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Diagnose Zöliakie gestellt? Dann fangen die Probleme erst an!

Diagnose Zöliakie
Nachdem die Diagnose Zöliakie gestellt wurde, wissen viele Betroffene nicht weiter! Lesen Sie hier mehr dazu! Bildquelle: P.&J. Schmidtlein

Eigentlich sollte man meinen, dass die Diagnose Zöliakie den Betroffenen zunächst einmal Klarheit bringt. Schließlich dauert es oft eine ganze Weile, bis es dazu kommt. Häufig fangen die Probleme aber erst an, wenn die Zöliakie erkannt wurde, und Viele fühlen sich allein gelassen. Das zeigen die Erfahrungen, die viele Mitglieder der Facebook-Gruppe Zöliakie-Austausch gemacht haben. Warum das so ist, erklären die Zöliakie Austausch-Gründer Paddy und Jürgen Schmidtlein im Interview mit MeinAllergiePortal.

 

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Paddy und Jürgen Schmidtlein

Paddy, Jürgen, warum fühlen sich Viele nach der Zöliakie Diagnose allein gelassen?

Wenn man die Diagnose Zöliakie bekommt, weiß man ja noch lange nicht wie man damit umgehen muss. Es stellen sich dann sehr viele Fragen und nicht immer wird man von Anfang an so unterstützt wie das nötig wäre. Auch unter Ärzten und Ernährungsberaterin gibt es wenige, die zu Zöliakie und das sichere glutenfreie Leben praktische Tipps geben können.

Welche Fragen stellt man sich, wenn man die Diagnose Zöliakie bekommen hat?

Wichtige Fragen, die sich im Anschluss an die Zöliakie-Diagnose stellt, sind zum Beispiel die Fragen nach den nächsten Schritten:

  • Was muss ich jetzt tun?
  • Was darf ich jetzt noch essen, was nicht?
  • Wie organisiere ich das Familienessen, glutenfrei und glutenhaltig parallel oder nur glutenfrei?
  • Welche Gefahrenquellen lauern zu Hause?
  • Worauf muss ich beim Einkauf achten?
  • Kann ich noch auswärts essen gehen oder in den Urlaub fahren?
  • Wie sieht die weitere ärztliche Behandlung aus, und welcher Arzt ist überhaupt der Richtige für mich
  • Geht es um Kinder stellt sich natürlich zusätzlich die Fragen:
  • Wie informiere ich die Umgebung des Kindes zum Beispiel in der Kita oder in der Schule?
  • Wie bringe ich dem Kind bei, glutenhaltige Speisen zu meiden?
  • Wie organisiere ich Kindergeburtstage bei Freunden oder in der Schule?

Was wären denn die ersten wichtigen Schritte nach einer Zöliakie Diagnose?

Tatsächlich wäre der erste wichtige Schritt zu entscheiden, ob der aktuell behandelnde Arzt sich so gut mit Zöliakie auskennt, dass er die weitere Behandlung übernehmen kann. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre eine ausführliche Beratung zur glutenfreien Ernährung durch eine spezialisierte Ernährungsberatung. Auch hier wäre es wichtig, den richtigen Ansprechpartner zu finden, der sich mit der glutenfreien Ernährung auch wirklich sehr gut auskennt. Darüber hinaus besteht nach einer Zöliakie-Diagnose auch oft das Bedürfnis nach einem Austausch mit anderen Betroffenen. Hier wäre Zöliakie-Austausch die richtige Adresse und das war schließlich auch der Grund, weshalb wir den Zöliakie-Austausch gegründet haben.

Beginnen wir mit dem richtigen Arzt für die Behandlung der Zöliakie: Wie findet man den?

Beim behandelnden Arzt ist es zunächst einmal wichtig für sich zu entscheiden, ob man sich bei ihm grundsätzlich gut aufgehoben fühlt. Ist das der Fall kommt es darauf an, dem Arzt die richtigen Fragen zu stellen.

Die richtigen Fragen kurz nach einer Zöliakie Diagnose während zum Beispiel:

  • Wie geht es jetzt weiter?
  • Welche Kontrolluntersuchungen sind nötig?
  • Was kann ich jetzt noch essen?
  • Wo bekomme ich Hilfe / Informationen?
  • Was ist Zöliakie und kann es sein, dass Zöliakie wieder verschwindet?
  • Gibt es empfohlene Untersuchungen für Familienangehörige?

An den Antworten erkennt man recht schnell, ob der Arzt Erfahrung mit der Behandlung von Zöliakie hat.

Wenn der behandelnde Arzt Antworten wie diese gibt, sollte man besser einen Zöliakie-Spezialisten finden:

  • „Ein bisschen Gluten schadet nicht.“
  • „Es sind keine weiteren Kontrollen nötig.“
  • „Wenn keine Symptome vorhanden sind, ist es nicht nötig Angehörige 1. Grades zu testen.“
  • „Wenn Sie keinen Durchfall haben, dann haben Sie auch keine Zöliakie.“

All das sind Beispiele für Antworten, die deutlich machen, dass der Arzt sich mit Zöliakie leider gar nicht auskennt.

Empfiehlt er hingegen Verlaufskontrollen, eine strikte glutenfreie Ernährung und weiß, dass die Zöliakie lebenslang bleibt, dann ist man an der richtigen Adresse.

Was macht man denn, wenn man den Eindruck hat, dass der Arzt sich mit Zöliakie nicht so gut auskennt? 

Idealerweise hat man sich in der Zwischenzeit informiert zum Beispiel in unserer Zöliakie Austausch Facebook Gruppe und hat schon eine gewisse Vorstellung davon, welche Maßnahmen und weitere Untersuchungen sinnvoll wären. Dann kann man den Arzt direkt darauf ansprechen.

Und wenn man den Eindruck hat, dass man an dieser Stelle nicht weiterkommt?

Nicht alle Ärzte hatten schon viele Patienten mit Zöliakie. Es ist also in vielen Fällen nicht verwunderlich, dass die Erfahrung mit Zöliakie fehlt. In solch einem Fall kann es dann sinnvoll sein, den Arzt zu wechseln. In der Regel ist ein Gastroenterologe der richtige Ansprechpartner für Patienten mit Zöliakie. Wenn man in der Stadt lebt, ist es einfacher, einen anderen Arzt zu finden. Lebt man aber auf dem Land, wo die Ärztedichte wesentlich geringer ist, ist das schon schwieriger.

Ein Tipp für die Städter: Es gibt zum Beispiel Kompetenzzentren in Unikliniken wie die Haunersche Kinderklinik in München, die Unikliniken Mainz, in Erlangen oder die Charité in Berlin. Persönliche Erfahrungen unserer Mitglieder zu diesem Thema findet man auch in unserer Gruppe Zöliakie Austausch.

Wenn man den Verdacht hat, kein Gluten zu vertragen, aber noch keine Zöliakie Diagnose hat, wie geht man weiter vor?

Auch auf untypische Zöliakie Symptome sollte man seinen Gastroenterologen ansprechen, denn nicht immer zeigt sich die Zöliakie nur durch Bauchprobleme. Auch an der Haut, in Form von Osteoporose, durch Eisenmangel oder durch psychische Probleme kann sich eine unbehandelte oder nicht ausreichend behandelte Zöliakie zeigen.

Die Zöliakie wird auch als Chamäleon unter den Krankheiten bezeichnet, weswegen es auch für Ärzte aufgrund der Vielzahl der möglichen Symptome schwer ist, eine Diagnose zu stellen. Wenn also der Verdacht besteht, dass man kein Gluten verträgt, sollten immer die korrekten Antikörper im Blut getestet und eine Dünndarmbiopsie durchgeführt werden. Um eine Zöliakie zu diagnostizierten, bzw. auszuschließen. Weder Selbstversuche durch Auslassdiät, noch frei verkäufliche Selbsttests können zu einer sicheren Zöliakiediagnose führen.

Ganz wichtig zu wissen: man muß bis zum Abschluß aller Untersuchungen weiter Gluten essen, da ansonsten die Ergebnisse verfälscht werden und gegebenenfalls eine falsche Diagnose erfolgt.

Habt Ihr noch ein paar Tipps für Zöliakie-Neulinge?

Für den Einstieg ist es wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was noch geht. Das Schlechteste was man machen kann ist, sich die Lebensmittel vor Augen zu führen, die ab jetzt verboten sind.

Daher raten wir zu einer Positivliste für den Start in die glutenfreie Ernährung. Viele unverarbeitete Lebensmittel sind von Natur aus glutenfrei. Reis, Kartoffeln, Gemüse, Fisch, Fleisch, Öle, reine Gewürze wie Salz und Pfeffer sind in unverarbeitetem Zustand glutenfrei. Damit kann man sich gerade über die ersten Wochen weiterhin gut versorgen, ohne Angst haben zu müssen, man könne gar nichts mehr essen.

Am Anfang sollte man auch sehr viel lesen. Wer als Mitglied unserer Gruppe beitritt, bekommt zur Begrüßung ganz wichtige Informationen verlinkt. Darin erklären wir die ersten Schritte. Wie man zu Hause den Speiseschrank nach glutenfreien und glutenhaltigen Lebensmitteln sortiert. Welche Schritte zu einem kontaminationsfreien Bereich in der Küche notwendig sind und wie man im Supermarkt sicher, glutenfreie Lebensmittel erkennt.

Der Austausch mit anderen Mitgliedern hilft, sich schnell mit der Diagnose zu arrangieren und fit im Thema zu werden. Egal, ob man Tipps zum Essengehen benötigt, oder in den glutenfreien Urlaub möchte. Ob es bei Zöliakie Kindern um die Organisation in Kita oder Schule geht, oder man sich und sein Kind auf den Besuch bei Freunden oder Kindergeburtstagen vorbereiten möchte. Andere Betroffene haben einen ähnlichen Werdegang und können mit guten Tipps und Ratschlägen den eigenen Weg vereinfachen.

Paddy, Jürgen, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

17. Juli 2023

Autor: S.Jossé/P&J.Schmidtlein, www.mein-allergie-portal.com

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