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Zöliakie-Medikament: Hoffnung auf ein beschwerdefreies Leben?

Zöliakie Therapie Beschwerdefrei Leben
Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Direktor des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz

Patienten die an der Autoimmunerkrankung Zöliakie leiden, kennen bislang meist nur eine wirksame Behandlungsform: die glutenfreie Ernährung. Was aber, wenn man versehentlich Gluten konsumiert oder wenn man trotz strikter Einhaltung der Diät weiterhin Beschwerden hat? Was passiert wenn der Besuch beim Arzt zeigt, dass eine Entzündung der Darmschleimhaut auch durch kleinste Mengen von Gluten im Essen ausgelöst wird? Die betroffenen Menschen können an Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, bis zu Mangelerscheinungen leiden. Doch dank einer neuen Therapie könnte es Hoffnung auf ein beschwerdefreies Leben geben: seit 2011 forscht Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Direktor des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz, mit seinem Team in Zusammenarbeit mit Zedira, Darmstadt, und Falk Pharma, Freiburg, an einem neuartigen medikamentösen Wirkstoff zur Behandlung der Zöliakie

 

Autor: Sabine Jossé

Interviewpartner: Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan

Zöliakie: Was passiert im Körper?

Die Erkrankung Zöliakie ist eine immunvermittelte Krankheit, die primär den Dünndarm betrifft. Dieser reagiert mit einer Entzündungsreaktion auf Gluten, das vorwiegend im Weizen, aber auch in vielen anderen Getreidesorten vorkommt. Der Körper der Betroffenen bildet dann Autoantikörper gegen das Enzym „Transglutaminase 2“. Professor Schuppan erklärt: „Bei der Transglutaminase 2 handelt es sich um ein körpereigenes Enzym. Wenn es mit Gluten Peptiden, die wir aus der Nahrung aufnehmen in Kontakt kommt, entsteht eine Reaktion in der Darmschleimhaut. Diese Reaktion führt zu einer Veränderung der Gluten-Peptide, das Immunsystem wird durch das so veränderte Gluten stimuliert und schließlich kommt es zu einer Entzündung in der Darmschleimhaut. Durch diese Entzündung bilden sich die Darmzotten der Schleimhaut zurück und es kommt zu einer sogenannten Zottenatrophie. Konkret bedeutet dies: die Oberfläche der Darmschleimhaut verkleinert sich und die Patienten können weniger Nährstoffe, Mineralien und Vitamine aus der Nahrung aufnehmen. Um die Diagnose zu stellen ist eine Antikörperbestimmung im Blut und meist auch eine Bestätigung der Diagnose via Endoskopie und Dünndarmbiopsie nötig. Ist die Erkrankung bestätigt, müssen Zöliakie-Patienten auf eine streng glutenfreie Diät umsteigen. In der Praxis bedeutet dies einen massiven Eingriff in die gewohnte Ernährung. 

Wo setzt die Behandlung der Zöliakie mit dem Medikament an?

Das Medikament, an dem Prof. Schuppan und sein Team forschen, nennt sich Transglutaminase 2 Inhibitor ZED1227. Die Entwicklung basiert auch auf seiner Entdeckung der Transglutaminase 2 als Autoantigen der Zöliakie im Jahre 1997 publiziert im Fachjournal Nature Medicine. Hinter diesem langen Namen verbirgt sich ein Arzneimittel, welches „das Enzym Transglutaminase 2 blockiert und somit verhindert, dass das veränderte Gluten das Immunsystem aktiviert. "Bei den Patienten wird unter der Behandlung also die Reaktion in der Darmschleimhaut und dadurch die gesamte immunologische Reaktion gehemmt.“ verrät Professor Schuppan. 


Zwar sollte eine glutenfreie Ernährung dennoch beibehalten werden, aber die Therapie schützt die Patienten, vor Symptomen, wie zum Beispiel Durchfall oder Schädigungen des Darms, bei dem oft unvermeidbaren Konsum kleinerer Mengen Gluten. Bei bestehender Zöliakie wäre dies eine große Sorge weniger. Denn wer sich glutenfrei ernähren muss und dennoch im Restaurant essen gehen möchte, weiß dass man sich nicht immer sicher sein kann ob die Lebensmittel zu 100% glutenfrei sind. Außerdem enthalten zahlreiche verfeinerte Nahrungsmittel kleinere Mengen nicht deklarierten Glutens, welches als Verunreinigung oder Stoff zur Verbesserung der Textur und des Geschmacks eingesetzt wird. Sollten Patienten dank der Therapie zukünftig insbesondere im Hinblick auf Kontaminationen mehr Sicherheit und Lebensqualität erhalten, wäre das ein großer Fortschritt und eine relevante Einschränkung der Lebensqualität würde wegfallen. 

Wie hat man das Zöliakie-Medikament in den Studien untersucht?

Das Ziel der aktuellen Studie war, an Patienten mit diätetisch gut behandelter Zöliakie zu untersuchen, inwieweit das Medikament die (geringen) Schäden durch Zufuhr kleinerer Mengen Gluten unter Studienbedingungen verhindern kann und gegebenenfalls auch entstandenen Symptome verhindert und damit auch das Leben mit der Krankheit erleichtern kann. Professor Schuppan berichtet: „Für die Studie wurden unter Teilnahme von 20 Zentren in Europa 160 Patienten mit Zöliakie in Remission rekrutiert. Gesucht wurden Menschen mit der Diagnose Zöliakie, die eine ausgeheilte Schleimhaut und keine wesentlichen Beschwerden aufwiesen. Um die Wirkung der Zöliakie-Therapie zu testen haben die Patienten freiwillig über sechs Wochen lang jeden Tag drei Gramm Gluten zu sich genommen. Wie kam man auf die Menge von 3 Gramm? Prof. Schuppan erklärt: "Die Ernährung der Bevölkerung enthält im Durschnitt 15 Gramm Gluten und daraus ergab sich die drei Gramm Gluten Provokations-Dosis, also eine Dosis, die einer wesentlichen „Kontamination“ mit Gluten entspricht". Zusätzlich nahmen die Zöliakie Patienten entweder drei unterschiedliche Dosen des Transglutaminase 2 Inhibitors oder ein Placebo in Form einer Pille, ein.

Welches Ergebnis zeigte sich in dieser Studie zur Zöliakie Therapie?

Für die betroffenen Patienten sind die Studienergebnisse gute Nachrichten, denn bei allen Probanden der Studie, die das Zöliakie-Medikament erhielten, besserten sich Zottenatrophie und Dünndarmentzündung signifikant und dosisabhängig, bis zur Normalisierung der Schleimhaut. Außerdem besserten sich die Zöliakie-spezifischen Symptome. „Da der Wirkstoff primär nur in der Darmschleimhaut ansetzt, gab es bis auf einen kurzfristigen Hautausschlag in drei Patienten der Hochdosisgruppe keine Nebenwirkungen gegenüber der Placebogruppe", erläutert Prof. Schuppan, "die Behandlungsmöglichkeit könnte damit unterstützend zur glutenfreien Diät zur Verfügung stehen und den Patienten zusätzlich einen erheblichen Zugewinn an Sicherheit und Lebensqualität bieten“.

Wie geht es weiter mit der Behandlung der Autoimmunerkrankung Zöliakie?

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse dieser Phase-2a-Studie, die erstmalig für ein Medikament eine klare Wirksamkeit bei Zöliakie gezeigt hat, ist ab Herbst 2021 eine größere Phase-2b-Folgestudie mit einer besonders belasteten Patientengruppe geplant. Eingeschlossen werden jetzt diejenigen Patienten, die nicht ausreichend auf die glutenfreie Diät ansprechen. Professor Schuppan erklärt: „Für die Folgestudie werden über 400 Patienten aus ganz Europa ausgewählt, die zwar eine glutenfreie Ernährung einhalten, aber dennoch immer weiterhin Entzündung und Beschwerden haben; es handelt sich hierbei meist um sehr empfindlich auf kleine Glutenmengen reagierende Patienten,. Die Probanden zeigen meist gering erhöhte Antikörper gegen TG2 und eine leicht geschädigte Dünndarmschleimhaut. Unser Ziel ist es, zwei verschieden Dosen des Medikaments einmal bis zweimal täglich zu testen um herauszufinden, in welcher Dosierung und auch wie häufig das Medikament von diesen Patienten eingenommen werden sollte um, wie wir hoffen, Beschwerden und Entzündung zu bessern."

Zöliakie - es wird viel geforscht

Eine weitere gute Nachricht für die Menschen mit Zöliakie: „Die mögliche Behandlung der Zöliakie steht aktuell sehr im Fokus und in diesem Bereich wird viel geforscht. Es besteht ein hoher Bedarf, vor allem auch im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen. Einer der Gründe: Die soziale Belastung, die mit der Diagnose einhergeht, ist vor allem für diese Altersgruppen oft schwer. Die Erkrankung kann zur Isolation und Ausgrenzung führen. Es gibt keine zielführenden Schnelltests, um Nahrungsmittel auf den Glutengehalt zu testen und den Meisten bleibt nur der Weg des totalen Verzichts: die streng glutenfreie Ernährung. Zum Glück ist es bei der Zöliakie so, dass der Mechanismus der Erkrankung bei Erwachsenen und Kindern gut vergleichbar ist. In diesem Fall kann gegebenenfalls für Kinder keine extra Studien angelegt werden, da im Fall der die Mechanismen der Erkrankung bei Kindern und Erwachsenen sehr ähnlich und vergleichbar ist. "Wenn sich die Therapie als erfolgreich erweist, könnten auch Kinder und Jugendliche mit der Diagnose Zöliakie und Glutenunverträglichkeit von der Behandlung zeitnah profitieren", berichtet Prof. Schuppan.

Für die Zukunft sind die Aussichten also gut - sowohl der Fortschritt in der Forschung, als auch das Interesse an der Zöliakie ist eindeutig. Hoffnungen auf ein beschwerdefreieres Leben trotz Diagnose sind geweckt und die Angst vor versehentlicher Kontamination könnte in ein paar Jahren kaum mehr Thema sein. Es gibt also Licht am Ende des Tunnels.

Die Ergebisse der Phase 2a Studie mit dem TG2-Hemmstoff ZED1227 wurden im Juli im renommierten New England Journal of Medicine publiziert: DOI: 10.1056/NEJMoa2032441

Quelle:

Schuppan D, Mäki M, Lundin KEA, Isola J, Friesing-Sosnik T, Taavela J, Popp A, Koskenpato J, Langhorst J, Hovde Ø, Lähdeaho ML, Fusco S, Schumann M, Török HP, Kupcinskas J, Zopf Y, Lohse AW, Scheinin M, Kull K, Biedermann L, Byrnes V, Stallmach A, Jahnsen J, Zeitz J, Mohrbacher R, Greinwald R; CEC-3 Trial Group. A Randomized Trial of a Transglutaminase 2 Inhibitor for Celiac Disease. N Engl J Med. 2021 Jul 1;385(1):35-45.

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

27. Oktober 2021

Autor: S. Jossé/ D. Schuppan, www.mein-allergie-portal.com

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