Heuschnupfen im Winter? Welche Pollen fliegen?
Nach dem Kalender hat man bei Heuschnupfen im Winter erst mal Pause. Der Winter beginnt am 21. Dezember und endet am 20. März, aber nicht immer ist es im Winter auch kalt. An manchen Tagen sind die Temperaturen regelrecht frühlingshaft und deshalb fliegen die Pollen dann auch im kalendarischen Winter. Für Heuschnupfen-Geplagte sind das keine guten Nachrichten. Deshalb sprach MeinAllergiePortal mit Matthias Werchan, Dipl.-Landschaftsökologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Pollenanalyst bei der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) darüber, welche Pollen in Winter fliegen könnten.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Dipl.-Landschaftsökologe Matthias Werchan
Herr Werchan, welche Pollen können in Deutschland fliegen, obwohl eigentlich Winter ist?
Immer dann, wenn der Winter mild ist, reagiert die Vegetation auf diese milden Temperaturen. Klassischerweise macht die Gemeine Hasel (Corylus avellana) den Anfang, zusammen mit der Purpurerle (Alnus × spaethii), die kein einheimisches Gewächs ist. Unsere einheimische Erle, die Schwarzerle (Alnus glutinosa), beginnt erst kurz nach der Gemeinen Hasel mit ihrer Blüte, ab Mitte Januar fliegen häufig erste Schwarzerlenpollen. Die Gemeine Hasel hat dann jedoch bereits einen gewissen Vorsprung, denn die ersten Haselbüsche blühen häufig bereits im Dezember.
Ist das immer der Startschuss in die Pollenflugsaison, wenn im Winter die ersten Pollen fliegen?
Nein, solange nur einzelne Büsche oder Bäume an wärmebegünstigten Standorten blühen, spricht man eher von einer Pollenflugvorsaison oder lokalem Pollenflug. Flächendeckend kann die Pollenflugsaison für Hasel und Erle im Westen und Südwesten Deutschlands bereits ab ca. Mitte Januar beginnen. Allerdings ist das selbst für einen milden Winter ein sehr zeitiger Start in die Pollensaison, insbesondere dann, wenn die Pollenkonzentrationen bereits vergleichsweise hoch daherkommen. Bleibt das Wetter mild, kann die Belastung für Pollenallergiker schon in den mittleren bis hohen Bereich gehen, dann haben sie eine Allergie im Winter. Natürlich gilt das dann nicht immer gleich für ganz Deutschland, sondern nur für die wintermilden Regionen.
In welchen deutschen Regionen ist der Pollenflug von Hasel und Purpurerle denn im Winter in der Regel am stärksten?
Der Pollenflug von Hasel und Purpurerle ist dort am stärksten, wo diese Pflanzen am weitesten entwickelt sind, also genau dort, wo die Winter am mildesten verlaufen, speziell im Südwesten und Westen Deutschlands und im Tiefland deutlich eher als im Bergland. Da die Purpurerle vom Menschen angepflanzt wird und bisher nicht weit verbreitet ist, bleibt ihr Pollen mehrheitlich eine lokale Besonderheit menschlicher Siedlungsräume. Ist die Purpurerlenblüte abgeklungen, kommen die heimischen Schwarzerlen (Alnus glutinosa) an die Reihe, die zwar überall in Deutschland vorkommen, im norddeutschen Tiefland aber besonders weit verbreitet sind.
Könnten Sie bitte nochmal zusammenfassen: Welche Pollen fliegen im Dezember? Welche im Januar? Welche im Februar? Welche im März?
Im Dezember und Januar ist es noch recht einfach. Dann fliegen fast ausschließlich Pollen von Hasel und (Purpur-)Erle. Ist der Winter zu dieser Zeit kalt und schneereich ohne längere milde Phasen kann die Luft sogar überwiegend pollenfrei bleiben. Spätestens irgendwann im Februar gewinnt jedoch die Sonne so viel Kraft, dass ihre Wärme die Hasel- und Erlenblüte auslöst. In milden Wintern gesellen sich dann ab Mitte Februar auch Eibenpollen (Taxus) und Pollen der Zypressengewächse (Cupressaceae) hinzu. Bleibt es auch im März mild, geht es weiter mit Pappel (Populus), Ulme (Ulmus) und Weide (Salix). Selbst Birke (Betula), Esche (Fraxinus) und Hainbuche (Carpinus) können gegen Ende des kalendarischen Winters schon kräftig mitmischen.
Gibt es auch Pollen, die im November fliegen?
Nein, der November bleibt der Monat des Jahres, wo es Pollen hierzulande wirklich schwer haben. Bisher gibt es keinen Pollentyp der in Deutschland (regelmäßig) im November auftritt.
Was ist der Auslöser für den Pollenflug im Winter, das helle Sonnenlicht?
Als Auslöser für den Pollenflug von Hasel und Erle zählt weniger das Sonnenlicht als vielmehr die Temperatur. Dabei wirkt sich tatsächlich jedes Grad Celsius mehr auf die Pflanzen und die Reifung der pollentragenden, männlichen Blütenstände aus. Deshalb ist der Pollenflug in Städten am Beginn der Pollensaison oft stärker ausgeprägt. Die „Wärmeinsel Stadt“ begünstigt frühere Blühzeiten. In Großstädten, auch im deutlich kühleren Osten und Norden, sind die Sträucher und Bäume von Hasel und Erle deshalb oft auf dem gleichen Entwicklungsstand wie in ländlichen Gebieten Südwestdeutschlands. Man kann deshalb nicht sagen, der Pollenflug sei nur auf bestimmte westliche und südliche Regionen begrenzt. Auch in größeren Städten wie Berlin oder Leipzig fliegen die Pollen häufig schon früh.
Blühende Erle - Alnus glutinosa! Bildquelle: Barbora und Matthias Werchan
Blühender Haselstrauch und Kätzchen des Haselstrauchs- Corylus avellana! Bildquelle: Barbora und Matthias Werchan
Blühende Purpurerle - Alnus speathii ! Bildquelle: Barbora und Matthias Werchan
Blühender Haselstrauch und Kätzchen des Haselstrauchs- Corylus avellana! Bildquelle: Barbora und Matthias Werchan
Haselsträucher sieht man sehr häufig und erkennt sie auch leicht an den langen Kätzchen, aber wie häufig sind denn Purpurerlen?
Die Purpurerle (Alnus × spaethii) kommt in der Natur eigentlich gar nicht vor. Es handelt sich um eine menschengemachte Züchtung, die aus der Kreuzung einer kaukasischen (A. subcordata) mit einer japanischen Erlenart (A. japonica) hervorgegangen ist. Purpurerlen gelten als ausgesprochen klimarobust. Sie halten Trockenheit genausogut aus wie Fröste und sind deshalb für das städtische Klima hervorragend geeignet. Purpurerlen wachsen bislang nicht wild, sondern sie werden gepflanzt, eben aufgrund dieser positiven Eigenschaften und aufgrund der limitierten Auswahl an Gewächsen, die mit den städtischen Klimaanforderungen zurechtkommen. Wie häufig Purpurerlen in Zukunft noch werden, hängt also sehr davon ab, wie oft wir auf diese Art bei der städtischen Bepflanzung zurückgreifen.
Das heißt aber doch, dass die Anzahl der Purpurelen aktuell noch nicht so hoch sein dürfte, zumindest im Vergleich zu wild wachsenden Sträuchern …
Das kann man nicht generell so sagen. Beispielsweise nutzt man in der niederländischen Stadt Leiden Purpurerlen als Straßenbaum bereits deutlich länger als hierzulande. Dort werden dann manchmal bereits um den Jahreswechsel herum hohe Pollenkonzentrationen von über 100 Pollen/m3 gemessen. Für eine erst seit wenigen Jahren künstlich angepflanzte Art, die ja in der Natur so gar nicht vorkommt, sind das sehr hohe Pollenkonzentrationen. Problematisch für Allergiker ist besonders diese frühe Blühzeit der Purpurerle, die die Pollensaison insgesamt verlängert.
Warum ist die frühe Blühzeit der Purpurerle für Allergiker im Winter so problematisch?
Die Purpurerle blüht vor der heimischen Erle. Das bedeutet für Erlenpollenallergiker, dass die Pollenflugzeit für ihr Allergen sehr früh beginnt. Ist die Blühphase der Purpurerle vorüber, gibt es für die Heuschnupfengeplagten nur eine kurze Erlenpollen-freie Phase und dann beginnt die Schwarzerle zu blühen. Die Allergiker müssen also über einen sehr langen Zeitraum (etwa ab Weihnachten bis Mitte März) mit Symptomen durch Erlenpollen rechnen. Und: In den Alpenregionen wächst die Grünerle (Alnus viridis), deren Blühphase erst im Mai startet. Das bedeutet, Pollenallergiker, die in alpennahen Gebieten wohnen, können unter Umständen die Pollenflugzeiten von drei Erlenarten erleben.
Dann wäre bei milden Wintern Regen ja vielleicht hilfreich für die Pollenallergiker…
Im Prinzip schon, Regen unterbindet Pollenflug effektiv und wäscht die Pollen aus der Luft. Den Pollenallergikern kommt jedoch auch zugute, wenn die Bedingungen für den Pollenflug grundsätzlich suboptimal sind, auch ohne Regen. Das ist zum einen dann der Fall, wenn die relative Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist, was im Winter aus physikalischen Gründen häufiger passiert. Dann können sich die Kätzchen von Hasel und Erle nicht so leicht öffnen, um ihre Pollen in die Umwelt zu entlassen. Zum anderen ist es für den Pollenflug auch schlecht, wenn die Thermik fehlt, die die Verbreitung der Pollen zu anderen Jahreszeiten unterstützt. Aber: Sobald sich die Wetterbedingungen ändern, und dafür reicht im Winter häufig schon ein sonniger Tag mit einer Temperatur von ca. 10 ° C und ein wenig Wind, startet der Pollenflug erneut durch.
Was passiert mit den Pollen und in der Konsequenz mit den Pollenallergikern, wenn es im Winter nach einer Wärmephase wieder kalt wird?
Wenn die Temperaturen nach milden Tagen sehr stark sinken und es zu Schneefall und strengen Nachfrösten kommt, kann es passieren, dass zum Beispiel die Haselkätzchen, die direkt vor oder bereits in der Blüte standen, abfrieren. Dann setzen sie keine Pollen mehr frei und der gesamte Prozess wird für die Dauer dieser kalten Wetterlage unterbrochen. Das bedeutet aber nicht, dass dann in dieser Saison keine Haselpollen mehr fliegen werden. Wenn andere Haselsträucher, die zum Zeitpunkt des Kälteeinbruchs noch nicht in Blüte standen, mit der Pollenfreisetzung starten, fliegen die Haselpollen erneut. Es kann sogar sein, dass sich damit die Pollensaison der Hasel stark in die Länge zieht mit abwechselnden Phasen schwacher und stärkerer Belastung.
Sie erwähnten, dass die Wetterlage im Januar bzw. Februar für den Pollenflug eigentlich suboptimal ist, was heißt das für Menschen mit Heuschnupfen?
Suboptimale Bedingungen für den Pollenflug bedeuten ja nicht, dass keine Pollen fliegen. Tatsächlich haben Allergiker oft bereits Allergiesymptome, bevor wir den Pollenflug in unseren Pollenfallen messen können. Das könnte auch daran liegen, dass die Pollenfallen stets erhöht, auf Dächern, angebracht werden, damit man einen repräsentativen Eindruck von der Pollenflugsituation einer Region bekommt. Die Heuschnupfenpatienten sind aber nicht auf Dächern, sondern an den Hasel- und Erlenbüschen natürlich „näher dran“. Hinzu kommen lokale Belastungen, zum Beispiel durch den blühenden Haselstrauch vor dem Haus. Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) stellt deshalb auch im Winter, sobald sich draußen „etwas tut“, wöchentliche Pollenflugvorhersagen auf ihrer Webseite (https://www.pollenstiftung.de/pollenvorhersage/wochenprognose.html) zur Verfügung. Wenn man unseren PID-Newsletter (Mail an Barbora.Werchan[at]charite.de, Betreff: „Anmeldung PID-Newsletter“) abonniert, bekommt man interessante Informationen und auch immer die neusten Pollenflugvorhersagen. Wir freuen uns aber auch selbst über jede Meldung zu ersten blühenden Haseln, Erlen, Birken usw. vor dem „eigenen Haus“, denn das hilft uns bei unserer Vorhersage!
Wie meldet man dem PID seine Beobachtungen?
Informationen und Bilder von pollentragenden Pflanzen kann man uns entweder per E-Mail zukommen lassen, gerne direkt an mich unter Matthias.Werchan[at]charite.de oder über eine direkte Nachricht via die sozialen Medien (Facebook, Twitter, Instagram @pollenstiftung). Wir bekommen dann einen noch besseren Überblick über die möglichen Pollenflugaktivitäten.
Herr Werchan, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/ M. Werchan, www.mein-allergie-portal.com
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