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Etagenwechsel von Heuschnupfen zu Pollenasthma

Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum Pollenasthma:
Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier über Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum Pollenasthma, Bildquelle: C. Vogelmeier

Der sogenannte Etagenwechsel ist für Menschen, die unter Heuschnupfen leiden, eine reale Gefahr. Wird diese Allergie, auch allergische Rhinitis genannt, nicht rechtzeitig behandelt, kann ein allergisches Asthma bronchiale entstehen. Die Allergie wechselt dann „die Etage“, von den oberen Atemwegen hin zu den unteren Atemwegen. Für die Betroffenen bedeutet dies zunehmende Beschwerden und einen weiteren Verlust an Lebensqualität. MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier, Leiter der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, am Universitätsklinikum Marburg über Behandlungsstrategien und wie sich ein Etagenwechsel zum Pollenasthma verhindern lässt.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier

 

Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum Asthma: Die wichtigsten Fakten!

Bei Nichtbehandlung des Heuschnupfens besteht das Risiko eines Etagenwechsels

Bei Erwachsenen treten beim allergischen Asthma als typische Konstellation, Atemnotanfälle in Verbindung mit bestimmten Außenreizen auf.

Ein klassisches Phänomen bei Kindern und Jugendlichen mit beginnendem Asthma ist, dass sie bei sportlichen Aktivitäten nicht voll belastbar sind.

Wenn man verhindern möchte, dass es zu einem Etagenwechsel kommt, hat man nach aktueller Datenlage nur die Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung gegen das relevante Pollenallergen.

 

Herr Prof. Vogelmeier, warum wird Heuschnupfen oft nicht gut genug behandelt?

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Heuschnupfen wird von den Patienten oft nicht ernst genommen. Das liegt auch daran, dass die Symptome nur wenige Wochen im Jahr besonders intensiv auftreten. Die Patienten behandeln diese Symptome dann oft mit Antihistaminika aus der Apotheke. Aber Antihistaminika können den Etagenwechsel nicht verhindern. Auch Ärzte sehen diese Beschwerden oft als Bagatelle. Die Gefahr wird hier schlicht unterschätzt, denn bei Nichtbehandlung des Heuschnupfens besteht ja nicht nur das Risiko eines Etagenwechsels. Auch das Allergenspektrum kann sich verbreitern. Je mehr dies der Fall ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer zeitlich begrenzten Pollenallergie viele verschieden, multiple Allergien, werden.

Was versteht man unter einem Etagenwechsel, was spielt sich im Körper ab?

Vereinfacht gesagt kann man sagen, die Symptome weiten sich aus, weil weitere Organe betroffen sind. Man könnte auch sagen, dass die Pollenallergie auf die Bronchien geht. Schon bei Patienten, die ausschließlich Symptome einer allergischen Rhinitis zeigen, liegen häufig bereits Lungenveränderungen vor. Diese Veränderungen der Lunge kündigen den Etagenwechsel an und prädisponieren, das heißt sie machen empfänglich, für ein allergisches Asthma. Das haben Untersuchungen gezeigt.

Kennt man die Ursache für den Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum Asthma?

Vermutlich ist die allergische Entzündung insgesamt bereits genetisch im Organismus angelegt. Dies gilt sowohl für die obere Etage, also die oberen Atemwege, als auch für die untere Etage, die unteren Atemwege. Bisher ist nicht klar, was einen Patienten jeweils für Symptome der oberen, der unteren oder für beide Etagen empfänglich macht. Erwiesen ist jedoch, dass es häufig so etwas wie eine zeitliche Abfolge gibt, eine Art allergischer Marsch. Oft beginnt dies mit Milchschorf. Auf den Milchschorf, der kurz nach der Geburt auftritt, folgt der Heuschnupfen und schließlich entwickelt sich ein allergisches Asthma. Diese Abfolge kommt häufig vor, muss aber nicht so sein.

Gibt es außer der Vererbung weitere Faktoren, die einen Etagenwechsel begünstigen?

Die genetischen Prädispositionen sind am klarsten definiert. Wenn beide Eltern Atopiker sind, besteht für das Kind eine 50 prozentige Wahrscheinlichkeit, auch Atopiker zu sein. Damit hat man auch ein sehr hohes Risiko, an Asthma zu erkranken. Als weitere Risikofaktoren für ein Pollenasthma werden zum Beispiel Frühgeburtlichkeit und Passivrauchen diskutiert. Dies alles ist jedoch wissenschaftlich nicht so gut belegt, wie dies bei den genetischen Faktoren der Fall ist.

Welches sind die ersten Anzeichen für einen Etagenwechsel zum Asthma aufgrund einer Allergie wie verändern sich die Symptome?

Die Pädiater, also die Kinderärzte, sagen, dass man bis zum sechsten Lebensjahr eine Diagnose nur schwer stellen kann. Bis dahin ist die Symptomatik häufig nicht klar und eine vernünftige Funktionsdiagnostik ist nicht möglich. Erst die Beobachtung der Entwicklung des Kindes über einen längeren Zeitraum hinweg ermöglicht die Diagnose allergisches Asthma.

Aber auch bei älteren Kindern, ca. ab dem 10. Lebensjahr, und bei Jugendlichen kann die Symptomatik des allergischen Asthmas anders aussehen. Ein Etagenwechsel äußert sich bei Kindern anders als bei Erwachsenen.

Wie zeigt sich ein Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum allergischen Asthma bei Kindern und Jugendlichen?

Ein klassisches Phänomen bei Kindern und Jugendlichen mit beginnendem Asthma ist, dass sie bei sportlichen Aktivitäten nicht voll belastbar sind. Erfahrene Ärzte befragen deshalb immer auch die Mütter nach der Leistungsfähigkeit ihres Kindes beim Sport. Dies im Vergleich zu Altersgenossen. Sicher können auch Kinder und Jugendliche die typischen Symptome des allergischen Asthmas zeigen, wenn die Pollenallergie auf die Bronchien schlägt. Sie können einen ausgeprägten Husten entwickeln und es kann zu Atemnotattacken kommen. Auch ein pfeifendes Atemgeräusch, man nennt das Giemen, kann auftreten. Häufig besteht bei Kindern und Jugendlichen jedoch eher die oligosymptomatische Form des Asthmas. Das bedeutet ein Asthma mit nur wenigen klinischen Symptomen, bei dem die klassische Konstellation nicht gegeben ist.

Wie zeigt sich der Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum allergischen Asthma bei Erwachsenen?

Bei Erwachsenen treten beim allergischen Asthma als typische Konstellation, Atemnotanfälle in Verbindung mit bestimmten Außenreizen auf.

Klassische Reize für Asthmaanfälle sind:

  • Körperliche Anstrengungen
  • Kalte Luft
  • Rauch
  • Nebel
  • Respiratorische Infekte
  • Allergenexposition

Diese Reize lösen im überempfindlichen Bronchialsystem einen Bronchospasmus aus, eine Verkrampfung der Atemwege. Typischerweise haben Asthmatiker Phasen, in denen es ihnen sehr gut geht und sie keinerlei Symptome oder Lungenfunktionseinschränkungen haben. Diese Phasen können einander in schneller Folge abwechseln. Die Krankheit ist hochdynamisch.

Kann ein Etagenwechsel auch bei einer Hausstaubmilbenallergie vorkommen?

Mir ist nicht bekannt, dass es Daten zu einzelnen Allergien diesbezüglich gibt. Da das Hausstaubmilbenallergen bei uns das zahlenmäßig bedeutendste Innenraumallergen ist, nehme ich an, dass ein Etagenwechsel durch eine Hausstaubmilbenallergie ausgelöst werden kann

Kann es nach einer Erkältung zu einem Etagenwechsel kommen?

Durch was genau ein Etagenwechsel zustande kommt, ist mir nicht bekannt. Da aber viele Asthmaerkrankungen im zeitlichen Zusammenhang mit Infekten erste Symptome verursachen, liegt es zumindest nahe Infekten eine Rolle in dem Geschehen zuzusprechen.

Welche Möglichkeiten zur Behandlung von Asthma gibt es?

Grundsätzlich hat sich die Behandlung des Asthma bronchiale in den letzten Jahren sehr stark verbessert. Diese Entwicklung begann mit den inhalierbaren Steroiden. Vor etwa 20 Jahren kamen die Kombinationspräparate aus inhalierbaren Steroiden und langwirksamen Betamimetika hinzu und später dann die Biologika. Diese Entwicklung hat die Asthmatherapie massiv verbessert. Deutlich wird dies, wenn man bedenkt, dass ein Asthmatiker heutzutage kaum noch eine Notaufnahme aufsuchen oder stationär behandelt werden muss. Allerdings handelt es sich hierbei um symptomorientierte Therapien, die das Problem nicht bei der Wurzel packen.

Sollte man schon einen Heuschnupfen mit Asthmaspray behandeln, auch wenn man noch keine Asthmasymptome hat?

Nein, dafür gibt es keinen Anlass. Eine Asthmatherapie kommt erst zur Anwendung, wenn en Asthma diagnostiziert worden ist.

Wie kann man den Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum Asthma verhindern?

Wenn man verhindern möchte, dass es zu einem Etagenwechsel kommt, hat man nach aktueller Datenlage nur die Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung gegen das relevante Pollenallergen. Man spricht auch von der Allergieimpfung oder der spezifischen Immuntherapie (SIT). Hier wird dem Patienten das krank machende Allergen in steigender Dosis zugeführt. Dies kann in verschiedenen Varianten erfolgen, entweder subkutan unter die Haut, oder sublingual unter der Zunge. Sublingual ist die neuere Variante. Es gibt Hinweise dafür, dass diese Therapie in der Lage ist, den Etagenwechsel zu verhindern.

Ist die Hyposensibilisierung in der Lage, den Etagenwechsel von Pollenallergien zum Asthma zu verhindern und ist er für alle Patienten gleichermaßen geeignet?

Man sollte die Therapie bei Patienten in Erwägung ziehen, die jung sind, ein schmales Allergenspektum haben und eine kurze Anamnese. Ist ein Patient nur auf Pollen allergisch eignet sich diese Therapie sehr gut. Ein Idealfall wäre es, wenn die Allergie nur auf Graspollen oder Frühblüher bestünde, denn dies wäre ein schmales Allergenspektrum. Bestehen Allergien gegen Pollen, Tierhaare und Milben gleichzeitig, was ja häufig vorkommt, wird eine Hyposensibilisierung sehr schwierig.

Kann man die Hyposensibilisierung auch dann noch durchführen, wenn der Etagenwechsel schon stattgefunden hat und man bereits Asthma hat?

Es spielt schon eine Rolle, ob der Patient bereits Asthmasymptome entwickelt hat. Die Therapieergebnisse sind umso besser, und die Therapie ist umso weniger gefährlich, je weniger stark ausgeprägt die Asthmasymptomatik des Patienten ist. Therapiert man den Patienten in einem Stadium, in dem er nur leichte Asthma Symptome aufweist, hat man eine hohe Erfolgschance. Manche Patienten verlieren ihre Asthmasymptome im Laufe der Therapie vollständig. Bei anderen ist es so, dass man maximal eine Erhaltung des Status quo erreichen kann. Zu Beginn der Behandlung ist dies nicht absehbar.

Was sind die Vor- und Nachteile bei der Hyposensibilisierung - gibt es Risiken oder Nebenwirkungen?

Bei der direkten Applikation der Allergene kann es zu Nebenwirkungen kommen. Diese Risiken haben jedoch in den letzten 20 Jahren deutlich nachgelassen. Der Grund dafür ist, dass die Allergenlösungen immer sauberer geworden sind. Auch weiß man heute, dass eine Behandlung bei einer akuten Erkrankung des Patienten nicht möglich ist. Dennoch kann es in einem ungünstigen Fall zu schwerwiegenden allergischen Reaktionen, bis hin zum Todesfall kommen. Dies kann dann der Fall sein, wenn bei der subkutanen Applikation ein kleines Gefäß verletzt wird, und so Allergene in die Blutbahn gelangen. Deshalb ist es wichtig, die Patienten im Vorfeld der Hyposensibilisierungsbehandlung genau über den potenziellen Nutzen und die potenziellen Risiken der Therapie aufzuklären.

Wie lange dauert eine Hyposensibilisierung?

Typischerweise dauert die Hyposensibilisierung drei bis vier Jahre. Es gibt jedoch sehr unterschiedliche Therapiekonzepte, die mehr oder weniger zeitaufwändig sind. Es gibt Therapien, die auf nur vier Spritzen im Jahr beruhen. Es gibt jedoch auch Therapien, die nahezu kontinuierlich in zwei- bis vierwöchentlichen Abständen durchgeführt werden. Welche Therapie man bevorzugt, ist abhängig von der persönlichen Einschätzung der Effektivität der verschiedenen Therapiekonzepte. Insgesamt ist der Therapieaufwand durchaus beachtlich, denn zusätzlich zur eigentlichen Behandlung kommt im Anschluss noch ein ca. 30-minütiger Aufenthalt in der Praxis. Dies ist nötig, um eine Sicherheitszone im Hinblick auf mögliche, nach der Behandlung auftretende, Komplikationen zu haben.

Wird die Hyposensibilisierung von den Krankenkassen übernommen?

Die Spezifische Immuntherapie (SIT) ist eine Kassenleistung.

Helfen die Biologika nach vollzogenem Etagenwechsel?

Für allergiegeplagte Menschen, die schon ein schweres Asthma haben, gibt es seit einigen Jahren eine neue Therapieoption: Die Biologika oder monoklonalen Antikörper, die gegen das IgE gerichtet sind. Das IgE ist ein Immunglobulin der Klasse E. Dabei handelt es sich um Antikörper, die im Blut als Reaktion auf das Allergen gebildet werden. So lösen sie die allergische Reaktion aus. Das Medikament dockt an das Immunglobulin an und verhindert dessen Bindung an Zellen. So lassen sich die Antikörper neutralisieren und die allergische, bzw. die entzündliche Reaktion, unterdrücken. Bei Patienten mit schwerem allergischem Asthma hat sich dies als ein wirkungsvolles Therapieprinzip erwiesen. Die Therapie ist aufwändig und sehr teuer und wird deshalb nur bei schwer erkrankten Patienten angewendet.

Kann man den Etagenwechsel „rückgängig“ machen oder kann er von selbst verschwinden?

Es gibt viele Patienten, die in der Pubertät erstmals nach einem Etagenwechsel zum Pollenasthma Asthmasymptome haben, diese Symptome aber im weiteren Verlauf wieder verschwinden. Allerdings behalten die Patienten offenbar die Neigung wieder Asthmasymptome zu entwickeln. So gibt es Patienten, die erst viele Jahre später wieder symptomatisch werden.

Herr Prof. Vogelmeier, vielen Dank für das Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

02. August 2023

Autor: S. Jossé/C. Vogelmeier, www.mein-allergie-portal.com

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