Zöliakie: Ab wann beginnt die Kontamination?
Menschen mit Zöliakie sollen nicht nur auf glutenhaltige Nahrungsmittel verzichten, sondern auch darauf achten, dass es nicht zu einer Kontamination mit Gluten kommt. Das wirft bei Vielen zahlreiche Fragen auf. Wann handelt es sich um eine Kontamination und ab welchem Glutengehalt löst diese bei Betroffenen Beschwerden aus? Wodurch kann es zu einer Kontamination kommen? Wie vermeidet man sie, sowohl beim auswärts essen als auch im eigenen Haushalt? Dazu führte MeinAllergiePortal ein Interview mit Bianca Maurer, Ernährungsmanagerin Diätetik (B. Sc.) und Pressesprecherin Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V..
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Bianca Maurer
Frau Maurer, gibt es im Zusammenhang mit der Zöliakie eine Definition für den Begriff „Kontamination“?
Eine exakte Definition gibt es nicht. Von Kontamination spricht man dann, wenn ein eigentlich glutenfreies Lebensmittel mit etwas glutenhaltigem in Kontakt kommt und dieses somit versehentlich Gluten enthält.
Wie kommt es zur Kontamination bzw. welches sind die häufigsten Kontaminationsfallen?
Zu Kontamination kommt es meist dann, wenn in einer Küche keine gute Trennung der Zubereitung erfolgt und die gleichen Küchengeräte und –utensilien verwendet werden, die bereits für glutenhaltige Speisen genutzt wurden. Gerade Handrührgerät, Toaster, benutzte Holz- und Plastikschneidebretter stellen eine Kontaminationsgefahr dar.
Wenn gleichzeitig glutenfreie und glutenhaltige Gerichte zubereitet werden und keine gute Trennung der Zubereitung erfolgt, lauern Kontaminationsfallen, z.B. wenn Pommes in der gleichen Fritteuse frittiert werden, in der auch Paniertes zubereitet wird, wenn Brot auf demselben Brett geschnitten wird, wenn die Arbeitsflächen oder Schürzen verschmutzt sind usw. Die größte Kontaminationsgefahr stellt in der Regel das Personal selbst dar, wenn es nicht entsprechend über die Thematik informiert ist. Denn nur wenn Köche und Küchenpersonal Bescheid wissen, können sie auch auf Kontaminationen achten und diese vermeiden.
Ab wann ist ein Nahrungsmittel oder ein Essgeschirr kontaminiert?
Bereits ein achtel Gramm Weizenmehl kann bei Menschen, die von Zöliakie betroffen sind, zu einer Entzündung des Dünndarms und zu schwerwiegenden Beschwerden führen. D.h. bereits ab dieser Menge ist die Kontamination relevant.
Als „glutenfrei“ gelten Nahrungsmittel, die unter 20 ppm Gluten enthalten. Könnte dieser Wert überschritten werden, wenn, zum Beispiel, auf einem Buffet glutenhaltiges Brot neben dem glutenfreien steht?
Wenn die Brote derart nebeneinander stehen, dass Krümel des glutenhaltigen Brotes auf das glutenfreie gelangen, dann kann dies durchaus zu einer Kontamination über dem Grenzwert führen. Am Buffet sollte nach Möglichkeit ein eigener Bereich mit den glutenfreien Lebensmitteln geschaffen werden, damit keine Kontaminationsgefahr besteht.
Ist dieser Wert überschritten, wenn, zum Beispiel, ein Brötchen von der Wurst entfernt, und nur die Wurst gegessen wird?
Um das jeweils genau feststellen zu können, müsste natürlich die jeweilige Wurst im Labor untersucht und der Glutengehalt bestimmt werden. Da hierbei aber sicherlich einige Krümel an der Wurst kleben bleiben, kann man davon ausgehen, dass es hierdurch zu einer relevanten Kontamination kommt. Wir würden in jedem Fall davon abraten.
Kann es zur Kontamination kommen, wenn man zum Beispiel, aus dem gleichen Glas trinkt, wie jemand, der gerade etwas Glutenhaltiges gegessen hat?
Auch hier ist es schwierig das zweifelsfrei festzustellen. Kommen durch das Trinken Essensreste ins Glas, dann kann eine entsprechende Kontamination stattfinden. Wenn derjenige seinen Mund geleert hat und keine Krümel ins Glas gelangen, sollte dies auch keine Gefahr darstellen.
Wie kann man als Zöliakie-Betroffener sicher sein, dass die Speisen in einem Restaurant, das auch glutenhaltige Speisen anbietet, wirklich frei von Kontamination sind?
Auch wenn beispielsweise ein Gericht auf der Karte eines Restaurants laut Kennzeichnung kein Gluten enthält, bedeutet dies leider nicht, dass es auch tatsächlich glutenfrei beim Gast ankommt. Denn bei Transport, Lagerung, Zubereitung und Anrichten lauern überall Kontaminationsrisiken. Beispielsweise können Pommes kontaminiert werden, indem Sie gemeinsam mit Paniertem frittiert werden oder das glutenfreie Brot wird auf dem gleichen Brett geschnitten wie das glutenhaltige. Auch eine nicht abgewischte Arbeitsplatte oder eine verschmutzte Schürze stellen ein Kontaminationsrisiko dar, z.B. durch Mehlstaub, Teigreste oder Krümel. Beim Anrichten kommt es zudem häufig vor, dass versehentlich etwas Glutenhaltiges auf das Gericht kommt, beispielsweise werden schnell Croutons auf den Salat gestreut oder eine Waffel in das Eis gesteckt.
Wie sicher ist dann letztendlich das Essen im Restaurant für Menschen mit Zöliakie?
Viele Restaurants können ein sauberes Arbeiten bzw. eine strikte Trennung der Zubereitung von glutenfreien und glutenhaltigen Speisen nicht gewährleisten.
Um eine sichere glutenfreie Verpflegung außer Haus zu gewährleisten, sollte stets vorab nachgefragt und abgeklärt werden. Auswärts essen gehen ist deshalb immer mit einem gewissen Aufwand verbunden und gerade spontan sehr schwierig.
Hilfe bietet die Datenbank „Sorglos Reisen“ der DZG, in welcher Restaurants, Hotels, Kliniken und Kureinrichtungen aufgelistet sind, die glutenfreies Essen anbieten. Diese Informationen können auch schnell und einfach über die DZG-App abgerufen werden.
Wie schützt man sich am besten vor Kontamination und was wäre übertrieben?
Gerade im eigenen Haushalt muss darauf geachtet werden, dass nicht versehentlich Gluten aufgenommen wird. Die eigene Küche muss so umgestellt werden, dass keine Kontamination mit Gluten stattfinden kann – beispielsweise sollte man sich einen neuen Toaster für glutenfreies Brot besorgen, da durch die Krümel sonst glutenhaltiges Brot auf das glutenfreie gelangt.
Da gerade Bretter und Kochlöffel starke Gebrauchsspuren wie Ritzen und Spalten aufweisen können, sollten diese nicht für Zöliakiebetroffene verwendet werden, wenn damit zuvor schon glutenhaltiges Essen zubereitet wurde, da in den Vertiefungen festsitzende Reste das glutenfreie Essen kontaminieren können. Genauso können über Butter Krümel an das glutenfreie Essen kommen, wenn diese für glutenhaltiges und glutenfreies Brot genutzt wird. Beim Bestreichen des Brotes bleiben eine Menge Krümel am Messer hängen, welche dann beim weiteren Bestreichen in der Butter landen können. Dies gilt auch für andere Brotaufstriche, wie Marmelade, Streichkäse, Streichwurst usw. Diese Produkte sollten deshalb nicht gemeinsam genutzt werden oder alternativ nur mit einem extra Messer oder Löffel verwendet werden, damit keine Krümel hineingelangen.
Außerdem muss bei der Lagerung der Lebensmittel darauf geachtet werden, dass diese gut verschlossen sind und nichts Glutenhaltiges in die glutenfreien Produkte kommen kann.
Wenn diese Punkte beachtet werden, ist es in Familien mit einem Zöliakiebetroffenen durchaus auch möglich in einem gemischten Haushalt sicher glutenfrei zu leben. Zwar haben sie bei einer rein glutenfreien Küche die größtmögliche Sicherheit, dies birgt jedoch auch Nachteile. So sind glutenfreie Lebensmittel erheblich teurer als glutenhaltige, außerdem schmecken die Produkte vielleicht nicht der ganzen Familie. Letztlich muss jede Familie für sich entscheiden, welcher Weg für sie praktikabler ist.
Ist für Zöliakie-Betroffene im eigenen Haushalt eine strikte Abtrennung in einen glutenfreien und einen glutenhaltigen Bereich die beste Lösung?
Herrscht in einem Haushalt eine gute Hygienepraxis, so muss auch keine strikte Trennung der Bereiche erfolgen. D.h. wenn die Arbeitsplatte, auf der Glutenhaltiges zubereitet wurde, danach wieder gründlich abgewischt wird, kann hier ohne Bedenken auch ein glutenfreies Gericht zubereitet werden. Auch Töpfe, Pfannen, Geschirr usw. können sowohl für glutenhaltige als auch für glutenfreie Speisen verwendet werden. Wichtig ist auch hier eine gründliche Reinigung. Vorsicht ist vor allem dann geboten, wenn beide Gerichte gleichzeitig zubereitet werden, denn schnell rührt man mit dem Kochlöffel aus dem einen mal schnell im anderen Topf oder Ähnliches. Um Kontaminationen zu vermeiden empfiehlt sich die Regel „Glutenfrei hat Vorfahrt“. D.h. zuerst wird das glutenfreie Gericht zubereitet, dann das glutenhaltige. Denn wenn man beispielsweise als erstes die glutenfreien Nudeln in ein Sieb abgießt und anrichtet und danach die glutenhaltige Pasta in das gleiche Sieb gibt, so schadet dies dem glutenhaltigen Lebensmittel nicht – andersrum wäre es hingegen problematisch.
Um die Trennung von Küchenutensilien wie Brettern, Toaster oder Handrührgerät zu erleichtern, kann eine farbliche Kennzeichnung hilfreich sein – beispielsweise kann das gesamte Zubehör für die glutenfreie Zubereitung grün sein. Gerade für Kinder erleichtert eine solche farbliche Zuordnung das Einhalten der Trennung.
Frau Maurer, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.