Mastozytose beim Kind: Ist das möglich?
Mastozytose, man unterscheidet zwischen der systemischen und der kutanen Mastozytose, ist selten. Dabei kommt es zu einer Vermehrung der Mastzellen. Vornehmlich leiden Erwachsene unter der Erkrankung, aber können auch Babys bzw. Säuglinge oder Kinder betroffen sein? Ob das möglich ist, erklärt PD Dr. med. Frank Siebenhaar, Leiter der Hochschulambulanz Allergologie der Charité in Berlin, im Gespräch mit MeinAllergiePortal.
Autor: Sabine Jossé, M. A.
Interviewpartner: PD Dr. med. Frank Siebenhaar
Herr Privatdozent Siebenhaar, was ist der Unterschied zwischen der systemischen Mastozytose und der kutanen Mastozytose?
Bei der systemischen Mastozytose treten die Mastzellen gehäuft in inneren Organen und im Knochenmark auf. Bei der kutanen Mastozytose oder auch „Mastozytose der Haut“ ist ausschließlich die Haut betroffen. Die kutane Mastozytose kommt vornehmlich bei Kindern vor.
Wie häufig sind Kinder von Mastozytose betroffen?
Die kutane Mastozytose ist mit ungefähr 60 Prozent die häufigste Mastozytose-Form und davon sind ungefähr 60 Prozent Kinder. Aber: Oft leiden Kinder unter der Mastozytose gar nicht so sehr, denn im Gegensatz zu den Erwachsenen, sind sie in der Regel ausschließlich von einer kutanen Mastozytose betroffen. Dagegen haben die Erwachsenen am häufigsten eine systemische Mastozytose und da am häufigsten die indolente systemische Mastozytose. Diese Mastozytose-Form ist mit unangenehmeren Beschwerden verbunden.
Können auch Babys und Kleinkinder von einer Mastozytose betroffen sein?
Ja, auch Babys bzw. Säuglinge und Kleinkinder können eine Mastozytose entwickeln. Die allermeisten Kinder, die eine kutane Mastozytose haben, kommen entweder bereits mit Mastozytose zur Welt oder die Haut-Mastozytose entwickelt sich im Laufe des ersten halben Lebensjahres. Man erkennt Mastozytose bei Babys am Auftreten rötlich bräunlicher Flecke auf der Haut. Das sieht auch ein bisschen anders aus als bei Erwachsenen.
Wie sieht Mastozytose bei Säuglingen aus?
Bei Kindern sind die Mastozytose-Flecke häufig größer und nicht so zahlreich wie bei Erwachsenen. Da bei den Kindern eben nur die “Haut” betroffen ist, haben Kinder auch nur sehr selten systemische Beschwerden. Die Beschwerden an der Haut der Kinder treten überwiegend dann auf, wenn diese Flecken, in denen zu viele Mastzellen sitzen, „geärgert“ werden.
Welche Trigger sorgen dafür, dass die Mastozytose-Flecken auf der Haut der Kinder schlimmer werden?
Die Mastozytose-Flecken auf der Haut der Kinder können zum Beispiel durch mechanische Reizung wie scheuernde Kleidung oder auch durch das Abrubbeln nach dem Waschen gereizt werden. Allein die Reibung kann dazu führen, dass die Mastzellen in den Mastozytose-Hautflecken aktiviert werden, und das sieht man dann an der Haut. Dann kommt zu einer Schwellung und Rötung, die aber nach einigen Minuten wieder weg sein kann. Man sollte deshalb bei Kindern mit Mastozytose sehr behutsam mit der Haut umgehen und lieber tupfen als reiben. Es gibt bei Kindern mit Mastozytose aber ein spezielles Risiko.
Welches Risiko haben Kinder mit kutaner Mastozytose im Vergleich zu Erwachsenen?
Kinder haben im Vergleich zu Erwachsenen mehr Hautoberfläche im Verhältnis zum Rest ihres Körpers. Deshalb kann es in Ausnahmefällen durch die Aktivierung der Mastzellen in der Haut durchaus auch zu Beschwerden kommen, die den ganzen Körper betreffen. Babys mit Mastozytose können einen Flush bekommen und werden dann am gesamten Körper rot. Das ist unangenehmen und die Säuglinge fangen dann auch meist an zu schreien. Schwere systemische Reaktionen bzw. schwere allergische Reaktionen wie eine Anaphylaxie sind bei Kindern extrem selten.
Wie stellt man bei Babys die Diagnose Mastozytose?
Die Diagnose einer Mastozytose kann bei den Babys zu Beginn der Erkrankung schwierig sein, denn die Mastozytose-Symptome bei Kindern sehen anders aus als bei den Erwachsenen. Durch die Hautanatomie bei Säuglingen und die Aktivierung der Mastzellen kann sich die Haut so geärgert fühlen, dass sich tatsächlich die Hautschichten trennen und Blasen entstehen. Es gibt aber noch andere dermatologische Hauterkrankungen bei Kindern, die mit einer Blasenbildung einhergehen. Deshalb muss genau hingeschaut werden, ob eine Mastozytose oder eine andere Erkrankung vorliegt.
Wie verläuft eine Mastozytose bei Kindern?
Bei Kindern mit einer Hautmastozytose besteht eine sehr, sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie von alleine wieder verschwindet.
Die Mastozytose kann bei Kindern also von selbst wieder heilen?
Eine im Kindesalter entstandene Mastozytose wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zum Erwachsenwerden abheilen. Aber eine im Erwachsenenalter entstehende Mastozytose, wird eher einen chronischen Verlauf zeigen und nicht mehr weggehen.
Woran liegt es, dass die Mastozytose der Haut bei Kindern meist von selbst wieder verschwindet?
Dazu gibt es eine Hypothese: Wir gehen davon aus, dass die ersten Mastzellen, die Säuglinge bei der Geburt in der Haut haben, nicht wie üblich aus Stammzellen des Knochenmarks entstehen, sondern aus dem sogenannten Dottersack. Das ist eine Art Hülle, die den Embryo im Mutterleib umgibt, und die ein regelrechtes Stammzell-Repertoire darstellt. Das Knochenmark nimmt dann erst später seine Funktion auf.
Nun bleiben Mastzellen sehr lange – Monate bis Jahre - in unseren Geweben, bis sie irgendwann absterben und durch neue Zellen aus dem Knochenmark ersetzt werden. Wenn man beim Säugling also diese für Mastozytose typischen KIT-Mutation findet, stammen sie höchstwahrscheinlich noch aus dem Dottersack. Die neuen Mastzellen werden dann aber später im Knochenmark gebildet und sind gesund. So verlieren die Kinder ihre Mastozytose wieder, weil im Laufe der Jahre die Zellen mit KIT-Mutationen in der Haut durch gesunde Mastzellen ersetzt werden. Somit verschwinden auch die Mastozytose-Flecken auf der Haut nach und nach.
Diese Theorie ist noch nicht ganz bewiesen, aber plausibel, denn im Mausmodell kann man dies nachvollziehen. Bei den Erwachsenen ist das leider nicht möglich, denn die KIT-Mutation tritt bei Erwachsenen von Anfang an in einer Stammzelle des Knochenmarks auf und bleibt lebenslang bestehen.
Herr Privatdozent Siebenhaar, herzlichen Dank für dieses Interview!
Quelle:
*Leitlinien Dermatologie: Mastozytose, AWMF online, http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-058.html
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/F. Siebenhaar, www.mein-allergie-portal.com
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