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Symptomatische Zöliakie: Wie sehen die untypischen Symptome aus?

Symptomatische Zöliakie untypischen Symptome
Zöliakie - wie sehen die untypischen Symptome aus? Bildquelle: S.Baas

Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen bei Zöliakie denkt man oft zuerst an die typischen Bauchsymptome. Bleibt die Zöliakie unerkannt, kann sie aber auch auf andere Organe Einfluss nehmen. Man spricht dann von einer symptomatischen Zöliakie bzw. von untypischen oder extraintestinalen Zöliakie-Symptomen. Welche Beschwerden dann auftreten können besprach MeinAllergiePortal mit Dr. Stephanie Baas, medizinische Beraterin der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) in Stuttgart.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Dr. Stephanie Baas

Frau Dr. Baas, zu welchen untypischen Symptomen kommt es bei einer unerkannten Zöliakie häufig?

Von der Zöliakie kann nahezu jedes Organsystem betroffen sein und Symptome zeigen. Sehr häufig sieht man bei unbehandelter Zöliakie mäßig bis stark erhöhte Leberwerte, GOT und GPT, die sogenannten Transaminasen. Meist zeigt sich dies zufällig, bei Routineblutuntersuchungen, denn erhöhte Leberwerte bereiten dem Patienten keine Beschwerden. Transaminasen sind Enzyme, die in den Leberzellen vorkommen und nicht mit der Transglutaminase zu verwechseln sind, dem Enzym, das bei der Zöliakie eine große Rolle spielt. Unter glutenfreier Ernährung bessern sich die Leberwerte dann in den mesiten Fällen wieder. Selten besteht gleichzeitig eine zusätzliche Lebererkrankung, z.B. Autoimmunhepatitis (autoimmun bedingte Leberentzündung). Diese bessert sich eben nicht unter der glutenfreien Ernährung. In diesen Fällen muss die Lebererkrankung unbedingt weiter abgeklärt und behandelt werden.

Bei Kindern mit einer unentdeckten Zöliakie zeigen sich atypische Zöliakie-Symptome häufig durch Auswirkungen auf das Wachstum und die Pubertätsentwicklung. Auch zu einer Schädigung der Knochen kommt es bei einer unerkannten Zöliakie recht häufig. Zu einer Osteoporose oder Osteomalazie, das heißt einer verminderten Knochendichte, kommt es durch eine verminderte Kalziumresorption in Verbindung mit einem Vitamin D-Mangel. Manchmal werden bei unerkannter Zöliakie auch Arthritiden, Gelenksentzündungen, beschrieben, wobei hier eine Abgrenzung zu rheumatischen Erkrankungen erfolgen muss. Häufig handelt es sich auch um Gelenksschmerzen oder Muskelschmerzen.

Die unerkannte Zöliakie kann sich jedoch auch an der Haut zeigen. Die klassische Form der Manifestation der Zöliakie an der Haut ist die Dermatitis Herpetiformis Duhring. Bei weiblichen Zöliakie-Patienten kann es im gynäkologischen Bereich zu später Menarche, Zyklusstörungen, Infertilität oder häufig auch früher Menopause kommen. Im Rahmen einer Schwangerschaft können Früh-, Fehl- oder Mangelgeburten vorkommen. Kommen diese gehäuft vor, sollte bei der Frau eine Diagnostik auf Zöliakie erfolgen.

Es gibt jedoch noch weitere, aber seltenere Symptome, einer unerkannten Zöliakie.

Welche untypischen Symptome einer unerkannten Zöliakie sind eher selten?

Sehr selten kann es als Zeichen einer Zöliakie an der Niere zu einer IgA-Nephropatie kommen. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, bei der sich die Antikörper in den Nierenkörperchen ablagern, und so zu einer verminderten Nierenfunktion führen. Ebenso sehr selten kann es zu Kardiomyopathien, Herzmuskelerkrankungen, kommen, die mit einer Ausweitung oder Verdickung der Herzmuskulatur einhergehen. Auch Herzrhythmusstörungen Lungenerkrankungen können als Folge einer unerkannten Zöliakie in extrem seltenen Fällen auftreten. Eine unbehandelte Zöliakie kann sich aber auch neurologisch auswirken.

Wie zeigen sich die Symptome einer nicht erkannten im Bereich Neuorologie?

Eine unerkannte Zöliakie kann zu Depressionen oder Angstzuständen führen.

Auch Neuropathien, das heißt Erkrankungen der peripheren Nerven, sieht man gelegentlich bei nicht behandelten Zöliakie-Patienten. Auch beschrieben sind die Kleinhirnatrophie, ein Gewebeschwund des Kleinhirns, und die Ataxie, eine Störung des Ablaufs und der Koordination von Muskelbewegungen. Jedoch handelt es sich auch hier um Raritäten.

Bilden sich all diese Symptome zurück, wenn die Zöliakie-Patienten glutenfrei leben?

In aller Regel bilden sich die Symptome zurück, wenn die Patienten einer glutenfreien Diät folgen. Schwieriger wird es bei den neurologischen Symptomen, weil sich Nerven relativ schlecht regenerieren. Eine Kleinhirnatrophie, die ja mit einem Gewebeschwund einhergeht, wird unter glutenfreier Kost zwar zum Stillstand kommen, das atrophierte Gewebe wird sich jedoch nicht wieder aufbauen.

Im Bereich der Knochen ist die erreichbare Regeneration eine Altersfrage. Bei Kindern und Jugendlichen kann man eher davon ausgehen, dass die Knochensubstanz in der Lage ist, sich wieder vollkommen zu regenerieren. Ein alterstypischer Mineralstoffgehalt kann hier eher erreicht werden. Bei älteren Menschen ist eine altersgerechte Regeneration nicht so leicht zu erreichen. Je älter der Patienten umso langsamer wird der Knochenstoffwechsel – dann überwiegt der Knochenabbau den Knochenaufbau. Durch die glutenfreie Kost wird der Knochenabbau altersgerecht verlangsamt, aber der Aufbau erfolgt nicht in gleichem Maße. Man kann den Knochenaufbau zwar durch Bewegung, die den Knochen belasten  und Medikamente unterstützen, aber es ist schwer, einen dem Alter entsprechenden Zustand der Knochen zu erreichen. Hier sollten verschiedene Trainingsformen kombiniert werden (wie kraftbetonte Gymnastik und dosiertes Krafttraining).

Die Auswirkungen einer unbehandelten Zöliakie auf die Knochen sind, wie gesagt, ein häufiges Phänomen. Das ist auch ein Grund dafür, dass eine Zöliakie so früh wie möglich diagnostiziert werden sollte.       

Die Symptome einer untypischen Zöliakie gleichen den Symptomen einer Vielzahl anderer Erkrankungen….

Man kann davon ausgehen, dass die unbehandelte Zöliakie als Ursache häufig übersehen wird. Bei vielen Symptomen, gerade auch bei Nervenerkrankungen oder bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, wäre es aber wichtig daran zu denken.

Gibt es genetisch bedingte Risikogruppen für untypische Zöliakie-Symptome?

Die genetische Grundlage der Zöliakie sind Veränderungen an den Genen HLA-DQ2 und HLA-DQ8. Bei doppeltem Auftreten von HLA-DQ2 (man trägt ja jedes Merkmal zweimal – einmal von müterlicher, einmal von väterlicher Seite) tendiert man eher zur klassischen Form der Zöliakie mit einer Magen-Darm-Symptomatik im Kindesalter. Bei den anderen genetischen Konstellationen tritt die Zöliakie häufig etwas später auf und dann findet man auch häufiger die nicht so typischen Zöliakie-Symptome.

Allerdings findet man heutzutage auch bei vielen der etwas älteren Kinder gehäuft untypische Zöliakie Symptome.

Woran liegt es, dass bei Kindern gehäuft untypische Zöliakie-Symptome auftreten?

Das könnte zum Teil daran liegen, dass man heute auch bei diesen nicht so typischen Symptomen an eine Zöliakie denkt. In früheren Zeiten hat man Zöliakie-Patienten mit diesen Symptomen sicher länger übersehen. Möglicherweise wurden diese Patienten erst dann diagnostiziert, wenn sie, zu einem späteren Zeitpunkt, die klassischen Zöliakie-Symptome am Magen-Darm-Trakt entwickelt hatten.

Es ist aber noch nicht völlig geklärt, warum sich dieses Bild so wandelt.

Ist bei Patienten mit einer symptomatischen Zöliakie die Darmschleimhaut ebenfalls angegriffen?

Die typischen Veränderungen an der Darmschleimhaut findet man auch bei Patienten, die eher untypische Zöliakie-Symptome haben. Deshalb nimmt man auch bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis Duhring, die selten Magen-Darm-Symptome haben, eine Magenspiegelung vor, und findet auch sehr häufig Veränderungen am Darm. Die Dünndarmbiopsie unterstützt jedoch die Diagnose Zöliakie und verdeutlicht die enorme Wichtigkeit einer glutenfreien Diät.

Wann sollte an eine Zöliakie gedacht werden, obwohl es sich um untypische Beschwerden handelt?

Bei allen Beschwerden, deren Ursache nicht eindeutig geklärt werden kann, gerade bei Infertilität und gehäuften Fehlgeburten, lohnt es sich, eine Zöliakie-Serologie durchzuführen.

Frau Dr. Baas, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

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Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

12. Februar 2019

Autor: S. Jossé/ S. Baas, www.mein-allergie-portal.com

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