Histaminintoleranz (HIT)
Allgemeine Informationen
Die Histaminintoleranz ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, keine „echte“ Allergie. Im Gegensatz zur Allergie ist das Immunsystem an der Unverträglichkeitsreaktion nicht beteiligt. Der Organismus reagiert bei der Histaminintoleranz auf ein „zu viel“ an Histamin und anderen biogenen Aminen wie:
- Serotonin
- Tyramin
- Phenylethylamin
Sie werden mit Hilfe bestimmter Enzyme (Decarboxylasen) aus den Eiweißvorstufen (Aminosäuren):
- Histidin
- Tyrosin
- Tryptophan
- Phenylalanin
gebildet. Decarboxylasen kommen in Bakterien (nicht in Hefe!), aber auch in menschlichen, tierischen und pflanzlichen Geweben vor, so dass biogene Amine sowohl im menschlichen Organismus als auch in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln entstehen können, sofern die entsprechenden Aminosäuren vorhanden sind.
Histamin ist somit auch eine körpereigene Substanz und erfüllt verschiedene physiologische Funktionen, unter anderem senkt es den Blutdruck, fördert die Magensäureproduktion und steigert die Darmbewegungen. Bei Allergien wird Histamin aus Zellen in den Schleimhäuten freigesetzt und führt zu den typischen allergischen Beschwerden.
„Zu viel“ an Histamin bedeutet in diesem Falle, dass ein Ungleichgewicht zwischen dem mit der Nahrung aufgenommenen und/oder dem möglicherweise im Körper entstandenen Histamin (z.B. durch eine Allergie) und dem Histaminabbau vorliegt.
Die genaue Ursache der Histaminintoleranz (HIT) ist noch unklar. Bei der Entstehung einer HIT spielen mehrere Faktoren eine Rolle und nicht nur die Aufnahme einzelner histaminreicher Lebensmittel. Diese Faktoren sind:
- Verzehr von histaminreichen Lebensmitteln in einer Mahlzeit oder an einem Tag
- Mangel oder Hemmung des histaminabbauenden Enzyms Diaminoxidase (DAO) im Darm, evtl. auch anderer histaminabbauender Enzyme
- Verzehr anderer biogener Amine z.B. aus reifen Bananen oder Spinat
- Alkohol: alkoholische Getränke können nicht nur histaminreich sein, sondern erhöhen die Darmdurchlässigkeit für Histamin und sind Histaminliberatoren (s.u.)
- eine zugrunde liegende Allergie, Pseudoallergie oder Mastozytose
- eine erhöhte Durchlässigkeit der Magen-Darmschleimhaut durch Infekte oder Entzündungen
Histaminreiche Lebensmittel
Histamin und die anderen biogenen Amine sind in fast allen Lebensmitteln zumindest in kleinen Mengen vorhanden. Größere Mengen entstehen während der Lagerung, Fermentation/Gärung und Reifung von Lebensmitteln. Deshalb können vor allem mikrobiell hergestellte (z.B. Rotwein, Sauerkraut) und leicht verderbliche Lebensmittel (z.B. Fisch) hohe Histaminwerte aufweisen. Nur wenige frische Lebensmittel wie Tomaten und Walnüsse enthalten nennenswerte Gehalte an biogenen Aminen.
Der Histamingehalt eines Lebensmittels ist abhängig von der Sorte, aber vor allem von seiner Frische und Reife und unterliegt somit großen Schwankungen. Da Histamin beim Abbau bestimmter Eiweißbausteine entsteht, kann deshalb ein Lebensmittel das frisch völlig unbedenklich ist, bei längerer Lagerung oder unter Reifungsbedingungen hohe Mengen an Histamin entwickeln und so unverträglich für Histaminintolerante werden. Ein junger Gouda, der etwa 6 Wochen reift enthält deshalb weniger Histamin als ein alter Gouda, der mindestens 6 Monate reift. Aber auch ein junger Gouda kann höhere Gehalte aufweisen, wenn er ungünstig gelagert wurde. Listen mit Analysewerten zum Gehalt an Histamin und anderen biogenen Aminen geben deshalb nur eine grobe Orientierung. Da Fleisch und Fisch aufgrund des hohen Eiweißgehaltes besonders anfällig sind für bakteriellen Verderb, sollten daraus bestehende Speisen nicht wieder aufgewärmt werden. Wenn einmal viel Histamin im Lebensmittel durch Bakterien gebildet wurde, wird es durch Kochen, Backen oder Tiefgefrieren nicht wieder zerstört.
Zu den Lebensmitteln, die bei der Herstellung durch Fermentation, Gärung oder Reifung höhere Histamingehalte aufweisen können, gehören z.B.:
- Gereifter Käse und Schmelzkäsezubereitungen
- Alkoholische Getränke, v.a. Rotwein
- Fischkonserven und Räucherfisch
- Gereifte oder geräucherte Wurstwaren wie Salami, roher Schinken, Räucherspeck etc.
- Aufgewärmte oder warm gehaltene Fleisch- und Fischspeisen
- Sauerkraut
- Sojasoße
- Rotweinessig, Balsamicoessig
Zu den Lebensmitteln, die von Natur aus höhere Histamingehalte (bzw. biogene Amine) aufweisen können, zählen:
- Spinat
- Tomaten, v.a. Tomatenkonzentrate wie Tomatenmark
- Reife Bananen
- Walnüsse
- Schokolade
Histaminliberatoren:
Substanzen, die das in Mastzellen gespeicherte körpereigene Histamin freisetzen, werden als Histaminliberatoren bezeichnet. Dazu zählen Alkohol und möglicherweise auch bestimmte Medikamente. Auch bei Erdbeeren, Zitrusfrüchten und Schalentieren wird eine histaminfreisetzende Wirkung vermutet, die jedoch bis heute nicht wissenschaftlich bewiesen wurde. Letztere sollten nur gemieden werden, wenn sie sicher nicht vertragen werden (dies ist häufiger bei Schalentieren der Fall).
Histaminarme Lebensmittel:
Neben den histaminhaltigen Nahrungsmitteln überwiegen die Lebensmittel, die nur geringe Mengen an Histamin enthalten. Histaminarmes Gemüse ist z.B.:
- Wirsing
- Blumenkohl
- Rotkohl
- Grünkohl
- Weißkohl
- Grünkohl
- Chinakohl
- Spitzkohl
- Rosenkohl
- Broccoli
- Romanesco
- Möhren
- Petersilienwurzeln
- Pastinaken
- Rote Beete (frisch)
- Schwarzwurzeln
- Meerrettich
- Sellerie
- Fenchel
- Blattsalat
- Knoblauch
- Zwiebeln
- Lauch
- Kartoffeln
- Süßkartoffeln/Batate
- Grüne Bohnen
- Artischocken
- Champignons
- Erbsen
- Kürbis
- Maroni
- Salat
- Schnittlauch
- Schwarzwurzel
- Spargel
Histaminarme tierische Nahrungsmittel sind z.B.:
- Frisches, nicht abgepacktes oder tiefgekühltes Fleisch (Rind, Kalb, Schwein, Lamm)
- Frisch hergestelltes Hackfleisch
- Frischer oder tiefgekühlter „weißer“ Fisch
- Frisches oder tiefgekühltes Geflügel
- Frische Eier
Histaminarmes Obst:
Alle Sorten außer reifen Bananen und unreifen Ananas.
Histaminarme Milchprodukte sind z.B.:
- Frischkäse
- Mozzarella
- Ricotta
- junge Schnittkäsesorten wie z.B. junger Gouda
- Quark
- Schichtkäse
- Hüttenkäse
- Joghurt
- Milch, Buttermilch
- Sahne
Histaminintoleranz durch verminderte Diaminoxidase: angeboren, erworben oder durch äußere Einflüsse verursacht?
Sehr selten ist die mangelhafte Diaminoxidase angeboren und beruht dann auf einem gene-tischen Enzymdefekt.
Häufiger ist der Diaminoxidasemangel erworben, ein sogenannter sekundärer Diaminoxidasemangel, und tritt später im Leben auf. Betroffen sind überwiegend Frauen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Man vermutet als Ursache für den erworbenen DAO-Mangel frühere Darmerkrankungen bzw. virale oder bakterielle Magen-Darm-Entzündungen, die die Darmschleimhaut dauerhaft geschädigt haben, so dass der Abbau von Histamin nicht mehr möglich ist.
Beim exogenem DAO-Mangel vermutet man eine Störung der DAO durch äußere Einflüsse, die den Abbau von Histamin blockieren, wie z.B. Alkohol.
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Symptome
Die Symptome bei Histaminintoleranz (HIT) treten meist ca. 20 bis 30 Minuten nach einer Mahlzeit auf, können aber mehrere Stunden andauern. Sie sind von Symptomen anderer Nahrungsmittelunverträglichkeiten (z.B. Laktoseintoleranz, Fruktosemalabsorption) und von denen einer Allergie nicht immer klar zu unterscheiden.
Die Toleranzgrenzen bzgl. der unverträglichen Lebensmittel bzw. der verträglichen Menge sind individuell verschieden. Jeder muss selbst für sich herausfinden, welche Lebensmittel und welche Mengen davon verträglich sind.
Folgende Symptome können bei Ausschluss von Allergien und anderen Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf eine Histaminintoleranz hindeuten:
- Bauchschmerzen und –krämpfe
- Durchfall
- Völlegefühl
- Blähungen, aufgeblähter Bauch (Meteorismus)
- Kopfschmerzen
- Plötzliche Rötung des Gesichts
- Hautreaktionen wie Quaddeln (Nesselsucht) und Schwellungen (Angioödem)
- Laufende oder verstopfte Nase
- Asthma
- Regelschmerzen
- Kreislaufbeschwerden
Diagnose
Zunächst sollten andere Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie die einer Histaminintoleranz, hervorrufen (z.B. Lebensmittelallergien, Laktoseintoleranz, Zöliakie, chronische entzündliche Darmerkrankungen), abgeklärt und ggf. behandelt werden. Die Diagnose durch die Messung der DAO im Blut ist, wie dies große Studien gezeigt haben, nicht zuverlässig. Dagegen kann die Messung der Methylhistaminausscheidung im Urin erste Hinweise auf eine Histaminintoleranz (HIT) geben. Das wichtigste ist jedoch eine gründliche Anamnese mit Ernährungs- und Symptomtagebuch, sowie ausführlicher Beschreibung der verzehrten Speisen, der evtl. eingenommenen Medikamente und der darauf folgenden Reaktionen. Zusammen mit einer histaminarmen Ernährung und nachfolgendem Kostaufbau unter Anleitung einer Ernährungsfachkraft lässt sich eine Histaminintoleranz (HIT) nachweisen und behandeln.
Therapie
Zunächst besteht die beste Therapie darin, histaminreiche Lebensmittel, zu vermeiden und vorwiegend frische Nahrung (etwa jungen Käse) zu sich zu nehmen. Alkohol ist strikt zu vermeiden, versuchsweise auch Schalentiere. Grundsätzlich gilt, dass Lebensmittel umso besser verträglich sind, je frischer sie sind.
Auf keinen Fall sollte man sich auf Informationen aus dem Internet oder der Laienpresse verlassen, die nicht wissenschaftlich gesichert sind. Dies kann dazu führen, dass der Speiseplan mehr als nötig eingeschränkt wird. Außerdem unterliegt der Histamingehalt in Lebensmitteln Schwankungen, so dass Tabellen über den Histamingehalt nur eine grobe Orientierung bieten.
Um nicht zu viele Lebensmittel auszuschließen ist es wichtig, jedes Lebensmittel und auch die jeweils verträgliche Menge individuell zu testen. Dabei ist es wichtig, einen allergologisch/gastroenterologisch spezialisierte Ernährungsexperten (Oecotrophologen, Diätassistenten) zu Rate zu ziehen und. ein Ernährungs- und Symptomtagebuch zu führen, d.h. über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen hinweg genau aufzuschreiben, was man in welchen Mengen wann isst und trinkt bzw. wann man welche Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel etc. zu sich nimmt. Hierzu gehört auch, die Art und den Zeitpunkt der Beschwerden genau zu erfassen. Anhand der Aufzeichnungen lässt sich dann ermitteln wie der individuell verträgliche Speiseplan aussehen sollte.
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Praktische Tipps
- Frische Lebensmittel nur für die nächsten zwei bis drei Tage und nicht auf Vorrat kaufen.
- Bei Restaurantbesuchen vorher abklären, ob eine histaminarme Küche möglich ist oder in der Speisekarte histaminarme Speisen aussuchen (z.B. Pasta mit Sahnesoße, Champignons und gekochtem Schinken statt Pizza).
- Beim Kochen von Fleisch- und Fischspeisen die Portionen so wählen, dass keine Reste übrig bleiben.
- Falls doch Reste übrig bleiben, sofort in den Kühlschrank stellen oder einfrieren und auf keinen Fall bei Zimmertemperatur stehen lassen.
- Aufgetaute Lebensmittel nicht wieder einfrieren
- Tiefgekühlte Lebensmittel sofort kochen bzw. braten und nicht erst lange auftauen.
- Buchempfehlung für Betroffene: Kamp, Anne: Gesund essen bei Histaminintoleranz: 100 histaminarme Genuss-Rezepte. Graefe und Unzer Verlag 2010
Quellen
- Ute Körner/Astrid Schareina: Nahrungsmittelallergien und –unverträglichkeiten in Diag-nostik, Therapie und Beratung. Karl F. Haug Verlag, Stuttgart 2010
- Reese I, Ballmer-Weber B, Beyer K et al.: Vorgehen bei Verdacht auf Unverträglichkeit gegenüber oral aufgenommenen Histamin. (Leitlinie). Allergo J. 2012; 21: 22–28.