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Glutenfrei reisen trotz Zöliakie-Diagnose: Wie macht man das?

glutenfrei reisen
Bea Schulz kocht glutenfrei - it's all about food!

Mit Zöliakie zu reisen ist für manche Betroffene ein heikles Thema. Oft ist es schon zu Hause und am Arbeitsplatz nicht so einfach, sich glutenfrei zu ernähren. Eine glutenfreie Ernährung beim Reisen, womöglich noch in ferne Länder hinzubekommen, trauen sich Viele nicht zu. Es gibt jedoch einige Tricks, mit deren Hilfe glutenfreies Reisen möglich ist. Wie man das macht, erklärt Reiseprofi Bea Schulz im Gespräch mit MeinAllergiePortal auf der Allergy & Free From Show in Berlin.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Bea Schulz 

Frisch diagnostizierte Zöliakie-Betroffene trauen sich oft nicht mehr, zu verreisen. Du reist oft und gerne und viel, war das von Anfang an so?

Von Anfang an wollte ich mir die Freude am Reisen nicht nehmen lassen, auch direkt nach der Diagnose Zöliakie. Allerdings ist und war das Reisen bei mir auch immer Teil meines Berufes, weil ich weltweit koche.

Am Anfang bedurfte die Diagnose Zöliakie aber schon eines gewissen Mehraufwandes und eines gewissen Umorganisierens. Ich habe mir, gerade am Anfang, sehr intensiv überlegt, wie ich bei meinen Reisen eine glutenfreie Ernährung hinbekomme. Auf das Reisen zu verzichten, stand für mich aber nie zur Debatte – dafür reise ich zu leidenschaftlich gerne – und kann es beruflich ja manchmal auch einfach nicht vermeiden.

Was meinst Du beim glutenfreien Reisen konkret mit „Umorganisieren“?

Wenn man keine Zöliakie hat, oder auch eine andere Nahrungsmittelunverträglichkeit, reist man oftmals auch gerne einfach los, ohne sich groß Gedanken zu machen. Ich bin früher z.B. sehr gerne „last minute“ gereist. Einfach zum Flughafen fahren, ein interessantes Angebot auswählen und losfliegen – das fand ich sehr spannend.

Seit meiner Zöliakie-Diagnose geht so etwas natürlich nicht mehr.  Bei langen Flügen z.B. muss ich schon vorher wissen, ob die Airline glutenfreie Mahlzeiten im Programm hat. Bei vielen Airlines ist das mittlerweile möglich, aber man muss es vorher anmelden und selbst dann klappt es manchmal nicht. Das heißt, man muss vorausschauender agieren und im Vorfeld so einiges abklären. Die glutenfreien Notfallsnacks für den eigentlichen Transport bei der Reise, habe ich immer dabei – und sie sind auch unverzichtbar im Handgepäck. Zu oft klappt ein Anschlussflug nicht und dann steht man da…

Du achtest jetzt sicher auch mehr darauf, welche Reiseziele „glutenfrei“ sind?

Auf jeden Fall recherchiere ich schon zu Beginn der Planung, wie die „Essgewohnheiten“ bei meinem Wunschziel aussehen, also was dort in der Regel gegessen wird. Natürlich versuche ich auch herauszufinden, ob es im gewünschten Reiseland so etwas wie ein „glutenfrei“-Symbol gibt, wie bei uns die durchgestrichene Ähre. Allerdings ist es für mich tatsächlich kein KO-Kriterium wenn das Land, das ich als nächstes bereisen möchte, keine offizielle GF-Kennzeichnung hat – denn so etwas gibt es schlichtweg weltweit nicht.

Welche Länder sind denn empfehlenswerte glutenfreie Reiseziele?

Grundsätzlich sehr gut geeignet für glutenfreies Reisen sind England und Amerika. In den USA gibt es z.B. selbst im tiefsten Texas komplett glutenfreie Restaurants. Auch Italien ist ein sehr Zöliakie-freundliches Reiseland. Skandinavien und Spanien sollte man hier auch sehr lobend erwähnen.

Sehr gut geeignet für glutenfreies Reisen ist auch Mexiko, wo ich letztes Jahr war. In Mexiko arbeitet man beim Kochen fast ausschließlich mit Maismehl und viele Gerichte basieren auf Reis und Mais. Die für Mexiko typischen Tortillas werden oft aus Maismehl hergestellt. Man sollte dann im Restaurant aber vorsichtshalber noch nachfragen. Unabdingbar ist, dass man sich im Vorfeld die wichtigsten Begriffe und Sätze in der Landessprache aneignet. Ich habe immer ein Karteikärtchen mit, damit ich dann auch die Zutatenlisten lesen kann.  

Ein genereller Tipp: Je nachdem, wie empfindlich man ist, können ja bereits Spuren von Gluten auf dem Teller Probleme bereiten.  Um das Kontaminationsrisiko zu minimieren, kann es deshalb hilfreich sein, Backpapier dabeizuhaben. Dann kann man den Kellner bitten, den Teller damit abzudecken bevor das Essen angerichtet wird und eine Kontamination wird an dieser Stelle schon mal verhindert. Komplett kontaminationsfreies Essen ist jedoch auf Reisen teilweise ziemlich utopisch zu erwarten, das hat man nur zu Hause. Deshalb muss jeder aufgrund seiner persönlichen Erkrankungssituation für sich entscheiden, inwieweit individuelle Kompromisse vertretbar sind.

Welche Länder außer Mexiko eignen sich noch für glutenfreies Reisen?

Gut glutenfrei reisen kann man auch in einigen Teilen Asiens. Dieses Jahr war ich z.B. in Vietnam – ein tolles Land für‘s glutenfreie Reisen. Auch Kambodscha, Bali, Thailand und Indonesien eignen sich sehr gut, wenn man Gluten nicht verträgt. Zwar gibt es in diesen Ländern den Begriff „glutenfrei“ nicht und man findet auch kein Siegel wie die durchgestrichene Ähre. In diesen Ländern spielt Weizen aber eben einfach keine Rolle beim Kochen – ideal bei Zöliakie! Das merkt man schnell, wenn man im Vorfeld seiner Reise ein wenig zur landestypischen Küche recherchiert.

Einziger Fallstrick in Asien: Die in diesen Ländern gern genutzte Sojasauce kann Weizenstärke enthalten. Da fragt man dann am besten vor der Bestellung genau nach. Meist wird sie in diesen Ländern eh nur als Dipsauce an der Seite in einem Extra-Schälchen gereicht – das kann man dann ganz gut gefahrlos umschiffen. Weniger geeignet für glutenfreie Urlaube sind daher zum Beispiel Japan und China – die Sojasauce ist dort einfach allgegenwärtig.

Wie recherchierst Du, ob sich ein Land für einen glutenfreien Urlaub eignet?

Als erstes googele ich nach den berühmten Köchen aus dem betreffenden Land.  Auf deren Homepages oder in deren Kochbüchern schaue ich mir dann die Rezepte an. So bekomme ich eine erste Idee, was dort traditionell gekocht wird bzw. wie dort gekocht wird.

Eine weitere gute Informationsquelle sind die Seiten von Foodbloggern, die immer wieder mal von den eigenen glutenfreien Reiseerfahrungen berichten. Und natürlich die üblichen Reiseportale wie Trip Advisor sind da sehr hilfreich.

Und wie geht es weiter mit der glutenfreien Reiseplanung?

Der nächste Schritt ist die Planung der Route. Oft werde ich gefragt, ob ich mir im Ausland gezielt glutenfreie Hotels heraussuche. Die gibt es aber nicht, schon gar nicht in Asien oder Südafrika. Meine Reisen plane ich deshalb danach, was ich spannend finde und gerne sehen möchte und nicht nach glutenfreien Restaurants und Hotels.

In den Ballungszentren dieser Länder hat man vielleicht den Begriff „glutenfrei“ schon einmal gehört, aber damit wirbt kein Hotel oder Restaurant, weil es dort einfach kein Thema ist und man dort oft auch relativ getreidefrei isst. Es gibt also keine Möglichkeit, sich eine „sichere glutenfreie Reiseroute“ zu organisieren und wenn man dennoch in diese Länder  reisen will, muss man einfach das Risiko eingehen.

Der wichtigste Tip ist der: Lasst euch einfach auf die Landestypische Küche und Essgewohnheiten ein. Wer auf Bali trotzdem morgens sein Nutella-Brot haben muss wird tatsächlich große Probleme bekommen oder muss sein Brot mitbringen. So lernt man übrigens ein Land auch wirklich kennen – durch das Essen :-)

Ich bin bisher sehr gut damit gefahren, entweder in Länder zu reisen, die traditionell glutenfrei kochen oder in Länder, die eine hohe Awareness für das das Thema glutenfrei  haben. Unabdingbar sind allerdings (außer in einigen Teilen Thailands) englische Sprachkenntnisse. Mit Deutsch kommt man da nicht weit und viele Landesinformationen, Blogs, Hotelinfos etc. findet man nur auf Englisch. Hier muss man aber keine Angst haben – man muss kein perfektes englisch sprechen – das tun dort auch die wenigsten.

Sind Märkte tauglich für glutenfreie Reisende?

Märkte sind großartig für glutenfreie Urlauber. Frisches Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch sind ideal für Menschen mit Zöliakie. Meist liegt alles aus und man sieht genau, was drin ist. An jedem Ort an den ich reise versuche ich mind. Einmal einen typischen Markt zu besuchen.

Beim glutenfreien Reisen gibt es ja auch „neuralgische Punkte“ wie z.B. Bahnhöfe oder Flughäfen. Wie löst Du dieses Problem?
Auf Bahnhöfen oder Flughäfen findet man selten glutenfreie Produkte oder generell einigermaßen qualitativ hochwertige Nahrungsangebote und schlimm ist auch das Angebot in den Speisewagen der Deutschen Bahn.

Meine Regel Nr. 1 lautet deshalb, dass ich nie hungrig auf Reisen gehe. Ich esse zu Hause immer eine gute Mahlzeit und nehme mir Proviant mit. Außerdem habe ich immer eine Notration dabei, z.B. Kräcker und diese tollen Aufstriche aus dem Reformhaus – die gibt es nämlich fast überall auch in kleinen Portionsgrößen und die dürfen auch durch die Sicherheitskontrolle am Flughafen. Oder ich mache mir zuhause ein Sandwich. Mittlerweile bekommt man auf Bahnhöfen oder Flughäfen meist auch Obstsalate oder Blattsalate, aber besonders lange hält so eine Mahlzeit ja nicht.  Es ist besser, man sorgt vor.

Bei Flügen bestelle ich meine glutenfreien Mahlzeiten vor. Und wenn das mal nicht klappt, muss man eben improvisieren und aus den verschiedenen Mahlzeiten eine passende zusammenbauen. Meine Erfahrung ist, dass es hilft, nicht in den Gewohnheiten zu verharren, sondern flexibel zu sein. Wer wirklich auf Nummer sicher gehen will sollte sich vor einem Langstreckenflug von seinem Arzt ein Attest ausstellen lassen, dass er Zöliakie hat und sich GF ernähren muss – damit bekommt man mehr Lebensmittel am Zoll vorbei in den Flieger.

Wohin geht’s als nächstes?

Bei unserer letzten Asienreise hat es uns in Kambodscha ganz besonders gut gefallen, aber wir hatten nur eine Woche Zeit. Da würden wir sehr gerne noch einmal für längere Zeit hinfahren. Es könnte sogar sein, dass daraus eine längere Reise durch ganz Südost-Asien wird. Wir spielen grad mit dem Gedanken ein Sabbatical einzulegen.

Quasi beruflich wird es demnächst wahrscheinlich auf eine meiner Lieblingsinseln nach Long Island auf den Bahamas gehen. Ein Freund von mir betreibt dort ein Restaurant, dass er vergrößert hat und er möchte, dass ich dort ein für einige Wochen zur Neueröffnung koche. Barfuß an einem der schönsten Strände der Welt zu kochen gehört zu den absoluten Highlights meines Berufes. Und es sind noch ein paar andere Projekte in der Pipeline – ich halte dich auf dem Laufenden

Hast Du noch einen Tipp für glutenfreie Weltenbummler?

Mein Rat ist: „traut Euch einfach!“ Auch hier besteht im Restaurant oder bei der Essenseinladung bei Freunden das Risiko einer Kontamination und es ist wichtig, darauf zu achten. Man sollte sich durch die Diagnose Zöliakie aber nicht die Freude am Reisen und damit ein Stück Lebensqualität nehmen lassen!

Herzlichen Dank Bea, für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

28. Juni 2016

Autor: S. Jossé/B. Schulz, www.mein-allergie-portal.com

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