GeCeR- das erste deutsche Zöliakie Register!
Um die Versorgung von Zöliakie-Patienten in Deutschland zu verbessern, hat die Deutsche Zöliakie Gesellschaft (DZG) das erste deutsche Zöliakie Register, GeCeR, ins Leben gerufen. „GeCeR“ steht für „German Celiac Registry“ und richtet sich an Zöliakie-Betroffene. Dabei geht es nicht um reine Statistik. Das Register soll dazu beitragen, die Versorgung und Lebensqualität von Zöliakie-Patienten in Deutschland zu verbessern. Dr. Stephanie Baas, Ärztin beim DZG, berichtet im Gespräch mit MeinAllergiePortal, warum das GeCeR eingerichtet wurde und welche Ziele damit erreicht werden sollen.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Dr. Stephanie Baas
Frau Dr. Baas, was steckt hinter der Idee des GeCeR?
Ende Oktober 2019 startete das GeCeR, das erste deutsche Zöliakie-Register. Ziel ist es, zunächst einmal die Versorgungssituation der Zöliakie-Patienten in Deutschland zu erfassen. Wir wollen herausfinden, wie die Patienten diagnostiziert wurden und wie es nach der Diagnose in Bezug auf die Patientenbetreuung und die Ernährungsberatung weiterging. Außerdem wollen wir herausfinden, wie sich Patienten mit der Erkrankung fühlen und wie sich die Zöliakie auf ihre Diät und Lebensqualität auswirkt. Auch möchten wir erfahren, ob die Krankheit eine psychosoziale Belastung darstellt und möglicherweise Zöliakie-Folgeerkrankungen nach sich zog.
Zudem wollen wir auch herausfinden, ob es in Bezug auf die Lebensqualität, Compliance, Betreuung und psychosoziale Belastung, Unterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen und Geschlechtern gibt und wie sich die Krankheit im Verlauf darstellt. Besonders für Patienten, bei denen die Diagnose relativ neu ist, möchten wir untersuchen, wie sich die Symptome der Zöliakie mit der Zeit verändern. Kurzum: Wir wollen die Versorgungssituation der Zöliakie-Betroffenen in Deutschland möglichst vollständig erfassen.
Das GeCeR ist eine Initiative der Deutschen Zöliakie Gesellschaft, richtet es sich in erster Linie an die Mitglieder der DZG?
Das GeCeR ist ein Register für alle Zöliakie-Patienten in Deutschland, nicht nur diejenigen in der DZG. Momentan sind etwa 3000 Patienten im GeCeR registriert, von denen etwa 70 Prozent Erwachsene und 30 Prozent Kinder und Jugendliche sind. Die Kinder und Jugendlichen mit Zöliakie sind ihrem Alter entsprechend in drei Gruppen eingeteilt. 0 bis 7 jährige, 8 bis 12 jährige und 13 bis 17 jährige. Die Gruppen sind etwa gleichmäßig verteilt. Je mehr Teilnehmer, desto besser und genauer werden unsere Auswertungen und Beurteilungen der Ergebnisse. Auch Patienten außerhalb der DZG sind extrem wichtig. Sie zeigen uns sehr gut, ob die Mitgliedschaft und damit unser Angebot die Patienten im Alltag tatsächlich unterstützen.
Welche Fragen werden denn im Fragebogen des GeCeR konkret gestellt?
Nach der Registrierung und die Einwilligung in die pseudonymisierte Datenspeicherung können die Patienten einen Erstfragebogen ausfüllen. Der Erstfragebogen deckt sehr viele Themenbereiche ab. Besonders umfangreich wird die Diagnostik abgefragt. Wurden Antikörpertest, Biopsien, oder genetische Untersuchungen durchgeführt? Wie sahen die Symptome vor der Diagnose aus, und geht es den Patienten nun besser? Wie werden die Patienten nach der Diagnose betreut? Wie ist ihr psychisches Befinden, die Lebensqualität, sowie die Diät-Compliance? Liegen Begleiterkrankungen vor und wenn ja, welche? Sind weitere Unverträglichkeiten oder Autoimmunerkrankungen bekannt?
Darüber hinaus können die Patienten allgemeine Angaben zur Person und zum Wohnort machen. Die Art der Krankenversicherung - ob Gesetzliche Krankenversicherung oder Private Krankenversicherung - kann ebenfalls angegeben werden. Oft wird ja vermutet, dass Privatversicherte eine bessere Versorgung genießen. Mit dem GeCeR-Fragebogen können wir auch dieser These auf den Grund gehen.
Nach dem ersten Jahr wird eine Verlaufsbefragung durchgeführt. die Verlaufsfragebögen sind deutlich kompakter, da Fragen zur Diagnostik und zu den Symptomen vor der Diagnose wegfallen.
Die Fragebögen werden online ausgefüllt. Sie können aber auch in Papier basierter Form versendet werden.
Welcher Themenkomplex war Ihnen bei den GeCeR -Fragebögen besonders wichtig?
Wir haben uns darauf konzentriert, die diagnostische Situation der Zöliakie-Patienten in Deutschland zu erfassen. Folgende Fragen waren uns ganz besonders wichtig:
- Auf welcher Grundlage wurde die Diagnose „Zöliakie“ gestellt?
- Hat der Patient Unterlagen bekommen, um die Krankheitsmechanismen der Zöliakie nachvollziehen zu können?
- Wie gut wissen die Patienten über die Erkrankung Zöliakie Bescheid?
- Wie gut wurden die Patienten über die Diagnose „Zöliakie“ aufgeklärt?
- Welche Folgen haben sich aus der Diagnose „Zöliakie“ für die Patienten ergeben?
In der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten lassen sich große Unterschiede erkennen. Einige Patienten sind sehr gut aufgeklärt, andere wiederum wissen gar nicht, wie die Diagnose Zöliakie letztendlich zustande kam. Gerade bei der Diagnose Zöliakie, die sich sehr stark auf das Leben der Betroffenen auswirkt, ist das schon erstaunlich. Schließlich wirkt sich die Erkrankung direkt auf die Ernährung der Patienten aus und greift also massiv in das tägliche Leben ein.
Was erwartet man sich von den Ergebnissen aus dem GeCeR?
In erster Linie erwarten wir uns eine solide Datenlage zum Ist-Zustand. Das Ziel ist, die Versorgungssituation und Lebensqualität von Zöliakie-Betroffenen zu verbessern. Vor allem die Anfangsdiagnostik ist wichtig. Sie muss zielgerichtet sein und leitliniengerecht durchgeführt werden, und es sollte eine ordentliche Verlaufskontrolle und Begleitung der Patienten erfolgen.
Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig zu kommunizieren, wie die Diagnose zustanden gekommen ist, denn das hat vermutlich einen großen Einfluss auf die Compliance der Patienten. Jemand der nicht weiß, auf welchen Untersuchungsergebnissen die Diagnose basiert, wird vermutlich viel schlechter mit der Erkrankung umgehen können, als ein aufgeklärter Patient. Aber: Vielleicht ist es der Mehrheit der Patienten ja gar nicht so wichtig zu wissen, welche Antikörper, zum Beispiel, eine Rolle spielen. Bisher sind das nur Vermutungen, aber genau solche Fragen möchten wir mit unserem Zöliakie Register klären. Mein Eindruck ist, dass es den meisten Patienten wichtig ist zu wissen, wie die Diagnose zustande gekommen ist. Ich bekomme oft Nachfragen dazu, ob die Diagnose Zöliakie wirklich richtig gestellt wurde. Man kann daraus schließen, dass dies für die Betroffenen eine sehr zentrale Frage ist.
Und wie kann man die Ergebnisse aus dem GeCeR dann „zum Patienten bringen“?
Wir haben einen sehr umfangreichen Fragebogen entwickelt und erhalten dadurch viele Informationen, die wir aus- und bewerten müssen. Mit den Ergebnissen, zum Beispiel zum Thema Diagnostik, können wir dann auf die Fachgesellschaften zugehen und sie über die aktuelle Lage informieren. So können wir zum Beispiel die Diagnostik bei allen Patienten, auch den Kindern und Jugendlichen, verbessern. Wir wünschen uns, dass die Diagnose besser kommuniziert, und der Kontakt zum Kindergastroenterologen verstärkt wird, damit junge Menschen eine frühzeitige und sichere Diagnose bekommen.
Unser Wunsch ist es, gemeinsam mit Gastroenterologen und Hausärzten zu erreichen, dass die Zöliakie-Patienten eine dauerhafte und regelmäßige Betreuung bekommen. Mit der Erstdiagnose ist es nicht getan, denn viele Patienten sitzen hier „zwischen den Stühlen“. Sie konsultieren den Hausarzt und auch den Gastroenterologen, aber keiner fühlt sich zuständig für den Verlauf der Zöliakie. Es gibt natürlich einige Ärzte, die sehr engagiert sind und sich in das Thema „Zöliakie“ einarbeiten, bei der DZG oder durch andere Informationsquellen. Das ist natürlich sehr positiv für die Patienten, aber dafür ist die individuelle Bereitschaft des jeweiligen Arztes entscheidend.
Viele Hausärzte würden den Verlauf der Erkrankung gerne begleiten, fühlen sich aber nicht kompetent genug, weil die Zöliakie in einer Hausarztpraxis oft kein häufiges Krankheitsbild ist. Es gibt viel mehr Menschen mit Erkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs, die im täglichen Betriebsablauf einen viel größeren Raum einnehmen. Ärzte müssen Schwerpunkte setzten, das kann ich prinzipiell gut nachvollziehen. Für die Zöliakie-Patienten ist es aber eine schwierige Situation.
Ist es geplant, die Ergebnisse aus dem GeCeR zu veröffentlichen?
Die Ergebnisse aus dem GeCeR zu veröffentlichen und den Patienten zugänglich zu machen ist definitiv unser Ziel. Demnächst werden die ersten Ergebnisse in unserer Mitgliederzeitschrift und auf der Homepage des Registers zugänglich gemacht. Auf der Registerseite werden die Ergebnisse zusammengefasst veröffentlich, damit auch Personen, die nicht in der DZG sind, Zugang zu den Ergebnissen bekommen. Vielleicht registrieren sich dann noch mehr Patienten in unserem Register um noch tiefer gehende Information zu erhalten – das würde uns freuen. Es ist aber keine Voraussetzung Mitglied in der DZG zu sein, um am GeCeR teilnehmen zu können.
Frau Dr. Baas, vielen Dank für das Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.