Eiben Allergie, die oft unerkannte Pollenallergie!
Mitte März bis Mitte April fliegen die Eibenpollen. Sie sind also zur gleichen Zeit „unterwegs“ wie die klassischen Frühblüher, Hasel, Erle und Birke. Dass auch Eibe Allergien auslösen kann, wissen die Wenigsten. Zu den Hauptallergenen gehört die Eibe nicht, aber sie kommt vor und wird oft nicht erkannt, weil sie in den standardisierten Allergietestungen nicht vorkommt. Zur Diagnose der Eibenpollen-Allergie braucht man ein detektivisches Gespür und eine Pollenfalle. Beides hat Norbert Mülleneisen, Facharzt für Lungenheilkunde in Leverkusen. Im Gespräch mit MeinAllergiePortal erklärt er, warum eine Eibenpollen-Allergie der Grund dafür sein kann, dass eine Hyposensibilisierungstherapie nicht anschlägt.
Autor: Sabine Jossé M.A.
Interviewpartner: Norbert Mülleneisen
Herr Mülleneisen, wie oft kommt es vor, dass man auf Eibe allergisch ist?
Die Allergie auf Eibe-Pollen ist mit Sicherheit keine sehr häufige Allergie. Aber es gibt einige Patienten, bei denen die Eibenpollen Allergie durchaus eine Rolle spielt. Einer meiner Patienten, ein Gärtner, der eine Eibenpollen-Allergie hat, berichtet von heftigsten Symptomen, immer wenn er Eiben-Hecken schneidet. Hinzu kommt, dass Eiben große Pollenmengen produzieren können. Man steht dann regelrecht in einer Eibenpollen-Wolke. Man kommt der Eibenpollen-Allergie aber diagnostisch nicht so leicht auf die Spur.
Was ist schwierig an der Diagnose der Allergie auf Eibe?
Immer wieder hat man in einer allergologischen Praxis Patienten, die im Frühjahr eindeutige Heuschnupfen-Beschwerden, wie Juckreiz, Augenrötung, laufende Nase etc. haben. Im Prick-Test zeigen sich aber weder Sensibilisierungen für die typischen Frühblüher wie Hasel, Erle, Birke, noch auf Eiche, Buche oder Esche. Dann steht man „dumm da“, denn man kann trotz eindeutiger Symptome keine Allergie nachweisen! Aber auch der Pollenflug der Eibe findet zu dieser Zeit statt.
Wie haben Sie herausgefunden, dass diese Heuschnupfen-Patienten eine Eiben-Allergie hatten?
Eine meiner Patientinnen hatte sehr gut beobachtet, dass ihre Symptome immer dann massiv auftraten, wenn sie ihre Eiben-Hecke geschnitten hatte und den Abfall dann im Auto zum Grünschnitt-Container fuhr. Damit war klar, dass eine Eibe-Allergie der Auslöser ihrer Pollenallergie sein könnte. Kurze Zeit später kam dann ein Patient zu mir, der Friedhofsgärtner war. Auch er hatte bemerkt, dass er auf Eibe Allergie Symptome hatte. Bei ihm kam es immer dann zu Beschwerden, wenn er Eiben-Hecken schnitt, die auf Friedhöfen ja traditionell sehr häufig eingesetzt werden. Bei anderen Patienten mit unklaren Heuschnupfen-Symptomen, habe ich dann im relevanten Zeitraum gezielt in meiner eigenen Pollenfalle nach Eibenpollen Ausschau gehalten und siehe da, ich habe sie zu diesen Zeiten in hoher Anzahl vorgefunden.
Eine eigene Pollenfalle zu betreiben ist für einen Arzt und Allergologen aber eher ungewöhnlich…
Unter den niedergelassenen Ärzten bin ich der Einzige, der eine Pollenfalle auf dem Dach hat. Das ist für mich eine Art „teures Hobby“, das ich selbst finanziere – eine Krankenkasse bezahlt diese Leistungen nicht! Ich betreibe eine eigene Pollenfalle, weil ich immer wieder Patienten hatte, die zu Zeiten Heuschnupfen Symptome hatten, in denen „ihr Allergen“ laut Pollenflugkalender eigentlich gar nicht in der Luft sein konnte. Das wollte ich überprüfen und deshalb habe ich mir eine eigene Pollenfalle angeschafft.
Und was zeigte Ihre Pollenfalle im Falle der Eibenpollen-Allergiker?
Bei den Eibenpollen-Allergikern passten die Funde in der Pollenfalle eindeutig zur Anamnese. Grundsätzlich habe ich dank meiner Pollenfalle eindeutig gesehen, dass hier in der Gegend im Frühjahr extrem viele Eibenpollen in der Luft sind. Die Anamnese, das heißt das Auftreten von Symptomen parallel zum Pollenflug der Eibe, allein ist natürlich noch keine Diagnose. Ich wollte bei den betreffenden Patienten aber nachweisen, dass sie tatsächlich auf Eibenpollen sensibilisiert waren. Es gibt aber keine Prick-Test-Lösung für das Allergen der Eibe.
Das Allergenextrakt für Eibenpollen gehört zu den Extrakten, bei denen sich die Zulassung für die Hersteller nicht lohnt?
Es gibt tatsächlich eine Reihe von Prick-Test-Lösungen, die nach und nach aus dem Angebot der Hersteller verschwinden, weil die Kosten für die Zulassung für die Hersteller im Vergleich zum Vorkommen der jeweiligen Allergie zu hoch sind. Dazu gehört zum Beispiel Kapok, eine Pflanzenfaser, die früher zum Wattieren von Schulterpolstern oder Jacken verwendet wurde. Kapok wird heutzutage aber nicht mehr verwendet, und so schadet es auch nicht, wenn auch das Allergenextrakt nicht mehr hergestellt wird. Leider sind auch einige wichtige Allergene weggefallen.
Für welche Allergene gibt es keinen Allergietest bzw. keinen Allergenextrakt für die Diagnose?
Es gibt kein Extrakt mehr für den Prick-Test auf Latex und leider werden wir in Zukunft auch keine neuen Prick-Test-Lösungen mehr bekommen. Verständlicherweise hat das Paul Ehrlich Institut (PEI) festgelegt, dass Prick- und Therapielösungen einen qualitativ hohen Standard erfüllen müssen. Eine Konsequenz daraus ist jedoch auch, dass die Hersteller keine Lösungen für neue Allergene mehr bereitstellen werden. Das bedeutet, wenn es zur Einwanderung neuer allergener Pflanzen kommt, was dank Klimaerwärmung ja zunehmend der Fall ist, so fällt eine wichtige Säule der Allergiediagnostik weg. Ein Beispiel für Pflanzen, die es erst in letzter Zeit in dieser Region gibt, ist die Ambrosia, die zu schweren Allergien führen kann. Bei Eibenpollen gab es jedoch nie ein Extrakt für den Prick-Test und auch nicht für den IgE-Test und die Komponentendiagnostik oder molekulare Allergiediagnostik.
Warum gab es nie einen Prick-Test für das Eibenpollen Allergen?
Das Allergen der Eibe galt stets als wenig relevant bei Pollenallergien. So hat kein Hersteller je ein entsprechendes Extrakt auf den Markt gebracht. Dies nachträglich zu tun, macht für die Hersteller auch keinen Sinn, da es sich um eine eher seltenere Allergie handelt. Erst nach langem Suchen habe ich schließlich ein Labor entdeckt, Dr. Fooke in Neuss, das auf Eibenpollen testen kann.
Und wie haben Sie in der Zwischenzeit bei Ihren Patienten die Diagnose Eibenpollen-Allergie gestellt?
Ich habe mir mein Eibenpollen-Extrakt selbst hergestellt. Vor meinem Haus steht auch eine Eibenhecke. Deren Blütenpollen habe ich vier Jahre lang mittels Trittleiter „geerntet“ und daraus von meinem Apotheker eine eigene Prick-Test-Lösung herstellen lassen. Wenn jetzt ein Patient zu mir kommt, der eindeutige Heuschnupfensymptome zur Pollenflugzeit der Eibe hat und auf die gängigen Allergen nicht positiv reagiert, pricke ich ihn mit meinem Eibenpollen-Extrakt. Die Möglichkeit, einen Patienten auf das Allergen der Eibenpolle testen zu können ist auch deshalb relevant, weil es immer wieder Patienten mit Ko-Sensibilisierunge, also multiplen Sensibilisierungen, gibt.
Welche weiteren Sensibilisierungen kann ein Patient mit Eibenpollen-Allergie haben?
Ein multisensibilisierter Patient hat dann zum Beispiel auch eine Allergie auf Hasel, Erle, Birke. Aber wenn man den Patienten dann auf Hasel, Erle, Birke mit einer Hyposensibilisierungs-Therapie behandelt, bessern sich die Symptome im Frühjahr nicht. Dies könnte dann auch daran liegen, dass der Patient zusätzlich zu den diagnostizierten Allergien auch noch an einer Eibenpollen-Allergie leidet. Die Konsequenz ist, dass die Therapie zwar gegen drei relevante Allergene erfolgte, aber nicht gegen alle relevanten Allergene: Die Eibe fehlte!
Welche Folgen hat es, wenn die Hyposensibilisierung bei Eiben Allergie nicht wirkt?
Für den Patienten ist das sehr unerfreulich, weil er trotz dreijähriger Therapie noch Beschwerden hat und weil eine für ihn relevante Allergie nicht behandelt werden kann. Durch die unbehandelte Eibenpollen-Allergie besteht weiterhin die Gefahr des Etagenwechsels. Aus dem Heuschnupfen kann ein Asthma entstehen. Gerade dieses Risiko soll ja eigentlich durch die Hyposensibilisierung vermindert werden. Selbst bei bestehendem Asthma wirkt die Hyposensibilisierung mit einer „Number Needed to Treat“ von 4 sensationell gut. Zum Vergleich: Um einen Schlaganfall zu verhindern, muss man 300 Patienten mit Cholesterinsenkern behandeln.
Wie therapieren Sie die Patienten mit Eibenpollen-Allergie?
Eine richtige Therapielösung auf Eibe steht, wie gesagt, leider nicht zur Verfügung. Dennoch ist es sinnvoll, „den Feind“ zu identifizieren. So kann man zumindest geeignete Maßnahmen ergreifen und womöglich die Eiben im eigenen Garten entfernen. Den Kontakt mit Eibenpollen verhindern kann man aber leider nicht, denn Eibenpollen fliegen weit. Außerdem produzieren Eiben auch sehr viele Pollen und dass sieht dann aus, als stoße die Eibe regelrechte Wolken von Staub aus.
Darüber hinaus ist es wichtig Patienten vor verwandten Allergenen zu warnen, wenn man weiß, dass die auf Eiben allergisch reagieren.
Welche Keuzallergien sind möglich wenn man eine Allergie auf Eibe hat?
Zum Beispiel ist Südeuropa die Zypresse eines der relevantesten Allergene. Dort haben auch viele Menschen eine Zypressen-Allergie. Das wurde in unseren Breiten nie groß beachtet, weil Zypressen bei uns nicht wachsen. Allerdings sind Eiben und Zypressen Teil einer Pflanzenfamilie und dementsprechend könnte es bei Eibenpollen-Allergikern auch beim Kontakt mit Zypressenpollen zu Heuschnupfen-Symptomen kommen. Für die Urlaubsplanung kann diese Kreuzallergie auf Zypresse durchaus relevant sein – eine spannende Frage! Eine spannende Frage wäre auch, ob eine Hyposensibilisierung auf das Allergen der Zypresse auch Eibenpollen-Allergikern helfen könnte. Das müsste man zunächst molekulargenetisch untersuchen.
Treten bei Patienten mit Eibenpollen Allergie häufiger auch Kreuzallergien auf und gibt es weitere?
Nein, Kreuzreaktionen wie bei Birkenpollenallergien im Sinne eines oralen Allergiesyndroms mit Juckreiz auf Äpfel oder Haselnüssen, sind mir bisher bei reiner Eibenpollen Allergie nicht berichtet worden. Aber mein Eindruck ist, es gibt sehr wohl einige Birkenpollenallergiker, die zusätzlich auf Eibe reagieren und dann natürlich ein orales Allergiesyndrom auf Äpfel oder Haselnüsse entwickeln können.
Herr Mülleneisen, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S.Jossé/N.Mülleneisen, www.mein-allergie-portal.com
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