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Colitis ulcerosa - Morbus Crohn: Was ist der Unterschied?

Colitis ulcerosa - Morbus Crohn: Was ist der Unterschied?
Zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) gehören sowohl Colitis ulcerosa als auch Morbus Crohn - Aber was ist der Unterschied? Bildquelle: Gerhard Berger

Sowohl die Colitis ulcerosa als auch der Morbus Crohn gehören zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Was aber ist der Unterschied zwischen diesen beiden Erkrankungen des Darmes? Und: Gibt es auch Gemeinsamkeiten? MeinAllergiePortal sprach mit Univ.-Prof. Dr. med. Herbert Tilg, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I, Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Stoffwechsel, Medizinischen Universität Innsbruck.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Univ.-Prof. Dr. med. Herbert Tilg

 

 

Unterschied Colitis ulcerosa – Morbus Crohn: Die wichtigsten Fakten!

Beim Morbus Crohn ist die gesamte Darmwand von der Entzündung betroffen, bei der Colitis ulcerosa die oberste Schicht der Darmwand

Es gibt Unterschiede bei den Symptomen der beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn lassen sich auch immunologisch differenzieren

Auch unterschiedliche Immunmediatoren spielen eine Rolle

Es gibt unterschiedliche Therapien für Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

Manche Therapien helfen bei beiden Erkrankungen, aber meist in unterschiedlichem Maße

 

 

Herr Prof. Tilg, wie häufig sind die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und der Morbus Crohn?

Die Häufigkeit der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beträgt in Europa 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung. In Skandinavien und den Benelux-Ländern gibt es die höchste CED-Prävalenz in Europa. In Österreich schätzt man, dass 0,5 Prozent der Bevölkerung von CED betroffen sind, Tendenz eher steigend.

Gibt es bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen.

In welchem Alter treten die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn auf?

Der Altersgipfel, vor allem beim Morbus Crohn, liegt zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr. Das ist auch bei Colitis ulcerosa so, aber der Altersgipfel ist hier „flacher“ und geht über das 30. Lebensjahr hinaus. Für beide chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gilt, dass der Gipfel der Erkrankungshäufigkeit im dritten Lebensjahrzehnt angesiedelt ist. Allerdings nimmt die Erkrankungshäufigkeit für CED bei Kindern und Jugendlichen, auch in unseren Breiten und auch in Deutschland, zu.

Was weiß man über die jeweiligen Ursachen von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn?

Mit der Frage nach den Ursachen für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa hat sich die Forschung in den letzten 10 bis 20 Jahren sehr intensiv beschäftigt und wir haben sehr viel dazugelernt. Allerdings gelten sowohl der Morbus Crohn als auch die Colitis ulcerosa als komplexe Erkrankungen. Letztendlich bedeutet das, dass wir sie noch nicht vollständig verstehen.

Wo liegen die Gemeinsamkeiten von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn?

Gemeinsam ist der Colitis ulcerosa und dem Morbus Crohn, dass sie in einem ähnlichen Lebensalter auftreten. Bei beiden Erkrankungen beobachten wir eine intensive ausgedehnte chronische Entzündung der Darmwand. Beim Morbus Crohn ist die gesamte Darmwand involviert, bei der Colitis ulcerosa die oberste Schicht der Darmwand. Wir wissen aber, dass bei beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen der genetische Hintergrund, die Veranlagung, eine wichtige Rolle spielt. Bei Morbus Crohn ist die Genetik vermutlich relevanter als bei Colitis ulcerosa.

 

Endoskopische Aufnahme einer Colitis ulcerosa

Bildquelle: Prof. Dr. med. Herbert Tilg

Endoskopische Aufnahme eines Morbus Crohn

BIldquelle: Prof. Dr. med. Herbert Tilg

 

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind also erblich?

In Familien, in denen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn vorkommen, ist das Risiko für die Folgegenerationen, ebenfalls zu erkranken, erhöht. Das hat sich schon vor ca. 20 Jahren gezeigt, als man begann, bei verschiedenen Erkrankungen die Rolle der Genetik zu entschlüsseln. So konnte man beim Morbus Crohn, der zu den genetisch am besten untersuchten Erkrankungen des Menschen gehört, mittlerweile ca. 300 Genorte als Risikofaktoren identifizieren.

Bekommt man zwingend immer Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn wenn man genetisch vorbelastet ist?

Nein, die Genetik allein ist nicht entscheidend dafür, ob man Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bekommt. Die Gene sind lediglich einer von mehreren Risikofaktoren dafür, dass man diese Erkrankungen entwickelt. Vermutlich tragen viele Menschen einige Risikogene für chronisch entzündliche Erkrankungen in sich und haben dennoch weder einen Morbus Crohn noch eine Colitis ulcerosa. Interessant ist hierbei, dass all diese genetischen Assoziationen im Bereich der angeborenen bzw. adaptierten Immunologie angesiedelt sind. Es handelt sich also um immunologische Erkrankungen, und die Frage ist: Warum entsteht diese chronische Entzündung?

Was trägt dazu bei, dass es bei einer genetischen Vorbelastung für Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn zum Ausbruch der Erkrankungen kommt?

Damit es zum Ausbruch eines Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa kommt, müssen verschiedenste Dinge zusammenkommen. Einmal die Genetik als Basis der CED, dann aber exogene Faktoren bzw. Umweltfaktoren, die wir als extrem wichtig beurteilen, die wir aber auch am schlechtesten verstehen. Vermutlich spielt bei der Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen die Ernährung eine große Rolle: Aber wir sind noch nicht in der Lage zu definieren, was genau bei der Ernährung der ausschlaggebende Faktor ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Entwicklung von CED ist die Mikrobiota, die Keimwelt des Darmes.

Was weiß man über die Ernährung als Ursache für chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn?

Die Ernährung und die Mikrobiota hängen eng zusammen, denn die Nahrung ist der Hauptfaktor bei der Modellierung der Mikrobiota. Wir wissen, dass sich künstliche Zusatzstoffe in Fertigprodukten und Nahrungsergänzungsmittel eher negativ auf die Darmkeime auswirken. Fest steht auch, dass chronisch entzündliche Darmerkrankungen mit dem westlichen Lebensstil sehr eng verknüpft sind. Zudem ist bekannt, dass es Bestandteile der Nahrung gibt, die die Entzündung fördern und wiederum andere, die entzündungshemmend wirken. Die Ernährung ist vermutlich der relevanteste exogene Faktor bei CED wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.

Welche Rolle spielt das Mikrobiom des Darmes bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn?

Wir gehen davon aus, dass das Mikrobiom bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn eine Schlüsselrolle spielt. Wir haben in unserem Darm zirka 100 Trillionen Keime und dagegen müssen wir lebenslang eine immunologische Toleranz aufbauen. Das heißt, wir müssen diese Keime in unserem Darm als “körpereigen” erkennen. Wenn wir das nicht tun, entsteht eine Immunreaktion und in der Folge kommt es zu einer chronischen Entzündung. Wir haben substanzielle Hinweise darauf, dass bei diesen Erkrankungen die immunologische Toleranz erlischt. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt, werden aber intensiv untersucht.

Handelt es sich bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn denn um die gleiche oder um unterschiedliche Arten von Entzündung, wie unterscheidet sich der Pathomechanismus?

Die beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn lassen sich immunologisch differenzieren, genauso, wie das klinisch anhand der Symptome der Fall ist. Bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn dominieren jeweils unterschiedliche Zellen und unterschiedliche Zellformationen. Das lässt sich auch histologisch, durch mikroskopische Aufnahmen der jeweiligen Gewebeproben aus dem Darm, deutlich unterscheiden. Wir wissen auch, dass bei den beiden CED unterschiedliche Immunphänomene eine Rolle spielen. Das gilt insbesondere für die Immunmediatoren, von denen mittlerweile über 100 bekannt sind. Insofern kann man bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa von einem typischen Verhalten der Immunmediatoren ausgehen. Kompliziert wird die Diagnose allerdings dadurch, dass sich bei ca. 5 Prozent der Betroffenen nicht klar zuordnen lässt, ob sie Colitis ulcerosa oder Modus Crohn haben. Diese Betroffenen zeigen Features beider Erkrankungen, im Sinne eines Overlap-Syndroms, früher als Colitis indeterminata bezeichnet; heute als „unclassified IBD“.

Welche Unterschiede gibt es bei den Symptomen von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa?

Ein wichtiger Unterschied zwischen den Symptomen von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn ist das Auftreten von Blut im Stuhl. Bei der Colitis ulcerosa ist ein blutiger Stuhl bzw. blutiger Durchfall ein Leitsymptom. Es gilt: Blut im Stuhl oder „mehr Blut als Stuhl” beim Toilettengang, insbesondere beim jungen Menschen, wird so lange als eine Colitis ulcerosa bewertet, bis diese Erkrankung diagnostisch ausgeschlossen wurde. Beim Morbus Crohn ist die Bewertung der Symptome komplexer, denn diese Patienten leiden öfter unter Bauchschmerzen. Das liegt daran, dass beim Morbus Crohn der Übergang zwischen Dünn- und Dickdarm betroffen ist und es hier häufig zu Engstellen kommt, die dann die Schmerzen verursachen. Zwar leiden MC-Patienten auch unter Durchfall, aber Blut im Stuhl ist selten, obwohl auch das vorkommen kann. Häufiger sind bei Morbus Crohn allgemeine Symptome wie Schwäche, Müdigkeit oder Blutarmut, vorhanden. Das sind klassische Phänomene der chronischen Erkrankung, die auch auf solche Erkrankungen hinweisen. Man kann also sagen, Morbus Crohn ist mehr eine Systemerkrankungen als Colitis ulcerosa. Auch hier kommt es häufig zu Müdigkeit, aber der Grund ist hier eine Blutarmut als Folge der starken Blutungen aus dem Darm.

Weiß man, warum schon Kinder Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn entwickeln?

Leider weiß man aktuell noch nicht, warum auch Kinder immer häufiger an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen erkranken. In der Pädiatrie sieht man die CED bereits bei den Kleinkindern, vor allem den Morbus Crohn. Hier stehen rein genetische Ursachen im Vordergrund, und mehrere relevante Gendefekte sind bekannt. Warum es aber auch bei einem Teenager plötzlich zu einer CED kommt, ist noch nicht verstanden. Wir wissen, dass der Lebensstil eine Rolle spielt und dass die Lebensführung im Alter von 20 oder 30 Jahren durchaus schon zum Tragen kommt. Offen ist jedoch, ob der Lebensstil bereits im Teenager-Alter ausschlaggebend sein kann. Andererseits ist die Lebensführung nicht immer der offensichtliche Faktor bei CED. Es ist oft nicht nachvollziehbar, warum ein junger normalgewichtiger Mensch, der regelmäßig Sport treibt und sich halbwegs gesund ernährt, plötzlich eine chronisch entzündliche Darmerkrankung entwickelt.

Wenn der Lebensstil bei den CED eine Rolle spielt, betrifft das dann nicht vornehmlich die Ernährung?

Wir nehmen heutzutage jeden Tag mehr als 10.000 Substanzen zu uns, mehr als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Dazu gehören alle Arten von Fremdstoffen, wie Zusatzstoffe in Form von E-Nummern etc.. Über diese Substanzen wissen wir meist nicht viel, aber die Zulassungsverfahren für dieser Lebensmittelzusatzstoffe sind für die Lebensmittelindustrie relativ einfach. Studien oder Gesundheitsdaten müssen für die Zulassung einer neuen Substanz nicht vorgelegt werden.

Könnten die Zusatzstoffe in Fertigprodukten die Ursache für steigende Erkrankungszahlen bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sein?

Über die Wirkung dieser Stoffe auf den Organismus wissen wir nicht viel. Eine Verbindung zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa und dem Lebensstil ist jedoch bekannt. Man weiß das durch Populationsstudien, die vor 30 Jahren an Japanern durchgeführt wurden, die in die USA ausgewandert sind. Japan hatte damals eine sehr niedrige Rate an Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, aber innerhalb von 10 Jahren hat sich die CED-Erkrankungsrate der Japaner, die in Amerika lebten, an die CED-Erkrankungsrate der amerikanischen Bevölkerung angepasst. Bei diesen Menschen hat sich die Genetik nicht geändert, wohl aber der Lebensstil. Das heißt: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind Erkrankungen des westlichen Lebens und diese nehmen global zu, weil der westliche Lebensstil, inklusive der Verzehr von Fertigprodukten, global zunimmt.

Wie wird die Diagnose Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn gestellt?

Das Anamnesegespräch ist bei beiden Erkrankungen, wie grundsätzlich immer, die erste diagnostische Maßnahme. Durch Untersuchungen per Ultraschall oder eine Endoskopie, eine Darmspiegelung, kann man die Diagnose schon relativ gut stellen, außer es handelt sich um ein Overlap, das bei 5 bis 10 Prozent der Menschen der Fall ist. Zudem steht auch die Kernspintomographie (MRT) zur Diagnostik zur Verfügung, vor allem bei Morbus Crohn.

Bestehen die Symptome seit kurzem, ist zudem zu prüfen, ob eine Infektion, zum Beispiel mit Campylobacter jejuni die Ursache sein könnte. Dieses Krankheitsbild kann dem Morbus Crohn sehr ähnlich sehen. Meist ergeben sich bei der Endoskopie und Histologie sehr typische Befunde. Aus der Summe von Anamnese, Klinik, Labor, Ultraschall und Endoskopie ergibt sich dann die Diagnose.

Wie unterscheidet sich der Verlauf von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa?

Für beide CED-Erkrankungen gilt: Der Verlauf ist hoch individuell und sehr unterschiedlich, denn jeder Verlauf ist möglich. Wir haben milde Verläufe mit einem akuten Schub und dann relativ ruhiger Krankheit und wenig Therapiebedarf. Es gibt bei den CED aber auch chronisch aktive Erkrankungen, chronisch aggressive Erkrankungen und ständig aktive Erkrankungen. Es zeigen sich also sehr viele unterschiedliche klinische Bilder. Deswegen ist es so wichtig, dass, sofort ab Diagnosestellung, die Therapie an den Patienten perfekt angepasst wird. Zwar sind die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen komplexe Krankheiten, aber wir können diese heute gut behandeln. Die Therapie kann viele Jahre nötig sein, aber es gibt Fälle, bei denen wir nach 5 bis 6 Jahren mit der Therapie aufhören, und die Symptome sind verschwunden und das über 20 Jahre lang.

Wie unterscheidet sich die Therapie von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa?

Bei der Behandlung von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn kann man mit einfachen Therapien anfangen.

So kann die Therapie bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn aussehen:

  • Bei beiden Entzündungen des Darms wirkt Kortison. Kortison ist jedoch immer eine Kurzzeittherapie, die nicht länger als 8 bis 10 Wochen dauern sollte. Als Dauertherapie ist Kortison verboten.
  • Bei der Colitis ulcerosa wirken Mesalazin-Präparate sehr gut, aber bei Morbus Crohn sind sie unwirksam.
  • Im nächsten Schritt können wir auf Immunsuppressiva wie Azathioprin zurückgreifen, das bei beiden Erkrankungen helfen kann, bei Colitis ulcerosa eventuell etwas besser als beim Morbus Crohn.
  • Eine weitere therapeutische Möglichkeit sind TNF-alpha-Inhibitoren, die bei beiden CED wirksam sind, beim Morbus Crohn etwas wirksamer als bei der Colitis ulcerosa.
  • Weiter gibt es die sogenannten Anti-Adhäsionsmoleküle wie zum Beispiel den monoklonalen Antikörper Vedolizumab, ebenfalls bei beiden wirksam, wenn auch mehr bei Colitis ulcerosa.
  • Hinzu kommt das Wirkprinzip anderer monoklonaler Antikörper, wie Anti-Interleukin-12 (Anti-IL-12), Ustekinumab, wirksam bei beiden Erkrankungen und Anti-Interleukin-23, (Anti-IL-23), auch wirksam bei beiden, wie zum Beispiel ebenfalls Guselkumab, Tildrakizumab, and Risankizumab.
  • Neu sind die JAK-Inhibitoren Upadacitinib, Tofacitinib und Filgotinib, alle drei wirksam bei Colitis ulcerosa, wobei Upadacitinib auch für Morbus Crohn zugelassen ist.

Darüber hinaus forscht die Pharmaindustrie intensiv an neuen Substanzen. Ziel ist es, die CED nicht nur besser zu behandeln, sondern zu heilen. Wir wollen insbesondere den jungen Menschen in der produktivsten Phase ihres Lebens helfen, wenn sie von chronischen Entzündungen des Darmes betroffen sind. Diese Erkrankungen beeinflussen das Sozialverhalten, das Sexualleben, die Karriere, die soziale Stellung. Deshalb ist es so wichtig, für die Patienten die bestmögliche Behandlung zu entwickeln.

Wenn es sich bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn um unterschiedliche Arten von Entzündungen handelt, wie kommt es dann, dass viele Therapien für beide CED geeignet sind?

In der Tat gibt es bestimmte Therapien, die sowohl für Colitis ulcerosa als auch für Morbus Crohn eingesetzt werden können. Trotzdem handelt es sich bei diesen CED um klinisch immunologisch unterschiedliche Erkrankungen. Wahrscheinlich gibt es zu einem früheren Zeitpunkt in der Entzündungskaskade Mediatoren und Ziele für Medikamente, die bei beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wirksam sind. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass bestimmte Therapien bei der einen oder anderen Erkrankung wirksamer sind, als bei der anderen, und dies spricht wiederum für spezifische Aspekte. Andererseits haben wir eine Reihe von Phänomenen, die bei beiden Erkrankungen ähnlich sind, und deswegen wirken auch manche Therapien ähnlich.

Könnten Sie uns ein Beispiel für Therapien geben, die sowohl bei Colitis ulcerosa als auch bei Morbus Crohn helfen?

Es gibt ein Eiweiß, nämlich TNF („Tumor Nekrose Faktor“) das für die chronische Entzündung hoch relevant ist. Wenn man dieses Protein mit einem Antikörper neutralisiert, funktioniert dies bei beiden Erkrankungen, aber die Wirksamkeit ist bei Morbus Grund besser. Ein anderes Beispiel für neue, bei beiden Darmerkrankungen wirksame Therapien, ist das Interleukin 23, IL-23, das erst kürzlich auf den Markt gekommen ist. Auch diese Antikörper-Therapie ist bei beiden Erkrankungen wirksam. Das heißt: Ja, wir haben Therapieprinzipien die beiden CED-Erkrankungen gemeinsam sind. Es gibt also eine immunologisch recht große Schnittmenge.

Was kann man tun, um die Entstehung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu vermeiden?

Übergewicht, Rauchen und der westliche Lebensstil sollten möglichst vermieden werden, um CED vorzubeugen. Ein normales Gewicht, mediterrane Kost und Sport wirken diesen Erkrankungen ebenfalls entgegen. Das alles ist aber noch sehr vage und auch bei einem gesunden Lebensstil kann man CED entwickeln, aber die Wahrscheinlichkeit sinkt.

Herr Prof. Tilg, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

19. Juli 2023

Autor: S.Jossé/ H.Tilg, www.mein-allergie-portal.com

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