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Hilft Heilerde bei Bauchbeschwerden?

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Wie genau muss man Heilerde bei Reizdarm anwenden? Bildquelle: A. Jänsch

Wenn sich keine gravierende Ursache für Bauchbeschwerden finden lässt, sind die Betroffenen oft ratlos. Die Bauchbeschwerden sind da, auch wenn eine konkrete Ursache nicht erkennbar ist und viele wünschen sich eine natürliche Möglichkeit, die Symptome zu lindern. Ist Heilerde eine solche Möglichkeit, Bauchbeschwerden zu lindern? MeinAllergiePortal sprach mit Dr. med. Annette Jänsch, Fachärztin für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung "Naturheilverfahren", Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin, Standort Berlin-Wannsee.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Dr. med. Annette Jänsch

Frau Dr. Jänsch, was genau versteht man unter „Heilerde“?

Heilerde wird aus eiszeitlichem „Löss“ gewonnen. Mit „Löss“  bezeichnet man die sehr fein vermahlene Erde, die in der Eiszeit durch Gletscher entstand. Für medizinisch eingesetzte Heilerde wird dieser Löss nochmals feiner vermahlen. Dadurch erhöhen sich die Oberfläche der Heilerde und auch die Bindungskapazität. Heilerde kann deshalb Säuren und Toxine, aber auch die Wirkstoffe von Medikamenten oder Koffein, sehr effektiv binden. Heilerde absorbiert, ein sehr altes Prinzip, dass in der Medizin schon seit Jahrtausenden in vielen Kulturen genutzt wird. Schon die alten Ägypter haben sich mit Heilerde kuriert, wenn sie Sodbrennen hatten.

In welchen Fällen setzen Sie Heilerde ein – wann kann Heilerde helfen?

Wir setzen Heilerde bei sogenannten dyspeptischen Beschwerden ein, d.h. bei Sodbrennen, brennenden Magenbeschwerden oder leichten Entzündungen der Schleimhaut der Speiseröhre. Üblicherweise werden bei dieser Art von Beschwerden H2-Antagonisten, man nennt sie auch H2-Rezeptorenblocker oder Protonenpumpenhemmer, eingesetzt, um die Magensäurebildung zu verhindern. Heilerde ist nach unserer Erfahrung aber wesentlich gesundheitsfördernder als der Einsatz von H2-Antagonisten, die sehr stark beworben werden und frei verkäuflich sind. Hat man Sodbrennen oder hat man mal etwas „zu viel gegessen“, ist Heilerde sehr hilfreich. Dafür rührt man einen Messlöffel Heilerde in ein Glas Wasser, trinkt es und in kürzester Zeit ist das Sodbrennen weg, weil die Säuren durch die Heilerde effektiv gebunden werden.

Auch Patienten mit Reizmagen, d.h. mit Magenbeschwerden, für die man keine wesentliche Ursache finden kann, profitieren von Heilerde. Wenn Reizmagen-Patienten regelmäßig Heilerde zu sich nehmen, haben sie weniger Bauchbeschwerden in Form von Magenbrennen oder Magenschmerzen.

Bei Reizdarm empfehle  ich Heilerde therapiebegleitend. Heilerde wirkt nicht nur im Magen, sondern kann auch im Darm Toxine binden. Reizdarm-Patienten vertragen auch häufig Lebensmittelzusatzstoffe eher schlecht. Allerdings vermute ich, dass dies für die meisten Menschen gilt, ohne dass sie es bemerken. Menschen mit Reizdarm-Syndrom empfehlen wir deshalb, auf Fertigprodukte zu verzichten und die Mahlzeiten besser selbst zuzubereiten.  

Akute Durchfälle lassen sich ebenfalls mit Heilerde behandeln, aber auch mit Trinkmoor, das auch Toxine absorbiert.

Ein positiver Nebeneffekt der Heilerde ist die zusätzliche Versorgung der Patienten mit Mineralien, wie z.B. Silizium, Kalzium und Kalium. Aber auch Eisen, Magnesium, Kalium, Natrium, sowie Spurenelemente wie Kupfer, Mangan, Nickel, Selen und Zink sind in Heilerde enthalten.   

Bei Gelenkbeschwerden kann man Heilerde ebenfalls einsetzen. Dafür gibt es eine spezielle Heilerde zur äußerlichen Anwendung.  

Zur Behandlung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten setzen Sie Heilerde nicht ein?

Nahrungsmittelunverträglichkeiten sollte man differenziert betrachten. Zum einen liegt die Ursache für Nahrungsmittelunverträglichkeiten häufig am Zustand der Darmschleimhaut.

Zum anderen muss bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten zunächst eine Diagnostik erfolgen und dann muss man unterscheiden, um welche Art von Nahrungsmittelunverträglichkeit es sich handelt. Es gibt Unverträglichkeiten von Zuckern, wie die Fruktosemalabsorption, die Sorbitunverträglichkeit oder die Laktoseintoleranz und es gibt einweißallergische, IgE-vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Eine Nahrungsmittelunverträglichkeit kann eigentlich nur dann auftreten, wenn Nahrungsbestandteile in den Körper gelangen, die dort nicht hinkommen sollten. Ein Problem ist in diesen Fällen immer die Barrierefunktion der Darmschleimhaut. Ist diese gestört, können Eiweißbestandteile der Nahrung regelrechte Immunkaskaden auslösen. Wir wissen heute, dass Allergien, aber auch Autoimmunerkrankungen über das Immunsystem des Darmes getriggert werden.

Zunehmend sehen wir in unserer Ambulanz auch Patienten, die histaminhaltige bzw. histaminfreisetzende Nahrungsmittel nicht vertragen. Diese Patienten vertragen auch häufig bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe und salicylhaltige Lebensmittel nicht.

Darüber hinaus gibt es eine große Gruppe der Patienten, die pseudoallergisch auf Eiweißbestandteile bestimmter Nahrungsmittel reagieren.

In diesen Fällen arbeiten wir eher mit mikrobiologischen Therapien um die Integrität der Darmschleimhaut wieder herzustellen. Weiter setzen wir diätetische Therapien ein, d.h. – je nach Diagnose – werden bestimmte Nahrungsmittel weggelassen bzw. in reduzierter Form zugeführt.

   

Was verstehen Sie unter „mikrobiologischer Therapie“?

Die mikrobiologische Therapie ist eine Therapie mit lebenden oder abgetöteten Darmkeimen oder auch mit Bestandteilen von Darmkeimen – man nennt sie auch Probiotika. Auch die Gabe von Präbiotika gehört zur „mikrobiologischen Therapie“. Probiotika sind Ballaststoffe, die den Probiotika als Nahrung dienen.

Zur Diagnose von Nahrungsmittelunverträglichkeiten gehört bei uns auch die Analyse der Darmkeime. Dabei untersuchen wir, ob und wie viele gesunde Darmkeime vorhanden sind und wo die Defizite liegen. Auch bei Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden wie Reizmagen und Reizdarm finden wir häufig Abweichungen bei den gesunden Darmkeimen. Oft ist deren Anzahl deutlich erniedrigt. Man findet bei diesen Untersuchungen jedoch auch Besiedlungen mit Hefepilzen oder ein verstärktes Wachstum von eiweissverstoffwechselnden Bakterien. Beides sollte im Darm eigentlich nicht vorkommen und kann die Patienten in ihrem Wohlbefinden stark beeinträchtigen.  

Weiter arbeiten wir mit Gerbstoff- bzw. Bitterstoffdrogen, verdauungsfördernden Substanzen wie Artischocke oder Mariendistel, beruhigenden Pflanzen wie der Kamille und Myrrhe oder krampflösenden Pflanzen wie der Pfefferminze.

Zum Thema „Mikrobiologie des Darmes“ gibt es übrigens ein sehr empfehlenswertes Buch von Giulia Enders, „Darm mit Charme“. In diesem Buch werden die Hintergründe des Themas sehr schön und in populärwissenschaftlicher Form dargestellt.  

Zurück zum Thema „Heilerde“, wann raten Sie Ihren Patienten mit Reizmagen, Reizdarm und Sodbrennen zu Heilerde?

Wenn mir ein Patient berichtet, dass er immer nach zu viel Alkoholgenuss an Sodbrennen leidet, würde ich natürlich als erstes empfehlen, weniger zu trinken. Heilerde hilft aber auch sehr wirksam bei einem „Katersodbrennen“.

Heilerde kann jeder einsetzen, sie ist frei verkäuflich. Man sollte jedoch beachten, dass Heilerde auch Medikamente bindet. Man sollte mindestens eine Stunde warten, bis man nach der Einnahme von Heilerde Medikamente einnimmt.

Bestehen die Magenbeschwerden schon seit längerem, sollten mit einer Magenspiegelung zunächst ernsthafte Erkrankungen ausgeschlossen werden.

In welcher Dosierung empfehlen Sie Heilerde und in welcher Form, als Pulver oder Kapseln?

Regulär empfehle ich für Heilerde dreimal täglich und zur Nacht jeweils einen Messlöffel. Viele Patienten leiden insbesondere nachts unter Sodbrennen, denn dann steigt die Magenflüssigkeit durch das Liegen in die Speiseröhre hoch. Eine abendliche Gabe von Heilerde neutralisiert dies sehr gut und ist aus meiner Sicht verträglicher, als die bei Sodbrennen zu oft eingesetzten H2-Blocker.

Grundsätzlich bevorzuge ich die Heilerde in Pulverform, weil dann die eingenommene Menge größer ist. Eine akute Säureblockade ist nur mit Heilerde in Pulverform erreichbar. Manche Patienten mögen diese Form der Darreichung nicht so gerne, weil man dann ja tatsächlich in Wasser aufgelöste Erde schlucken muss. Für diese Patienten sind die Heilerde-Kapseln durchaus sinnvoll, man  muss aber bedenken, dass sie deutlich weniger Material enthalten und so auch weniger wirksam sind, es sei denn, man erhöht die Anzahl der Kapseln entsprechend.

Nimmt man die Heilerde vor, zu oder nach den Mahlzeiten ein?

Das hängt davon ab, wie die Beschwerden auftreten. Wenn die Beschwerden nach den Mahlzeiten auftreten, empfehle ich den Patienten die Einnahme der Heilerde im Anschluss an die Mahlzeit. Treten die Beschwerden eher vor dem Essen auf, sollte die Heilerde ebenfalls vorher eingenommen werden.

Welche Probleme sehen Sie bei der Anwendung von H2-Blockern gegen Sodbrennen.

Aus meiner Sicht  ist durch die Möglichkeit der Selbstmedikation mit H2-Blockern bei Sodbrennen ein regelrechter Missbrauch entstanden. H2-Blocker blocken die Magensäure sehr effektiv, aber diese Medikamente wurden für eine Kurzzeittherapie entwickelt. H2-Blocker sind bei Magengeschwüren, Zwölffingerdarmgeschwüren, schwerer Gastritis oder Entzündung der Speisröhre sehr effektiv. 

Werden diese Medikamente jedoch als Dauermedikation, d.h. länger als ein halbes Jahr, angewendet, verändert sich der pH-Wert im Darm und es kommt zur Störung der regulären Verdauungsfunktion und schließlich zum Reizdarm. Hinzu kommen eine Reihe von anderen Nebenwirkungen, darunter auch eine verminderte Kalziumresorption. Menschen, die H2-Blocker über Jahre hinweg einnehmen, entwickeln deshalb häufig eine Osteoporose. Aus diesen Gründen setze ich Heilerde alternativ zu H2-Blockern ein, bzw. empfehle es auch den Patienten, die schon lange H2-Blocker einnehmen.

Übrigens ist die Einnahme von H2-Blocken in vielen Fällen nicht einmal indiziert. Bei Patienten mit Reizmagen z.B. ist der Einsatz von H2-Blockern nicht einmal sinnvoll. Sinnvoller sind eine Ernährungsumstellung, Heilerde oder pflanzliche Arzneimittel.

Frau Dr. Jänsch, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

05. Oktober 2015

Autor: S. Jossé/A. Jänsch, www.mein-allergie-portal.com

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