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Zöliakie, Glutensensitivität oder Weizenallergie

Dipl.oec.troph Ute Körner, Diplom-Oecotrophologin (Univ.) und Ernährungsfachkraft Allergologie, Köln

Zöliakie, Glutensensitivität oder Weizenallergie? Die Diagnostik entscheidet über den Therapieerfolg

Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind weit verbreitet und gerade in letzter Zeit auch häufig in den Medien. Insbesondere  der Getreideinhaltsstoff GLUTEN  scheint "krank zu machen" – glaubt man den zahlreichen Beiträgen und Büchern, die zu diesem Thema zur Zeit auf dem Markt sind. Viele Menschen, die nach dem Essen unter Bauchschmerzen, Durchfällen, Völlegefühl, Übelkeit etc. leiden, führen ihre Beschwerden deshalb auf eine Glutenunverträglichkeit zurück und beginnen sich glutenfrei zu ernähren. Bestätigt wird dieser Verdacht oft durch unseriöse Diagnosen. Doch manchmal geht es den Patienten unter einer glutenfreien Ernährung tatsächlich wesentlich besser als vor der Ernährungsumstellung. Allerdings kann neben einer Glutensensitivität auch eine Zöliakie oder eine Weizenallergie Ursache der Beschwerden sein, die jeweils anders diagnostiziert und behandelt werden müssen.

Zur Differentialdiagnostik dieser glutenbedingten Beschwerden referierte Dipl.oec.troph Ute Körner, Diplom-Oecotrophologin (Univ.) und Ernährungsfachkraft Allergologie mit Praxis in Köln auf dem 55. Bundeskongress des VDD/Jahrestagung der BDEM am 27. April 2013 in Wolfsburg und sprach im Anschluß mit MeinAllergiePortal über dieses zur Zeit besonders aktuelle Thema.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Dipl.oec.troph Ute Körner

Frau Körner, was ist der Unterschied zwischen Zöliakie, Glutensensitivität und Weizenallergie? Was spielt sich jeweils im Körper ab?

Bei der Zöliakie handelt es sich um eine T-zellvermittelte Autoimmunerkrankung des Magen-Darmtrakts. Durch den Kontakt mit Gluten bildet der Körper Antikörper, die sich gegen das eigene Gewebe richten und zur Zerstörung der Darmzotten führen.

Dagegen kommt es im Fall einer Weizenallergie zur Bildung spezifischer Immunglobulin-E-Antikörper oder T-Lymphozyten, die sich gegen bestimmte Allergene im Weizen richten. Je nach Allergen und Immunmechanismus unterscheidet man verschiedene Formen der Weizenallergie.

Menschen, die trotz sicherem Ausschluss einer Zöliakie und einer Weizenallergie von einer glutenfreien Diät profitieren, leiden möglicherweise unter einer Glutensensitivität (GS),auch Non-Celiac-Glutensensitivity genannt. Glutensensitivität (GS) trifft vor allem Erwachsene.

Wie unterscheiden sich die Beschwerden?

Je nach Schwere und Ausdehnung der Veränderungen der Dünndarmschleimhaut kommt es bei einer Zölakie zu unterschiedlichen Symptomen einer Malabsorption, von leichten Blähungen und Eisenmangel bis hin zu schweren Durchfällen. Screening-Untersuchungen zeigen, dass die bisher diagnostizierten Fälle mit den typischen gastrointestinalen Symptomen nur die Spitze des Eisbergs sind und dass insbesondere bei Erwachsenen aufgrund untypischer Symptome die Zöliakie lange nicht erkannt wird.

Symptome der Glutensensitivität (GS) ähneln denen von Zöliakie-Betroffenen, Durchfälle sind hier allerdings seltener und das Krankheitsbild ist in der Regel weniger schwerwiegend als bei der Zöliakie. Aufgrund der häufig auftretenden Bauchschmerzen bei fehlenden Zöliakie-Antikörpern wird oft vorschnell die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt. GS-Patienten berichten außerdem von Kopfschmerzen, chronischer Müdigkeit und einem Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen.

Die klassische Form der Weizenallergie trifft Kinder und löst v.a. Atemwegs- und Hautreaktionen aus. Bei Erwachsenen ist eine Weizenallergie selten, führt dann aber meist zu gastrointestinalen Beschwerden. Anders bei der anstrengungsinduzierten Weizenallergie (WDEIA). Hier zeigen die Betroffenen nach Verzehr von Weizenprodukten in Verbindung mit körperlicher Anstrengung schwere allergische Symptome, oft beginnend mit Hautreaktionen bis hin zum Allergieschock (Anaphylaktischer Schock).

Kann es auch harmlose Ursachen für ähnliche Beschwerden geben?

Bauchschmerzen, Blähungen und Völlegefühl können durch eine Vielzahl anderer Erkrankungen ausgelöst werden, die genau wie bei der Zöliakie vor der Umstellung auf eine glutenfreie Ernährung abgeklärt werden sollten. Dazu zählen z.B. Laktoseintoleranz, eine gestörte Fettverdauung oder einfach nur eine zu einseitige Ernährung (zu viel Brot bei zu wenig Gemüse). In der Ernährungsberatung kann man solche Unverträglichkeiten durch eine gezielte Anamnese und Auswertung eines Ernährungs- und Symptomtagebuches erkennen.

Wie erfolgt die Diagnose?

Zur Diagnose der Zöliakie empfehlen die European Society of Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN)* sowie die deutsche Zöliakiegesellschaft (DZG) die Bestimmung der Zöliakie-Antikörper (AK), den positiven Gennachweis und die Dünndarmbiopsie (Magen-Darmspiegelung mit Gewebeentnahme) als Goldstandard. Transglutaminase (TG)-IgA-Antikörper sind der zuverlässigste Indikator und werden auch zur Verlaufskontrolle verwendet. Ebenso hilfreich zum Nachweis einer Zöliakie sind Endomysium-Anitkörper und IgG-Antikörper gegen deamidierte Gliadinpeptide – dabei handelt es sich um neuartige Marker in der Zöliakie-Diagnostik. Die Konzentration der Anitkörper-im Blutgibt Hinweise auf die Schwere der entzündlichen Veränderungen der Darmschleimhaut. Ein sicherer Beweis einer Zöliakie durch Antikörpernachweis und positiver Gewebeprobe gelingt jedoch nur unter glutenhaltiger Kost!

Bei Verdacht auf eine Weizenallergie erfolgt ein Hauttest mit Weizenmehl und die Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegen bestimmte Weizenallergene. Der Auslöser der WDEIA (wheat-dependent exercise induced anaphylaxis, d.h. durch Weizen ausgelöste Anaphylaxie, die mit körperlicher Aktivität einhergeht), das hitzestabile Omega-5-Gliadin, lässt sich mittels Molekularer Allergiediagnostik identifizieren. Da Hauttest und Bestimmung von IgE-Antikörpern jedoch nur eine Sensibilisierung, aber keinen Beweis für eine Nahrungsmittelallergie anzeigen, basiert eine zuverlässige Diagnose einer Weizenallergie deshalb nur auf dem Ergebnis einer diagnostischen weizenfreien Diät – erstellt durch eine auf Allergien spezialisierte Ernährungsfachkraft - mit anschließender oraler Weizenprovokation in der Klinik.

Zur Diagnose Glutensensitivität gelangt man zur Zeit nur mittels Ausschlussverfahren, d. h. zunächst durch den sicheren Ausschluss einer Zöliakie und einer Weizenallergie und dem erst anschließenden Versuch einer glutenfreien Diät. Bei der Darmbiopsie im Rahmen der Zöliakiediagnostik haben GlutensensitivitätPatienten bei intakter Darmschleimhaut manchmal eine leicht erhöhte Anzahl intraepithelialer Lymphozyten (IEL) – dabei handelt es sich um Lymphozyten im Gastrointestinaltrakt. Beobachten die Betroffenen eine Symptombesserung unter der glutenfreien Diät und eine deutliche Beschwerdezunahme unter kontrollierter Glutenbelastung ist von einer Glutensensitivität (GS) auszugehen.

Manche Menschen, die unter Beschwerden im Magen-Darm-Bereich leiden, stellen fest, dass sich die Beschwerden bessern, wenn sie auf Gluten verzichten? Warum sollte man das nicht einfach ausprobieren?

Angesichts der vermutlich hohen Dunkelziffer nicht diagnostizierter Zöliakiefälle in Deutschland muss vor Umstellung auf eine glutenfreie Diät (GFD) eine Zöliakie mit den diagnostischen Kriterien der ESPGHAN (s.o.) ausgeschlossen werden. Sowohl der Nachweis typischer Zöliakie-Antikörper als auch die Biopsie führen nur unter glutenhaltiger Ernährung bzw. Glutenbelastung zu aussagekräftigen Ergebnissen. Bei Verzicht auf glutenhaltige Nahrungsmittel über einen längeren Zeitraum, ist eine Zöliakie-Diagnostik nicht mehr möglich. Möglicherweise ernähren sich diese Patienten dann völlig unnötig glutenfrei, was mit einer starken Einschränkung der Lebensqualität verbunden ist. Andererseits erfolgt – bei unerkannter Zöliakie - die Ernährungsumstellung ohne ernährungstherapeutische Begleitung oft nicht konsequent genug. Bei Zöliakiepatienten können bereits Spuren von Gluten im Milligramm-Bereich zu Schäden der Darmschleimhaut führen und Diätfehler können langfristig das Darmkrebsrisiko erhöhen.  Hierzu zählen z.B. die Benutzung des Familientoasters für das ansonsten glutenfreie eigene Brot oder das  gelegentliche Essen glutenhaltiger Nahrungsmittel wie Pizza oder Brötchen – beides führt zu Kontamination.

Bei Patienten, die unter einer Weizenallergie leiden, kann es unter GFD sogar zu lebensbedrohlichen Reaktionen kommen, wenn sie aus Versehen kleine Mengen an Weizen (z.B. beim Außer-Haus-Essen) aufnehmen. Außerdem ist eine glutenfreie Ernährung nicht automatisch weizenfrei.

Fazit: Voraussetzung für eine individuelle Ernährungstherapie bei glutenbedingten Beschwerden ist eine gründliche Anamnese, einschließlich Ernährungs- und Symptomtagebuch, durch eine qualifizierte Ernährungsfachkraft,  eine Differentialdiagnostik, die andere Erkrankungen des Magen-Darmtrakts ausschließt, und, bei entsprechendem Verdacht, eine anschließende ausführliche Diagnostik zur Abklärung einer Zöliakie oder Weizenallergie.

Frau Körner, herzlichen Dank für das Gespräch!

Quellen:

* ESPGHAN-Leitlinie: Husby S, Koletzko S, Korponay-Szabó IR et al: European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition Guidelines for the diagnosis of coelic disease. JPGN. 2012; 54: 136–160.

  • International Expert Meeting on Gluten Sensitivity, München 01./02.12.2012
  • Körner U, Schareina A: Nahrungsmittelallergien und –unverträglichkeiten in Diagnostik, Therapie und Beratung. Haug Verlag in MVS Medizinverlage, Stuttgart, 1. Aufl. Okt. 2010.
  • Sapone A, Bai J, Ciacci C: Spectrum of gluten-related disorders: consensus on new nomenclature and classification. BMC Medicine. 2012, 10:13 (7 February 2012).

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.