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Angioödem: Symptome und Auslöser!

Angioödem Symptome Ursachen
Angioödem: Wie sehen die Symptome aus? Welche Ursachen können sie haben?, Bildquelle: M. Magerl

Ein Angioödem kann sich auf sehr unterschiedliche Weise bemerkbar machen. Für die betroffenen Patienten ist es oft erschreckend, wenn zum ersten Mal eine Schwellung auftritt. Genauso vielfältig wie die Symptome sind beim Angioödem die Ursachen der Erkrankung. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Markus Magerl, Leiter des Bereichs Klinische Studien am Institut für Allergieforschung und der Angioödemsprechstunde der Charité in Berlin über Symptome und Ursachen.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Markus Magerl

Herr Prof. Magerl, was ist ein Angioödem?

Angioödeme, früher Quincke-Ödem oder angioneurotisches Ödem, sind Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe. Sie entstehen durch eine vorübergehende Undichtigkeit der Blutgefäße. Bei allen Angioödemen bildet sich diese Undichtigkeit nach kurzer Zeit wieder zurück. Die ins Gewebe ausgetretene Flüssigkeit wird dann langsam wieder in den Blutkreislauf aufgenommen. Aus diesem Grund bilden sich Angioödeme nach einem halben Tag bis 5 Tagen wieder vollständig zurück.

An welchen Symptomen erkennt man ein Angioödem?

Die Flüssigkeitsansammlung im Gewebe führt meist zu einer äußerlich sichtbaren Schwellung. Der Körperteil, an dem das Angioödem sich gebildet hat, sieht aufgetrieben aus. Oft glänzt die Haut, weil sie so gespannt ist. Vor allem über Gelenken können Angioödeme unangenehm bis schmerzhaft sein.

Beim Angioödem kann es am Körper unter anderem hier zu plötzlichen Schwellungen kommen:

  • Im Gesicht
  • An den Wangen
  • An den Lippen
  • Im Mund
  • An den Augen
  • An den Händen
  • An den Füßen
  • An den Armen
  • An den Beinen

Zu Verletzungen der Haut kommt es nicht. Das heißt, die Haut reißt wegen einem Angioödem nicht auf. Es bilden sich auch keine Schüppchen und keine Krusten. Nach der Angioödem-Attacke ist die Haut wie zuvor.

Wo am Körper können Angioödeme auftreten?

Prinzipiell können Angioödeme an allen Körperstellen auftreten. Sehr häufig ist die weiche Gesichtshaut betroffen, wie die Lippen oder das Hautareal um die Augen herum. Es können auch die Extremitäten betroffen sein, Hände und Füße, sowie der Genitalbereich.

In Abhängigkeit von der Ursache des Angioödems können die Schwellungen auch in inneren Organen auftreten. Wenn Bauchorgane betroffen sind, kann die Schwellung sehr schmerzhafte, kolikartige Attacken verursachen. Wenn die ableitenden Harnwege betroffen sind, kann es zu Harnstau kommen. Innerliche Angioödeme sind von außen selten sichtbar, bei ausgeprägten Darmschwellungen kann es jedoch zur sichtbaren Vergrößerung des Bauchumfangs kommen.

Sind Angioödeme, die an bestimmten Körperstellen auftreten, zum Beispiel im Gesicht, gefährlicher als andere Angioödeme?

Natürlich spielt die Lokalisation des Angioödems eine Rolle bei der Beurteilung der Gefährlichkeit. Je nachdem, wo die Schwellungen auftreten, verursachen Angioödeme verschiedene Beschwerden von unangenehm bis tatsächlich lebensbedrohlich.

Angioödeme an Armen und Beinen

So sind Schwellungen der Extremitäten unangenehm und funktionell einschränkend, aber natürlich nicht gefährlich und schon gar nicht lebensgefährlich.

Angioödeme im Bauch

Schwellungen im Bauchraum, die man fast ausschließlich bei Bradykinin-vermittelten Angioödemen sieht, sind oft schmerzhaft bis extrem schmerzhaft. Sie können zu Erbrechen und Durchfall führen, aber auch zu einem Blutdruckabfall bis hin zur Bewusstlosigkeit. Sie sind aber auch nicht per se lebensbedrohlich.

Beide genannten Arten von Schwellungen hinterlassen nach heutigem Wissen keine bleibenden Schäden, nachdem sie zurückgegangen sind.

Angioödeme im Gesicht

Patienten mit Urtikaria und Histamin-vermittelten Angioödemen haben diese Schwellungen vermehrt im Bereich der Lippen, Zunge, Augen und am Hals. Das sieht dramatisch aus und ist beängstigend, sowohl für die Patienten als auch für die behandelnden Ärzte. Bei Histamin-vermittelten Angioödemen ist es jedoch noch nicht zu einem tatsächlichen Ersticken gekommen. Es kommt zur Einschränkung der Atemwege, aber so gut wie nie zum vollständigen Verschluss. Auch wenn das natürlich eine fürchterliche Erstickungsangst verursacht und als extrem unangenehm und bedrohlich wahrgenommen wird. Anders ist es bei den Bradykinin-vermittelten Angioödeme: Da kann es tatsächlich zum vollständigen Verschluss der Atemwege kommen und der Tod durch Ersticken eintreten.

Angioödeme im Hals

Anders ist das bei Schwellungen im Hals. Insbesondere dann, wenn sich ein Angioödem innerhalb der Atemwege, im Hals, im Rachen oder am Kehlkopf gebildet hat. Dann kann es sehr wohl dazu kommen, dass es durch das Angioödem zu einer teilweisen Verlegung der Atemwege kommt und in Folge zu einer bedrohlichen Atemwegs-Verengung.

Was ist die Ursache für ein intestinales Angioödem bzw. ein Angioödem an den inneren Organen?

Die Ursachen für Angioödeme im Bauch sind die gleichen, wie bei den Hautschwellungen. Dann kommt es an Stelle der Schwellungen der Haut zu Schwellungen an den Schleimhäuten. Man sieht diese intestinalen Schwellungen fast ausschließlich bei Bradykinin-vermittelten Angioödemen. Vor allem bei dem Hereditären Angioödem sind innere Schwellungen so häufig, dass sie fast schon zum typischen Symptom-Komplex dazugehören. Der Pathomechnismus sieht so aus: Durch die Entregulierung der Kinin-Kaskade wegen des Fehlens des Proteins C1-Inhibitor kommt es zur vermehrten Bildung von Bradykinin und in der Folge zu dieser Schleimhaut-Schwellung. bei Bauchattacken ist meistens die Darmschleimhaut vom Angiöödem betroffen. Es gibt aber drei wesentliche Unterschiede zwischen Angioödemen im Bauch und Angioödemen an der Haut.

Was ist der Unterschied bei den Symptomen zwischen Angioödemen im Bauch und Angioödemen an der Haut?

Zum einen hat die Darmwand empfindliche Dehnungs-Rezeptoren, die bei Angioödemen sehr starken Schmerz signalisieren. So kommt es beim Hereditären Angioödem zu diesen typischen kolikartigen Schmerzen, die die Patienten beschreiben.

Die Schleimhäute haben mehr elastische und weniger feste Kollagenfasern. Das führt dazu, dass das Gewebe deutlich stärker anschwellen kann. Der Verschluss der Darmpassage ist bei diesen Angioödemen deshalb keine Seltenheit.

Die normale, äußere Haut bleibt bei einem ausgeprägten Angioödem dicht. Das ist bei der Darmschleimhaut nicht so.

Die Darmschleimhaut verliert Flüssigkeit durch das Angioödem in zwei Formen:

1. Einmal in das Darmlumen hinein, so kommt es zur Diarrhö, das heißt Durchfall.

2. Zum anderen in die freie Bauchhöhle außerhalb des Darmlumens. So kommt es dann zur Aszites-Bildung, das bedeutet, Bauchwassersucht. Die Flüssigkeit, die in der freien Bauchhöhle schwappt, steht dem Blutkreislauf nicht mehr zur Verfügung, und das können erhebliche Mengen sein. Diese Mengen sind dann Kreislauf-relevant, weshalb es zum Blutdruckabfall kommen kann.

Können Medikamente wie zum Beispiel Ibuprofen, nicht steroidale Antiphlogistika oder auch Blutdrucksenker, wie ACE-Hemmer oder Sartane, Angioödeme auslösen?

Vor allem bei nicht steroidalen Antiphlogistika, aber auch bei vielen anderen Medikamenten, ist in der Nebenwirkungsliste Urtikaria erwähnt. Urtikaria geht oft einher mit Angioödemen und so können Schwellungen tatsächlich durch eine ganze Reihe an Medikamenten ausgelöst werden.

Wie kommt es durch Medikamente zu Angioödemen?

Die Mechanismen, durch die es bei manchen Medikamenten zu Angioödemen kommt, sind nicht immer klar. Bei nicht steroidalen Antiphlogistika geht man von einer Beteiligung der Cyclooxygenase aus. Außer den nicht steroidalen Antiphlogistika gibt es kaum Medikamente, für die eine Urtikaria als typische Nebenwirkung gilt. Theoretisch können Quaddeln oder Schwellungen aber bei sehr vielen Medikamenten vorkommen. Diese Angioödeme sind dann im Rahmen einer Urtikaria zu sehen, und zwar im Rahmen einer Mastzell-Aktivierung. Sie sind dementsprechend Histamin-vermittelt. Es handelt sich nur sehr selten um eine echte allergische Reaktion. Vielmehr ist in aller Regel ein verschobenes Gleichgewicht im "Entzündungs-Haushalt" die Ursache, das zu einer Aktivierung der Mastzellen führt.

Wie sieht es bei den ACE-Hemmern mit Angioödemen oder Urtikaria aus?

Bei den ACE-Hemmen ist die Nebenwirkung Angioödem ebenfalls in der Nebenwirkungsliste aufgezählt. Es ist nicht die häufigste Nebenwirkung und mit etwa 0,3 Prozent all derer, die ACE-Hemmer einnehmen, relativ selten. Aber aufgrund der Tatsache, dass ACE-Hemmer sehr weit verbreitet sind und häufig verschrieben werden, sieht man Angioödeme in Folge von ACE-Hemmern recht häufig. Es ist typisch für diese Schwellungen, dass sie sich häufig im Gesichtsbereich ausbreiten und auch die Atemwege betreffen. Sie können auch zum kompletten Verschluss der Atemwege führen. Hin und wieder hat man nach Einnahme von ACE-Hemmern auch Angioödeme im Bauchraum beobachtet, wie beim Hereditären Angioödem. Auch Schwellungen der Extremitäten sind möglich.

Und was ist bei den ACE-Hemmern die Ursache für die Angioödeme?

Hier handelt es sich um eine pharmakologisch bedingte Nebenwirkung. Durch den ACE-Hemmer wird ein Enzym blockiert, das mit der Blutdruck-Regulation vernetzt ist. Dieses Enzym ist aber auch mit dem Abbau von Bradykinin vernetzt. Wenn das Bradykinin, das Schwellungen verursachen kann, nicht mehr schnell genug abgebaut wird, kann es sich ansammeln. Anders als beim Hereditären Angioödem kommt der Überschuss an Bradykinin nicht durch die vermehrte Bildung, sondern durch den verminderten Abbau des Bradykinins zustande.

Warum 99,7 Prozent der Betroffenen ACE-Hemmer gut vertragen und 0,3 Prozent nicht, ist unbekannt. Man vermutet aber, dass die Betroffenen weitere Defekte in anderen Enzymen haben, die ebenfalls Bradykinin abbauen. Dann kommt dieüber die Tablette zusätzlich kommende Hemmung des Bradykinin-Abbaus zum Tragen.

Treten die Schwellungen beim Angioödem immer an den gleichen Stellen auf oder "wandern" sie bei jedem neuen Auftreten?

Angioödeme, die immer nur an der selben Stelle auftreten, sind untypisch. Es gibt zwar Patienten, die vorzugsweise Schwellungen im Gesicht oder vorzugsweise an den Händen entwickeln. Grundsätzlich können die Attacken alle Körperstellen betreffen. Auch tauchen Angioödeme typischerweise mal links und mal rechts und oft einseitig auf. Wenn eine Schwellung stets und immer an der gleichen Stelle auftritt, muss man etwas genauer hinschauen. Dann stellt sich die Frage, ob hier nicht ein äußerer Auslöser die Ursache ist.

Bleiben die Schwellungen beim Angioödem in der Regel gleich oder werden sie von Mal zu Mal schlimmer?

Hier gibt es keine Regel. Bei manchen Angioödem-Erkrankungen wie der Urtikaria hat man den Eindruck, dass sie in der ersten akuten Phase der Erkrankung etwas heftiger auftreten. Im weiteren Verlauf werden sie dann etwas milder. Im Großen und Ganzen ist eine typische ansteigende oder absinkende Attackenschwere nicht zu beobachten.

Kann man beim Angioödem sagen, wann es auftreten wird?

Nein, in aller Regel lassen sich die Attacken nicht voraussagen. Sie treten spontan auf, zu den unpassendsten Gelegenheiten, und erzwingen dann oft spontan ein medizinisches Eingreifen. Das ist äußerst unangenehm für die Patienten. Lediglich beim HAE gibt es Patienten, die zumindest manche Attacken ein paar Stunden vorher schon erahnen können.

Kann ein Angioödem mit einer sehr starken Schwellung auch platzen?

Glücklicherweise kann die Haut durch Angioödeme nicht platzen. Dazu ist der Gewebsdruck des Angioödems nicht groß genug. Es kann höchstens an ungünstigen und vorbelasteten Stellen zu einer Erweiterung von bestehenden Hautverletzungen kommen. Dann kann es zum Beispiel zu Rhagaden, das sind Einrisse im Mundwinkel, kommen.

Wie lange halten die Angioödeme an?

Je nach Lokalisation und Ausprägung der Schwellung kann es bis zu fünf Tagen dauern, bis sich ein Angioödem zurückbildet. In seltenen Fällen beobachtet man das Zurückbleiben von angedeuteten blauen Flecken. In diesen Fällen muss der Hautarzt etwas genauer hinschauen, ob es sich nicht um eine zusätzliche entzündliche Gefäßerkrankung handelt.

Gehen Angioödeme immer von selbst wieder zurück?

Angioödeme unterscheiden sich zum Beispiel vom Lymphödem dadurch, dass sie sich von ganz allein wieder komplett zurückbilden. Danach, jedoch, ist die betroffene Hautstelle wie zuvor. Es bilden sich keine Krusten und keine Narben.

Angioödeme treten in manchen Fällen zusammen mit der Quaddeln auf. Wie unterscheidet man die Quaddeln vom Angioödem?

Das ist richtig. Angioödeme treten sogar relativ häufig zusammen mit Quaddeln auf, denn Quaddeln sind fast immer und Angioödeme oft Histamin-vermittelt. Quaddeln sind Hautveränderungen wie sie auch nach Kontakt zu Brennnesseln entstehen. Im Prinzip ist eine Quaddel nichts anderes als ein kleines, begrenztes Angioödem in den oberen, besonders festen Schichten der Haut. Dadurch, dass diese festen Schichten der Haut wenig dehnbar sind, bildet sich eine relativ prall zu tastende Quaddel aus.

Die gleiche Reaktion, die zur Quaddel führt, kann auch in den weicheren und tieferen Hautschichten erfolgen. Dort enthält die Haut mehr elastische Fasern, die sich dehnen können. Aus diesem Grund kann mehr Flüssigkeit ins Gewebe einfließen und die daraus resultierende Hautveränderung entwickelt sich als Angioödem. Daher ist in vielen Fällen ein Angioödem nichts anderes als eine tiefliegende Urtikaria-Quaddel.

Es gibt aber auch Arten und Ursachen von Angioödemen, die gar nicht mit Quaddeln einhergehen.

Welche Angioödeme gehen nicht mit Urtikaria oder Quaddel einher?

Es gibt zum Beispiel Bradykinin-vermittelte Angioödeme, auch hereditäre Angioödeme (HAE) genannt. Die Ursache für die Schwellungen bzw. die Undichtigkeit der Blutgefäße, ist in diesen Fällen eine andere als bei den Histamin-vermittelten Angioödemen. Doch im Ergebnis sieht das entstehende Angioödem ganz genauso aus. Allein anhand des Aussehens des Angioödems lässt sich also nicht auf die Ursache der Erkrankung schließen.

Es gibt Histamin-vermittelte, Bradykinin-vermittelte und idioptahische Angioödeme, was ist der Unterschied?

Angioödeme im Zusammenhang mit einer Urtikaria sind histaminvermittelt. Hierbei kommt es durch die Aktivierung von Mastzellen zur Ausschüttung von Histaminen und anderen gefäßerweiternden Stoffen. Mastzellen speilen auch bei Allergien eine zentrale Rolle. Diese Gefäßerweiterung führt zu einer sichtbaren Rötung, aber auch zu Undichtigkeiten in den Blutgefäßen. Dies wiederum führt zu Quaddeln und/oder Angioödemen.

Welche Rolle spielen Mastzellen bei Allergien?

Mastzellen können nicht nur im Rahmen einer Urtikaria aktiviert werden, sondern auch im Rahmen von Allergien. So kann man zum Beispiel beim Heuschnupfen das Anschwellen der Nasenschleimhäute im weiteren Sinne auch als eine Art Angioödem betrachten. Genauso kann es bei Nahrungsmittelallergien zu Schwellungen im Hals- und Mundbereich kommen. Im schlimmsten Fall kann sogar ein anaphylaktischer Schock auftreten. Ein Symptom des anaphylaktischen Schocks sind Angioödeme, die ebenfalls durch Histamin vermittelt werden.

Was ist ein Bradykinin-vermitteltes Angioödem?

Andere Angioödeme sind bradykininvermittelt. Bradykinin ist ein sehr kurzlebiges Gewebshormon. Normalerweise spielt es bei der Kontrolle des Blutdrucks eine Rolle. Durch einen angeborenen Mangel eines Steuerproteins oder aber auch durch medikamentöse Einwirkung, kann dieses Bradykinin lokal vermehrt auftreten. Die lokale Erhöhung des Bradykinins führt dann ebenso lokal zur Undichtigkeit der Blutgefäße. Nachfolgend kommt es zur Ausbildung von Angioödemen. Bei Patienten mit Bradykinin-vermittelten Angioödemen sieht man so gut wie nie die juckenden Quaddeln wie bei der Urtikaria. Bei Bradykinin-vermittelten Angioödeme kommt es weisen auch, im Gegensatz zur Urtikaria, vermehrt zu inneren Schwellungen an den Bauchorganen.

Und was ist ein idiopathisches Angioödem?

Idiopathische Angioödeme bedeuten übersetzt "aus sich selbst heraus entstehende Angioödeme". Das soll bedeuten: "Keiner weiß, was hier die Ursache ist". Am ehesten kann man noch sagen, was auf das idiopathische Angioödem nicht zutrifft:

Typisch für idiopatische Angioödeme ist:

  • Allergietabletten sprechen oft nicht gut an
  • Auch Kortison wirkt in vielen Fällen nicht ausreichend
  • Es liegt kein Mangel von Steuerungsproteinen vor
  • Es gibt keine Hinweise auf die zugrunde liegenden Ursachen und Auslöser

Damit sind idiopathische Angioödeme das Sorgenkind der medizinischen Zunft!

Kann ein Histamin-vermitteltes Angioödem auch allergisch bedingt sein?

Wiederkehrend auftretende, ausschließlich allergiebedingte Angioödeme sind relativ selten. Hierbei beziehe ich mich auf die medizinische Definition der Allergie. Das bedeutet, dass eine spezifische Aktivierung der Mastzelle über das Immunglobulin E stattfindet. Möglicherweise kommt mir das auch nur so vor, weil ich von diesen Patienten relativ wenige zu Gesicht bekomme. Oft ist es so, dass die Patienten relativ schnell selbst merken, was der Auslöser für ihre Beschwerden ist, weil es einen zuverlässigen und engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Allergenkontakt und dem Auftreten der Schwellung gibt. Dann meiden sie einzelne Nahrungsmittel von selbst. Sie können dann aber die Diagnose beim Hausarzt oder niedergelassenen Dermatologen besser unterstützen und Hinweise geben.

Ist das Angioödem bei allergisch bedingten Angioödemen die einzige Reaktion oder kann es auch zu einem Anaphylaktischen Schock oder anderen allergischen Reaktionen kommen?

Ein häufiges Symptom (von mehreren anderen Symptomen) der Anaphylaxie ist das Angioödem. Andersherum aber ist nicht jedes Angioödem gleich ein anaphylaktischer Schock.

Zurück zum idioptahischen Angioödem, bei dem man die Ursachen nicht kennt, welche Ansätze verfolgt die Forschung?

Beim idioptahischen Angioödem geht man heutzutage davon aus, dass es sich um ein Gruppe zahlreicher, verschiedener Angioödem-Unterformen handelt. Diese verschiedenen Arten von Angioödemen werden nicht zwangsläufig alle von einem gemeinsamen, möglicherweise noch nicht entdeckten Mediator verursacht. Hier wird sich möglicherweise herausstellen, dass es Überschneidungen gibt zwischen histaminvermittelten Angioödemen und bradykininvermittelten Angioödemen. Auch könnten Kombinationen mit anderen Mediatoren zu den Beschwerden führen. Das Bild dieser idiopathischen Angioödeme ist sehr uneinheitlich, und das führt zu dieser Annahme.

Es gibt erste Hinweise darauf, dass die Wege, die zur Histaminausschüttung führen und die, die zur Bradykininbildung führen, sich möglicherweise in Teilen überschneiden. Zumindest könnten sie sich gegenseitig beeinflussen. Momentan werden Medikamente, die nicht den Histaminrezeptor blockieren, sondern die Mastzellaktivierung selbst hemmen, bei einem Teil dieser Patienten bereits erfolgreich eingesetzt.

Spielt beim Angioödem das Immunsystem eine Rolle?

Die Mastzelle ist Teil des angeborenen Immunsystems. Bei der Urtikaria liegt eine Fehlregulation oder eine Fehlaktivierung der Mastzellen vor, so dass die Nähe zum Immunsystem auf jeden Fall gegeben ist. Die eigentliche Aufgabe des Immunsystems ist der Schutz vor Eindringlingen. Die Fehlregulation der Mastzellen bei Urtikaria führt aber nicht zu einer Beeinträchtigung der histaminvermittelten Abwehr der „Feinde von außen“ .

Beim Bradykinin-vermittelten Angioödem besteht eine gewisse, aber geringfügig ausgeprägte Verbindung zum Immunsystem. Das liegt daran, dass der C-1 Inhibitor unter anderem auch dazu da ist, im Komplement-System regulierend zu wirken. Das Komplement-System ist ein Teil des angeborenen Immunsystems. Letztendlich zeigt sich aber keinerlei Beeinträchtigung der Komplement-vermittelten Immunabwehr. Es gibt relativ vage Hinweise, dass es durch diese Überlappung mit dem Komplement-System möglicherweise zu einem etwas erhöhten Risiko des Auftretens von Autoimmunerkrankungen kommen könnte.

An wen sollte man sich wenden, wenn man ein Angioödem bzw. eine Schwellung bemerkt, deren Ursache man nicht kennt?

Wenn das Angioödem erstmals auftritt, insbesondere im Gesichts-Hals-Bereich, empfiehlt es sich, umgehend ärztliche Hilfe zu suchen. Wenn das Angiöödem tatsächlich in Richtung Atemwege geht, sollte die Rettungsstelle oder Notaufnahme aufgesucht werden, um größere Probleme zu vermeiden. Oft bleibt es ein einmaliges Ereignis.

Spätestens wenn die Schwellungen wiederkehrend auftreten, muss eine gesicherte Diagnose her. Dann ist ein Hautarzt oder Allergologe eine gute Wahl. Wichtig ist zunächst, zu unterscheiden, ob es sich eher um Urtikaria handelt, um Histamin-vermittelte oder Bradykinin-vermittelte Angioödeme oder doch um eine seltene Erkrankung. Wenn weiterer Abklärungsbedarf besteht, ist es sinnvoll, sich an ein Angioödem-Spezial-Zentrum zu wenden, um der Sache weiter auf den Grund zu gehen und die Behandlung einzuleiten.

Herr Prof. Magerl, herzlichen Dank für dieses Interview!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

19. Juni 2022

Autor: S. Jossé/M. Magerl, www.mein-allergie-portal.com

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