Wie können Biologika bei Nasenpolypen helfen?

Biologika sind für die Therapie von Nasenpolypen noch nicht so lange verfügbar. Sie haben aber die Therapieoptionen erheblich erweitert, denn in vielen Fällen konnten die klassischen Behandlungsmethoden die typischen Nasenpolypen-Symptome nicht effektiv genug kontrollieren. Was ist anders bei den Biologika und wie können sie bei Nasenpolypen helfen? Das erklärte Prof. Dr. med. Alessandro Bozzato, Stellvertretender Klinikdirektor an der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS).
Autor: Sabine Jossé
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Alessandro Bozzato
Auf der Website „NasenpolypenCheck“ finden Sie hilfreiche Informationen rund um Nasenpolypen und deren Therapiemöglichkeiten sowie wertvolle Tipps für den Alltag.
Biologika bei Nasenpolypen: Die wichtigsten Fakten!
▶Biologika werden seit längerem für die Behandlung verschiedener chronischer Erkrankungen eingesetzt und werden dementsprechend von unterschiedlichen Fachärzten verordnet
▶Zur Behandlung von Nasenpolypen gibt es aktuell drei Biologika
▶Biologika können per Spritze oder Pen selbst injiziert werden
▶Das Behandlungsspektrum von Biologika deckt oft mehrere Erkrankungen ab
▶An weiteren Biologika-Therapien wird geforscht, um die Wirksamkeit und Anwendung weiter zu verbessern
Herr Prof. Bozzato, was sind Biologika und wie wirken sie?
Biologika sind relativ neuartige Medikamente, die gezielt in Prozesse innerhalb des Körpers eingreifen können. So können sie zum Beispiel Entzündungsprozesse blockieren und das Immunsystem modulieren. Dadurch wirken sie gezielter als sie meisten klassischen Therapien.
Bei welchen Erkrankungen werden Biologika bereits erfolgreich eingesetzt?
Biologika sind Substanzklassen, die vor allem für chronische Erkrankungen zugelassen sind und dort auch schon seit längerem verwendet werden. Dazu gehören beispielsweise Atopische Dermatitis, chronisch spontante Urticaria (csU), chronische Rhinosinusities mit Nasenpolypen (CRSwNP) und Asthma bronchiale. Aber auch Erkrankungen aus dem Magen-Darm-Bereich können mit dieser Substanzklasse sehr erfolgreich behandelt werden. Im HNO-Bereich tragen Biologika seit der Erstzulassung im Jahr 2019 dazu bei, die chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (häufig nur Nasenpolypen genannt) wirksam zu bekämpfen. Damit sind Biologika moderne alternative Therapieformen, die dabei helfen können, Operationen zu vermeiden.
Welche Biologika stehen zur Behandlung von Nasenpolypen zur Verfügung?
Aktuell sind zur Behandlung von Nasenpolypen drei Substanzen zugelassen: Mepolizumab, Dupilumab und Omalizumab.
Was ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Biologika in Bezug auf die Behandlung von Nasenpolypen?
Die Biologika haben unterschiedliche Angriffspunkte. Ihre Wirkmechanismen zielen auf verschiedene Stufen der Typ-2-Entzündung ab, welche der chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) zugrunde liegt. Mepolizumab neutralisiert das IL-5, das bei den eosinophilen Formen der chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen eine Rolle spielt. Dupilumab blockiert die Rezeptoren IL-4 und IL-13 und hemmt damit die Effekte beider Zytokine in der Entzündungskaskade. Omalizumab bindet an IgE und unterbricht dadurch die IgE-vermittelte Entzündungskaskade.
Wie werden Biologika bei Nasenpolypen angewendet?
Alle drei Biologika werden mit einer Spritze oder Pen verabreicht, wir nennen das “subkutane Injektion”. Dabei wird die Substanz mit einer kleinen Nadel unter die Haut gespritzt und entfaltet dadurch die Wirkung im gesamten Körper. Es gibt aber Unterschiede in der Dosierung und Frequenz der Anwendung.
Wie werden die jeweiligen Biologika zur Therapie von Nasenpolypen angewendet?
Angewendet werden Biologika alle zwei bis vier Wochen. Alle drei Substanzen können mit einem sogenannten Pen, einem Autoinjektor, selbst injiziert werden. Es gibt aber auch kleine Fertigspritzen, die man in eine Hautfalte am Bauch spritzt. Nach einer Schulung ist das bei den Betroffenen in über 90 Prozent der Fälle problemlos machbar.
Was ist das Ziel einer Therapie der Nasenpolypen mit Biologika?
Aus Sicht der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte ist das Ziel einer Biologika-Therapie, eine Symptomkontrolle der Nasenpolypen zu erreichen. Durch die Medikamentengabe wollen wir die Hauptbeschwerden lindern und die Krankheitslast auf ein erträgliches Maß reduzieren. Konkret bedeutet das, dass die typischen Symptome der Nasenpolypen wie Atemprobleme, Geruchsverlust, verstopfte Nase, Kopfschmerzen etc. verbessert werden sollen und im besten Fall nicht mehr auftreten. Für die Betroffenen ist die Symptomkontrolle entscheidend, weil damit die Lebensqualität deutlich gesteigert wird. Wir sehen aber auch, dass die Polypen in der Nase deutlich schrumpfen können.
Wie schnell tritt bei der Therapie von Nasenpolypen mit Biologika in der Regel die Wirkung ein?
Eine Biologika-Therapie ist eine Therapie, die das Immunsystem beeinflusst. Das bedeutet, man benötigt einen gewissen zeitlichen Vorlauf, bis die Wirkung sich entfalten kann. Eine Biologika-Therapie ist daher nicht vergleichbar mit der Wirkung eines Nasensprays, das die Nase schon 10 Minuten nach der Anwendung befreit. Wir reden hier also von einem Marathon, nicht von einem Sprint. Üblicherweise bewertet man die Wirksamkeit der Therapie nach etwa drei bis sechs Monaten. Die meisten Patienten berichten aber, dass sie nach sechs bis acht Wochen eine Beschwerdeveränderung bemerken.
Wie lange muss man die Biologika zur Behandlung von Nasenpolypen einnehmen?
Die Biologika-Therapie ist eine lebenslange Therapie. Wir sehen, dass die Beschwerden ein Jahr nach Absetzen der Therapie auf dem gleichen Niveau wie vor der Behandlung wieder auftreten.
Wirken Biologika bei allen Nasenpolypen-Patienten bzw. für welche Nasenpolypen-Patienten sind diese Biologika geeignet?
Wie bei allen Medikamenten gibt es auch bei den Biologika Patienten, bei denen die Therapie nicht anschlägt. Leider können wir diese Fälle noch nicht mit Sicherheit identifizieren. Es gibt aber gewisse Konstellationen, die sich als besonders günstig für ein positives Ansprechen auf eine Biologika-Therapie erwiesen haben.
Die Biologika-Therapie wirkt in der Regel besonders gut, wenn:
- Ein begleitendes Asthma besteht
- Eine orale Kortisontherapie in Form von Tabletten bereits gut geholfen hat, aber nicht ausreichend ist und wieder Symptome auftreten
- Auch eine Atopische Dermatitis besteht
- Eosinophilen Erkrankungen vorhanden sind
Wahrscheinlich handelt es sich bei der Eosinophilie um eine spezifische Immunkonstellation, die auch die Ursache für diese Erkrankungen ist, nämlich eine Störung oder Dysregulation des Immunsystems. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein eosinophiles Asthma eher auf eine Therapie mit bestimmten Biologika anspricht als eine andere Asthmaform.
Aber: Selbst, wenn ein Biologikum nicht die gewünschte Wirkung zeigt, kann man nach ca. 6 Monaten immer noch ein anderes Präparat ausprobieren.
Für welche Altersgruppen sind die Biologika zur Behandlung von Nasenpolypen zugelassen?
Alle drei Biologika sind zur Behandlung von Nasenpolypen für Erwachsene ab 18 Jahren zugelassen. In den Fällen, in denen das Biologikum aufgrund einer Begleiterkrankung verordnet wurde, können ggf. andere Altersgrenzen existieren.
Was ist bei der Gabe von Biologika zur Behandlung von Nasenpolypen in der Schwangerschaft zu beachten?
Es gibt Biologika, die auch für eine Behandlung während der Schwangerschaft zugelassen sind. Dabei gehen wir aber immer in Rücksprache mit dem behandelnden Gynäkologen.
Benötigt man bei einer Biologika-Therapie der Nasenpolypen noch weitere Medikamente oder kann man alles andere dann absetzen?
Bei einer Biologika-Therapie ist die begleitende Applikation eines lokalwirksamen Kortison-Nasensprays ein wichtiger und auch vorgeschriebener Bestandteil der Therapie. In der Standard-Dosierung wird das Kortison-Nasenspray morgens und abends mit einem Hub appliziert.
Kann die Therapie mit Biologika bei Nasenpolypen auch weitere Erkrankungen positiv beeinflussen?
Eine günstige Wirkung auf die Dosierung der Medikamente kann die Biologika-Therapie haben, wenn zeitgleich ein Asthma bronchiale besteht. Die Betroffenen berichten dann häufig, dass sie durch die Biologika-Therapie gegen die Nasenpolypen weniger Asthma-Medikamente benötigen.
Können bei der Biologika-Therapie der Nasenpolypen auch Nebenwirkungen auftreten?
Nebenwirkungen sind bei den Biologika in der täglichen Praxis sehr selten. So kann es zu Beginn der Therapie bei einem der Biologika zu einer Bindehautentzündung kommen, oder Blutwertveränderungen beobachtet werden. Bei allen Präparaten können durch die Anwendung des Pens kleine Blutergüsse oder Rötungen an der Einstichstelle entstehen. Seit der Zulassung im Jahr 2019 sehen wir bei der Biologika-Therapie aber erfreulich wenig Nebenwirkungen.
Werden die Kosten der Behandlung von Nasenpolypen mit Biologika von der Krankenkasse erstattet?
Die gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernehmen die Behandlung der Patienten mit Biologika, wenn die entsprechende Indikation leitlinienkonform gestellt ist. Ärzte sollten ein standardisiertes Dokumentationskonzept etabliert haben, das die Indikation darlegt und die Therapie entsprechend den Vorgaben der Leitlinie dokumentiert. Wir hatten bisher keine Probleme mit der Kostenerstattung der Biologika.
An welchen Arzt muss man sich wenden, wenn man an Nasenpolypen leidet und an einer Therapie mit Biologika interessiert ist?
Wenn man unter Nasenpolypen leidet und sich für eine Therapie mit Biologika interessiert, sollte man einen Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde aufsuchen, der die Nase endoskopisch untersuchen kann. Es gibt viele Fachveranstaltungen zu diesen Therapien, sodass ich davon ausgehe, dass viele HNO-Ärzte gut informiert sind. Im Zweifelsfall können die Patienten bei der Anmeldung nachfragen, ob sich der Arzt mit Biologika auskennt. Sollte der behandelnde Arzt Biologika-Therapien nicht selbst durchführen, kann er oder sie in der Regel an entsprechende Kliniken oder Zentren überweisen. Bestehen Begleiterkrankungen wie Asthma, eosinophile Ösophagitis (EoE) oder Neurodermitis, können aber auch Pneumologen, Gastroenterologen oder Dermatologen Biologika verordnen. Wir sehen häufig Patienten, die von diesen Kollegen geschickt werden, weil sie neben einer anderen Erkrankung auch Symptome zeigen, die auf Nasenpolypen hindeuten. Es ist ein großer Vorteil der Biologika, dass man in vielen Fällen mehrere Erkrankungen mit nur einem Medikament effektiv behandeln kann.
Wird es bei den Biologika auch neue Entwicklungen geben, woran wird geforscht?
An weiteren Biologika-Therapien wird geforscht, um die Wirksamkeit und Anwendung weiter zu verbessern. Das würde z.B. die Verlängerung der Intervalle zwischen den Spritzen ermöglichen, so dass man sie seltener anwenden muss. In der Zukunft wird es also Biologika-Therapien geben, die ein patientenfreundlicheres und simpleres Dosierungsintervall haben. Denkbar wäre zum Beispiel, dass man von einem 2- oder 4-wöchigen zu einem 6-monatigen Spritzenintervall kommt. Damit würde die Erkrankung immer mehr in den Hintergrund rücken und die Lebensqualität der Betroffenen würde steigen. Denkbar wären auch andere Darreichungsformen von Biologika, zum Beispiel in Form eines Nasensprays oder in Form von Tabletten. Ein großer Segen wäre es, wenn man Substanzen finden würde, die das Immunsystem dauerhaft verändern und die Patienten heilen können.
Herr Prof. Bozzato, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
NP-DE-EOS-ADVR-250001
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/A. Bozzato, Mit freundlicher Unterstützung von GSK, www.mein-allergie-portal.com
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