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Zöliakie-Diagnose: Wozu braucht man den HLA-DQ2 und den HLA-DQ8-Test?

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Univ.-Prof. Dr. K.-P. Zimmer, Abt. Allgemeine Pädiatrie & Neonatologie, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin am UKGM Gießen und Kongresspräsident DGKJ München

Bei der Zöliakie spielt auch die Genetik eine Rolle. Haben die Eltern eine Zöliakie, besteht auch für die Kinder ein Risiko. Mit HLA-DQ2 und DQ8 lassen sich die für Zöliakie relevanten Erbmerkmale bestimmen. MeinAllergiePortal sprach mit Univ.-Prof. Dr. K.-P. Zimmer, Abt. Allgemeine Pädiatrie & Neonatologie, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin am UKGM Gießen und Kongresspräsident DGKJ München über die Tests und die Einordnung der Ergebnisse.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Univ.-Prof. Dr. K.-P. Zimmer

Herr Prof. Zimmer, welche Rolle spielen die Erbmerkmale HLA-DQ2 und DQ8 für die Vererbung von Zöliakie?

Bei der Zöliakie haben die Erbmerkmale HLA-DQ2 und DQ8 den stärksten Effekt – sie sind zu etwa 10 Prozent für die Vererbung von Zöliakie verantwortlich. Zwar vermutet man, dass bei der Zöliakie auch andere Gendefekte eine Rolle spielen, allerdings nicht in gleichem Maße wie HLA-DQ2 und DQ8.

Besteht dieses Risiko nur dann, wenn bei beiden Genen Defekte vorliegen, sowohl bei HLA-DQ2 als auch bei HLA-DQ8?

Das 10prozentige Vererbungsrisiko bezieht sich entweder auf einen Gendefekt bei DQ2 oder bei  DQ8. Liegen beide Erbmerkmale vor, liegt das Vererbungs-Risiko sogar bei über 10 Prozent bis 15 Prozent!

Stimmt es, dass man die Genvariante HLA-DQ2 oder DQ8 bei 30 bis 40 Prozent der Deutschen findet?

30 Prozent der Deutschen haben ein solches Erbmerkmal, aber nur ein kleiner Teil dieses Personenkreises entwickelt eine Zöliakie. Es bedeutet also nicht, dass man eine Zöliakie hat, wenn man das Erbmerkmal nachweisen kann.

Umgekehrt, wenn man dieses Erbmerkmal nicht hat, ist es extrem unwahrscheinlich, dass man eine Zöliakie entwickelt. Deshalb benutzt man dieses Erbmerkmal, um die Erkrankung auszuschließen und nicht um sie nachzuweisen.

Bei Patienten mit Diabetes ist der  HLA-DQ2/DQ8-Test ein wichtiger Test, denn Diabetiker haben ein erhöhtes Zöliakie-Risiko. Zwischen 5 und 10 Prozent der Diabetiker haben auch Zöliakie. Ist der DQ2/DQ8-Test aber negativ, kann man davon ausgehen, dass es nicht zusätzlich zu einer Zöliakie kommt.

Weiß man, warum Diabetiker ein höheres Zöliakie-Risiko haben?

Sowohl Diabetes als auch Zöliakie sind Autoimmunerkrankungen und meist treten Autoimmunerkrankungen nicht isoliert auf, sondern assoziiert mit anderen Autoimmunerkrankungen. Zudem findet man bei Diabetes und Zöliakie auf den gleichen Chromosom-Abschnitten der Erbanlagen Veränderungen.  

Eine Rolle scheint dabei zu spielen, ob die Patienten entsprechend ihrer Erkrankung leben. Man vermutet, dass man bei Zöliakie durch glutenfreie Ernährung weitere Autoimmunerkrankungen verhindern kann. Umgekehrt kann es weitere Autoimmunerkrankungen auslösen, wenn man sich nicht an die glutenfreie Diät hält. Bewiesen sind diese Mechanismen noch nicht.

Übrigens: Zu den Autoimmunerkrankungen gehören z.B. Schilddrüsenerkrankungen – auch hier sollte man immer auch an eine Zöliakie denken und alle 2 Jahre einen Antikörper-Test oder den DQ2/ DQ8-Test durchführen. Fällt dieser negativ aus, ist eine Zöliakie unwahrscheinlich.

Stimmt es, dass in Deutschland 1 Prozent der Bevölkerung an Zöliakie erkrankt sind?

Für Länder wie Frankreich, Österreich, England, Schweiz, Polen, Italien und die Skandinavischen Länder gibt es gute Studien, die belegen, dass 1 Prozent der Bevölkerung von Zöliakie betroffen ist. In Finnland liegt die Zahl der Zöliakie-Betroffenen sogar höher, teilweise bis zu 2 Prozent. Für Deutschland ist die Datenlage nicht so gut durch Analysen belegt - hier geht man eher von 0,5 bis 0,7 Prozent der Bevölkerung aus.   

Ersetzt der Test auf HLA-DQ2 und DQ8 die endoskopische Untersuchung des Dünndarms?

Es gab Überlegungen unter den Kinderärzten, ob man sich durch den DQ2/DQ8-Test eine Biopsie des Dünndarms sparen könnte. Es gibt jedoch nur wenige Fälle, bei denen die Befunde so eindeutig sind, dass man auf die Dünndarmbiopsie verzichten könnte. Ein solcher Fall wäre z.B. wenn das Krankheitsbild der Zöliakie sehr ausgeprägt ist. Wenn ein Kind sehr starke Durchfälle hat, an Gewicht verliert, den für Zöliakie typischen dicken Bauch hat und noch dazu einem sehr  hohen Antikörper-Titer plus eine DQ2/DQ8-Positivität, kann man mit dem Kinder-Gastroenterologen besprechen, ob eine Biopsie wirklich nötig ist.

Das Problem ist, dass seit der Aufstellung dieser Kriterien tendenziell zu wenige Kinder endoskopisch untersucht werden. Dies hat die Konsequenz, dass die Diagnose Zöliakie nicht eindeutig gesichert ist und dementsprechend wenig dringlich erscheint den Eltern dann die Forderung nach einer lebenslangen glutenfreien Ernährung. Eine glutenfreie Diät bedeutet eine gewisse Einschränkung der Lebensqualität und häufig halten die Patienten die Diät nicht stringent durch, wenn kein eindeutiger Beweis erbracht wurde. Dagegen ist eine Biopsie ein überzeugenderes Argument für die Zöliakie und führt auch zu einer besseren Diätdisziplin.

Auf der anderen Seite kann man durch die Biopsie die Zöliakie auch ausschließen, denn im Rahmen eines Infektes oder wenn andere Autoimmunerkrankungen vorliegen, kann ein Antikörper-Test auch falsch positive Ergebnisse liefern. In diesen Fällen würde man einen Menschen unnötig mit einer glutenfreien Diät belasten.

Wie wird der DQ2/DQ8-Test durchgeführt?

Der DQ2/DQ8-Test ist ein ganz normaler Bluttest. Stuhltests oder Tests anhand des Speichels sollte man nicht durchführen, denn die Aussagekraft dieser Untersuchungen ist bei weitem nicht so zuverlässig wie die des Bluttests. Der Transglutaminase-Test und der Endomysium-Antikörpertest, ein sehr guter Test, der aber in der Durchführung aufwändiger ist, sind die deutlich besseren Testmethoden für Zöliakie. Auch native Gliadin-Antikörper-Tests sind weniger zuverlässig.

Gibt es eine gewisse Reihenfolge, in der diese Tests durchgeführt werden?

Der erste durchzuführende Test ist der Transglutaminase-Test, der das IgA misst. Fällt das Ergebnis nicht eindeutig positiv aus und ist der Gesamt-IgA-Spiegel insgesamt niedrig, könnte es sein, dass beim Patienten ein genetisch bedingter IgA-Mangel besteht. Bei  IgA-Mangel kann der Transglutaminase-Test nicht positiv reagieren. In diesem Fall sollte man mit einem IgG-Transglutaminase-Antikörper-Test oder einem speziellen Test gegen deamidierte Gliadinpeptide zusätzlich auf Zöliakie prüfen.

Zurück zum DQ2/DQ8-Test: Besteht bei einem positiven Testergebnis, ohne dass Symptome bestehen, lebenslang die Gefahr eine Zöliakie zu entwickeln?

Es gibt gut dokumentierte Fälle, die zeigen, dass sich nicht schon bei der Einführung von Getreide in die Säuglingsnahrung Symptome entwickeln müssen, wenn eine Zöliakie besteht. Auch wenn die Kinder älter sind oder selbst im Erwachsenenalter kann eine Zöliakie ausgelöst werden, wenn eine Erbveranlagung besteht. Offensichtlich gibt es auslösende Trigger für die Entwicklung einer Zöliakie, wie z.B. andere Infektionen, die man aber zurzeit noch nicht kennt. Der Nachweis bei einer spät entwickelten Zöliakie gestaltet sich aber schwierig, weil es immer sein könnte, dass auch im Kindesalter bereits eine Zöliakie bestand, ohne dass dies bemerkt worden wäre.

Herr Prof. Zimmer, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

19. Januar 2015

Autor: Sabine Jossé, www.mein-allergie-portal.com

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