Zöliakie-Antikörper: Was heißt das für die Diagnose?
Zur Diagnose einer Zöliakie gibt es unterschiedliche Testmethoden. Untersucht wird auf Antikörper, aber welche sind relevant? Mit Dr. Stephanie Baas, medizinische Beraterin der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e. V. (DZG) in Stuttgart, sprach MeinAllergiePortal über die Antikörper gegen die Gewebstransglutaminase, Endomysium und deamidierte Gliadinpeptide.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Dr. Stephanie Baas
Frau Dr. Baas, was versteht man im Zusammenhang mit Zöliakie unter „Antikörper“?
Antikörper entstehen dann, wenn das Immunsystem sich gegen Eindringlinge zur Wehr setzt. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Organismus mit Viren konfrontiert wird. Aber auch fremde Proteine, das heißt Eiweiße, werden unter Umständen abgewehrt. Es kommt dann zu einer Immunreaktion und unter anderem auch zur Bildung von Antikörpern. Die Aufgabe der Antikörper ist es, die fremden Eiweiße durch die Bindung unschädlich zu machen.
Bei der Zöliakie wehrt sich das Immunsystem also gegen körpereigene Eiweiße?
Normalerweise toleriert der Körper mit der Nahrung aufgenommene fremde Eiweiße. Man spricht von einer oralen Toleranz. Bei Personen mit einer Zöliakie ist dies verloren gegangen oder nie richtig aufgebaut worden. Die beschriebenen Mechanismen greifen nun auch bei der Zöliakie. Deshalb kann man bei Patienten mit Zöliakie Antikörper im Blut nachweisen. Zum einen bildet der Körper dann Antikörper gegen das mit der Nahrung aufgenommene Gliadin. Zum anderen werden auch Antikörper gegen ein körpereigenes Enzym, die Gewebstransglutaminase, gebildet, die bei Zöliakie aufgrund der bestehenden Entzündung in größeren Mengen freigesetzt wird. Die Bildung von Antikörpern gegen die körpereigene Gewebstransglutaminase ist der Nachweis dafür, dass es sich bei der Zöliakie um eine Antoimmunerkrankung handelt.
Wir kennen bei der Zöliakie auch noch andere Antikörper, nämlich die gegen Endomysium (EmA) und gegen die deamidierten Gliadinpeptide (DGP). Bei den Endoymsium-Antikörpern handelt es sich im Prinzip um die gleichen Antikörper wie gegen die Gewebstransglutaminase. Sie werden nur über ein anderes Testverfahren nachgewiesen und haben daher aus historischen Gründen ihren Namen. Die deamidierten Gliadinpeptid-Antikörper sind Antikörper gegen Glutenbruchstücke, die im Darm durch das Enzysm Gewebstransglutaminase verändert (deamidiert) wurden.
Wie werden bei der Zöliakie denn die verschiedenen Antikörper bestimmt, zum Beispiel die Endomysium-Antikörper?
Endomysium-Antikörper werden über einen indirekten Immunfluoreszenz-Test nachgewiesen. Dabei wird ein dünner Gewebeschnitt aus der Speiseröhre von Affen verwendet. Darauf wird das Serum des Patienten schrittweise und in unterschiedlicher Verdünnung aufgetragen. Dann wird ein „Antikörper gegen den Antikörper“, der mit einer fluoreszierenden Substanz ausgestattet ist, hinzugefügt. Wenn ein Antikörper vorhanden war und eine Bindung stattfindet, leuchtet die fluoreszierende Substanz. Dadurch ist der Nachweis erbracht, dass beim Patienten Antikörper vorhanden sind, an die sich die Endomysium-Antikörper binden. Hierbei gilt: je stärker die Verdünnung und je höher die Anzahl der Antikörper, umso stärker die Immunreaktion.
Der Test auf Endomysium-Antikörper ist ein Zöliakie-Standardtest, aber ein relativ kompliziertes Verfahren, für das ein tierischer Gewebeschnitt nötig ist. Dies ist aus ethischer Sicht problematisch. Außerdem muss das untersuchende Labor eine gewisse Erfahrung mitbringen, um den Test korrekt zu interpretieren.
Deshalb wird der Test auf Endomysium-Antikörper mittlerweile größtenteils durch einen Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper ersetzt. Er ist dennoch ein sehr gutes und zuverlässiges Testverfahren, das weiterhin zur Bestätigung der Diagnose eingesetzt wird.
Wie erfolgt bei Verdacht auf Zöliakie der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper?
Mit dem Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper weist man im Prinzip den gleichen Antikörper nach wie mit dem Test auf Endomysium-Antikörper, nur wie schon gesagt mit einem anderen Testverfahren. Der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper wird am häufigsten als erster Test durchgeführt, auch deshalb, weil das ELISA-Verfahren deutlich weniger kompliziert ist. Aber: In der deutschen Zöliakie-Leitlinie von 2014 gelten der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper und der Test auf Endomysium-Antikörper als gleichwertig. Allerdings hat der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper auch Schwächen.
Welche Schwächen bzw. Probleme gibt es beim Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper?
Der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper wird von vielen Herstellern angeboten und es gibt große Unterschiede in Bezug auf die Performance. Dies ist bei der Bewertung der Testergebnisse durchaus zu berücksichtigen. Ebenso spielt beim Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper das durchführende Labor eine Rolle.
Welchen Einfluss hat das ausführende Labor auf den Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper?
Auch hier ist wieder die Erfahrung des Labors mit dem Gewebstransglutaminase-Antiköper-Test ausschlaggebend, was die Vergleichbarkeit der Testergebnisse fast unmöglich macht. Es kann durchaus sein, dass Zöliakie-Patienten, die mit dem Arzt ja oft unwissentlich auch das Labor wechseln, mit sehr unterschiedlichen Testergebnissen und unterschiedlichen Werten konfrontiert werden. Diese sagen dann nicht unbedingt etwas über den tatsächlichen Verlauf der Zöliakie aus. Es wäre deshalb eigentlich sinnvoll, die Tests immer im gleichen Labor machen zu lassen.
Hinzu kommt, dass die Labore sehr unterschiedliche Normbereiche ausweisen.
Wie wirken sich die unterschiedlichen Normbereiche der Labore auf den Gewebstransglutaminase-Antiköper-Test aus?
Manche Labore definieren ihren Normbereich für den Gewebstransglutaminase-Antiköper-Test bei <1 U/ml, andere bei 7 U/ml oder 20 U/ml. Diese Unterschiede machen deutlich: Ein Wert von 21 U/ml, der in dem einen Labor als dreifach erhöht eingestuft wird, gilt bei einem anderen Labor als geringfügig über der Norm. Für den Arzt reicht dieser Wert alleine also nicht aus, um den Gesundheitszustand eines Zöliakie-Patienten zu beurteilen. Man muss wissen, von welchem Normbereich ausgegangen wird. Aber: Werden die Tests auf Gewebstransglutaminase-Antiköper immer beim gleichen Labor durchgeführt, ermöglichen die Werte eine gute Vergleichbarkeit und zeigen die Entwicklung der Erkrankung an. Zur Übersicht ist der Zöliakie-Pass hilfreich, den die Deutsche Zöliakie Gesellschaft (DZG) ihren Mitgliedern zur Verfügung stellt.
Ein weiteres Problem ist der sogenannte obere „Cut-off“.
Welches Problem entsteht bei Laboren, die Zöliakie Tests auswerten, durch den oberen „Cut-off“?
Die meisten Labore arbeiten mit einem oberen Cut-off. Das heißt, Werte über einer gewissen Höhe, werden nicht mehr weiter bestimmt. In der Praxis bedeutet das, dass gerade Zöliakie-Patienten mit hohen Ausgangswerten nicht so schnell Erfolge sehen, die eine Ernährungsumstellung auf glutenfreie Diät mit sich bringen. Bei einer Kontrolluntersuchung z.B. drei bis vier Monate nach Ernährungsumstellung verbessern sich die Werte dieser Patienten zwar, bleiben aber oberhalb des Cut-offs und „gehen unter“. Der Arzt sollte deshalb das Labor explizit anweisen, den Wert genau zu bestimmen und nicht mit Cut-offs zu arbeiten. Für die Patienten ist das umso frustrierender, da deren Motivation gerade zu Beginn der glutenfreien Diät meist sehr groß ist. Wiederholt man die Kontrolle nach weiteren3 - 6 Monaten, sieht das oft schon ganz anders aus.
Zurück zu den verschiedenen Zöliakie-Tests: Wann würde man denn welchen Test vornehmen?
Beginnen würde man mit dem Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper. Zeigt der Test erhöhte Werte, würde man eine Magenspiegelung vornehmen und wenn sich damit die Diagnose bestätigt, ist dies ausreichend.
Der Test auf Endomysium-Antikörper als zweiter Test wird meist dann eingesetzt, wenn der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper 10-fach über der Norm liegt und man auf eine Biopsie verzichten möchte. Dieses Vorgehen ist aber bislang gemäß der gängigen Leitlinien nur bei Verdacht auf Zöliakie bei Kindern erlaubt. Dabei sollte aber immer ein Kindergastroenterologe in die Entscheidung einbezogen werden, ob dieses Vorgehen ohne Biopsie im Einzelfall gerechtfertigt ist.
In sehr seltenen Fällen kann der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper negativ ausfallen, obwohl die Symptome des Patienten eindeutig auf eine Zöliakie hinweisen und eine Biopsie auch eine Zottenatrophie nachweisen konnte. Auch dann würde man den Endomysium-Antikörper-Test einsetzen. Es kommt dann gelegentlich vor, dass dieser dann positiv ausfällt und die Zöliakie bestätigt.
Häufiger fällt aber ein Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper falsch positiv aus. Dies kann an einem Laborfehler liegen, aber auch an Erkrankungen des Patienten wie zum Beispiel Lebererkrankungen, Herzerkrankungen, Infektionen oder anderen Autoimmunerkrankungen. In diesen Fällen wäre aber dann der Endomysium-Antikörper-Test negativ.
Dienen der Test auf Endomysium-Antikörper und der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper auch der Compliance-Kontrolle?
Sowohl der Test auf Endomysium-Antikörper als auch der Test auf Gewebstransglutaminase-Antiköper geben Auskunft darüber, wie gut der Zöliakie-Patient die Ernährungsumstellung auf „glutenfrei“ bewältigt. Beide Tests sind auch weniger aufwändig und auch deutlich angenehmer für die Patienten als eine Magenspiegelung, insbesondere dann, wenn Kinder betroffen sind. Beide Tests werden jedoch auch eingesetzt, wenn die Patienten trotz Compliance über Zöliakie-typische Symptome klagen. Dann könnensie den Verdacht auf Diätfehler verifizieren.
Und welche Rolle spielen bei der Zöliakie-Diagnose die Gliadin-Antikörper?
Die deamidierten Gliadinpeptid-Antikörper sind hauptsächlich dann relevant, wenn die Diagnose nicht eindeutig ausfällt oder beim Patienten ein IgA-Mangel besteht. Dennoch werden die Antikörper sowohl vom IgA- als auch vom IgG-Typ im Rahmen der Zöliakie Diagnostik häufig bestimmt. Dies ist eigentlich nicht nötig und aus Kostengründen auch nicht sinnvoll.
Wie häufig sollten die Laborwerte bei einer Zöliakie denn generell kontrolliert werden?
Wenn die Diagnose gestellt ist und die Ernährungsumstellung erfolgt, empfehlen wir die erste Kontrolle nach drei bis sechs Monaten. Wie bereits erwähnt, kann dann das Problem auftreten, dass sich die Werte der Patienten zwar verbessert haben, aber immer noch über den Cut-offs der Labore liegen. Dann ist es wichtig, dass der Arzt dies berücksichtigt und nicht davon ausgeht, dass der Patient sich nicht an die Diät gehalten hat. Eine weitere Kontrolle wäre dann ca. ein Jahr nach Diagnosestellung angeraten – oft sind die Werte dann schon im Normbereich. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte man weiterhin alle drei bis sechs Monate kontrollieren, bis sich die Werte vollständig normalisiert haben. Ist der Patient beschwerdefrei und die Antikörper in der Norm, reichen jährliche Kontrollen aus.
Frau Dr. Baas, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/S. Baas, www.mein-allergie-portal.com
Lesen Sie auch
-
Zöliakie: Schützen Kontrolluntersuchungen vor Langzeitfolgen?
-
Symptomatische Zöliakie: Wie sehen die untypischen Symptome aus?
-
FODMAP-arme Diät bei Reizdarm
Weitere Beiträge
Kinderwunsch – unerkannte Zöliakie kann Fruchtbarkeit beeinträchtigen
Anzeige
News - Zöliakie und Glutensensitivität
- Zöliakie-Medikament: Hoffnung auf ein beschwerdefreies Leben?
- Zöliakie-Diagnose: HLA-DQ2 und HLA-DQ8-Test
- Glutenfrei-Symbol „Durchgestrichene Ähre“
- Zöliakie, Sprue - was ist das?
- Zöliakie Symptome erkennen! Wie erfolgt die Diagnose?
- Zöliakie, Weizen Allergie, Gluten- oder Weizen-Unverträglichkeit: Was ist der Unterschied?
- Diagnose Zöliakie gestellt? Dann fangen die Probleme erst an!
- Zöliakie: Ab wann beginnt die Kontamination?