WDEIA: Symptome, Diagnose, Therapie
WDEIA steht für "wheat dependent excercise induced anaphylaxis". Man bezeichnet damit die sogenannte weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie, die zu den Summationsanaphylaxien zählt. WDEIA ist ein Krankheitsbild, bei dem weizenhaltige Nahrungsmittel alleine vertragen werden, aber in Zusammenhang mit Verstärkungsfaktoren wie körperlicher Anstrengung eine allergische, anaphylaktische, Reaktion auftritt. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie und Koordinatorin des Bergischen Allergiezentrums am Helios Universitätsklinikum Wuppertal, Universität Witten/Herdecke, über Symptome, Diagnose und Therapie.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Prof. Dr. med. Silke Hofmann
Frau Prof. Hofmann, wie häufig ist die WDEIA und gibt es bestimmte Risikogruppen?
Zwar sind nur 0,4 Prozent der Erwachsenen von einer Weizenallergie betroffen, dennoch ist Weizen der häufigste Auslöser von Anaphylaxien im Erwachsenenalter. Im Kindesalter sind Weizenallergien viel häufiger. Die anstrengungsinduzierte Weizenallergie stellt eine Sonderform der Weizenallergie dar, die vor allem bei Erwachsenen vorkommt. Grundsätzlich kann jedoch jeder, unabhängig von Alter und Geschlecht, eine WDEIA entwickeln. Mit Komorbiditäten ist die WDEIA nicht assoziiert. Aktuelle Daten legen nahe, dass Menschen mit bestimmten genetischen Merkmalen (HLA-Typ DPB1∗02:01:02) ein erhöhtes Risiko für eine WDEIA haben.
Unter welchen Umständen kommt es bei Menschen mit WDEIA zu einer Anaphylaktischen Reaktion? Welche Faktoren müssen zusammentreffen?
Ganz oft bleiben Menschen, die an einer Weizen-induzierten Anaphylaxie leiden, über lange Zeiträume hinweg beschwerdefrei. Zur anaphylaktischen Reaktion kommt es bei von WDEIA Betroffenen immer nur dann, wenn der Weizenverzehr mit einem Verstärkungsfaktor zusammentrifft. Dabei wird Weizen meist in Form von Brötchen, Pizza, Nudeln, Spätzle, etc. verzehrt und innerhalb von 30 Minuten bis maximal 4 bis 6 Stunden nach dem Verzehr kommt es dann zur Anaphylaxie. Der häufigste Verstärkungsfaktor bei der WDEIA ist körperliche Aktivität. Die Menge des verzehrten Weizens spielt dabei keine Rolle. Auch kleinste Weizenmengen können eine WDEIA auslösen. Abgesehen von körperlicher Anstrengung stellen auch die Einnahme von Schmerzmitteln, der Verzehr von Alkohol und akute Infekte mögliche Verstärkungsfaktoren dar.
Wie kommt es, dass die WDEIA sowohl direkt, als auch Stunden nach dem Essen von Weizen plus Anstrengung zu einer Anaphylaxie führen kann?
Die große zeitliche Bandbreite hängt unter anderem davon ab, wie schnell die Weizenproteine individuell verdaut werden und dann ins Blut gehen. Körperliche Aktivität ist einer der Faktoren, die zum Abfall des pH-Wertes im Magen führen. Dadurch werden Proteine, also Eiweiße, besser gelöst und stärker resorbiert. Wie schnell ein verzehrtes Nahrungsmittel verdaut wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Beispielsweise spielt es eine Rolle, was parallel verzehrt wurde, welcher pH-Wert im Magen vorherrscht, oder welche Medikamente genommen wurden. Säureblocker sorgen beispielsweise für eine Verlangsamung der Verdauung.
Dürfen denn Patienten mit WDEIA überhaupt Sport treiben?
Patienten mit anstrengungsinduzierter Anaphylaxie können zum Beispiel problemlos auf nüchternen Magen Sport treiben oder wenn sie sich Glutenfrei ernähren. Wenn aber der gleiche Patient zuerst Brötchen isst und danach joggen geht, kommt es zur Nesselsucht oder zum Anaphylaktischen Schock.
Wie können die leichteren Symptome einer WDEIA aussehen?
Die Symptome der WDEIA sind die Symptome einer anaphylaktischen Reaktion, die im Schweregrad variabel sein kann. Leichtere anaphylaktische Reaktionen können nur mit Hautreaktionen oder Schleimhautreaktionen einhergehen. Dann kommt es zu Quaddeln oder Nesselsucht, auch Urtikaria genannt. Auch Gesichtsschwellungen (Angioödeme) mit Juckreiz kommen häufig vor bei WDEIA. Die Patienten berichten bei einer WDEIA auch über ein Hitzegefühl oder dass sie "rot anlaufen". Man spricht dann von einer Flush-Symptomatik.
Wie kann die betroffene Person erkennen, dass es sich hier um ein schwereres anaphylaktisches Ereignis handelt?
Bei etwas schwereren anaphylaktischen Reaktionen kommen Symptome in Bezug auf andere Organsysteme hinzu. Im Bereich der Atemwege kann dies ein Asthma-Anfall oder Atemnot sein. In Bezug auf das Herz-Kreislauf-System kann sich eine Weizenunverträglichkeit durch Herzrasen, Schwindel, Blutdruckabfall bis hin zum allergischen Schock mit Bewusstlosigkeit äußern. Auch der Magen-Darm-Trakt kann betroffen sein, so dass es zu Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Erbrechen oder sogar Durchfällen kommen kann. Die Mehrzahl der Patienten hat allerdings nicht diese schweren Symptome. Häufiger kommt es bei der WDEIA Allergie zu leichteren Symptomen wie einem akuten Nesselfieber, Herzrasen und Schwindel.
Ist bei WDEIA auch der Verzehr von weizenähnlichen Getreiden, zum Beispiel Dinkel, ebenfalls problematisch?
In den meisten Fällen werden, im Gegensatz zur Zöliakie, bei der alle Getreidearten mit Gliadin-Proteinen gemieden werden müssen, bei WDEIA andere Getreidesorten wie Roggen oder Dinkel vertragen. Das Hauptallergen bei WDEIA heisst Omega-5-Gliadin (Tri a 19).
Spielt es beim Allergieschock durch WDEIA eine Rolle, wie anstrengend der Sport ist?
Ja, das ist aber individuell sehr variabel. Es gibt WDEIA-Patienten, bei denen schon ein Spaziergang im Zusammenhang mit Weizenverzehr ausreicht, um eine Schockreaktion auszulösen. Bei anderen Patienten lösen erst intensive körperliche Belastungen wie Fußball spielen, Salsa tanzen oder Joggen einen anaphylaktischen Schock aus. Allerdings immer nur dann, wenn zuvor Weizen verzehrt wurde.
Abgesehen von der körperlichen Anstrengung, welche anderen Verstärkungsfaktoren gibt es bei der WDEIA?
Generell ist es die Gruppe der Schmerzmittel wie ASS, Ibuprofen oder Diclofenac, sogenannte nichtsteroidale Antiphlogistika, die bei der weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie als Kofaktoren für einen allergischen Schock agieren können. Das bedeutet, Patienten, die, zum Beispiel wegen eines Herzinfarktes, regelmäßig Medikamente zur Blutverdünnung wie ASS einnehmen, haben dadurch möglicherweise bereits einen Verstärkungsfaktor. Das kann dazu führen, dass es eher zur Ausprägung einer Summationsanaphylaxie kommt.
Auch Infekte, wie Erkältungen, sind ein wichtiger Kofaktor. Der Konsum von Alkohol ist ebenfalls ein Kofaktor. Um einen anaphylaktischen Schock auszulösen kann es ausreichen, dass, parallel zum Weizen, Alkohol verzehrt wurde, auch ohne zusätzliche körperliche Anstrengung. Weiter gilt Stress als Kofaktor, ebenso wie hormonelle Faktoren. So gibt es Patientinnen, die nur dann eine WDEIA entwickeln, wenn der Verzehr weizenhaltiger Lebensmittel, Sport und die Menstruation zusammentreffen.
Wie wird die Diagnose „WDEIA“ gestellt?
Die WDEIA ist eine Allergie, die oft nicht so schnell diagnostiziert wird, auch deshalb, weil sich die anaphylaktischen Schockereignisse oft in großem zeitlichem Abstand ereignen. Eine gute Anamnese ist deshalb sehr wichtig. Hier muss der Arzt erfragen, ob es einen Zusammenhang zwischen allergischer Reaktion, dem Verzehr von Weizen und sportlicher Aktivität oder anderen Kofaktoren geben könnte.
Es gibt bei der WDEIA nicht die typische Konstellation, die zweifelsfrei eine WDEIA kennzeichnet. Wenn in der Anamnese der Verdacht aufkommt, dass weizenhaltige Nahrungsmittel oder Sport in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Anaphylaktischen Reaktion stehen, sollte der Arzt all die erwähnten möglichen Kofaktoren beim Patienten abfragen und entsprechende Tests durchführen.
Mit welchen Tests kann man die WDEIA diagnostizieren?
Zur Diagnose dienen Prick-Tests, ein Hauttest mit Weizenextrakt, am besten aber mit nativem Weizenmehl. Mit "nativem Weizenmehl" ist das ganz normale Mehl aus dem Supermarkt gemeint. Die meisten Menschen mit WDEIA reagieren auf diesen Prick-to-Prick-Test positiv. Aber auch andere Weizenallergiker zeigen in diesem Test eine Reaktion. Um die Diagnose WDEIA ganz sicher zu bestätigen, muss ein Bluttest zur Bestimmung der spezifischen IgE-Antikörper gegen Omega-5-Gliadin, das Hauptallergen bei der WDEIA, durchgeführt werden. Bei 80 Prozent der Patienten mit WDEIA kann man Antikörper gegen Omega-5-Gliadin nachweisen, und damit die Diagnose als gesichert betrachten. Seltener reagieren Patienten auf andere Gliadine oder auf das Lipid-Transfer-Protein Tri a 14.
Wenn Omega-5-Gliadin das Allergen ist, wo ist es ansonsten noch enthalten?
Omega-5-Gliadin ist in weizenhaltigen Nahrungsmitteln enthalten. In Japan haben sich dagegen einige Patienten gegen γ-Gliadin sensibilisiert durch Verwendung von Seifen, die hydrolisierte Weizenproteine enthalten. Diese Patienten haben auch eine WDEIA entwickelt.
Und wie wird die Diagnose WDEIA bei denjenigen gestellt, bei denen sich keine Antikörper gegen Omega-5-Gliadin nachweisen lassen?
Bei Patienten mit klinischem Verdacht auf WDEIA und negativem Bluttest gegenüber den genannten Weizenproteinen wäre der Goldstandard der Diagnostik eine Provokationstestung in einer Klinik. Dabei würde der Patient Weizen zu essen bekommen und dann auf dem Fahrradergometer belastet, eventuell unter zusätzlicher Gabe von ASS (Aspirin). Kommt es zu einer anaphylaktischen Reaktion, dann ist die Diagnose gesichert. Der Provokationstest dient aber auch dazu zu ermitteln, unter welcher Kombination von Faktoren es beim individuellen Patienten zu einem WDEIA-Ereignis kommt. Das kann hilfreich sein, um den Patienten den Zusammenhang anschaulich zu machen. Allerdings birgt die Provokation auch das Risiko einer Anaphylaxie – hier gilt es also, abzuwägen.
Ist WDEIA eine lebenslange Diagnose oder ist WDEIA heilbar?
Diese Frage kann noch nicht abschließend beantwortet werden, denn die WDEIA ist eine Form der Anaphylaxie, die erst vor einigen Jahren erkannt wurde. Man geht davon aus, dass die WDEIA lebenslang bestehen bleibt. Allerdings geben neuere Studien einen Hinweis darauf, dass Patienten durch regelmäßigen Weizenverzehr sich unter bestimmten Bedingungen auch an das Allergen gewöhnen können. Dann lösen meist nur noch große Mengen Weizen eine allergische Reaktion aus.
Wie sieht die Therapie der WDEIA aus? Welche Empfehlungen geben Sie Ihren Patienten? Müssen Betroffene auf Weizenprodukte verzichten?
Wenn es zu einem anaphylaktischen Ereignis kommt, muss dies durch einen Notarzt behandelt werden mit Antihistaminika, Kortison und oft auch Adrenalin. Ist die Diagnose WDEIA gestellt, ist es ganz wichtig, dass der Patient ein Notfallset zur Selbstmedikation erhält. Dieses enthält neben Fenistil-Tropfen und Kortison-Lösung einen Adrenalin Autoinjektor, mit dem sich der Patient Adrenalin in den Oberschenkelmuskel injizieren kann. So kann er sich im Falle einer anaphylaktischen Reaktion schon selbst behandeln, bis der Notarzt eintrifft.
Ich empfehle den Patienten meist Weizenverzehr in den 4 Stunden vor körperlicher Aktivität oder bei gleichzeitigem Alkoholgenuss zu vermeiden. Die meisten Patienten entwickeln mit der Zeit ein gutes Verständnis für die Erkrankung.
Was können Menschen mit WDEIA tun, um einen allergischen Schock von vornherein zu verhindern?
Der WDEIA-Patient muss dringend darauf achten, dass er innerhalb von 4 bis 6 Stunden nach dem Verzehr von Weizen Kofaktoren meidet.
Trigger sind bei der WDEIA zum Beispiel:
- Körperliche Belastungen
- Alkoholgenuss
- Einnahme von Schmerzmitteln
Aber: Bei Patienten, die mehrere weizeninduzierte Anaphylaxie-Ereignisse hatten, hat man gesehen, dass die auslösenden Faktoren jeweils variieren können. Beim gleichen Patienten kann zum Beispiel einmal Sport und Weizen die WDEIA auslösen. Beim nächsten Mal ist es dann ein Infekt im Zusammenhang mit Weizen. Und dann schließlich die Kombination von Sport, Alkohol und Weizen. Deshalb ist das Notfall Set auch sehr wichtig.
Sollte man bei WDEIA komplett auf Weizen verzichten?
Ich empfehle den meisten WDEIA-Patienten nicht generell auf Weizen zu verzichten. Dies hängt natürlich auch von der individuellen Vorgeschichte ab, aber die Mehrzahl der WDEIA- Patienten hat immer wieder und über einen langen Zeitraum hinweg keinerlei Ereignisse. Der generelle Verzicht auf Weizen würde deshalb eine zu starke Einschränkung bedeuten. Ist die Diagnose einmal gestellt und sind dem Patienten die Zusammenhänge der WDEIA bewusst, kann er meist sehr gut mit der WDEIA umgehen und verhindern, dass es wieder zu Reaktionen kommt.
Frau Prof. Hofmann, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/ S. Hofmann, www.mein-allergie-portal.com
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