch die B-Vitamine, speziell Niacin, das Vitamin B3, stehen in Verdacht eine Gewichtszunahme zu fördern. Dazu gibt es vorerst nur kleine Untersuchungen in den USA, wo viele Lebensmittel mit Vitamin B-Komplexen angereichert werden. In Deutschland ist die Anreicherung von Lebensmitteln zwar weniger üblich, aber hierzulande nehmen viele Menschen Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminprodukte ein, die man einfach im Drogeriemarkt kaufen kann. Wenn man sich ausgewogen ernährt, sind Nahrungsergänzungsmittel aber gar nicht nötig. Bei unerklärlicher Gewichtszunahme kann es deshalb nicht schaden, einen Blick auf eventuell eingenommene Supplemente zu werfen.
Inwiefern kann das Lebensalter die Ursache für eine unerklärliche Gewichtszunahme sein?
Viele sind sich nicht bewusst, dass der Kalorienbedarf mit zunehmendem Alter sinkt. Deswegen wundern sich die Patienten auch oft, dass sie zunehmen, obwohl sich eigentlich genauso essen wie immer. Tatsache ist aber, dass man pro Lebensjahrzehnt etwa 200 Kalorien weniger pro Tag benötigt, zumindest dann, wenn man sich nicht deutlich mehr bewegt. Man muss sich dann allerdings schon sehr viel mehr bewegen, denn die Bewegung ist nicht der Hauptfaktor beim Zunehmen. Hauptfaktor beim Gewicht ist die Kalorienzufuhr. Die American Diabetes Association, und das haben die deutschen Fachgesellschaften inzwischen auch übernommen, empfiehlt 150 Minuten pro Woche moderates Ausdauertraining. Das bedeutet, fünfmal die Woche, 30 Minuten flott spazieren gehen. Das ist eigentlich nicht viel und gut machbar. Viele Menschen haben jedoch einen sitzenden Lebensstil und schaffen es heutzutage nicht mehr, sich so oft zu bewegen. Sie kommen dann maximal auf 2000 bis 3000 Schritte pro Tag.
Sind Magenverkleinerungen wirksame Maßnahmen, um Übergewicht abzubauen?
Ja, diese Maßnahmen am Magen helfen bei massivem Übergewicht. Es gibt jedoch unterschiedliche Möglichkeiten der bariatrischen Chirurgie, die Nahrungsaufnahme durch bestimmte Eingriffe zu reduzieren. Dazu gehören Magen-Ballons, die in den Magen platziert und aufgeblasen werden. So wird dem Magen ein Sättigungsgefühl vorgegaukelt und in der Konsequenz hat man weniger Hunger. Nach drei Monaten, wenn die Patienten ihr Gewicht reduzieren konnten, wird dieser Ballon wieder entfernt.
In schweren Fällen, bei Patienten mit einem BMI über 30, würde man heute einen Schritt weiter gehen und eine Magenverkleinerung anraten. Diese Menschen leiden in der Regel bereits unter Komorbiditäten wie dem metabolischen Syndrom, einer Kombination aus Diabetes, hohem Blutdruck und Fettstoffwechselstörungen. Bei Menschen mit einen BMI über 40, bei denen ein hohes Risiko für Folgeerkrankungen besteht, ist ein Magenverkleinerung inzwischen sogar das erste Mittel der Wahl, um weitere Erkrankungen zu verhindern.
Die am häufigsten durchgeführte Operation ist der Schlauch-Magen. Dabei verkleinert man den Magen, indem man einen Teil davon entfernt. So reduziert man die Kapazität zur Nahrungsaufnahme, denn mit einem Schlauchmagen können die Patienten keine großen Mengen mehr verzehren. Eine Magenverkleinerung ist ein massiver Eingriff, bei dem es auch zu unangenehmen Begleiterscheinungen kommen kann. Die Patienten kommen automatisch in eine Mangelernährung und das kann unter anderem auch zu Haarausfall führen. Außerdem kann der Magen mit der Zeit auch wieder ausleiern. Deshalb muss diese Maßnahme von Anfang an durch eine Ernährungsberatung und Bewegungstherapie begleitet werden. In der Regel gibt es in Kliniken, die solche Magenverkleinerungen durchführen, dafür multidisziplinäre Teams. In einer Klinik im Ausland, die eventuell günstigere Preise bietet, sollte man eine solche Operation deshalb nicht durchführen lassen.
Kann man auch mit Medikamenten, wie zum Beispiel dem Wirkstoff Semaglutid, Übergewicht abbauen?
Semaglutid ist eigentlich ein Diabetes Medikament, das einmal wöchentlich per Spritze injiziert wird. Im Rahmen der Diabetes Behandlung wurde aber festgestellt, dass die Patienten mit Semaglutid auch deutlich Gewicht reduzieren. Deshalb ist mit Semaglutid inzwischen ein sehr wirksames Medikament für die Indikation Adipositas bzw. Fettleibigkeit, in Deutschland zugelassen. Ähnliche Substanzen wie Liraglutid und Dulaglutid gab es aber schon vorher. Viele Patienten empfinden die Behandlung mit Semaglutid als sehr angenehm und das Thema wird gerade gehyped, weil viele Hollywoodstars begeistert von Semaglutid sind. Aber auch hier ist es wichtig, dass man sich nicht allein auf dieses Medikament verlässt, sondern dass man auch die Ernährungs- und Lebensweise umstellt, das empfiehlt auch der Hersteller.
Zu welchen Folgeerkrankungen kann es bei Adipositas kommen?
Als Folge des Übergewichts kann es zu dem metabolischen Syndrom, also zu Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen kommen. Auch Gelenkbeschwerden und letztendlich Arthrose ist häufiger bei übergewichtigen Menschen. Auch das Schlafapnoe-Syndrom kommt bei Übergewichtigen häufiger vor. Das sind die Patienten, die unter Schlaf-Aussetzern leiden, was zu einer Sauerstoffminderversorgung des Gehirns und einer deutlichen Tagesmüdigkeit führen kann. Zudem kommt es bei Fettleibigkeit vermehrt zu Harnsäure-Erkrankungen. Dabei lagert sich die Harnsäure in Kristallen im Gelenkspalt ab und es kann zu schmerzhaften Gichtanfällen kommen.
Frau Dr. Storr, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Autor: S. Jossé/C. Storr, www.mein-allergie-portal.com
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