FettsÀuren: Wie beeinflussen sie das Mikrobiom? Gibt es einen Einfluss auf Allergien?
Fette in der Nahrung beeinflussen das Mikrobiom des Darmes. Die Gesamtheit der Darmkeime wiederum scheint mit Allergien assoziiert zu sein. Im Fokus vieler Mikrobiom-Studien stehen deshalb unter anderem die Wechselwirkungen zwischen FettsĂ€uren, Darmbakterien, dem Immunsystem und allergischen Erkrankungen. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Harald Renz, Direktor des Instituts fĂŒr Laboratoriumsmedizin und Pathobiochemie, Molekulare Diagnostik am Standort Marburg, UniversitĂ€tsklinikum GieĂen und Marburg darĂŒber, wie FettsĂ€uren das Mikrobiom und die Entstehung von Allergien beeinflussen.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Harald Renz
Herr Prof. Renz, was versteht man unter FettsÀuren?
FettsĂ€uren sind Lipide, also Fette. Allerdings ist FettsĂ€ure nicht gleich FettsĂ€ure, hier gibt es groĂe Unterschiede, denn es gibt gute und schlechte Fette.
Welche Fette sind gut, welche schlecht?
Als weniger gute Fette gelten die Triglyceride, die gesĂ€ttigten FettsĂ€uren und das Cholesterin. GesĂ€ttigte FettsĂ€uren findet man vor allem in tierischen Nahrungsmitteln, wie Fleisch oder Wurst. Insbesondere wenn diese Fette in groĂen Mengen verzehrt werden, sind sie eher gesundheitsschĂ€dlich und steigern das Risiko fĂŒr Arteriosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall. Im Gegensatz dazu gilt die groĂe Familie der ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren als positiv fĂŒr die Gesundheit, aber hiervon gibt es auch mehrere Arten.
Welche Arten von FettsÀuren gibt es?
Es gibt drei Arten von FettsÀuren:
- Kurzkettige FettsÀuren
- Mittelkettige FettsÀuren
- Langkettige FettsÀuren
Wozu dienen die kurzkettigen FettsÀuren?
Die kurzkettigen FettsĂ€uren, die sogenannten Short-chain fatty acids, sind nicht in der Nahrung enthalten, sondern werden von den Darmbakterien produziert. Damit tragen die Darmbakterien wesentlich zur Gesundheit bei, denn sie beeinflussen die Darmschleimhaut bzw. deren IntegritĂ€t und damit das Immunsystem. So fördern die kurzkettigen FettsĂ€uren die immunologische Toleranz, sie stĂ€rken und krĂ€ftigen die Immunabwehr. Dabei wird nach der Atomstruktur der FettsĂ€uren unterschieden. DarĂŒber hinaus ist die Unterscheidung nach gesĂ€ttigten und ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren ausgesprochen wichtig.
Wie werden kurzkettige FettsÀuren produziert?
Die kurzkettigen FettsĂ€uren werden weder vom Menschen selbst produziert noch ĂŒber die ErnĂ€hrung aufgenommen. Produziert werden die kurzkettigen FettsĂ€uren von den Bakterien im menschlichen Darm, aber nur von ganz bestimmten Darmbakterien, die dann aber auch in höherer Konzentration im Darm enthalten sein mĂŒssen - ohne sie geht es nicht. Zu diesen Bakterien gehören zum Beispiel FĂ€kalbakterien oder Acinetobacter Bakterien. Es gibt aber sehr viele Bakterien, die kurzkettige FettsĂ€uren herstellen können. DafĂŒr brauchen diese Darmbakterien ein bestimmtes âFutterâ.
Welches Futter benötigen diese Darmbakterien, um kurzkettige FettsÀuren zu produzieren?
Um kurzkettige FettsĂ€uren zu produzieren, benötigen diese speziellen Darmbakterien Ballaststoffe. Ballaststoffe werden vom Menschen ĂŒber die ErnĂ€hrung aufgenommen, sie können aber nicht verwertet werden. Ballaststoffe sind groĂe, langkettige ZuckermolekĂŒle, die der Mensch nicht verdauen kann, weil er nicht ĂŒber die nötigen Enzyme verfĂŒgt. Die Verdauung der Ballaststoffe ĂŒbernehmen deshalb die Darmbakterien. Sie produzieren damit die kurzkettigen FettsĂ€uren, deren wichtigste Vertreter Butyrat, Acetat und Propionat sind. Untersuchungen konnten zeigen, dass sich die Konzentration an ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren im Darm deutlich erhöht, wenn groĂe Mengen bestimmter ballaststoffreicher Nahrungsmittel verzehrt werden.
Welche Nahrungsmittel enthalten die Ballaststoffe, die die Produktion kurzkettiger FettsÀuren im Darm fördern?
Zu den ballaststoffreichen Nahrungsmitteln zĂ€hlen insbesondere die faserreichen GemĂŒsesorten. Faserreich und damit reich an Ballaststoffen sind zum Beispiel alle WurzelgemĂŒse und KohlgemĂŒse. Auch Kartoffeln sind reich an Ballaststoffen. Ballaststoffreiche Obstsorten sind zum Beispiel Ăpfel, Pflaumen, Heidelbeeren oder Aprikosen.
Welche Funktion haben die kurzkettigen FettsĂ€uren fĂŒr die Gesundheit?
Kurzkettige FettsĂ€uren haben eine wesentliche stabilisierende Funktion auf die Darmschleimhaut und auf das mit der Darmschleimhaut in Verbindung stehende Immunsystem. Hier stimulieren die kurzkettigen FettsĂ€uren die Entwicklung sogenannter regulatorischer T-Zellen. Die regulatorischen T-Zellen agieren wie eine Art âBremseâ im spezifischen Immunsystem und verhindern die Ausbildung von âentzĂŒndlichenâ T-Zellen, wie wir sie zum Beispiel bei einer Allergie, einschlieĂlich der Nahrungsmittelallergie, finden. All diese Erkenntnisse zeigen eindrĂŒcklich, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der DiĂ€t, dem Mikrobiom bzw. den Darmbakterien und der Immunantwort gibt.
Und wozu dienen die mittelkettigen FettsÀuren?
Mittelkettige FettsĂ€uren werden ĂŒberwiegend aus Glycerin gebildet. Sie kommen vor allen Dingen in Ălen wie Palmöl oder Kokosöl, sowie in Buttermilch und KĂ€se vor. Diese Fette sind insbesondere als schnelle Energielieferanten wichtig. Sie unterstĂŒtzen zum Beispiel Sportler in ihrer Leistungskraft.
Wozu dienen die langkettigen ungesÀttigten FettsÀuren?
Die langkettigen ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren dienen als Vorstufen fĂŒr eine Reihe von Botenstoffen, zum Beispiel Prostaglandine und Leukotriene. Zudem fördern sie auch die Immunabwehr und den Zellstoffwechsel. Gemeint sind die Omega-3-FettsĂ€uren und die Omega-6-FettsĂ€uren. Omega-3-FettsĂ€uren und Omega-6-FettsĂ€uren gehören zu den essentiellen FettsĂ€uren und können vom Organismus nicht selbst produziert werden. Sie mĂŒssen ĂŒber die Nahrung aufgenommen werden. Lieferant fĂŒr langkettige, mehrfach ungesĂ€ttigte FettsĂ€uren ist die LinolsĂ€ure. Aus diesen Omega-6-FettsĂ€uren wird die sogenannte ArachidonsĂ€ure umgebaut, die wiederum in hohen Konzentrationen schon direkt in Leinöl und Hanföl vorkommt. Auch in Leber und Eiern ist sie enthalten.
Welche Wirkung hat ArachidonsÀure im Körper?
Aus ArachidonsĂ€ure stellt der Organismus sowohl entzĂŒndungsfördernde als auch entzĂŒndungshemmende Botenstoffe her. Insbesondere die Omega-3-FettsĂ€uren können eine ausgeprĂ€gte entzĂŒndungshemmende Wirkung entfalten. Im Zusammenhang mit Allergien, die ja mit EntzĂŒndungen einhergehen können, ist dies ein sehr positiver Faktor. Omega-3-FettsĂ€uren finden sich in hohen Konzentrationen in fetten Seefischen, wie Hering, Makrele und Lachs. Mindestens zwei Portionen pro Woche werden empfohlen.
In welchen Nahrungsmitteln sind langkettige ungesÀttigte FettsÀuren enthalten?
Langkettige ungesĂ€ttigte FettsĂ€uren findet man zum Beispiel in GemĂŒse, Oliven und Olivenöl, also in allen Lebensmitteln, die in der mediterranen ErnĂ€hrung verwendet werden. Damit ist unter anderem die KĂŒche in LĂ€ndern wie Italien, Spanien, Portugal gemeint. Aber auch in anderen Pflanzenölen wie Sonnenblumenöl, Sojaöl oder Maiskeimöl sind langkettige ungesĂ€ttigte FettsĂ€uren enthalten. Auch in Milch oder Fassbutter, die aus traditioneller Alpenmilch von WeidekĂŒhen hergestellt werden, findet man langkettige ungesĂ€ttigte FettsĂ€uren.
Sie erwĂ€hnten die gesĂ€ttigten und die ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren, welche sind besser fĂŒr die Gesundheit?
GesÀttigte FettsÀuren spielen eine wichtige Rolle als EnergietrÀger. Idealerweise sollten 10 Prozent des Energiebedarfs mit diesen gesÀttigten FettsÀuren abgedeckt werden. Milch- und Fleischprodukte, Palmöl und Kokosnussöl enthalten reichlich gesÀttigte FettsÀuren.
Allerdings wirken sich die gesĂ€ttigten FettsĂ€uren ungĂŒnstig auf den Cholesterinspiegel aus. Wenn die Blutwerte ĂŒber ein bestimmtes MaĂ hinweg ĂŒber lĂ€ngere ZeitrĂ€ume ansteigen, erhöhen sie das Diabetes- und Adipositasrisiko und stellen ein erhöhtes Risiko fĂŒr die koronare Herzerkrankung dar.
Sind denn die ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren gesĂŒnder fĂŒr Allergiker?
In den einfach ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren ist ĂlsĂ€ure enthaltene und diese gilt als förderlich fĂŒr die Gesundheit. So wirken sich einfach ungesĂ€ttigte FettsĂ€uren positiv auf den Zuckerhaushalt, den Cholesterinstoffwechsel und damit auf das Herzinfarktrisiko und andere Erkrankungen aus. Zu den Nahrungsmitteln, die reich an ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren sind, gehören NĂŒsse, Olivenöl und Samen.
Wie sieht der Zusammenhang zwischen bestimmten FettsÀuren, den Darmbakterien und allergischen Erkrankungen aus?
Bei Kindern mit verschiedenen allergischen Erkrankungen, zum Beispiel Asthma oder Nahrungsmittelallergien, konnte in vielen weltweit durchgefĂŒhrten Studien eine sogenannte âDysbioseâ des Mikrobioms, vor allen Dingen im Darm, nachgewiesen werden. Das bedeutet, diese Kinder haben zum einen andere Bakterien in ihrem Darm und zum anderen findet man diese Bakterien in anderen MengenverhĂ€ltnissen als bei gesunden Kindern. AuĂerdem zeigt sich bei den allergischen Kindern auch immer wieder, dass es ihnen gerade an den Bakterien fehlt, die fĂŒr die Produktion kurzkettiger FettsĂ€uren verantwortlich sind. Langsam ergibt sich also ein immer genaueres Gesamtbild, das sich aus vielen einzelnen Puzzleteilen zusammensetzt.
Könnte man bestimmte FettsĂ€uren fĂŒr die Therapie von Allergien nutzen?
Die Konsequenz daraus könnte sein, dass man ĂŒber die Zufuhr bestimmter FettsĂ€uren vielleicht in das allergische Geschehen eingreifen könnte. Denkbar wĂ€re zum Beispiel, die Besiedelung des Darms mit Bakterien zu fördern, die Ballaststoffe verdauen und dafĂŒr kurzkettige FettsĂ€uren produzieren können.
Vielleicht könnte man sogar Allergien verhindern, indem man allergiegefĂ€hrdeten Kindern kurzkettige FettsĂ€uren zufĂŒhrt. Dies wird auch schon umgesetzt, indem man den SĂ€uglingsnahrungen fĂŒr allergiegefĂ€hrdete Kinder, die nicht oder nur teilweise gestillt werden können, ganz bestimmte groĂe ZuckermolekĂŒle beimengt. Man spricht dann von sogenannten HMO-Milchen, HMO steht fĂŒr âHuman milk oligosaccharidesâ, also Muttermilchzucker. Diese Muttermilchzucker sind dann eben wiederum der NĂ€hrboden fĂŒr gute Darmbakterien. Dazu gehören zum Beispiel die Bifidobakterien, die ebenfalls kurzkettige FettsĂ€uren produzieren können. DarĂŒber hinaus arbeitet man aber auch mit PrĂ€biotika.
Welche Rolle spielen PrÀbiotika bei der AllergieprÀvention?
PrĂ€biotika sind Bakterien und das Futter fĂŒr die Probiotika. Allerdings kann ein einziges Bakterium nicht die gesamte LeistungsfĂ€higkeit des komplexen Darmmikrobioms ersetzen. Jedes einzelne Bakterium ist spezialisiert, so dass es in Zukunft darauf ankommen wird, den richtigen Probiotika-Cocktail zu entwickeln. Wir brauchen eine Kombination an Bakterien, um damit möglichst breit den positiven Wirkmechanismus, die positiven Effekte der Probiotika abzudecken. DarĂŒber hinaus spielen auch die Postbiotika eine Rolle fĂŒr ein gesundes Darmmikrobiom.
Welche Rolle spielen Postbiotika?
Mit Postbiotika bezeichnet man zum Beispiel diese kurzkettigen FettsÀuren, also alles, was aus den Bakterien entsteht. Dazu gehören auch Bestandteile von Bakterien, Zellkomponenten von Bakterien, die sich nicht mehr vermehren können und ebenso Bestandteile abgetöteter Bakterien. Hier gibt es jetzt auch AnsÀtze, diese kurzkettigen FettsÀuren der SÀuglingsnahrung beizumengen. Allerdings ist der Geschmack dieser kurzkettigen FettsÀuren nicht sehr gut. Es bedarf weiterer Optimierungen auf Seiten der Hersteller von SÀuglingsnahrung, um dieses Problem zu lösen. Die Zusammensetzung der Muttermilch, die man ja hier versucht in einem Produkt abzubilden, ist eben ausgesprochen komplex, und hier ist die Forschung gefragt.
Herr Prof. Renz, herzlichen Dank fĂŒr dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
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