
Dipl. troph. (Uni) Anett Ebock, Deutsche Zöliakie Gesellschaft, zum glutnefrei-Siegel und den neuen europäischen Lizenzverträgen!
Glutenfrei: Was heißt die durchgestrichene Ähre für Betroffene und Hersteller?
Einkaufen sollte schnell gehen, aber wenn man aufgrund einer Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit auf glutenfreie Produkte achten muss, wird es mühsam. Immer die Zutatenlisten zu studieren ist Pflicht, macht das Einkaufen aber beschwerlich und kostet Zeit. Mit der durchgestrichenen Ähre dem glutenfrei-Siegel, das die DZG seit vielen Jahren vergibt, wurde der Gang durch den Supermarkt wieder unbeschwerter. MeinAllergiePortal sprach mit Dipl. troph. (Uni) Anett Ebock von der Deutschen Zöliakie Gesellschaft über die Vorteile der durchgestrichenen Ähre für Betroffene und Hersteller glutenfreier Produkte und über die neuen europäischen Lizenzverträge (ELS).
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Dipl. troph. (Uni) Anett Ebock
Frau Ebock, was bedeutet es, wenn auf einem Produkt eine durchgestrichene Ähre zu sehen ist?
Eine durchgestrichene Ähre ist das europaweit anerkannte Zeichen für glutenfreie Lebensmittel. Für Menschen mit Zöliakie bedeutet es, dass dieses Produkt verlässlich frei von Gluten ist. Das schnelle und eindeutige Erkennen geeigneter Lebensmittel mit Hilfe eines Symbols ist für Zöliakiebetroffene sehr wichtig. Das Symbol ist gleichzeitig eine Qualitätsgarantie, denn alle Hersteller, die es verwenden, müssen hohe Produktionsstandards einhalten, um die Sicherheit des lizenzierten Produkts zu gewährleisten.
Gibt es ähnliche Siegel, die jedoch nicht zuverlässig sind? Falls ja, welche?
Das alte nationale glutenfrei-Symbol "durchgestrichene Ähre", gültig bis Ende 2017, Quelle: DZGEs gibt glutenfrei-Siegel, die von den Herstellern selbst gestaltetet werden, z.B. wenn sie nicht mit der Deutschen Zöliakie Gesellschaft kooperieren möchten. Die Hersteller müssen diese Siegel jedoch so gestalten, dass eine Verwechslungsgefahr mit der durchgestrichenen Ähre der DZG ausgeschlossen ist. Sobald bei einem glutenfrei-Siegel eine Verwechslungsgefahr mit der durchgestrichenen Ähre besteht, müssen wir dies beanstanden.
Verbraucher, die sicher gehen wollen, dass ein Produkt nach dem von der DZG vergebenen Siegel zertifiziert ist, sollten deshalb darauf achten, dass es sich auch wirklich um unser Siegel handelt. Prinzipiell wissen die Zöliakiebetroffenen, was hinter der durchgestrichenen Ähre steckt und wie das „richtige“ Siegel aussieht.
Kann es passieren, dass es bei glutenfreien Produkten mit anderen Siegeln bei Zöliakiebetroffenen zu Beschwerden kommt?
Inwieweit es bei den Betroffenen bei Produkten, die mit anderen glutenfrei-Zeichen versehen sind, zu Symptomen kommt, kann ich nicht sagen. Ich persönlich würde empfehlen, bei diesen Produkten auf jeden Fall die Zutatenliste zu studieren.
Es kommt auch vor, dass Hersteller glutenfreier Produkte die durchgestrichene Ähre verwenden, ohne dass ein Lizenzvertrag mit uns geschlossen wurde. In diesen Fällen reagieren wir sofort und mahnen die Firmen ab, denn sie werben mit der durchgestrichenen Ähre, ohne den Nachweis erbracht zu haben, dass ihre Produkte tatsächlich dem ELS-Standard entsprechen.
Wie sehen die Produktionsstandards aus, die die Hersteller glutenfreier Produkte einhalten müssen, um die Lizenz für die durchgestrichene Ähre zu erhalten?
Grundsätzlich gilt, bevor ein Lizenzvertrag mit der DZG abgeschlossen werden kann, dass eine aktuelle Gluten-Analyse von einem akkreditierten Labor für die betreffenden Produkte zum Nachweis der Glutenfreiheit erforderlich ist.
Das glutenfrei-Symbol kann auf der Verpackung, auf Werbematerialien, Webseiten (im Rahmen einer Verlinkung zur DZG-Webseite) und zur Kennzeichnung von Firmenliteratur, die sich direkt auf die lizenzierten Produkte bezieht, verwendet werden. Das Symbol darf nicht für unverarbeitete Produkte verwendet werden, zum Beispiel für Milch, Eier, Obst, Gemüse, rohes Fleisch und Fisch.
Wie erfolgt die Überprüfung der glutenfreien Produkte nach erfolgter Lizensierung?
Die Überwachung erfolgt durch die jeweils zuständige Zöliakie-Gesellschaft.
Gilt die durchgestrichene Ähre nur für deutsche Produkte oder wird das Symbol auch im Ausland zur Kennzeichnung glutenfreier Produkte genutzt?
Das neue europäische glutenfrei-Symbohl "durchgestrichene Ähre", gültig ab 2018, Quelle: DZGDas glutenfrei-Symbol ist ebenso eine registrierte Marke auf europäischer Ebene der AOECS – dem Dachverband der europäischen Zöliakie-Gesellschaften.
Im Jahr 2010 vereinbarten die Mitglieder der AOECS (Association of European Coeliac Societies) die Lizenzierung der Marke für Produzenten, die die Produktionsstandards und Sicherstellung der glutenfreien Herstellung garantieren können, gemeinsam zu verwalten.
Seit Januar 2014 werden in Deutschland ausschließlich europaweit gültige Lizenzverträge mit der DZG abgeschlossen, mit denen Unternehmen ihre glutenfreien Produkte auch ins europäische Ausland exportieren können. Dieses Lizenzierungsverfahren ist europaweit einheitlich und basiert auf dem Standard der AOECS. Der AOECS-Standard für das Glutenfrei-Symbol entspricht dem WHO Codex-Standard für glutenfreie Produkte und ist mit der EU- Verordnung 1169/2011 verknüpft.
Danach dürfen für Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit bestimmte Lebensmittel, die aus einer oder mehreren Zutaten, welche Weizen, Gerste, Roggen, Dinkel oder deren Kreuzungen ersetzen, bestehen oder diese enthalten, beim Verkauf an den Endverbraucher einen Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg (20 ppm) aufweisen.
Alle nationalen Lizenzverträge behalten noch bis Ende 2017 deutschlandweit ihre Gültigkeit und müssen danach in einen europäischen Lizenzvertrag umgewandelt werden.
Wie erfolgt die Umwandlung der nationalen Lizenzverträge für glutenfreie Produkte in europäische Lizenzverträge?
Die Umwandlung der nationalen Lizenzverträge für glutenfreie Produkte in europäische Lizenzverträge läuft, wie gesagt, bereits seit 2014 und wird im nächsten Jahr abgeschlossen sein. Aktuell haben ca. 60 Produzenten und Vertriebe glutenfreier Lebensmittel nationale Lizenzverträge, die noch umgewandelt werden müssen. 93 Hersteller haben bereits einen europäischen Lizenzvertrag mit der DZG. Wir hoffen sehr, dass wir alle 60 deutschen Lizenznehmer auf die europäischen Verträge umstellen können.
Was müssen die Hersteller konkret tun, wenn sie von den nationalen Lizenzverträgen für glutenfreie Produkte zu europäischen Lizenzverträgen umstellen wollen?
Die Unternehmen, die zurzeit einen nationalen Lizenzvertrag mit uns haben, müssen uns Dokumente vorlegen, die den Nachweis über die Produktion glutenfreier Produkte liefern. Daraufhin erstellen wir einen neuen, europäischen Lizenzvertrag. Ab 2018 hat das nationale Zeichen der glutenfreien Ähre keine Gültigkeit mehr in Deutschland. Darauf weisen wir unsere Hersteller schon seit dem Jahr 2014 regelmäßig hin.
Was ist denn der Unterschied zwischen dem nationalen und dem europäischen glutenfrei-Siegel, der durchgestrichene Ähre?
Der nationale Lizenzvertrag war nicht befristet, aber für das nationale Siegel mussten die Hersteller zweimal jährlich eine Analyse für ihre Produkte vorlegen. Bei den europaweit gültigen neuen Verträgen hat man sich hingegen auf eine Analyse pro Jahr geeinigt. So verringert sich die Kontrolle, aber bei unseren langjährigen Lizenznehmern ist dies aufgrund der langjährigen Expertise kein Problem.
Das europäische Siegel ist gekennzeichnet durch die Länderkennung DE, eine dreistellige Hersteller-Nummer und eine Dreistellige Produktnummer in diesem Format DE-XXX-XXX. Die Vergabe des europäischen Vertrags ist zusätzlich an ein Audit gebunden, welches die Qualitätsstandards der Lizenznehmer dokumentiert und bewertet.
Welche Vorteile haben Hersteller glutenfreier Produkte von einer europäischen Lizensierung bzw. von der durchgestrichen Ähre?
Hersteller haben durch eine Lizensierung den Vorteil, dass die Betroffenen das Produkt schneller als glutenfrei erkennen und eine Kaufentscheidung treffen, als bei einem Produkt, dessen Zutatenliste sie erst durchlesen müssen.
Im Moment versuchen viele Biosupermärkte, die Regalkennzeichnung mit Hilfe der durchgestrichenen Ähre vorzunehmen, um den Verbraucher direkt auf die glutenfreien Produkte aufmerksam zu machen. Zum einen ist man sich hier wohl nicht darüber im Klaren, dass die durchgestrichene Ähre eine Marke ist und dass dies auch mit Markenrechten einhergeht. Leider führt es auch oftmals zu Fehlkennzeichnungen, weil das Personal häufig nicht ausreichend geschult ist und auch nicht glutenfreie Waren in diese Regale einsortiert.
Die DZG versucht hier aufzuklären und die großen Handelsketten zeigen auch Verständnis, indem sie von der Regalkennzeichnung wieder Abstand nehmen. Es ist für große Unternehmen viel zu aufwändig, das Personal so zu schulen, dass es nicht zu Fehlkennzeichnungen kommt. Bei kleineren Märkten, kann es aber durchaus dazu kommen, dass Produkte in Regalen präsentiert werden, die mit der durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet sind, obwohl das Produkt keinen Lizenzvertrag mit uns hat.
In unserer Mitgliederzeitschrift und in internen Rundbriefen bitten wir unsere Mitglieder immer wieder uns zu informieren, wenn sie auf Ungereimtheiten stoßen, sei es, bei der Regalkennzeichnung oder bei Gebrauch des Siegels.
Probleme haben wir aber momentan auch mit Blogs und privaten Webseiten zum Thema „Glutenfrei“.
Welche Probleme haben Sie mit den Blogs und privaten Webseiten?
Schwierig wird es, wenn ein Blog oder dessen Inhalte mit der durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet sind, ohne dass wir die Chance hatten, zu überprüfen, ob die Inhalte auch korrekt sind. Dies geschieht häufig, ohne dass wir davon erfahren und birgt die Gefahr, dass Zöliakie-Betroffene sich auf die dort bereitgestellten Informationen verlassen, ohne dass die Richtigkeit der Information gewährleistet ist. Wenn wir das bemerken, sprechen wie die Blogger an, bitten sie um Korrektur der nicht korrekten Informationen und bitten um Verlinkung der durchgestrichenen Ähre auf unsere Website.
Steht die durchgestrichene Ähre auch außerhalb Europas für sichere glutenfreie Produkte?
Für glutenfrei-Lizensierungen außerhalb Europas sind die Kollegen der britischen Zöliakie-Gesellschaft, Celiac UK zuständig. Auf deren Webseite gibt es auch Informationen zur Lizensierung für die Hersteller.
Frau Ebock, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.