Bauernhof-Effekt: Ist das ein Schutz vor Allergien?
Es gibt einen Bauernhof-Effekt, der Kinder, die auf dem Bauernhof aufwachsen, vor der Entwicklung von Allergien schützt. Wie aber kommt es zu diesem Effekt? Über neue Erkenntnisse zum Schutz vor Allergien bei Bauernhof-Kindern berichtete Prof. Bianca Schaub, Oberärztin und stellv. Leiterin an der Asthma- und Allergieambulanz der LMU München, beim Deutschen Allergiekongress 2020.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Bianca Schaub
Der Bauernhof-Effekt: Ein weltweites Phänomen!
Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, scheinen vor Allergien besser geschützt zu sein. Eine Studie an Bauernhof-Kindern, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Finnland und Frankreich durchgeführt wurde, zeigte, dass Kinder, die sehr früh auf dem Bauernhof lebten, eine deutlich geringere Allergieneigung hatten. Während es bei 10 Prozent der Stadtkinder zu Allergien kam, waren es bei den Bauernhof-Kindern nur 5 Prozent.
Dass ein ländliches Umfeld zu den schützenden Umgebungsfaktoren gehört, zeigt sich weltweit, so auch am Beispiel China. Das städtische Leben in China entspricht dem „Western Lifestyle“ und geht noch dazu mit einer hohen Umweltverschmutzung einher. Das ländliche Leben in China ist mit einem engen Kontakt zu Tieren und verschiedenen mikrobiellen Bestandteilen verbunden. „Dementsprechend kommt es in China auf dem Land bei 0,8 Prozent und in der Stadt bei 12 Prozent der Bevölkerung zu Allergien und Asthma“, erklärte Prof. Schaub, „ein dramatischer Effekt!“.
In den USA konnte eine Studie an zwei speziellen Bevölkerungsgruppen ebenfalls belegen, dass der Kontakt zu traditioneller Landwirtschaft im Hinblick auf die Allergieentstehung schützend wirkt. Verglichen wurde das Auftreten von Allergien bei den Bevölkerungsgruppen der Hutterer und der Amish. Beide Gruppen wanderten einst aus der Schweiz nach Amerika aus, pflegen einen bäuerlich traditionellen Lebensstil und leben in großen Familienverbänden. Zu Asthma kommt es laut dieser Studie aus dem NEJM bei den Hutterern bei 20 Prozent und bei den Amish bei 0 Prozent der Bevölkerung. „Der große Unterschied ist, dass die Hutterer eine moderne, maschinenbasierte Landwirtschaft betreiben, während die Amish ihre Felder traditionell mit Hilfe von Pferden oder per Hand durchführen“, erklärte Dr. Schaub das Phänomen.
Schutz vor Allergien durch den Bauernhof-Effekt? Liegt es am Stallstaub?
Um den Bauernhof-Effekt besser zu verstehen hat man untersucht, ob ein bestimmtes, anti-entzündlich wirkendes Enzym (TNFAIP3 (A20)) eine Rolle spielen könnte. Das Enzym ist in Stallstäuben vorhanden und reguliert die Entzündungsreaktion, die ein Merkmal von Allergien ist. In einer Studie an der LMU München wurden Kinder mit allergischem Asthma und gesunde Kinder untersucht. Aus Blutproben beider Gruppen wurden Zellkulturexperimente durchgeführt und die Zellen mit Staub von Ställen aus Europa, China und den Amish People inkubiert. Dabei wurde deutlich, dass das antiinflammtorisch regulativ wirkende TNFAIP3 (A20) bei den Asthmatikern signifikant reduziert ist. . „Durch die Zugabe der Stallstäube vom Bauernhof war es jedoch möglich, diesen Mangel bei den Kindern mit Asthma auszugleichen“, erklärte Prof. Schaub, „dies könnte ein Ansatz für die Entwicklung neuer Therapien sein“.
Bauernhof-Effekt: Wie bringt man den Stallstaub in die Stadtwohnung?
Da nicht jeder auf einem Bauernhof leben kann, stellt sich die Frage, wie man die vor Allergien schützende Wirkung von Stallstäuben auch im städtischen Umfeld nutzen könnte. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Studienergebnisse der 5-Länder PASTURE Studie unter der Leitung der finnischen Arbeitsgruppe. Sie konnte zeigen, dass eine Farm-ähnliche Mikrobiota des Hauses, das heißt die Gesamtheit aller Mikroorganismen in einem Haus, nicht nur Bauernkinder schützen kann. Auch Nicht-Bauern Kinder waren vor Asthma geschützt, wenn sie eine Exposition zu einer Farm-ähnlichen Mikrobiota hatten.
Stallstaub und Darmmikrobiom: Kann das vor Asthma schützen?
Einen Schritt weiter ging man in einer aktuellen Studie zu den Zusammenhängen zwischen dem Mikrobiom des Darmes, einer Bauernhofexposition und der Entwicklung von Asthma. Wichtig zu wissen ist: Das Mikrobiom des Darmes durchläuft einen gewissen Reifeprozess. In der PASTURE-Studie stellte man dann fest, dass ein reiferes Mikrobiom des Darmes mit dem Leben auf dem Bauernhof einhergeht“, so Prof. Schaub, „und dies war mit einem geringeren Asthma-Risiko assoziiert“.
In der gleichen Studie konnte man nachweisen, dass bestimmte Bakterien, die Butyrat produzieren, an diesem Reifeprozess beteiligt sind. Butyrat ist eine kurzkettige Fettsäure, gilt als wesentliche Energiequelle der Darmzellen und wird von Darmbakterien produziert. In der Studie sah man bei Kindern mit nicht-atopischem Asthma eine verminderte Aktivität dieses Produktionsprozesses.
Wie die gleiche Studie zeigen konnte lassen sich die Faktoren, die das „Leben auf dem Bauernhof“ zu einem vor Allergien schützenden Faktor machen, noch weiter definieren. Als schützend erwiesen sich zum Beispiel auch der Verzehr von Bauernhof-Produkten wie Rohmilch und Eiern. „Letztendlich bestärken diese Studienergebnisse, dass es eine ‚Darm-Lungen-Achse‘ geben könnte, die man zur Entwicklung von Allergietherapien nutzen könnte“, so Prof. Schaub.
In der zur Zeit laufenden multizentrischen Studie CHAMP, die die LMU München koordiniert, wird untersucht, welche Faktoren eine frühe Atopieentwicklung beinflussen. Im Fokus stehen hierbei auch die Lebensqualität, die Ausprägung des Schweregrades der allergischen Erkrankungen und die Faktoren, die zum Verschwinden der Allergien führen. „Ziel ist es, die unterschiedlichen Mechanismen besser zu verstehen damit eine personalisierte Therapie und Prävention zu ermöglichen“, so Prof. Schaub.
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/B. Schaub, www.mein-allergie-portal.com
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