
Paddy und Jürgen Schmidtlein zum Thema: Zöliakie Neulinge: Die Neulingsgruppe vom Zöliakie Austausch
Zöliakie Neulinge: Die Neulingsgruppe vom Zöliakie Austausch
Im Mai 2011 gründeten Patrizia und Jürgen Schmidtlein die Facebookgruppe „Zöliakie Austausch“. Diese ist seither zu einer wichtigen Anlaufstelle für inzwischen über 31.000 Mitglieder geworden, die sich dort rund um das Thema Zöliakie informieren und austauschen können. Neben der Gruppe „Zöliakie Austausch“ findet man auf Facebook aber auch noch eine weitere, kleinere Gruppe der Schmidtleins: die „Zöliakie Neulinge“ mit knapp 6000 Mitgliedern. Im Interview mit MeinAllergiePortal erklären die beiden, weshalb es diese spezielle Neulingsgruppe gibt, wie sie sich von der „Zöliakie Austausch“-Gruppe unterscheidet und welche Vorteile sie für neue Mitglieder bietet.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Paddy und Jürgen Schmidtlein
Paddy, Jürgen, warum habt Ihr neben der Facebookgruppe „Zöliakie Austausch“ später auch die Gruppe „Zöliakie Neulinge“ gegründet?
Paddy: Die Gruppe für Neulinge haben wir vor gut fünf Jahren, im April 2015, ins Leben gerufen, weil sich im Zöliakie Austausch immer sehr viele Fragen wiederholt haben – gerade was das Basiswissen und die Grundinfos angeht. Aufgrund der Größe der Gruppe wurde es irgendwann einfach zu viel, die wiederkehrenden Neulingsfragen zu beantworten. Deswegen haben wir damals entschieden, eine eigene Neulingsgruppe mit all den klassischen Basics zu erstellen, speziell für „Anfänger“.
Was heißt denn nun konkret „Neulinge“?
Paddy: Die Gruppe heißt nicht nur „Neulinge“, sondern sie ist auch wirklich genau für diejenigen gedacht, die ganz frisch diagnostiziert sind oder erst auf dem Weg zur Diagnose. So schön es auch ist, dass der Zöliakie Austausch so eine große Gruppe geworden ist – man kann sich einfach schlecht um einzelne kümmern und gerade am Anfang der Diagnose braucht man ein bisschen mehr Unterstützung. Hier bietet die Neulingsgruppe ein kleineres Umfeld, in dem die Mitglieder entsprechend persönlicher betreut werden können. In der großen Gruppe, Zöliakie Austausch, wird täglich so viel gepostet, dass Neulingsfragen einfach untergehen. Deswegen brauchen wir eine eigene Plattform. In der Neulingsgruppe findet jeder die Posts von heute auch noch morgen, denn dort wird nicht den ganzen Tag soviel anderes gepostet. Und das ist in dieser Gruppe auch unser Ziel: Es geht nicht um die Masse der Posts, sondern darum, dass wir konzentriert auf ein Thema eingehen können, und die Grundlagen genau erklären.. Dafür ist die Neulingsgruppe gedacht!
In der Gruppe „Zöliakie Neulinge“ kann sich also niemand blamieren…
Jürgen: Genau! Unsere Neulinge müssen in der kleineren Gruppe keine Angst davor haben, Fragen zu stellen. Im Zöliakie Austausch legen wir Wert darauf, dass die Dateien, die wir Anfangs zur Verfügung stellen, gelesen und genutzt werden. Darüber hinaus sind viele schon sehr lange dabei sind und sind sich gar nicht mehr bewußt, wie es am Anfang der Zöliakie Diagnose ist. „Wie ist das mit den Blutwerten?“, „Was darf ich noch essen?“ „Wie lese ich die Zutatenliste?“ und „Was muss ich beim Toaster beachten?“ sind einfach Fragen, die für sie keine Rolle mehr spielen. Damit diese immer wiederkehrenden Standardthemen im Zöliakie Austausch nicht untergehen, und den dort wichtigen Fragen den Platz nehmen, haben wir die Neulingsgruppe gegründet.
In der Neulingsgruppe soll es genau um diese Fragen gehen. Themen für die große Zöliakie Austausch Gruppe wären hingegen beispielsweise Fragen zu Urlaub, Restaurants oder Produkten, die neu auf den Markt gekommen sind, da das wiederum für alle interessant ist. Auch für diejenigen, die sich schon lange mit ihrer Zöliakie auseinandergesetzt haben.
In der Neulingsgruppe gibt es außerdem die Regel, dass man die gleiche Frage gerne immer wieder stellen kann, bis man es verstanden hat. Die Neulinge haben hier eine Art „Welpenschutz“. Im Zöliakie Austausch antworten wir hingegen immer: „Bitte lies die Dokumente durch, die wir euch bieten und wenn ihr dazu mal eine Frage habt, dann könnt ihr sie hier stellen!“
Man könnte auch sagen, Ihr unterscheidet zwischen „Zöliakie-Anfängern“ und „Zöliakie-Fortgeschrittenen“…
Paddy: Der Unterschied zu den Gruppen ist tatsächlich: Im Zöliakie Austausch erwarten wir, dass die Mitglieder selbstständiger sind, sich selbst informieren und unsere Dokumente lesen. Im Zöliakie Austausch haben wir dafür eine Art Handbuch erstellt, das für alle als Grundlage dienen soll. Bei Fragen verweisen wir dann immer zunächst auf dieses Handbuch. In der Neulingsgruppe darf aber alles immer wieder gefragt werden. Und zusätzlich haben wir dort das Handbuch in einfacher Sprache zur Verfügung gestellt. Es gibt natürlich auch Mitglieder, die sich mit solchen Dokumenten schwertun oder vielleicht auch mit einer anderen Muttersprache aufgewachsen sind. Daher wollen wir mit dem Dokument in einfacher Sprache unterstützen.
Um unsere Neulinge besser kennenzulernen erhält auch jedes neue Mitglied einen Begrüßungspost von unserem Moderator, in welchem er unter anderem dazu ermutigt, sich den anderen vorzustellen. Die meisten Posts, die man liest, wenn man durch die Gruppe scrollt, sind dann tatsächlich solche Vorstellungsposts. Das ist neben dem persönlichen Charakter, der dadurch der Gruppe verliehen wird, vor allem auch dann wieder schön, wenn Fragen gestellt werden. Wir können die Fragen dann individueller beantworten, wenn wir im Vorstellungspost noch einmal nachlesen können, welchen Hintergrund derjenige, der die Frage gestellt hat, mitbringt. Ist derjenige zum Beispiel ganz frisch diagnostiziert? Häufiger kommt es auch vor, dass die Zöliakie im Kindesalter diagnostiziert wurde und erst Jahre später wieder zum Thema wird. Je nach dem können wir Fragen dann auf die Person zugeschnitten beantworten und so besser helfenIst es nicht so, dass die Welpen dann irgendwann in das Großrudel kommen – also von der Gruppe „Zöliakie Neulinge“ in die Gruppe „Zöliakie Austausch“? Wann findet dieser Übergang statt?
Paddy: Viele sind in beiden Gruppen! Ich würde mal schätzen, dass nur ungefähr 10 Prozent in der Neulingsgruppe und nicht gleichzeitig auch im Zöliakie Austausch sind. Ebenso sind in der Neulingsgruppe natürlich auch „alte Hasen“. Einfach weil ja irgendjemand die gestellten Fragen beantworten muss. Es ist auch nicht so, dass Neulinge ihren Welpenschutz nach einer gewissen Zeit verlieren: Manchmal stellen dort auch Leute Fragen, die sich mit den Zöliakie-Regeln schwertun und auch nach Jahren das Grundwissen noch nicht vollständig verinnerlicht haben. Wir hinterfragen nicht, warum derjenige das nicht versteht, wir erklären es in dieser Gruppe gerne erneut.
Bietet Ihr den Zöliakie Neulingen neben der Bereitstellung von Infomaterial auch weitere Möglichkeiten, dazuzulernen?
Paddy: In der Gruppe gibt es immer ein lehrreiches Quiz. Das hilft den Mitgliedern, die sich selbst in dieser Gruppe nicht trauen, Fragen zu stellen, dazuzulernen. Wir haben damit angefangen, Zutatenlisten zu posten und das Ganze dann „Zutatenquiz“ zu nennen. Das heißt, ich poste eine Zutatenliste und schreibe dazu: „So, schreibt da mal drunter: Ist das glutenfrei oder glutenhaltig und begründet eure Antwort!“ Ganz wichtig für den Lerneffekt ist dabei das Begründen. Zwei Tage später folgt dann spätestens die Auflösung und wenn die jeweilige Zutatenliste zu leicht zu bewerten war, dann haken wir noch einmal genauer nach: „Ja, aber da steht doch Senfmehl! Muss ich bei Mehl nicht aufpassen?“ Dadurch entsteht wieder ein neuer Dialog. Und das ist, finde ich, immer eine schöne Übung für unsere Neulinge, um selbstständiger zu werden. Am meisten wird bei den Zutatenlisten diskutiert, die eigentlich glutenfrei sind. Da kann man noch leichter verunsichern und das ist doch ein ganz schönes Zeichen dafür, dass richtige Gefahrenquellen von den meisten direkt erkannt werden. Das ist auch für uns gut zu wissen, um den Informationsbedarf besser einzuschätzen.
Jürgen: Tatsächlich wird das Quiz von unseren Neulingen sehr gut angenommen! Beim Quiz machen alle mit – auch die, die bisher noch keine Fragen gestellt hatten. Für uns war es gut beim Quiz zu sehen, dass einige doch noch Probleme beim Lesen der Zutatenlisten haben, obwohl wir eigentlich genügend Informationen dazu bereitgestellt haben. Darauf können wir dann direkt eingehen und das in der Neulingsgruppe viel besser, als im Zöliakie Austausch.
Wir möchten die Neulinge wirklich an die Hand nehmen und möglichst individuell unterstützen. Aus dem Wunsch heraus ist auch unser Patensystem entstanden, durch das die Neulinge auch außerhalb der Gruppe betreut werden.
Wie kann man sich das Patensystem vorstellen?
Paddy: Irgendwann haben wir darüber nachgedacht, wie man die Betreuung der Neulinge noch persönlicher und individueller gestalten könnte: Die Idee war dann, den Neulingen jeweils einen eigenen Ansprechpartner zur Seite zu stellen, einen Paten. An diesen Paten können sie sich direkt per Nachricht wenden, ohne in die Gruppe schreiben zu müssen.
Auf dieses Paten-Konzept machen wir alle Neulinge im Begrüßungspost aufmerksam. In der Neulingsgruppe haben wir eine Datei zum Patensystem angepinnt. Hier stellen sich die verschiedenen Paten vor. Sie geben beispielsweise ihr Alter, sowie ihren Wohnort an, ob sie Kinder haben, studieren - eben ein paar grundlegende Informationen. So können sich die Neulinge einen passenden Paten aussuchen: Manche möchten gerne einen Paten, der in der Nähe wohnt, Studienanfänger suchen möglicherweise jemanden, der Erfahrungen mit Zöliakie im Studium hat, eine Mutter von zwei Kindern wählt wiederrum gerne eine Mutter mit Kindern im gleichen Alter. Wir haben mittlerweile über 50 Paten, unsere Neulinge haben damit eine relativ große Auswahl.
Und wer kann Pate werden?
Paddy: Wer sich „fit“ fühlt beim Thema Zöliakie und gerne Pate werden möchte, kann sich für unsere Patendatei melden. Wir schauen dann, wie lange er schon dabei ist oder welche Vorgeschichte er hat. Schließlich wollen wir sichergehen, dass unsere Paten genügend Wissen mitbringen, da wir ja anschließend nicht kontrollieren können, wie Pate und Neuling sich austauschen.
Wie sind die Reaktionen auf das Angebot „Zöliakie Neulingsgruppe“? Was sagen die Paten und was sagen die Patenkinder?
Paddy: Die Rückmeldungen sind in beiden Fällen sehr positiv! Dabei gibt es aber ganz unterschiedliche Modelle. Manche Neulinge benötigen diese Art von Unterstützung nur ein paar Wochen, manche etwas länger. Und bei wieder anderen entwickelt sich aus der Patenschaft sogar eine Freundschaft, was dann natürlich besonders schön ist.
Insgesamt haben wir auf jeden Fall bemerkt, dass diese persönliche Betreuung interessierten Neulingen eine richtig gute Schulung zum Thema Zöliakie geben kann.
Jürgen: Was die Neulingsgruppe betrifft hat sich auch gezeigt, dass sich die Mitglieder dort wirklich mehr trauen, Fragen zu stellen. Das war ja auch eines unserer Ziele bei der Gruppengründung. Und ich glaube auch, dass die Gruppe als eigenständige Neulingsgruppe diese Konzentration auf das Wesentliche ermöglicht und das hilft den Mitgliedern nochmal schneller voranzukommen.
Liebe Paddy, lieber Jürgen, vielen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.