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Neurodermitis

Autor: Prof. Dr. med. Regina Fölster-Holst

Allgemeine Informationen zu Neurodermitis

Neurodermitis (Synonyme: atopisches Ekzem, atopische Dermatitis, endogenes Ekzem) ist eine chronisch wiederkehrende entzündliche Hauterkrankung und gehört mit Asthma und Heuschnupfen zu den sogenannten klassischen atopischen Erkrankungen. Im Säuglings- und Kleinkindesalter ist die Hauterkrankung nicht selten begleitet von einer Nahrungsmittelallergie, die jedoch meist vorübergehender Natur ist.

Häufig beginnt die meist chronisch verlaufende Neurodermitis bereits im Säuglingsalter, also im 1. Lebensjahr. Neurodermitis kann sich jedoch auch später im Erwachsenenalter erstmals zeigen, denn prinzipiell kann die Neurodermitis in jedem Lebensalter auftreten.
Genetische Faktoren begünstigen die Entwicklung einer Neurodermitis. Kommen in der Familie (Eltern, Geschwister) Neurodermitis, Asthma oder Heuschnupfen vor, ist das Risiko für das Kind hoch, diese Erkrankungen auch zu entwickeln.

Einen negativen Einfluss auf den Verlauf haben Bakterien und Pilze, die sich auf der durch Kratzen geschädigten Haut ansiedeln und das Krankheitsbild noch verschlimmern können.

Neurodermitis: Welche Rolle spielt die Hautbarriere?

Bei Patienten mit Neurodermitis ist die Hautbarriere genetisch bedingt gestört. Dies gilt nicht nur für die Stellen, an denen Ekzeme sichtbar sind, sondern generell, auch für die ekzemfreien Bereiche. Gebildet wird die Hautbarriere von kernlosen Keratinozyten - das sind hornbildende Zellen - und interzellulären Lipiden - das sind Fette - zwischen den Zellen der Hornschicht (Stratum corneum). Um dieser Aufgabe adäquat nachzukommen, bedarf es vieler sogenannter Struktur- und Funktionsproteine. Strukturproteine sind Eiweißstoffe, die in Geweben oder Zellen als Gerüststoffe dienen, während Funktionsproteine eine Funktion ausüben. Ein im Zusammenhang mit der Neurodermitis bedeutsames Protein ist das Filaggrin. Das verantwortliche Gen des Filaggrins weist bei 30 Prozent aller Neurodermitispatienten und bei 50 Prozent der Patienten mit schwerer Neurodermitis Defekte auf. Aber: Auch bei Patienten ohne diesen Filaggrin Gendefekt ist die Hautbarriere gestört. Das hängt damit zusammen, dass in der Neurodermitishaut besondere Immunzellen vom T-Helfer Typ 2 vorherrschen. Das sind Entzündungszellen der Lymphozyten, die bestimmte Hormon-ähnliche Stoffe, die sogenannten Interleukine, freisetzen. Diese Interleukine (IL), wie IL-4, IL-13 und IL-31, reduzieren das Filaggrin, so dass dieses nicht mehr ausreichend für den Aufbau der Hautbarriere zur Verfügung steht.

Neurodermitis und Barrierestörung der Haut: Die Folgen!

Bei Neurodermitispatienten öffnet die Barrierestörung den Umweltstoffen den Eintritt in die Haut. Diese Umweltstoffe treffen dann auf ein genetisch verändertes Immunsystem und es beginnt eine atopische Hautentzündung. Zu den Umweltstoffen, die die Hautbarriere durchdringen können, gehören zum Beispiel Allergene, Infektionserreger und hautschädigende Stoffe (Irritantien). Die Störung der Hautbarriere lässt sich durch einen hohen transepidermalen Wasserverlust messen und verifizieren. Dadurch kommt es zu einem Teufelskreis, denn die Barrierefunktionsstörung führt zu Wasserverlust und Entzündung der Haut, es kommt zu Juckreiz, das Kratzen führt zu Sekundärinfektionen und zu einer weiteren Störung der Barrierefunktion und der Kreislauf beginnt erneut. Interessanterweise ist die Barrierestörung nicht nur in entzündeter, sondern auch in nicht entzündeter atopischer Haut festzustellen und zudem häufig mit bloßem Auge, u.a. anhand von Schuppen, erkennbar. Dies ist therapeutisch zu berücksichtigen.

Eine tragende Säule der Neurodermitistherapie ist somit die Basispflege. Die Basispflege ist eine Substitution, ein Ersatz für Fett und Feuchtigkeit. Sie ergänzt, was der gestörten Hautbarriere von Neurodermitispatienten fehlt. Leider werden die Kosten der Basispflege für Kinder ab 12 Jahren von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nicht übernommen, Ausnahmen sind Patienten mit Entwicklungsstörungen.

Neurodermitis: Der Einfluss des Mikrobioms

Unter dem Mikrobiom (Synonym: Mikrobiota) ist die Gesamtheit der Mikroorganismen zu verstehen, die einen Menschen in und an den Organen besiedeln. Die Balance der Mikroflora des Mikrobioms ist für die Gesundheit entscheidend. Das Mikrobiom spielt besonders an den Grenzflächenorganen, die direkten Kontakt zur Umwelt haben, eine große Rolle. Neben dem Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm) und den Respirationsorganen (Atemwege) ist hier besonders auch die Haut zu nennen.

Das Mikrobiom der atopischen Haut unterscheidet sich vom Mikrobiom einer nicht-atopischen Haut dadurch, dass es eine wesentlich geringere kutane mikrobielle Vielfalt aufweist. Das bedeutet, dass Neurodermitispatienten eine geringere Anzahl unterschiedlicher Keime auf und in der Haut aufweisen als hautgesunde Menschen. Dafür findet sich bei Neurodermitispatienten häufig ein höherer Anteil des Bakteriums Staphylococcus aureus, das als Triggerfaktor für einen Neurodermitisschub anzusehen ist. Offensichtlich bedarf es einer hohen Keimvielfalt, um das Ansiedeln und das Wachstum des Bakteriums zu unterdrücken. Daraus lässt sich schließen, dass das Krankheitsbild Neurodermitis über eine Veränderung der Hautmikroflora verbessert werden könnte. Erste entsprechende Studien wurden initiiert.

Neurodermitis: Die Rolle des Immunsystems

Auch das Immunsystem spielt bei der Neurodermitis eine Rolle, denn die Hautbarriere und das Immunsystem sind aufeinander abgestimmt. Liegt ein überaktives Immunsystem in der Haut vor, so wirkt sich dieses negativ auf die Hautbarriere aus. Es kommt zu einem Überschuss an sogenannten TH2-Zellen mit ihren Interleukinen von IL-4, IL-5, IL-13 und IL-31. Das IL-31 ist ein stark Juckreiz-erzeugendes Interleukin. Über das Kratzen und die Freisetzung von Inhaltsstoffen der Keratinozyten (hornbildende Zellen), u.a. das sogenannte Thymic Stromal Lymphopoietin (TSLP), wird das TH2-Mikromilieu der Haut nochmals gefördert.

Symptome bei Neurodermitis

Neurodermitis weist meist die folgenden Symptome auf:

1. Ekzeme, das bedeutet vor allem Rötung und Schuppung, auch Nässen, Knötchen und Bläschen können auftreten.

Bei Säuglingen (häufig sehr exsudativ, d.h. mit Nässen, kräftiger Rötung und Krustenbildung einhergehend):

  • Im Gesicht, Hals
  • Streckseiten der Extremitäten

Bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sind die folgenden Stellen typisch bzw. am häufigsten betroffen:

  • In Arm- und Kniebeugen
  • An den Händen
  • Im Gesicht und am Hals

Es kann jedoch jede Hautstelle von Neurodermitis betroffen sein.

2. Trockene, schuppende Haut, die in den Armbeugen und Kniekehlen, auch als „Extremitätenbeugen“ bezeichnet, häufig lichenifiziert ist. Bei lichenifizierter Haut kommt es zu verstärkter Hautfelderung, vergleichbar mit „Elefantenhaut“.

3. Quälender Juckreiz, auch als „Pruritus“ bezeichnet. Der Juckreiz kann dazu führen, dass die Nachtruhe erheblich gestört und dadurch die Leistungsfähigkeit am Tag stark eingeschränkt sein kann. Ausgelöst durch das Kratzen, das in der Nacht meist nicht kontrollierbar ist, wird die Besiedlung der Haut mit Infektionserregern erleichtert und verstärkt. Das führt häufig zu einem Neurodermitisschub.

4. Als Sonderformen der Neurodermitis gelten die Prurigo-Form (knotige Form) und auch die sehr häufige nummuläre Form (münzförmige Form).

Typische Anzeichen für Neurodermitis

Es gibt Atopie-Charakteristika, die, unabhängig vom Ekzem, bei Patienten mit atopischen Erkrankungen bestehen. Atopie heißt, der Patient neigt dazu, mit allergischen Reaktionen auf den Kontakt mit ansonsten harmlosen Substanzen aus der Umwelt zu reagieren. Zu den typischen Anzeichen für Neurodermitis gehören:

  • Trockene Haut
  • Gesichtsblässe
  • Dunkle Augenschatten
  • Ausdünnung der seitlichen Augenbrauen (Hertoghe’sches Zeichen)
  • Gedoppelte Unterlidfalte (Dennie-Morgan-Falte)
  • Weißer Dermographismus - dabei zeigt sich beim Kratzen der makroskopisch gesunden Haut statt normaler roter, eine weiße Streifung.
  • Palmare Hyperlinearität – dabei kommt es zu einer verstärkten Handlinienzeichnung an den Innenflächen der Hände, was auch als Ichthyosis-Hand bezeichnet wird. Beim Ichthyosis-Fuß findet man eine verstärkte Linienzeichnung an den Fußsohlen.

Neurodermitis: Auch die Psyche leidet mit!

Wenn bei der Neurodermitis die entzündlichen Hautveränderungen massiv und noch dazu im sichtbaren Bereich wie an Hals, Händen oder Armen auftreten, ergibt sich ein weiteres Problem: Zu Juckreiz und Schmerzen kommt ein kosmetischer Aspekt hinzu. Dieses kann sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter zur sozialen Ausgrenzung, zur Stigmatisierung, führen. Eine umfangreiche Aufklärung des Patienten und seiner näheren Umgebung über Ursachen, auslösende Faktoren, Komplikationen und Therapiemöglichkeiten der Neurodermitis ist sinnvoll und wirkt der Ausgrenzung entgegen.

Diagnose von Neurodermitis

Die Diagnose der Neurodermitis wird in der Regel durch die Anamnese und die Inspektion der Haut gestellt.

Eine sorgfältige Anamnese ermittelt auch die individuellen Triggerfaktoren der Neurodermitisschübe. Dabei wird die Erkrankung genau beobachtet, gegebenenfalls mit Hilfe eines Symptomtagebuchs. So kann ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Ekzeme und potenziellen Auslösern ermittelt werden. Bei fortbestehenden Symptomen, oder wenn sich im Rahmen der Anamnese Hinweise auf eine allergische Ursache ergeben haben, sollten entsprechende Testungen an der Haut (Prick-Test)  und im Blut (IgE-Test) erfolgen.

Neurodermitis: Triggerfaktor „Allergie“

Neben Allergenen in der Luft, wie beispielsweise Pollen, können auch Nahrungsmittelallergene bei einer Untergruppe der Patienten für die Verschlechterung der Neurodermitis verantwortlich sein. Bei diesen Patienten wird zusätzlich zu den klassischen Allergietestungen ein oraler Provokationstest durchgeführt. Bei einem oralen Provokationstest nehmen die Patienten das verdächtige Nahrungsmittel zu sich, so dass mögliche Reaktionen, wie zum Beispiel die Verschlechterung der Neurodermitis, in einen Zusammenhang zu bestimmten Nahrungsmittelallergenen gebracht werden können. Da die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks besteht, werden die Patienten bei einer oralen Provokation stationär überwacht. Das heißt für die Patienten, dass ein Klinikaufenthalt nötig ist.

Berichtet der Patient bereits bei der Anamnese von bedrohlichen Reaktionen auf Nahrungsmittel, die z.B. mit Asthma und Schock verbunden sind, wird auf die Provokation verzichtet.

Neurodermitis und Nahrungsmittelallergie: Was sollten Patienten über die Rolle von IgE und spezifischen IgE-Antikörpern im Blutserum und beim Epikutantest wissen?

Viele Patienten und auch Eltern betroffener Kinder führen die Neurodermitis auf Allergien zurück. Das mag für einen konkreten Neurordermitisschub in einigen Fällen auch zutreffen, ist jedoch bei der Mehrzahl der Patienten nicht der Fall. Bei diesen seltenen Neurodermitispatienten spielen im Wesentlichen die Soforttypallergie und die Spättypallergie eine Rolle.

Soforttypallergien bei Neurodermitis:

Soforttypreaktionen treten typischerweise wenige Minuten nach Allergenkontakt auf. Bei den auslösenden Allergenen handelt es sich um im Grunde harmlose Stoffe aus der Umwelt, wie zum Beispiel Hausstaubmilben, Pollen oder Tierhaare. Die genetisch festgelegte Neigung zu Soforttypreaktionen („Atopie“) geht mit einer Erhöhung des Gesamt-IgE's und/oder dem Nachweis spezifischer IgE-Antikörper im Blutserum einher, man spricht dann von einer „Sensibilisierung“. Das Vorhandensein von Sensibilisierungen ist jedoch noch kein Nachweis einer Allergie, die sich auch klinisch durch Symptome manifestiert. Eine Sensibilisierung bedeutet lediglich, dass das Immunsystem Voraussetzungen geschaffen hat, im „Notfall“, also bei Allergenkontakt, mit einer klinischen Reaktion zu antworten. Diese Bereitschaft zu einer Immunantwort bedeutet jedoch keineswegs, dass dies auch der Fall sein muss. Eine Sensibilisierung rechtfertigt somit nicht die Meidung von Allergenen, wie beispielsweise bestimmte Nahrungsmittelallergene, gegen die spezifische IgE-Antikörper im Serum nachgewiesen wurden. Vielmehr ist die klinische Relevanz dieser Sensibilisierungen durch eine orale Provokationstestung zu prüfen.

Spättypallergien bei Neurodermitis:

Bei der Typ-IV-Allergie oder Allergie vom Spättyp zeigen sich die Symptome nicht unmittelbar nach Allergenkontakt, sondern erst Stunden oder selten auch Tage danach. Dabei spielen T-Lymphozyten und nicht das IgE eine Rolle. Man spricht deshalb auch von einer zellulär vermittelten Allergie.

Potenzielle Auslöser von Spättypallergien können im Prinzip alle Allergene sein, wie zum Beispiel Nahrungsmittelallergene, Kontaktallergene oder Arzneimittel.

Besteht der Verdacht auf eine Allergie vom Spättyp, erfolgt eine umfassende Diagnostik mittels Epikutantest.

Therapie der Neurodermitis

Therapie und Management der Neurodermitis:

Die Therapie und Betreuung der Neurodermitispatienten sollte sowohl die Ursachen, die Entstehung als auch die Entwicklung der Neurodermitis berücksichtigen. Dabei ist die Basispflege die wichtigste Säule der Therapie.

Basispflege bei Neurodermitis: Wie macht man’s richtig ?

Eine Neurodermitishaut sollte möglichst wenig mit Seifen, Reinigungsmitteln und Wasser Kontakt haben. Das bedeutet nicht, dass die Neurodermitiker nicht mehr baden oder duschen dürfen. Der Aufenthalt in Bad oder Dusche sollte jedoch möglichst kurz gehalten werden und danach sollten die Patienten wasser- und fetthaltige Cremes und Salben verwenden. Ob mehr wasserhaltige- oder mehr fetthaltige Präparate eingesetzt werden, ist auch von der Lokalisation, das heißt der Körperstelle, an der die Läsionen auftreten, abhängig. Im Gesicht sollten zum Beispiel wasserhaltige Präparate, an den Beinen fetthaltige Präparate bevorzugt werden. Weiter spielt die Jahreszeit eine Rolle, denn im Winter benötigt die Haut mehr Fett als im Sommer. Ebenso spielt es eine Rolle, wie akut der Hautzustand ist. Auf stark entzündeten Hautarealen sollte keine fetthaltige Pflege benutzt werden. Grundsätzlich ist bei den Pflegeprodukten auf Duft- und Konservierungsstoffe mit hohem allergenen Potential zu verzichten.

Auch auf eine geeignete Kleidung ist im Rahmen der Basispflege zu achten. Baumwollhaltige, leichte Kleidung, das gilt zumindest für die am Körper anliegende Kleidung, wird von Neurodermitispatienten am besten vertragen. Neu gekaufte Kleidung sollte vor dem Tragen gewaschen und auch von synthetikhaltigen Etiketten befreit werden.

Neurodermitis-Therapie: Der Stufenplan!

Die Therapie erfolgt nach einem Stufenplan, der vier Schweregradstufen der Neurodermitis unterscheidet.

 

Stufentherapie des atopischen Ekzems

Stufe 4

Persistierende, schwer ausgeprägte Ekzeme

Erforderliche Maßnahmen der Stufen 1, 2, 3 PLUS systemische immunmodulierende Therapie (z.B. Dupilumab, Ciclosporin A). Evtl. UV-Therapie (nicht im Kindesalter).

Stufe 3

Moderate Ekzeme

Erforderliche Maßnahmen der Stufen 1 und 2 PLUS höher potente topische Glukokortikosteroide und/oder topische Calcineurininhibitoren. Evtl. UV-Therapie (nicht im Kindesalter).

Stufe 2

Leichte Ekzeme

Erforderliche Maßnahmen der Stufe 1 PLUS niedrig potente topische Glukokortikosteroide und/oder topische Calcineurininhibitoren. Evtl. UV-Therapie (nicht im Kindesalter). Evtl. zusätzliche Anwendung von antipruriginösen und antiseptischen Wirkstoffen.

Stufe 1

Trockene Haut

Topische Basistherapie. Vermeidung oder Reduktion von Triggerfaktoren (inkl. relevanter Allergene).
Quelle: Ludger Klimek, Christian Vogelberg, Thomas Werfel (Hrsg.): Weißbuch Allergie in Deutschland, 4., überarbeitet und erweiterte Auflage, Springer Medizin 2019, S. 161 (Die Abbildung ist angelehnt an die AWMF- und EDF-Leitlinien zur Neurodermitis und enthält aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle Verfahren, die in der Leitlinie diskutiert werden).

Es ergeben sich folgende Maßnahmen:

Stufe 1:

Die Basisstufe (Stufe 1) der Neurodermitistherapie beinhaltet neben einer topischen Basistherapie (spezielle Hautpflege) auch die Reduzierung bzw. Meidung von Trigger-Faktoren. Ziel der Pflege neurodermitischer Haut ist die Substitution von Fett und Feuchtigkeit in Form von Cremes und Salben („Emollientien“). Emollientien helfen, den durch die gestörte Hautbarriere verursachten Wasserverlust auszugleichen. Weiter machen die Emollientien die trockene Haut weich und geschmeidig. Dabei haben sich Zusätze wie Glyzerin, Dexpanthenol und Harnstoff bewährt. Auf Duft- und Konservierungsstoffe mit hohem allergenen Potential ist zu verzichten. Spricht der Patient auf die Therapie nicht an, sollte an die Möglichkeit einer Kontaktallergie gedacht werden. Diagnostisch wird in diesen Fällen ebenfalls der Epikutantest eingesetzt.

Stufe 2:

Kann mit der Basistherapie keine Symptomkontrolle erreicht werden, geht man zu Stufe 2 des Stufenplans über. Zusätzlich zu den Maßnahmen der Stufe 1 werden dann entzündungshemmende Salben oder Cremes auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen. Die gängigsten Therapeutika sind topische Korticosteroide. Calcineurininhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus) sind in den sensiblen Bereichen von Gesicht, Hals, Genitalregion sowie in den Beugen der Arme und Beine zu bevorzugen. Bei lokal begrenzten Infektionen können kurzfristig topische Antiseptika eingesetzt werden.. Silberhaltige Kleidung und Bäder mit stark verdünntem Kaliumpermanganat oder Natriumhypochlorid werden in der Literatur auch empfohlen.

Stufe 3:

Zeigt der Patient keine ausreichende Verbesserung, werden in Stufe 3 zusätzlich zur Therapie der Stufen 1 und 2 stärker wirkende topische Koriticosteroide und/oder Calcineurininhibitoren an den betroffenen Hautstellen eingesetzt. Um die Schubhäufigkeit zu verringern, kann eine proaktive Therapie mit weniger potenten topischen Korticosteroiden erwogen werden. Diese kann, in Abhängigkeit vom Befund, ein bis zwei Mal pro Woche für mehrere Wochen erfolgen. Bei der proaktiven Therapie werden nicht nur die akuten Ekzemschübe kurzfristig behandelt, sondern auch kleinere Entzündungen, noch bevor diese einen stärkeren Schub verursachen.

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die UV-Lichttherapie. Hier haben sich sowohl UVB- als auch UVA-Behandlungen bewährt. Allerdings bergen diese bei hohen Dosen und wiederholter Anwendung auch Gefahren. Möglichst sollte die UV-Licht-Therapie im Kindesalter vor dem 12. Lebensjahr vermieden werden. Der Grund: Die Summe der UV-Exposition (therapeutisch, natürlich) kann eine Höchstgrenze überschreiten, so dass das Risiko eines Hautkrebses im weiteren Verlauf des Lebens steigt.

Stufe 4:

Bei Nichtansprechen der topischen antiinflammatorischen Therapie werden zusätzlich zu den therapeutischen Maßnahmen der Stufen 1 bis 3 systemische Medikamente eingesetzt.

Neurodermitistherapie: Die systemische Therapie

Ist das Ansprechen auf die topische Behandlung, das heißt die Behandlung an der Haut, unzureichend obwohl der Patient sich an die Therapievorgaben hält, ist die Indikation zur systemischen Therapie gegeben. Als klassisches systemisches Immunsuppressivum findet Ciclosporin seine Anwendung. Darüber hinaus beschreibt die Leitlinie auch den Einsatz von Methotrexat, Azathioprin und Mycophenolat-Mofetil bei der schweren Neurodermitis. Bis auf Ciclosporin, das seine Zulassung für die moderat-schwere Neurodermitis bei Erwachsenen hat, handelt es sich bei den genannten Substanzen um „Off-label-Arzneimittel“ ohne offizielle Zulassung für die Behandlung der Neurodermitis. Bei der Behandlung mit Ciclosporin ist ein strenges Monitoring erforderlich. Während im Erwachsenenalter jeder 8. bis 10. Neurodermitispatient systemisch behandelt wird, ist diese Behandlung bei Kindern eher die Ausnahme.

Mit Dupilumab ist in Deutschland seit September 2017 auch ein erstes Biologikum für die systemische Behandlung der Neurodermitis zugelassen. Dabei handelt es sich um einen sogenannten „vollständig humanisierten Antikörper“, der über die IL-4/IL-13 Rezeptorblockade die Entzündungsreaktion der Neurodermitis unterbindet. Zugelassen ist Dupilumab, das per Spritze subkutan/unter die Haut verabreicht wird, für erwachsene Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis, die für eine Systemtherapie in Frage kommen. In Studien zeigten Biologika eine sehr gute therapeutische Wirkung. Dies gilt sowohl für objektive klinische Kriterien, wie den Schweregrad der Erkrankung, als auch für subjektive Kriterien, wie die Reduktion des Juckreizes, Schlaflosigkeit und die Verbesserung der Lebensqualität.

Neben einer Irritation an der Injektionsstelle ist die Konjunktivitis als Nebenwirkung zu erwähnen, die häufig auftritt und deren Entstehung (Pathogenese) noch nicht aufgeklärt ist. In den meisten Fällen handelt es sich um gut behandelbare Konjunktivitiden, die nicht zum Behandlungsabbruch führen.

Neurodermitis-Forschung: An welchen systemischen Therapien wird geforscht?

JAK-Inhibitoren: JAK-Inhibitoren blockieren die pro-entzündliche Signalübermittlung in den Zellen. Sie wirken spezifisch, indem sie die Januskinasen, das sind Enzyme, blockieren. Sie wirken aber auch sehr breit, da Januskinasen an zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt sind. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit es sich hierbei um eine Immunsuppression handelt - Sicherheitsdaten für die Indikation Neurodermitis stehen noch aus und sind abzuwarten..

Interleukin-31-(IL-31)-Antagonisten: IL-31 ist ein bekanntes Juckreiz auslösendes Zytokin, das von TH-2-Zellen freigesetzt wird. IL-31 ist im Serum von Erwachsenen und Kindern mit Neurodermitis erhöht nachzuweisen. Es korreliert mit der Schwere der Erkrankung, das heißt, je schwerer die Neurodermitis-Symptome, umso höher die IL-31-Werte. Erste Studienergebnisse zu einem IL-31-Antagonisten, der das IL-31 blockiert, sind vielversprechend.

Histamin 4-Rezeptor-Antagonisten: Neben den bekannten Histamin-Rezeptorsubtypen 1 und 2 (H1R und H2R), die im Rahmen von Allergien, besonders bei den Soforttypallergien, eine Rolle spielen, existieren weitere, wie H3R und H4R. Letzterer wird auf Zellen des Immunsystems und auch auf peripheren Nervenfasern exprimiert, das heißt entleert. Seine Aktivierung ist mit einer allergischen Spätreaktion und Juckreiz verbunden, so dass sich entsprechende Antagonisten, also die „Gegenspieler“ zur Behandlung atopischer Erkrankungen, einschließlich der Neurodermitis, als nützlich erweisen könnten. Entsprechende Studien wurden initiiert und die ersten durchgeführten Studien bestätigen diesen Effekt.

Praktische Tipps bei Neurodermitis

Neurodermitistherapie: Neurodermitis-Schulungen

Die Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung (AGNES) wurde 1999 gegründet und wird für Eltern betroffener Säuglinge und Kleinkinder sowie für betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene angeboten. Hier wird vermittelt, wie man besser mit der Krankheit umgehen kann und so seine Lebensqualität verbessert.

Die Programme bieten Themen wie: Richtige Ernährung, Umgang mit Schüben, Entspannungstechniken etc.. Die Schulungen haben sich sehr bewährt und fördern die Eigenverantwortung der Patienten bzw. der Eltern betroffener Kinder für die Hauterkrankung und damit das „Selbstmanagement“.

Weitere Hinweise zu Neurodermitis

  • Meiden Sie auslösende Faktoren wie beispielsweise Seifen und Allergene, falls Allergien bei Ihnen nachgewiesen wurden.
  • Bei Juckreiz hilft eine Kühlung der Haut (Coolpack, eingewickelt in ein Handtuch) oder eine kalte Dusche.
  • Sie dürfen täglich duschen, aber nur kurz, mit kaltem oder lauwarmem Wasser.
  • Verwenden Sie alkalische, rückfettende Reinigungsprodukte, nicht die „normale“ Seife.
  • Nach Bad oder Dusche die Haut lediglich abtupfen und noch im feuchten Zustand Pflegeprodukte auftragen.
  • Falls eine Allergie gegen Hausstaubmilben vorliegt: Glatte Böden und Verzicht auf Teppiche und Vorhänge reduzieren die Hausstaubmilbenbelastung.
  • Baumwollhandschuhe helfen dabei, die Auswirkungen nächtlichen Kratzens abzumildern.

 

Quellen:

  • Johannes Ring (DAAU), Claus Bachert (DGAKI), Carl-Peter Bauer (GPA), Wolfgang Czech (ÄDA) – alle Hrsg.: Weißbuch Allergie in Deutschland. 3. Überarbeitete und erweiterte Auflage Springer Medizin, Urban & Vogel GmbH, München 2010
  • Regina Fölster-Holst, Thomas Schwarz. Atopisches Ekzem-Grundlagen und updates. Unimed Verlag, Bremen, London, Boston, 2011.
  • Dietrich Abeck, Regina Fölster-Holst. Was hilft meinem Kind bei Neurodermitis? Thieme Verlag, Stuttgart, 2003
  • Regina Fölster-Holst, Inga Kreiselmaier, Sibylle Scheewe, Dirk Eichmann, Norbert Buhles. Patientenschulungen bei Neurodermitis. Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2004.
  • Fölster-Holst R, Galecka J, Weißmantel S, Dickschat U, Rippke F, Bohnsack K, Werfel T, Wichmann K, Buchner M, Schwarz T, Vogt A, Lademann J, Meinke MC. (2015). Birch pollen influence the severity of atopic eczema - prospective clinical cohort pilot study and ex vivo penetration study. Clin Cosmet Investig Dermatol. 29;8:539-48.
  • Fölster-Holst R, M. Pape, et al. (2006). "Low prevalence of the intrinsic form of atopic dermatitis among adult patients." Allergy 61(5): 629-632
  • Fölster-Holst R. [Neurodermatitis : Atopy of the skin]. Ophthalmologe. 2017 Jun;114(6):498-503
  • Simpson EL, Parnes JR, She D, Crouch S, Rees W, Mo M, van der Merwe R. Tezepelumab, an anti-TSLP monoclonal antibody, in the treatment of moderate to severe atopic dermatitis: A randomized phase 2a clinical trial. J Am Acad Dermatol. 2018 Dec 11. pii: S0190-9622(18)33050-0. doi: 10.1016/j.jaad.2018.11.059. [Epub ahead of print]

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Wichtiger Hinweis

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14. März 2013

Autor: Prof. Dr. Regina Fölster-Holst, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kiel, www.mein-allergie-portal.com