Allergie auf Platane aufgrund von Kreuzallergien?
Platanen sind in unseren Breiten sehr beliebt, gerade in Städten werden sie gerne angepflanzt. Leider kann die Platane aber auch gesundheitsschädlich sein, denn ihre Pollen können allergische Reaktionen auslösen. Aber auch Kreuzallergien können die Ursache sein. Darüber sprach MeinAllergiePortal mit Univ. Doz. Dr. Wolfgang Hemmer vom FAZ - Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien.
Autor: Sabine Jossé M.A
Interviewpartner: Univ. Doz. Dr. Wolfgang Hemmer
Herr Universitäts-Dozent Hemmer, ist die Allergie auf Platanenpollen eine echte Allergie oder eine Kreuzallergie?
Wir haben an unserem Zentrum über 5000 Pollenallergiker mit Platanenpollen getestet und bei lediglich 5 Prozent eine Sensibilisierung gefunden. Interessanterweise hatten nahezu alle dieser Patienten eine polyvalente Pollensensibilisierung, sodass hier eher Kreuzreaktionen über Pollen-Panallergene, zum Beispiel auf ein Profilin, anzunehmen sind und nicht so sehr genuine, „echte“ Platanenpollenallergien.
Gibt es Zahlen zur Verbreitung der Platanen Allergie?
Tatsächlich dürften bei uns genuine Platanenallergien sehr selten sein. Betrachtet man das Hauptallergen in Platanenpollen, Pla a 1, dann sind in Spanien 80 bis 90 Prozent der Patienten gegen dieses Majorallergen sensibilisiert. Außerhalb Spaniens sind es praktisch 0 Prozent, egal ob man Studien aus Deutschland, Tschechien oder Schweden ansieht. Wir selbst sehen bei Untersuchungen mit dem ISAC® oder ALEX® Allergenchip nur äußerst selten eine Pla a 1-Sensibilisierung. Etwas anders sieht es auf den ersten Blick bei den Platanenallergenen Pla a 2 und Pla a 3 aus.
Heißt das, auf die Allergene der Platane Pla a 2 und Pla a 3 gibt es mehr Allergien?
Tatsächlich fand man in Studien mit dem ISAC® Allergenchip IgE-Antikörper gegen Pla a 2 in Mitteleuropa bei etwa 10 bis 20 Prozent der Allergiker. Dies als Beweis für eine echte Platanenpollenallergie zu interpretieren ist aber nicht berechtigt, weil es sich in Wahrheit fast immer um „falsch-positive“ Testergebnisse handelte. Das verwendete Pla a 2-Molekül ist war nämlich ein gereinigtes natürliches Protein, und die gemessenen IgE-Antikörper waren in Wahrheit nicht gegen das Allergen selbst gerichtet, sondern gegen sogenannte CCDs. CCD steht für “cross-reactive carbohydrate determinants“, das sind komplexe Zuckerstrukturen, die außen an der Oberfläche mancher Allergene sitzen, die aber klinisch unbedeutend sind. Mittlerweile wurde dieses Plantanenallergen wegen der vielen irrelevanten Ergebnisse aus dem Test herausgenommen. Leider ist vielen Allergologen nicht bewusst, dass auch die moderne Komponentendiagnostik manchmal solche irreführenden Ergebnisse liefern kann.
Gilt das auch für Patienten, die gegen das Allergen Pla a 3 der Platane sensibilisiert sind?
IgE-Antikörper gegen Pla a 3, ein sogenanntes Lipidtransferprotein (LTP), finden sich bei immerhin 2 bis 5 Prozent der mitteleuropäischen Allergiker. Aber auch dies ist nicht so sehr Ausdruck einer genuinen, „echten“ Platanenpollen-Allergien, sondern spiegelt vielmehr die generelle Häufigkeit von LTP-Sensibilisierungen in der Bevölkerung wider. In den allermeisten Fällen ist nämlich die IgE-Reaktivität mit anderen LTPs, wie etwa dem Pfirsich-LTP Pru p 3, viel stärker als die mit Pla a 3. Dies spricht dafür, dass all diese Patienten primäre Nahrungsmittel-LTP-Allergiker sind, die eine sekundäre Kreuzallergie mit dem LTP der Platanenpollen aufweisen. Oder anders ausgedrückt: Die Platane ist nicht die Ursache der Pla a 3-Sensibilisierung.
Die Hauptblütezeit der Platanen wird meist mit „Ende April bis Mai angegeben“ - gilt dies auch für die stark beschnittenen Schirmplatanen, die insbesondere bei repräsentativen Alleen und in Parkanlagen beliebt sind?
Stark beschnittene Bäume blühen oft schwächer als unbeschnittene. Die Hauptblütezeit der Schirmplatanen bzw. der Pollenflug der Platanen ändert sich dadurch aber nicht wesentlich.
Die Allergie auf Platanenpollen ist also eher eine Kreuzallergie?
Kreuzreaktionen spielen bei uns eine ganz erhebliche Rolle. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die allermeisten der bei uns beobachteten Platanen-Sensibilisierungen keine echten Platanenpollenallergien, sondern gerade auf solche Kreuzallergien zurückzuführen. Dazu gehören das bereits erwähnte Profilin oder Polcalcin. Auch LTPs können bei der Platanenpollenallergie als kreuzreaktive Allergene eine Rolle spielen, weil die Platane neben Beifuß, Glaskraut und Olive zu den wenigen Pflanzen gehört, deren Pollen ein LTP enthalten, im Falle der Platane ist es das Pla a 3.
Bei welchen anderen Pollenallergenen sollten Platanenpollen-Allergiker vorsichtig sein?
Weil bei uns die allermeisten Platanenpollen-Sensibilisierungen auf Kreuzreaktionen beruhen, sind viele andere Pollenarten von potenzieller Bedeutung. Sind Profiline oder Polcalcine die Ursache der Kreuzsensibilisierung, sind theoretisch sämtliche anderen Pollen von Bedeutung. Das liegt daran, dass diese Panallergene in allen Pollen vorkommen. Die klinische Relevanz von Profilin ist allerdings meist gering. Im Falle einer Sensibilisierung gegen Pla a 3 (LTP) sind bei uns vor allem Kreuzreaktionen mit Beifußpollen vorstellbar, da dort ebenfalls ein LTP (Art v 3) enthalten ist. Ob dies auch tatsächlich klinische Relevanz hat, ist aber nicht untersucht.
Sie erwähnten, dass eine Platanenpollen-Allergie in Wirklichkeit eine Nahrungsmittelallergie sein könnte…
Tatsächlich kann man eine Platanenpollensensibilisierung als Risikomarker für eine simultane Nahrungsmittelallergie betrachten. Wie schwer solche Reaktionen ausfallen können, hängt vom individuellen Sensibilisierungsprofil ab. Beruht die Sensibilisierung auf Polcalcin, sind keine Nahrungsmittelprobleme zu erwarten. Beruht sie auf Profilin, können theoretisch alle pflanzlichen Nahrungsmittel Probleme machen.
Solche Unverträglichkeitsreaktionen sind aber eher selten und in der Regel auf milde orale Symptome beschränkt.
Typische Auslöser einer Profilin-Allergie in der Praxis sind zum Beispiel:
- Melonen
- Banane
- Tomate
- Mango
Schwerere Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie sind hingegen bei Platanenallergikern mit einer Pla a 3-Sensibilisierung denkbar.
Warum kann es bei Platanenallergikern mit einer Pla a 3-Sensibilisierung zu einem allergischen Schock kommen?
Wenn man gegen Pla a 3 sensibilisiert ist, kann das deshalb gefährlich werden, weil Pla a 3 mit anderen LTPs in pflanzlichen Nahrungsmitteln kreuzreagieren kann. Da LTPs in sehr vielen pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen und sich all diese LTPs mehr oder weniger ähnlich sind, können sehr viele Obst- und Gemüsesorten sowie Nüsse Unverträglichkeitsreaktionen auslösen.
Häufige Auslöser für allergische Reaktionen bei LTP-Allergikern sind:
- Kern- und Steinobst
- Beerenfrüchte
- Nüsse
- Banane
- Tomate
- Spargel
- Salat
- Mohn
- Brokkoli
Im Falle einer gesicherten LTP-Sensibilisierung ist eine detaillierte Austestung mit Nahrungsmitteln oft hilfreich, weil die Kreuzallergie-Muster individuell sehr unterschiedlich sein können. Der Test kann zwar allergische Reaktionen nicht sicher voraussagen, aber zumindest aufzeigen, bei welchen Nahrungsmitteln Probleme auftreten könnten.
Interessanterweise enthält auch Hanf (Cannabis) ein LTP. Deshalb sollte man, insbesondere bei LTP-Allergikern mit widersprüchlicher Nahrungsmittelanamnese, auch an den Konsum von Cannabis als die wahre Ursache einer vermeintlich durch Nahrungsmittel ausgelösten allergischen Reaktion denken.
Kann man auch durch die Verwendung von CBD Öl Heuschnupfen ähnliche Symptome entwickeln?
Über den Allergengehalt in CBD Ölen oder anderen neuartigen Hanfprodukten, speziell über ihren LTP-Gehalt, ist wenig bekannt. Öle enthalten grundsätzlich nur sehr wenig Allergene, weil letztere meist wasserlöslich sind. Allergische Reaktionen auf CBD Öle sind demnach wenig wahrscheinlich und wurden auch nicht als CBD Nebenwirkung beschrieben. Bei wässrigen CBD-Präparaten könnte das anders sein. Diese enthalten möglicherweise relevante Mengen an LTPs, sodass man bei LTP-allergischen Personen Symptome nicht ganz ausschließen kann. Gesicherte Beobachtungen diesbezüglich liegen aber meines Wissens nicht vor.
Wie erfolgt die Diagnose der Platanenpollen-Allergie, welche Allergie-Tests gibt es dafür?
Die Routinediagnose einer Allergie auf Platane erfolgt wie die bei anderen Pollenallergien mittels Hauttest (Pricktest) und Bluttest.
Die Platane ist zwar in der aktuellen europäischen Pricktest-Standardreihe enthalten, aufgrund ihrer geringen lokalen Bedeutung wird sie aber bei uns nicht immer routinemäßig getestet. Die in vitro-Testung mit Gesamtextrakten ist selten hilfreich, da sie nichts über die molekularen Hintergründe der Sensibilisierung aussagt.
Zum Nachweis einer „echten“ Platanenpollenallergie gibt es Bluttests auf das Hauptallergen Pla a 1 und (im ALEX® Allergenchip) auch auf Pla a 2. Nützlich ist auch eine Testung auf Profilin (zum Beispiel Phl p 12, Bet v 2) und Polcalcin (zum Beispiel Phl p 7, Bet v 4), weil diese Panallergene häufige Ursache einer Platanensensibilisierung sind. Schließlich gibt es auch Bluttests auf das Platanen-LTP (Pla a 3). Ein positiver Test auf Pla a 3 ist aber nicht so sehr Zeichen einer Platanenpollenallergie, sondern in den allermeisten Fällen Ausdruck einer bestehenden LTP-Sensibilisierung, die ursprünglich durch andere LTPs ausgelöst wurde (z.B. Pfirsich oder andere Nahrungsmittel). Ist Pla a 3 positiv, macht es Sinn, auch andere LTPs zu testen (z.B. Pfirsich Pru p 3, Haselnuss Cor a 8, Walnuss Jug r 3) und eine vertiefende Anamnese bzgl. Nahrungsmittelunverträglichkeiten durchzuführen.
Wie therapieren Sie die Platanenpollen-Allergie?
Ein durch Platanenpollen ausgelöster Heuschnupfen kann so wie andere Pollenallergien medikamentös durch lokale oder systemische Antihistaminika und/oder Steroide behandelt werden. Eine spezifische Immuntherapie ist nur bedingt möglich, da de facto keine validierten Therapiepräparate auf dem Markt verfügbar sind. Da aber genuine Platanenpollenallergien bei uns eine Rarität sind, ist der Bedarf an solchen Impfstoffen ohnehin gering. Sind Kreuzreaktionen über Profilin und/oder Polcalcin die Ursache einer Platanenpollensensibilisierung, darf angenommen werden, dass bei Durchführung einer Immuntherapie gegen andere Pollen, zum Beispiel Gräser oder Birke, gleichzeitig auch die Platanenpollenallergie „mitbehandelt“ wird.
Eignet sich auch CBD, sprich Cannabidiol, zur Therapie von Heuschnupfen?
Dazu gibt es keine experimentellen Daten. Aus Mausmodellen gibt es gewisse Hinweise, dass CBD eine antientzündliche Wirkung beim Asthma haben könnte und in hohen Dosen auch allergische Hautreaktionen abschwächen könnte. Diese Daten sind aber sehr präliminär und hypothetisch. Aus dem Humanbereich liegen keine Studien vor.
Worauf sollten Allergiker mit einer Allergie gegen Platanenpollen besonders achten?
Von Seite der Atemwege unterscheidet sich eine Platanenpollenallergie nicht wesentlich von anderen Pollenallergien. Im Falle einer „echten“ Platanenpollenallergie sollten blühende Bäume bzw. Platanenalleen während der Hauptblütezeit gemieden werden. Sehr hohe Pollenkonzentrationen in Europa findet man in SW-Frankreich, in der Türkei (Istanbul) und insbesondere in Spanien, wo die Platane in Städten sehr zahlreich angepflanzt wird, zum Beispiel Madrid. Pollen-Hauptbelastungszeit ist dort März. Wegen der möglichen Querverbindungen zu Nahrungsmittelallergien kann manchmal auch eine gezielte Abklärung bezüglich einer LTP-Sensibilisierung sein.
Herr Univ. Doz. Dr. Hemmer, herzlichen Dank für dieses Interview!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/W. Hemmer, www.mein-allergie-portal.com
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