Skip to main content

Urtikaria, Nesselsucht, Angioödeme, HAE: Was ist das?

Urtikaria Nesselsucht Angioödem
Urtikaria, Nesselsucht, Angioödeme: Was ist das? Ursachen, Symptome, Diagnostik und Therapie! Bildquelle: canva sagasan/YAY/Universal Images Group/SCIENCEPHOTO

An Quaddeln, Urtikaria, auch Nesselsucht genannt, leiden sehr viele Menschen im Laufe ihres Lebens einmalig oder häufiger. Diese roten, juckenden, oberflächlichen Quaddeln der Haut können plötzlich auftreten und ebenso plötzlich wieder verschwinden. In manchen Fällen kommt es dabei auch zu ausgeprägteren Schwellungen bzw. einem Angioödem, meist im Bereich des Gesichts. Was genau ist Urtikaria, was ist ein Angioödem und was weiß man über die Ursachen? Wie zeigen sich die Symptome? Wie wird die Diagnose gestellt und welche Therapien gibt es?

 

Autor: Dr. med. Susanne Meinrenken 

 

Was ist Urtikaria?

Die Urtikaria, die auch als Nesselsucht oder Nesselfieber bezeichnet wird, ist eine Erkrankung der Haut. Meist auf einen Reiz hin entwickeln sich rote, juckende, kleine oder großflächige Hautschwellungen, die so aussehen, als hätte man Kontakt mit Brennnesseln gehabt.

Die Urtikaria kann plötzlich auftreten, und genauso plötzlich, auch unbehandelt, wieder verschwinden. Es können bestimmte Hautareale oder auch die gesamte Haut des Körpers betroffen sein. Zu unterscheiden sind zwei Formen der Urtikaria: Bei der akuten Urtikaria treten die Symptome einmalig auf und verschwinden nach einigen Tagen oder spätestens nach 6 Wochen wieder. Diese Form tritt recht häufig auf. Bei der chronischen Form hingegen bleiben die Hautveränderungen länger als 6 Wochen bestehen und/oder treten immer wieder erneut auf. An einer chronischen Urtikaria mit sehr ausgeprägten Beschwerden leidet etwa 1 Prozent der Bevölkerung.

Was ist ein Angioödem?

Beim Angioödem, auch Quincke-Ödem genannt, treten deutliche Schwellungen des Weichgewebes auf; meist ist das Gesicht betroffen: Die Lippen wirken oft wie aufgepumpt. Aber auch an den Wangen, Augenlidern, an den Genitalien und seltener am Hals, an der Zunge, im Rachenraum, am Kehlkopf und an den Atemwegen kann es zu Schwellungen kommen. Diese Form des Angioödems entwickelt sich im Rahmen einer Urtikaria oft zusätzlich zu den juckenden Hautquaddeln.

Unabhängig von einer Urtikaria gibt es auch verschiedene erbliche und nicht erbliche Krankheiten, bei denen die Betroffenen mit immer wiederkehrenden Angioödemen reagieren. Diese Schwellungen von Gewebe in den tiefen Hautschichten oder darunter können ganz verschiedene Körperregionen betreffen. Dazu zählen neben dem Gesicht und dem Kopfbereich, den Extremitäten auch die Atemwege sowie Genitalien oder auch das Gewebe im Bereich innerer Organe.

Die vom Angioödem betroffenen Stellen schmerzen und die Haut spannt; sind innere Organe betroffen, sind starke Bauchschmerzen eine mögliche Folge. Auch können die Symptome eines Angioödems über mehrere Tage anhalten.

Können bei Urtikaria auch schwere andere Symptome auftreten?

Bei manchen Menschen kommen zu den juckenden Hautquaddeln noch schwerere Symptome hinzu, dazu gehören:

  • Kurzatmigkeit bis zur Atemnot
  • Kreislaufprobleme mit Schwindel
  • Benommenheit oder gar
  • Bewusstlosigkeit.

Diese Symptome müssen Anlass sein, sofort ärztliche Hilfe zu holen. Hierbei handelt es sich um eine schwere Allgemeinreaktion des Körpers.

Was ist die Ursache von Urtikaria?

Im Gegensatz zur Neurodermitis besteht bei der Nesselsucht keine genetische Veranlagung. Das bedeutet, die Urtikaria ist keine Erbkrankheit. Die Quaddeln sind Folge davon, dass bestimmte Zellen namens Mastzellen in der Haut plötzlich den Botenstoff Histamin freisetzen; dies führt zu Schwellung, Rötung und Juckreiz.

Dass Histamin freigesetzt wird, ist eine Reaktion der Haut auf unterschiedliche Reize: Bestimmte Gifte, wie eben das Gift der Brennnessel, führen bei den meisten Menschen zu solchen Beschwerden. Ansonsten kann die Urtikaria bei manchen Erkrankten im Zusammenhang mit einer Allergie, also ausgelöst durch bestimmte Allergene, auftreten. Aber auch Infekte mit Viren oder Bakterien können eine Urtikaria auslösen. Manche Menschen reagieren auch auf Reize wie bestimmte Medikamente, zum Beispiel bestimmte Antibiotika oder Schmerzmittel, oder auch Konservierungsstoffe oder Duft-/Farbstoffe mit einer Urtikaria, im Sinne eines allergieähnlichen Mechanismus. Weitere mögliche Reize können zur sogenannten physikalischen Urtikaria führen: Wärme, Kälte, Druck auf die Haut, Kratzen oder Licht.

Bei manchen Menschen ist das Zusammentreffen von mehreren Reizen die Ursache für die Urtikaria, etwa ein Infekt, der mit bestimmten Medikamenten behandelt wird. In einigen Fällen lässt sich allerdings auch gar kein eindeutiger Auslöser für die juckenden Quaddeln ausmachen.

Welche Auslöser im Einzelnen können zur allergischen Urtikaria führen?

Die Urtikaria kann ein Symptom einer Allergie sein; mögliche Allergene sind z.B.:

Der Mechanismus einer allergischen Urtikaria ist immer der gleiche. Wenn man eine Allergie hat, wird man bei Allergenkontakt immer wieder diese Symptome bekommen, unabhängig von der Allergen-Dosis.

Urtikaria ohne Allergie: Welche Auslöser kommen infrage?

Nichtallergische Formen der Urtikaria haben unter anderem folgende Auslöser:

  • Infekte,
  • Magenkeime, wie Helicobacter pylori,
  • selten Darminfektionen mit Würmern,
  • Konservierungsstoffe,
  • Farbstoffe,
  • Auch histaminreiche Nahrungsmittel stehen in Verdacht, bei einigen Menschen eine Urtikaria auszulösen.

Häufig reagieren die Betroffenen aber auch auf bestimmte Schmerzmittel-Wirkstoffe mit Quaddeln oder Schwellungen, zum Beispiel auf:

  • Acetylsalicylsäure (ASS)
  • Diclofenac
  • Ibuprofen

Zudem kann eine Urtikaria Folge von physikalischen Reizen sein, zum Beispiel:

  • Wärme,
  • Kälte,
  • Druck auf der Haut, hier treten die Quaddeln manchmal auch erst Stunden später auf,
  • sichtbares Licht,
  • Erhöhung der Körpertemperatur, etwa durch körperliche Anstrengung, heiße Bäder.

Manche Patienten mit sogenannten Autoimmunkrankheiten, wie einer autoimmun bedingten Schilddrüsenentzündung, oder mit bestimmten bösartigen Tumoren, leiden ebenfalls gehäuft an einer Nesselsucht.

Grundsätzlich verstärkt psychischer Stress bei vielen Betroffenen die Symptome der Urtikaria.

Urticaria factitia

Eine Sonderform ist die Urticaria factitia: Die Betroffenen können die Hautquaddeln durch Kratzen oder Reiben auf der Haut selbst auslösen. Allerdings reicht als Reiz oft sogar ein leicht scheuernder Hemdkragen schon aus, um Juckreiz auszulösen. Weil in diesen Fällen das Muster, zum Beispiel der reibenden Finger, eine Zeitlang als Schwellung sichtbar bleibt, spricht man auch von Dermografismus.

 

 

Wie zeigen sich die Symptome der Urtikaria bzw. der Angiödeme?

Die Urtikaria bzw. Nesselsucht zeigt sich durch die folgenden Symptome:

  • Rote, leicht erhabene, entzündliche Quaddeln
  • Starker Juckreiz und ggf. auch Brennen, Schmerzen

Die Quaddeln können bei der Urtikaria eingegrenzt auf bestimme Hautzonen oder auch am gesamten Körper auftreten. Die Größe der Quaddeln reicht von Stecknadelkopfgröße bis zur Größe eines Handtellers und Hautveränderungen können auch zu größeren Flächen zusammenlaufen. Typischerweise ist ein Hautareal nie länger als 24 Stunden von Symptomen betroffen; die Quaddeln können sozusagen wandern. Bei der Nesselsucht treten die Quaddeln oft plötzlich auf und verschwinden nach einigen Stunden ebenso plötzlich wieder.

Die Angioödeme zeigen sich durch:

  • tiefer gelegene ausgedehntere Schwellungen des Weichgewebes
  • vor allem im Gesicht, im Bereich der Lippen, seltener im Bereich der Atemwege oder Genitalien bei begleitender Urtikaria
  • Bei anderen Formen eines Angioödems können zusätzlich auch die Extremitäten oder inneren Organe von den Gewebeschwellungen betroffen sein.

Wie lange bleibt die Urtikaria?

Die juckenden Hautquaddeln entstehen in der Regel plötzlich, verschwinden aber oft auch auf einmal wieder. Das kann nach einigen Stunden oder Tagen passieren, auch ganz ohne Behandlung. Bei den meisten Patienten verschwinden die Hautveränderungen innerhalb von 2 bis 3 Wochen. Haben sich die Hautveränderungen innerhalb von 6 Wochen zurückgebildet, dann spricht man von einer akuten Urtikaria. Bleiben die Quaddeln länger sichtbar oder treten über viele Wochen und Monate immer wieder erneut auf, handelt es sich um eine chronische Urtikaria.

Geht Urtikaria von selbst wieder weg?

Eine Urtikaria geht oft von selbst wieder zurück; eine Behandlung der Urtikaria ist oft nicht nötig. Meist bilden sich die Quaddeln innerhalb von 2 bis3 Wochen wieder zurück und kommen nicht wieder. Allerdings lässt sich nicht vorhersagen, bei welchen Betroffenen sich dann doch eine chronische Urtikaria entwickelt.

Zur Linderung von Hautveränderungen und Juckreiz eignen sich kühlende Maßnahmen sowie Medikamente, die die Wirkung des Histamins blockieren. Das sind Antihistaminika, auch H1-Blocker genannt.

Falls aber weitere Beschwerden, wie Kreislaufprobleme, Schwellung der Zunge, Atembeschwerden hinzukommen, muss sofort ein Arzt geholt bzw. eine Notfalltherapie begonnen werden.

Welche Rolle spielt die Psyche bei Urtikaria?

Bei vielen chronischen Erkrankungen hat man Zusammenhänge zwischen dem Auftreten der Symptome und psychischen Faktoren beobachtet. Dies gilt auch für die Urtikaria. Dabei nehmen bewusste oder unbewusste Konflikte eine maßgebliche Rolle ein. Auch Stress, zum Beispiel eine hohe Arbeitsbelastung, kann ein Trigger für Quaddeln und Schwellungen an der Haut sein.

 

 

Urtikaria – Nesselsucht – Nesselfieber: Welche Formen gibt es?

Man unterscheidet zwischen der akuten und der chronischen Urtikaria. Bei der chronischen Urtikaria wiederum ist die spontane von der induzierbaren chronischen Urtikaria abzugrenzen. Manche Menschen leiden gleichzeitig an mehreren Formen einer Urtikaria.

Formen der chronischen induzierbaren Urtikaria:

Bei der chronischen induzierbaren Urtikaria werden die Quaddeln durch einen äußeren Reiz ausgelöst. Dies kann zum Beispiel ein Wärmereiz, ein Kältereiz oder ein Reiz durch Licht sein.

Wärmeurtikaria

Bei einer Wärmeurtikaria kommt es beim Kontakt der Haut mit Wärme zu Quaddeln und eventuell auch zu Angioödemen, das heißt Schwellungen.

Kälteurtikaria

Bei der Kälteurtikaria tritt beim Kontakt der Haut mit Kälte die gleiche Symptomatik auf.

Wenn die Symptomatik an großen Hautarealen auftritt, im Falle der Kälteurtikaria zum Beispiel beim Schwimmen in kaltem Wasser, oder bei der Wärmeurtikaria im heißen Whirlpool, kann es auch zu weiteren generellen Beschwerden kommen, bis hin zu einer lebensbedrohlichen Anaphylaxie, einem Schock.

Wie Prof. Dr. med. Pfützner beim XI. Marburger Allergie-Symposium berichtete*, sind anaphylaktische Reaktionen bei Kälteurtikaria gar nicht so selten. Eine multizentrische Studie an über 500 Betroffenen konnte zeigen, dass ein Drittel der Befragten mit Kälteurtikaria bei Kälteexposition mit systemischen Reaktionen reagierte.

Als anaphylaktissche Reaktionen bei Kälteurtikria wurden genannt:

  • eine generalisierte Urtikaria
  • Atemwegsbeschwerden
  • Angioödeme
  • Herz-Kreislauf-Probleme

Bestand neben der Kälteurtikaria auch eine Insektengiftallergie, berichteten die Betroffenen sogar häufiger von anaphylaktischen Reaktionen. Da bei einer Kälteurtikaria eine massive Kälteexposition ein Triggerfaktor für eine sehr starke anaphylaktische Reaktion sein kann, sollte diesen Betroffenen ein Notfallset inklusive Adrenalin-Autoinjektor (AAI) verordnet werden.

Zwei Adrenalin-Autoinjektoren sollten rezeptiert werden, wenn:

  • es in der Vergangenheit zu einer schweren Anaphylaxie gekommen ist
  • das Körpergewicht mehr als 100 kg beträgt
  • ein unkontrolliertes Asthma bronchiale besteht
  • eine notfallmedizinische Versorgung schlecht erreichbar ist
  • organisatorische Gründe vorliegen (Kindergarten, Schule, familiäre Situation)

*Prof. Dr. med. Wolfgang Pfützner, „Therapietelegramm – Neues und Interessantes aus der Allergologie“, XI. Marburger Allergie-Symposium, 6. – 7. Oktober 2023, Congresszentrum Marburg

 

 

Lichturtikaria

Bei der selten vorkommenden Lichturtikaria, auch als solare Urtikaria bezeichnet, kann es innerhalb von wenigen Minuten nach dem Lichtkontakt zum Auftreten von juckenden flüchtigen Quaddeln bzw. erhabenen Rötungen, kommen. Die Hautveränderungen bei der solaren Urtikaria zeigen sich an den Hautstellen, die UV-Licht und/oder sichtbarem Licht ausgesetzt sind. Bei starker Einstrahlung kann das Licht auch durch die Kleidung dringen und Beschwerden in eigentlich bedeckten Hautarealen auslösen. Die einzelnen Quaddeln bestehen meist nur sehr kurz, etwa 15 Minuten bis 3 Stunden und hinterlassen unauffällige Haut, treten aber bei weiterem Lichtkontakt an anderer Stelle erneut auf.

Weitere Formen der chronischen induzierbaren Urtikaria sind unter anderem die

  • Urticaria factitia: Bei dieser Form reichen oft schon leichte Reize, wie Reibung rauer Kleidung oder Schmuck aus, um juckende Hautquaddeln auszulösen. Sobald der Betroffene dann kratzt, werden die Symptome immer schlimmer.
  • Druckurtikaria: Druck auf die Haut kann bei manchen Menschen eine Urtikaria auslösen; Ursache kann auch ein Schlag oder Stoß auf die Haut sein. Dabei treten die Hautquaddeln entweder recht schnell oder verzögert nach einigen Stunden an der entsprechenden Stelle auf.
  • Kontakturtikaria: Bei dieser Form reagiert die Haut nach direktem Kontakt mit einem Reizstoff mit Hautquaddeln. Die Auslöser können eine allergische Reaktion auslösen, zum Beispiel bei Tierhautschuppen, Fleisch, Fisch, Insektenbestandteilen, Obst, Gewürzen etc. Es gibt aber auch Substanzen, die ohne allergische Reaktion direkt zur Freisetzung von Histamin führen, darunter manche Nahrungsmittel oder Pflanzen wie Brennnesseln oder auch Reizstoffe aus Insekten.

Nicht Histamin-vermittelte Angioödeme: Wann ist es HAE, ein Hereditäres Angioödem?

Es gibt auch Angioödeme, die länger andauern, und nicht Histamin-vermittelt sind. Die Symptome sind oft nicht so leicht voneinander zu unterscheiden. Beim hereditären Angioödem reagieren die Patienten nicht auf Histamin, sondern auf Bradykinin. Dies ist ein anderer Botenstoff, der bei dieser erblichen (hereditären) Krankheit erhöht vorkommt, den Organismus flutet und so zu den Schwellungen führt. Diese Menschen haben dann aber keine Urtikaria, sondern ausschließlich Angioödeme. Aber auch diese treten als Folge verschiedener Auslöser plötzlich auf und bilden sich nach einiger Zeit, oft 1 bis 2 Tagen, wieder zurück.

Diese tiefer gelegenen Hautschwellungen treten bei HAE vornehmlich im Gesicht oder am Handrücken oder Fußrücken auf. Das kann sowohl in Verbindung mit Quaddeln als auch ohne Quaddeln der Fall sein. Im Gesicht sind häufig Augen, Lippen oder aber auch Schleimhautbereiche betroffen. Die Patienten können dann eine Zungenschwellung oder ein Kloßgefühl im Hals bis hin zur Luftnot entwickeln.

Die Gewebeschwellungen können auch im Magen-Darm-Trakt auftreten und schwere, äußerst schmerzhafte Bauchkrämpfe verursachen. Hier ist wichtig, zu wissen, dass die ansonsten übliche Behandlung mit Antihistaminika ohne Wirkung bleibt, da Histamin bei der Bradykinin-vermittelten Form der Angioödem keine Rolle spielt.

Manche Patienten reagieren auch als Nebenwirkung der Einnahme von ACE-Hemmern mit einem Bradykinin-vermittelten, aber nicht erblichen Angioödem. Es gibt auch noch andere nicht erbliche Formen eines Angioödems.

Urtikaria als Anzeichen einer Nahrungsmittelallergie

Bei Kindern können sich Nahrungsmittelallergien in Form von Hautsymptomen zeigen. Dann kann es zu Quaddeln kommen, die man auch als Urtikaria bezeichnet. Es kann auch zu Schwellungen kommen, zum Beispiel im Gesicht, die auch als Angioödeme bezeichnet werden. Typische Magen-Darm-Beschwerden bei der Kuhmilchallergie sind aber eher Bauchschmerzen, Durchfälle, Übelkeit und Erbrechen.

 

 

Nesselsucht, Urtikaria, Angioödeme: Wie erfolgt die Diagnose?

Meist sind die juckenden Quaddeln typisch ausgeprägt und die Diagnose Urtikaria lässt sich leicht stellen. Sind die Hautveränderungen im Falle einer akuten Urtikaria beim Arztbesuch bereits wieder verschwunden, sollte man sie gut beschreiben können. Kommt es nur einmalig zu solch einer akuten Urtikaria, ist meist keine weitere Diagnostik nötig.

Bei der chronischen Urtikaria hingegen wird der Arzt  zum Beispiel anhand von Fragebögen untersuchen, wie stark die Beschwerden ausgeprägt sind und wie sehr sie die Lebensqualität des Betroffenen einschränken. Die chronische Urtikaria kann mit deutlichem Leidensdruck einhergehen und die Lebensqualität erheblich einschränken.

Bei der Diagnose vor allem der chronischen Urtikaria sind grundsätzlich folgende Dinge wichtig, um eine optimale Versorgung des Patienten sicher zu stellen: Da die Hautveränderungen bei Urtikaria auch Folge oder Begleiterscheinung anderer Krankheiten sein können, ist es wichtig, diese Krankheiten auszuschließen. Zum Beispiel wird der Arzt Entzündungsparameter im Blut untersuchen, nämlich die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), C-reaktives Protein (CRP) und das sogenannte Differenzialblutbild (DiffBB) mit Bestimmung der weißen Blutkörperchen. Damit wird ausgeschlossen, dass eine schwere entzündliche Grunderkrankung oder eine Infektion vorliegt, die ebenfalls Ursache von Urtikaria-ähnlichen Symptomen sein könnten.

Zur Diagnose einer Kälteurtikaria oder Wärmeurtikaria steht ein sogenannter Hautexpositionstest zur Verfügung. Damit setzt man die Haut unterschiedlichen Temperaturen aus und kann so schnell ermitteln, wann genau es zu Quaddeln oder Schwellungen kommt.

Vermutet man eine Allergie als Ursache der Urtikaria, erfolgen bestimmte allergische Tests oder auch Blutuntersuchungen, die Hinweise auf eine Allergie ergeben können. Wenn die Ursache der Urtikaria weiterhin unklar ist, können auch noch weitere Untersuchungen nötig werden, zum Beispiel eine Hautbiopsie mit Untersuchung des Gewebes. Bei einigen Pateinten allerdings lässt sich trotz dieser verschiedenen Untersuchungen keine Ursache finden, man spricht dann von idiopathischer Urtikaria.

Urtikaria – Angioödeme: Wie unterscheidet sich das von ähnlichen Erkrankungen?

Ähnliche Symptome wie bei der chronischen spontanen Urtikaria können auch bei anderen Erkrankungen auftreten, zum Beispiel:

  • angeborene oder erworbene Autoinflammatorische Syndrome (sehr selten)
  • Urtikaria-Vaskulitis
  • Hereditäres Angioödem (HAE, siehe oben)
  • erworbener C1-Inhibitormangel (diese seltene Krankheit äußert sich in Form von Angioödemen)
  • als Reaktion auf Arzneimittel, wie z.B. auf ACE-Hemmer

Da die Symptome bei diesen Erkrankungen nicht Histamin- sondern Bradykinin-vermittelt sind, sind hier die klassischen Antihistaminika wirkungslos.

Eine Urtikaria ist in den meisten Fällen keine lebenslange Erkrankung, sie verschwindet von selbst. Allerdings ist nicht vorhersehbar, wann dies der Fall sein wird, die Erkrankung kann mehrere Jahre andauern. Bis dahin ist es das Ziel der Therapie einer Urtikaria, die Beschwerdefreiheit des Patienten zu erreichen.

Was ist Urtikaria-Vaskulitis?

Als Vaskulitis wird allgemein eine Entzündung von Blutgefäßen bezeichnet: Die Urtikaria-Vaskulitis ist eine solche Gefäßerkrankung, bei der die Hautveränderungen so ähnlich wie die Hautquaddeln bei Urtikaria aussehen. Bei einer Urtikaria jedoch erscheint die Haut wieder ganz normal, sobald die Quaddeln zurückgegangen sind, eine Urtikaria-Vaskulitis hingegen geht mit kleinsten Hautblutungen innerhalb der Quaddeln einher und hinterlässt daher dunkle Stellen an der Haut. Zudem können bei einer Urtikaria-Vaskulitis auch andere Blutgefäße im ganzen Körper betroffen sein, was deutlich weitergehende Beschwerden verursacht. Es gibt verschiedene Sonderformen der Urtikaria-Vaskulitis.

 

 

Urtikaria – Nesselsucht beim Kind

Auch bei Kindern kann es zu Urtikaria kommen. Grundsätzlich kommen die gleichen Formen wie bei Erwachsenen vor, allerdings handelt es sich bei Kindern meist um eine akute spontane Urtikaria, die chronischen Formen sind seltener. Bei der Diagnostik bei Kindern lässt sich in einigen Fällen eine Nahrungsmittelallergie gegen Kuhmilch oder Hühnereiweiß finden. Auch ein Angioödem ist bei Kindern nicht selten. Zur Therapie kommen wie bei Erwachsenen Antihistaminika oder auch Kortison zum Einsatz; speziellere Medikamente wie Biologika sind im Kindesalter zur Therapie der Urtikaria meist nicht zugelassen.

 

 

Urtikaria-Therapie: Welche Behandlung hilft?

Grundsätzlich gilt für die Therapie der Urtikaria das Ziel: Die Symptome müssen kontrolliert sein! Im akuten Fall wirken kühlende Maßnahmen lindernd, zum Beispiel ein Coolpack oder kühlende Umschläge. Für die weitere Therapie stehen vor allem für die chronische Urtikaria unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Wichtig ist: Sobald ein Patient mit Urtikaria nicht nur an Hautsymptomen leidet, sondern kurzatmig oder benommen wird, ist schnell ein Notarzt zu rufen!

Urtikaria: Therapie mit Antihistaminika

Die Symptome der akuten und chronischen Formen der Urtikaria behandelt man mit Antihistaminika der 2. Generation. Hier ist es wichtig, dass man ausschließlich Medikamente der zweiten Generation einsetzt, die im Gegensatz zu den älteren Präparaten nicht mehr bzw. weniger stark zu Müdigkeit führen.

Diese wirken zügig und werden in Form von Tabletten, Säften oder Spritzen verabreicht. Allerdings kann es bei der Urtikaria nötig sein, höhere Dosen als bei anderen Anwendungsbereichen einzusetzen.

Ist die Ursache bei der akuten Form der Urtikaria ein Infekt, sollte man diesen behandeln. Ist eine Intoleranz oder Allergie die Ursache, gilt es den unverträglichen Stoff bzw. das Allergen zu meiden. Sind die Ursachen der Urtikaria beseitigt, verschwindet auch die Urtikaria.

Eine weitere Therapiemöglichkeit ist der Einsatz von Leukotrienantagonisten, die man in Kombination mit den Antihistaminika einsetzen kann.

Bei Menschen, die schwerer betroffen sind und auf Antihistaminika nicht reagieren, kann man immunmodulierende Mittel wie z.B. Kortison einsetzen. Allerdings sollte man bezüglich Nebenwirkungen gut informiert sein und die Therapieoptionen nur kurzzeitig (etwa 5 Tage) einsetzen.

Urtikariatherapie mit Biologika bzw. Anti-IgE

Biologika bzw. Anti-IgE-Wirkstoffe werden mittlerweile bei vielen allergischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Asthma oder Neurodermitis, erfolgreich eingesetzt. Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von Biologika auch bei Urtikaria erfolgreich sind.  Der Anti-IgE-Wirkstoff Omalizumab ist zur Therapie der chronischen Urtikaria zugelassen; in seltenen Fällen kommen auch andere Immunsuppressiva zum Einsatz.

Wie Prof. Dr. med. Pfützner beim XI. Marburger Allergie-Symposium berichtete*, laufen aktuell Studien zu weiteren Therapieoptionen zur Behandlung der Urtikaria. Untersucht wird zum Beispiel der monoklonale c-Kit-Antikörper Barzolvolimab, der Hautmastzellen depletiert und die Serumtryptase reduziert. Das heißt, die Anzahl der Mastzellen wird bis zum völligen Verschwinden reduziert, und ohne Mastzellen kann es nicht zur Urtikaria kommen. Die Substanz zeigte in ersten Untersuchungen eine sehr gute Symptomkontrolle und wird aktuell in Phase-2 Studien für die chronische spontane Urtikaria und verschiedene Formen der induzierbaren Urtikaria wie die Kälteurtikaria, an der auch die Klinik Für Dermatologie und Allergologie in Marburg beteiligt ist, untersucht.

*Prof. Dr. med. Wolfgang Pfützner, „Therapietelegramm – Neues und Interessantes aus der Allergologie“, XI. Marburger Allergie-Symposium, 6. – 7. Oktober 2023, Congresszentrum Marburg

An welchen Urtikaria-Therapien wird noch geforscht?

Mastzellen spielen eine zentrale Rolle bei der chronischen Urtikaria. Sie können über verschiedene Rezeptoren aktiviert werden und schütten dann eine Vielzahl von Mediatoren inklusive Histamin aus und verursachen so die Symptome. Aktuell gibt es nur wenige zur Urtikaria-Therapie zugelassene Medikamente. Wie Prof. Dr. med. Martin Metz beim XI. Marburger Allergie-Symposium berichtete*, wird deshalb aktuell untersucht, inwieweit Therapien, die bereits für andere Mastzell-assoziierte Erkrankungen eingesetzt werden, auch bei der chronischen Urtikaria helfen könnten. Dabei werden unterschiedliche therapeutische Ansätze verfolgt, die aber alle darauf abzielen, die Aktivität der Mastzellen zu unterbinden.

Bei der chronischen Urtikaria untersucht man die folgenden gegen Mastzellen gerichtete Therapiekonzepte:

  • Inhibition von Mastzellmediatoren
  • Direkte Inhibition der Mastzellaktivierung
  • Direkte Aktivierung der Mastzellinhibition
  • Indirekte Inhibition der Mastzellaktivierung
  • Modulation der Mastzellaktivierung
  • Depletion von Mastzellen

Dabei stehen für jeden therapeutischen Ansatz unterschiedliche Substanzen zur Verfügung, an deren Wirksamkeit und Sicherheit geforscht wird.

Direkte Inhibition der Mastzellaktivierung

  • Anti-IgE Antikörper:
    • Omalizumab (Ligelizumab)
  • BTK Inhibitoren:
    • Remibrutinib (derzeit in Phase 3)
    • Rilzabrutinib (derzeit in Phase 2)
  • IL-4Rα Antikörper:
    • Dupilumab (derzeit in Phase 3)
  • TSLP Antikörper:
    • Tezepelumab (derzeit in Phase 2)
  • MrgprX2 Inhibition: Klinische Studien in Vorbereitung

Direkte Aktivierung der Mastzellinhibition

  • Siglec-8 Antikörper:
    • Lirentelimab (derzeit in Phase 2)

Indirekte Inhibition der Mastzellaktivierung

  • IL-5/IL-5R Inhibition:
    • Benralizumab (derzeit in Phase 2)
  • IL-4Rα Inhibition:
    • Dupilumab (derzeit in Phase 3)

Depletion von Mastzellen

  • KIT-Antikörper:
    • Barzolvolimab (derzeit in Phase 2 für chronische induzierbare Urtikaria und chronische spontane Urtikaria)

Insbesondere für Barzolvolimab, bei dem die Mastzellen komplett aus der Haut entfernt werden, zeigten sich in den bisherigen Studien sehr gute Ergebnisse, bis hin zur Symptomfreiheit. Allerdings hat sich als Nebenwirkung gezeigt, dass die meisten Patienten für die Dauer der Therapie ergrauen. Bei einem Teil der Patienten kam es auch zu einem Geschmacksverlust, insbesondere bei Umami.

*Prof. Dr. med. Martin Metz, „Die Mastzelle im Fokus neuer therapeutischer Optionen“, XI. Marburger Allergie-Symposium, 6. – 7. Oktober 2023, Congresszentrum Marburg

Urtikaria: Kann die Homöopathie unterstützen?

Zur Therapie von chronischer Urtikaria gibt es eine Reihe von Medikamenten, die schulmedizinisch anerkannt sind und auch vielen Patienten helfen. Es gibt aber auch immer wieder chronische Urtikaria-Patienten, die nicht auf diese Medikamente ansprechen. Mithilfe von Urtica, der Brennnessel, können manchen Patienten beschwerdefrei werden. Allerdings beruht diese Therapie nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf Beobachtungen und ist in den Urtikaria-Leitlinien deshalb nicht aufgeführt.

Welche Ärzte behandeln Urtikaria und Angioödeme?

Die Symptome einer Urtikaria sind in der Regel eindeutig und die Therapieoptionen klar. Hausärzte oder Kinderärzte können, falls überhaupt eine Behandlung nötig ist, diese einleiten. Wird eine Allergie als Ursache vermutet oder ist die Ursache unklar, ist es ggf. sinnvoll, sich zusätzlich an einen Hautarzt oder einen Allergologen zu wenden.

Selbsthilfegruppen mit Schwerpunkt Urtikaria, Nesselsucht, Angioödem, Hereditäres Angioödem (HAE):

Selbsthilfegruppen mit Schwerpunkt Hereditäres Angioödem (HAE):

  • HAE Austria Österreichische Selbsthilfegruppe für das Hereditäre Angioödem - http://www.hae-austria.at
  • HAE-Vereinigung e. V. - http://www.angiooedem.de/

Selbsthilfegruppen mit Schwerpunk Urtikaria - Nesselsucht:

  • UNEV urticaria network e.V. (unterstützt Selbsthilfegruppen) - http://www.urtikaria.net
  • Urtikaria Nesselsucht. Gruppe der Helden - https://www.facebook.com/login.php?next=https%3A%2F%2Fwww.facebook.com%2Fgroups%2F426890894005733%2F%3Ffref%3Dts
  • Urtikaria-Helden http://urtikaria-helden.de/

Quellen:

Staubach-Renz P, Metz M. Anpassung der Therapiekonzepte: Chronische spontane Urtikaria – eine Autoimmunkrankheit. Dtsch Arztebl 2022; 119(9): [6]

Plewig G, Ruzicka T, Kaufmann R, Hertl M. Braun Falco`s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. 7. Aufl. Heidelberg: Springer 2018

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

23. Oktober 2023

Autor: Dr. med. Susanne Meinrenken, www.mein-allergie-portal.com

Artikel teilen

Lesen Sie auch

Weitere Beiträge