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Zöliakie: Ab wann beginnt die Kontamination?

Zöliakie Kontamination
Dr. Yvonne Braun im Interview zum Thema: Zöliakie - ab wann beginnt die Kontamination? Bildquelle: Y.Braun

Menschen mit Zöliakie sollen nicht nur auf glutenhaltige Nahrungsmittel verzichten, sondern auch darauf achten, dass es nicht zu einer Kontamination oder Kreuzkontamination mit Gluten kommt. Das wirft bei Vielen zahlreiche Fragen auf. Wann handelt es sich um eine Gluten-Kontamination? Ab welchem Glutengehalt habt man bei einer Glutenunverträglichkeit Beschwerden? Wodurch kann es zu einer Kontamination kommen? Wie vermeidet man Gluten-Fallen Im Restaurant und im eigenen Haushalt? Dazu führte MeinAllergiePortal ein Interview mit Dr. Yvonne Braun, Diplom-Oecotrophologin, Ernährungsberaterin/DGE und Ernährungsfachkraft Allergologie (DAAB).

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Dr. Yvonne Braun

Frau Dr. Braun, was bedeutet „Kontamination“ bei Zöliakie?

Von Kontamination spricht man im Zusammenhang mit Zöliakie dann, wenn ein eigentlich glutenfreies Lebensmittel mit etwas Glutenhaltigem in Kontakt kommt. Dann enthält dieses Nahrungsmittel versehentlich Gluten, was man in der Medizin als „Kontamination“ bezeichnet, als unerwünschte Verunreinigung.

Ab wann ist ein Nahrungsmittel mit Gluten kontaminiert?

Bereits ein achtel Gramm Weizenmehl kann bei Menschen, die von Zöliakie betroffen sind, zu einer Entzündung des Dünndarms und zu schwerwiegenden Beschwerden führen. Das bedeutet, bereits ab dieser Menge ist die Kontamination für Zöliakie-Patienten relevant.

Und wann gelten Nahrungsmittel als glutenfrei?

Als „glutenfrei“ gelten Nahrungsmittel, die unter 20 ppm Gluten enthalten.

Was bedeutet 20 ppm in Bezug auf Gluten?

Das bedeutet konkret in Bezug auf das Gluten: es sind weniger als 20 mg Gluten pro kg Produkt nachweisbar.

Wieviel Gluten darf man denn bei Zöliakie essen?

Die Ernährung bei Zöliakie sollte immer glutenfrei sein. Eine Glutenaufnahme von 0 sollte angestrebt werden. Da minimale Kontaminationen bei glutenfreien Produkten auch möglich sein könnten, gibt es den folgenden Richtwert: 10 mg Gluten soll wohl von den meisten Zöliakie Patienten problemlos vertragen werden. Das klingt vielleicht erst einmal viel, jedoch liegt der Glutengehalt von einer Scheibe Weizen- oder Dinkelbrot bei ca. 2 bis 3 g. Die Menge von 10 mg wird also bereits durch einen kleinen Bissen überschritten.

 

Wie und wann kann es bei Lebensmitteln zur Kontamination mit Gluten kommen?

Zu Kreuzkontamination kommt es meist dann, wenn in der Küche eines privaten Haushaltes oder einer Gastronomie die Zubereitung von glutenhaltigen und glutenfreien Speisen nicht gut voneinander getrennt wird. Oft liegt das daran, dass für die glutenfreien Gerichte die gleichen Küchengeräte und Küchenutensilien verwendet werden, wie für glutenhaltige Speisen.

Welches sind bei den Küchengeräten oder Küchenutensilien die häufigsten Gluten-Kontaminationsfallen?

Gerade in privaten Haushalten stellen Handrührgeräte, Toaster und benutzte Holz- und Plastikschneidebretter eine Kontaminationsgefahr für Gluten dar. Deshalb muss bei Zöliakie gerade im eigenen Haushalt darauf geachtet werden, dass nicht versehentlich Gluten aufgenommen wird. Die eigene Küche muss so umgestellt werden, dass keine Kontamination mit Gluten stattfinden kann.

Wie stellt man bei einer Glutenunverträglichkeit die Küchenutensilien auf glutenfrei um?

Beispielsweise sollte man sich einen neuen Toaster für glutenfreies Brot besorgen, da durch die Krümel des normalen Brotes der anderen Haushaltsmitglieder sonst Gluten auf das glutenfreie Brot gelangt. Wenn der Platz für einen zweiten Toaster nicht ausreicht, sollen zumindest Toaster-Bags für das glutenfreie Brot verwendet werden.

Da gerade Schneidebretter und Kochlöffel starke Gebrauchsspuren wie Ritzen und Spalten aufweisen können, sollten diese nicht für Zöliakie-Betroffene verwendet werden, wenn damit auch glutenhaltiges Essen zubereitet wird. Die in den Vertiefungen festsitzende Reste könnten ansonsten das glutenfreie Essen leicht kontaminieren. Genauso könnte es durch gemeinsam benutzte Lebensmittel in gemeinsam benutztem Geschirr zu einer Verunreinigung mit Gluten kommen.

Was ist gemeint mit „Glutenverunreinigung durch gemeinsam benutzte Lebensmittel in gemeinsam benutztem Geschirr“?

Lebensmittel wie Butter, Marmelade, Honig etc. sind natürlich glutenfrei. Sie werden jedoch in der Regel von der ganzen Familie genutzt: alle bedienen sich von einer Butterdose oder aus einem Marmeladentopf. Wenn die Butter zum Besteichen von glutenhaltigem und glutenfreiem Brot genutzt wird und jeder sein eigenes Messer benutzt, können sich glutenhaltige Krümel auf die glutenfreien Speisen übertragen. Beim Bestreichen des Brotes bleiben eine Menge Krümel am Messer hängen, welche dann beim weiteren Bestreichen in der Butter landen. Dies gilt auch für andere Brotaufstriche wie Streichkäse, Streichwurst usw. Diese Produkte sollten deshalb nicht gemeinsam genutzt werden, wenn ein Familienmitglied Zöliakie hat. Alternativ sollte ein extra Buttermesser oder Marmeladenlöffel verwendet werden, damit keine Krümel hineingelangen.

Außerdem muss in einem solchen Haushalt auch bei der Lagerung der Lebensmittel darauf geachtet werden, dass diese gut verschlossen sind. So kann kein Gluten in die glutenfreien Produkte gelangen.
Kontaminationsfallen in Bezug auf Gluten lauern oft im Restaurant.

Welche Haushaltsutensilien können denn Familienmitglieder gefahrlos gemeinsam benutzen?

Wenn die Arbeitsplatte, auf der Glutenhaltiges zubereitet wurde, danach wieder gründlich abgewischt wird, kann hier ohne Bedenken auch ein glutenfreies Gericht zubereitet werden. Auch Töpfe, Pfannen, Backformen, Geschirr, Besteck usw. können sowohl für glutenhaltige als auch für glutenfreie Speisen verwendet werden. Wichtig ist auch hier eine gründliche Reinigung. Vorsicht ist vor allem dann geboten, wenn beide Gerichte gleichzeitig zubereitet werden, denn schnell rührt man mit dem Kochlöffel aus dem einen mal schnell im anderen Topf oder Ähnliches.

Heißt da, dass Gluten bei hohen Temperaturen verbrennt, zum Beispiel auch in der Mikrowelle, auf dem Grill oder im Ofen?

Nein, Gluten ist stabil. Das heißt, es verbrennt bzw. verändert sich nicht durch hohe Temperaturen, wie wir das von manchen Allergieauslösern kennen. Deswegen sist die Reinigung und die Unversehrtheit der Backformen, Töpfe, etc. auch so wichtig. Es dürfen sich keine Reste von glutenhaltigen Produkten in den Utensilien absetzten können. Da man aber hochwertige Pfannen, Töpfe und Backformen in der Regel gut reinigen kann, muss für die glutenfreien Speisen davon kein 2. Set angeschafft werden. Wer das Gefühlt hat, die eigenen Küchenutensilien lassen sich nicht optimal reinigen, kauft ein neues Set für die glutenfreien Gerichte.

Wie kann man denn die glutenfreien Küchengeräte von den üblichen auseinanderhalten?

Um Kontaminationen zu vermeiden, empfiehlt sich die Regel „Glutenfrei hat Vorfahrt“. Das heißt zuerst wird das glutenfreie Gericht zubereitet, dann das glutenhaltige. Denn wenn man beispielsweise als erstes die glutenfreien Nudeln in einem Topf kocht und danach die glutenhaltige Pasta in dem gleichen Topf, so schadet dies dem glutenhaltigen Lebensmittel nicht – andersrum wäre es hingegen problematisch. Vor allem, wenn eine glutenhaltige Nudel aus Versehen in dem Topf hängenbleibt. Um die Trennung von Küchenutensilien wie Brettern, Toaster oder Handrührgerät zu erleichtern, kann eine farbliche Kennzeichnung hilfreich sein – beispielsweise kann das gesamte Zubehör für die glutenfreie Zubereitung grün sein. Gerade für Kinder erleichtert eine solche farbliche Zuordnung das Einhalten der Trennung.

 

Wann kann es im Restaurant zu einer Verunreinigung mit Gluten kommen?

Eine Gluten-Verunreinigung kann zum Beispiel dann passieren, wenn die glutenfreien Pommes in der gleichen Fritteuse frittiert werden, in der glutenhaltige Speisen wie Pommes mit Gluten, Schnitzel oder Kroketten zubereitet werden. Dann kann das Gluten aus dem glutenhaltigen Paniermehl an den glutenfreien Pommes hängenbleiben und sie sind mit Gluten verunreinigt. Auch wenn glutenfreies Brot auf dem gleichen Brett geschnitten wird, wie glutenhaltiges Brot oder wenn die Arbeitsflächen oder Schürzen verschmutzt sind, kann Gluten auf eigentlich glutenfreie Nahrungsmittel übertragen werden. Aber auch auf Buffets kann es zur Kontamination glutenfreier Speisen kommen. Die größte Kontaminationsgefahr in Restaurants stellt in der Regel das Personal selbst dar, wenn es nicht entsprechend über die Thematik informiert ist. Nur wenn Köche und Küchenpersonal über Zöliakie Bescheid wissen, können sie auch auf unbeabsichtigte Kontaminationen achten und diese vermeiden.

Wann kommt es auf Buffets zur ungewollten Verunreinigung glutenfreier Speisen mit Gluten?

Wenn die glutenfreie und glutenhaltige Brote auf dem Buffet so dicht nebeneinanderstehen, dass Krümel des glutenhaltigen Brotes auf das glutenfreie Brot gelangen, dann kann dies durchaus zu einer Kontamination kommen. Auch könnte dadurch der Grenzwert von 20 ppm schon überschritten werden. Es gibt zahlreiche Gerichte auf einem Buffet, die Gluten enthalten. Dies ist vielen Gästen gar nicht bewusst. Aber auch die Nutzung eines gemeinsamen Saucenlöffels kann glutenfreie Gerichte bereits kontaminieren. Geschulte Hotels oder Restaurants schaffen einen Gluten freien Bereich am Buffet, , damit keine Kontaminationsgefahr besteht.

Wie kann man als Zöliakie-Betroffener sicher sein, dass die Speisen in einem Restaurant, das auch glutenhaltige Speisen anbietet, wirklich frei von Kontamination sind?

Wirklich sicher sein, dass ein glutenfreies Gericht nicht kontaminiert ist, kann man in der Regel nicht. Auch wenn beispielsweise ein Gericht auf der Karte eines Restaurants laut Kennzeichnung kein Gluten enthält, bedeutet dies leider nicht, dass es auch tatsächlich glutenfrei beim Gast ankommt. Bei Transport, Lagerung, Zubereitung und Anrichten der Speisen im Restaurant lauern überall Kontaminationsrisiken. Oft ist eine gewisse Routine der Grund. Zum Beispiel beim Anrichten, wenn schnell noch glutenhaltige Croutons auf den ansonsten glutenfreien Salat gestreut werden oder wenn eine Waffel in das Eis gesteckt wird, das eigentlich frei von Gluten ist.

Viele Restaurants können ein sauberes Arbeiten bzw. eine strikte Trennung der Zubereitung von glutenfreien und glutenhaltigen Speisen nicht gewährleisten. Um eine sichere glutenfreie Verpflegung außer Haus zu gewährleisten, sollte stets vorab nachgefragt und abgeklärt werden. Glutenfreies auswärts essen gehen ist deshalb immer mit einem gewissen Aufwand verbunden und gerade spontan eine Herausforderung.

Ist der Kontaminations-Wert von 20 ppm auch überschritten, wenn man, zum Beispiel, ein glutenhaltiges Brötchen von der Wurst entfernt, und nur die Wurst isst?

Um das jeweils genau feststellen zu können, müsste natürlich die jeweilige Wurst im Labor untersucht und der Glutengehalt bestimmt werden. Da hierbei aber sicherlich einige Krümel an der Wurst klebenbleiben, kann man davon ausgehen, dass es hierdurch zu einer relevanten Kontamination kommt. Ich würde bei Zöliakie auf jedem Fall davon abraten, Wurst, Käse oder anderes zu essen, dass mit glutenhaltigen Brötchen oder Brot in Berührung gekommen ist.

Kann es zur unerwünschten Kontamination mit Gluten kommen, wenn man zum Beispiel, aus dem gleichen Glas trinkt, wie jemand, der gerade etwas Glutenhaltiges gegessen hat?

Auch hier ist es schwierig das zweifelsfrei festzustellen. Kommen durch das Trinken Essensreste ins Glas, dann kann eine entsprechende Gluten-Kontamination stattfinden. Wenn derjenige seinen Mund geleert hat und keine Krümel ins Glas gelangen, sollte dies auch keine Gefahr darstellen. Um dieses Thema aber zu umgehen, sollten Kinder mit Zöliakie bereits lernen, ihre Trinkbecher und Trinkflaschen nicht mit anderen zu teilen.

Kann es zu einer Kontamination auch durch Gluten in der Luft kommen, so wie bei Erdnüssen?

Die Reaktionen über die Luft sind ja sogar bei Erdnuss sehr schwierig festzustellen. Für Gluten gibt es keine Studien, die beweisen, dass Patienten durch Gluten in der Luft Symptomatiken haben. Es gibt einzelne ältere Fallberichte, zum Beispiel von zwei Landwirten mit Zöliakie, die ihre Rinder mit glutenhaltigen Getreiden füttern. Die Symptome der Landwirte besserten sich erst, als sie im Kuhstall eine Maske trugen. In dem Fall ist jedoch der Glutengehalt in der Luft des Kuhstalls um ein vielfaches höher als in einem Haushalt, in dem mit glutenhaltigen Zutaten gekocht wird. Vor Kontaminationen über die Luft braucht man bei Zöliakie keine Sorge haben.

Kann ein Kuss zu einer Gluten Kontamination und damit zu einer Reaktion führen?

Nein, so lange der Partner nicht übermäßig viele Speisereste im Mund hat, kann das nicht passieren. Da es sich mit Speiseresten im Mund auch nicht gut küsst, wäre ein vorheriges Abschlucken der Speisen und gegebenenfalls etwas trinken bzw. Mund ausspülen vor dem Kuss angenehmer für die Beteiligten.

Ist für Zöliakie-Betroffene ein komplett glutenfreier Haushalt die beste Lösung?

Wenn die besprochenen Punkte beachtet werden, ist es in Familien mit einem Zöliakie-Betroffenen durchaus möglich in einem gemischten Haushalt sicher glutenfrei zu leben. Herrscht in einem Haushalt in Bezug auf Hygiene eine gute Küchenhygiene, so muss auch keine strikte Trennung der Bereiche erfolgen.

Zwar bietet ein rein glutenfreier Haushalt die größtmögliche Sicherheit, aber es gibt auch Nachteile: so ist eine strikt glutenfreie Ernährung wirklich nur für Menschen mit Zöliakie empfohlen. Außerdem sind glutenfreie Lebensmittel erheblich teurer als glutenhaltige, enthalten oft weniger Ballaststoffe und schmecken vielleicht auch nicht jedem. Letztlich muss jede Familie für sich entscheiden, welcher Weg für sie praktikabler ist.

Frau Dr. Braun, herzlichen Dank für dieses Interview!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

16. Juni 2023

Autor: S. Jossé/ Y. Braun, www.mein-allergie-portal.com

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