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Allergie & Alopecia areata: Gibt es Zusammenhänge?

Allergie Alopecia areata
Allergie & Alopecia areata: Gibt es Zusammenhänge? Bildquelle: B. Basmanav

Alopecia areata (AA) oder auch „kreisrunder Haarausfall“ ist eine häufige Autoimmunerkrankung, die mit Entzündungen einhergeht. Nun haben Bonner Humangenetiker in einer großen Studie1) Zusammenhänge zwischen dem klinischen Verlauf der Alopecia areata und dem Vorhandensein anderer entzündlicher Begleiterkrankungen, so genannter Komorbiditäten, untersucht. Dabei zeigten sich unter anderem Zusammenhänge zwischen einer begleitenden Neurodermitis, Asthma, Rhinitis und dem klinischen Verlauf der Alopecia areata, einschließlich des Erkrankungsalters, des Schweregrades und der Dauer des Haarausfalls. Was das für die Betroffenen bedeutet, erklärte Dr. rer. nat. Fitnat Buket Basmanav, Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn im Gespräch mit MeinAllergiePortal.

 

Interviewpartner: Dr. rer. nat. Fitnat Buket Basmanav, Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn

Autor: Sabine Jossé M.A.

Frau Dr. Basmanav, wie sind Sie bei Ihrer Studie zum Zusammenhang zwischen der Alopecia areata und allergischen Erkrankungen vorgegangen?

Der klinische Verlauf der Alopecia areata ist unvorhersehbar und individuell sehr unterschiedlich. Bei vielen Patienten tritt Alopecia areata in Form von Episoden von Haarausfall und Haarwuchs auf. Das Ausmaß und die Dauer des Haarausfalls können ebenfalls von Episode zu Episode und von Person zu Person variieren. Es ist auch bekannt, dass eine Gruppe von Alopecia areata-Patienten andere chronisch-entzündliche Erkrankungen hat, die als Begleiterkrankungen bezeichnet werden und zu denen auch allergische Erkrankungen gehören. In unserer Studie untersuchten wir, ob es signifikante Unterschiede im klinischen Verlauf zwischen Alopecia areata-Patienten mit allergischen oder anderen Autoimmunerkrankungen und Patienten ohne andere chronisch-entzündliche Begleiterkrankungen gibt. Dafür haben wir Daten einer großen Kohorte von Alopecia areata-Betroffenen analysiert, die selbst über ihre Begleiterkrankungen, einschließlich allergischer Erkrankungen, und die klinischen Merkmale ihres Haarausfalls berichtet haben. Abgefragt haben wir in diesem Zusammenhang die häufigsten Erkrankungen des atopischen Formenkreises: Neurodermitis, Asthma und allergische Rhinitis.

Was zeigte sich in Ihrer retrospektiven Studie zum Zusammenhang von Alopecia areata und bestimmten Allergien?

Zunächst konnten wir sehen, dass 44,5 Prozent der an Areata Erkrankten an mindestens einer der drei allergischen Erkrankungen litt, das ist ein signifikanter Wert. Dabei waren atopische Dermatitis und allergische Rhinitis mit jeweils 26,7 Prozent gleich prävalent, das heißt, diese Erkrankungen traten bei den Befragten gleich häufig auf. An Asthma litten mit 13 Prozent deutlich weniger der Befragten. Wir stellten fest, dass AA-Patientinnen und Patienten mit begleitender Neurodermitis oder Asthma signifikant häufiger über einen früh einsetzenden, schweren und lang anhaltenden Haarausfall berichteten als AA-Patientinnen und Patienten ohne begleitende chronisch-entzündliche Erkrankungen. Auch AA-Patientinnen und Patienten mit Rhinitis berichteten häufiger über lang anhaltenden Haarausfall.

Was bedeutet früh einsetzender, schwerer und langanhaltender Haarausfall?

In unserer Studie wurde langanhaltender Haarausfall definiert als das Auftreten von mindestens einer Episode mit einer Dauer von mehr als 2 Jahren. Der Schweregrad des Haarausfalls hängt vom Ausmaß des Haarausfalls ab, das von einzelnen haarlosen kreisrunden Stellen bis zum vollständigen Verlust der Kopf- oder Körperbehaarung reichen kann, was jeweils als Alopecia totalis und Alopecia universalis bezeichnet wird. Wir haben schwere Alopecia areata als das Auftreten von mindestens einer Episode von Alopecia totalis oder Alopecia universalis definiert. Wir haben auch nach dem Alter bei Krankheitsbeginn gefragt. Dafür haben wir “früh” mit einem Alter von unter 20 Jahren definiert und spät, mit über 20 Jahren. Ein beispielhaftes Ergebnis: Bestand die Begleiterkrankung Neurodermitis, berichteten etwa 50 Prozent der Befragten über ein frühes Auftreten der Alopecia areata. Im Vergleich dazu dies nur bei 37 Prozent der Befragten der Fall, die an keiner weiteren chronisch entzündlichen Erkrankung litten. Dies ist ein signifikanter Unterschied.

Wie wirkte sich die Anzahl der allergischen Komorbiditäten auf die Alopecia areata aus?

Es zeigte sich auch ein Zusammenhang zwischen dem Erkrankungsalter der Alopecia areata und der Anzahl der allergischen Begleiterkrankungen. Alopecia Areata Patientinnen und Patienten, die an allen drei allergischen Erkrankungen, also Neurodermitis, Asthma und allergische Rhinitis, litten, erkrankten durchschnittlich im Alter von 20,7 Jahren an Alopecia areata. Diejenigen, die keine chronisch-entzündlichen Begleiterkrankungen hatten, erkrankten im Median im Alter von 29,5 Jahren an Alopecia areata. Das bedeutet, die Areata trat bei denjenigen, die zu irgendeinem Zeitpunkt die drei atopischen Erkrankungen entwickelten, knapp neun Jahre früher auf. Ich habe hier irgendwann gesagt, da unsere Daten nicht die zeitlichen Beziehungen zwischen dem Alter des Auftretens von AA und diesen allergischen Begleiterkrankungen umfassen. Es kann also sein, dass allergische Erkrankungen, die schon vor der Alopecia areata vorhanden waren, gleichzeitig mit oder nach dem Alter des Auftretens von AA aufgetreten sind. Wir wissen nur, dass die allergische Erkrankung zum Zeitpunkt der Studienteilnahme bereits bestand.

Weiß man, ob eine atopische Erkrankung auch das Risiko für eine Alopecia areata beeinflusst?

Diese Frage konnte mit unserer eigenen Studie nicht beantwortet werden. Es gibt jedoch andere Studien zur Frage, ob bestimmte atopische Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für Areata darstellen. Auf der Ebene einzelner allergischer Erkrankungen wurde diese Frage bisher hauptsächlich für Neurodermitis untersucht, weniger oder fast gar nicht für Asthma und allergische Rhinitis. Einige epidemiologische Studien, die auf Kohorten oder nationalen Registern basieren, geben Hinweise darauf, dass bei Atopischer Dermatitis im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, ein erhöhtes Risiko besteht, an Areata zu erkranken. In jüngster Zeit wurden auch paargenetische Studien mit der Methode der sogenannten Mendelian Randomization durchgeführt, die diese kausalen Zusammenhänge untermauern. Hier konnte man sehen, dass eine genetische Prädisposition für atopische Dermatitis das Risiko für Areata erhöht.

Welche weiteren Gemeinsamkeiten gibt es zwischen allergischen Erkrankungen und Alopecia areata?

Man hat hier zudem auch pathobiologische Gemeinsamkeiten entdeckt.2) Grundsätzlich gilt die Alopecia areata als Autoimmunerkrankung. Es gibt jedoch Studien, die gezeigt haben, dass es bei der Areata immunologische Merkmale im Blutserum oder in der Umgebung der betroffenen Haarfollikel vorhanden sind gibt, die typisch für Allergien sind. So hat man gesehen, dass es auch bei der Areata zu einer Typ-2-Inflammation durch TH2-Zellen kommt, genau wie bei Allergien. Auch eine erhöhte Anzahl bzw. erhöhte Werte von Mastzellen, Eosinophilen und IgE findet man sowohl bei einem Teil der Areata-Patientinnen und Patienten als auch bei Personen mit allergischen Erkrankungen. Es gibt also pathobiologische Zusammenhänge.

Bedeutet das, dass Allergietherapien möglicherweise auch bei der Alopecia areata wirksam sein könnten?

Ich würde vorsichtig mit Ja antworten, es ist wahrscheinlich, dass eine Untergruppe von AA-Patientinnen und Patienten von Behandlungen profitieren kann, die auf die Th2-Entzündung bei allergischen Erkrankungen abzielen. Das beste Beispiel hierfür wäre Dupilumab, ein Biologikum, das für die Behandlung von atopischer Dermatitis zugelassen ist und die Aktivität von Interleukin 4 und Interleukin 13 blockiert, den wichtigsten Zytokinen, die an allergischen Entzündungen beteiligt sind. Mehrere klinische Studien haben gezeigt, dass einige Alopecia areata-Patientinnen und Patienten von einer Behandlung mit Dupilumab profitieren und dass das Ausmaß dieses therapeutischen Effekts mit dem Vorhandensein einer persönlichen oder familiären Vorgeschichte von atopischer Dermatitis oder dem IgE-Serumspiegel korreliert3). Daher könnten Patientinnen und Patienten, deren Areata einen signifikanten Grad an Th2-Entzündung aufweist, ein gutes Ziel für die Prüfung der Wirksamkeit von Medikamenten wie Dupilumab sein.

Viele Menschen haben ja tatsächlich alle drei Erkrankungen, Neurodermitis, Asthma und allergischer Rhinitis, müssen sie sich Sorgen machen auch an Alopecia areata zu erkranken?

Nein, das wäre übertrieben. Viele Menschen entwickeln Allergien, und viele davon entwickeln alle drei der hier analysierten Erkrankungen, während die Prävalenz von Alopecia areata sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei Menschen mit Allergien relativ gering ist. Obwohl epidemiologische Studien zeigen, dass bei Allergikern eine erhöhte Prävalenz von Alopecia areata besteht und das Risiko mit der Anzahl allergischer Erkrankungen steigen kann, entwickelt die überwiegende Mehrheit dieser Menschen keine Alopecia areata. Andererseits zeigt unsere Kohorte, dass die Hälfte der von Alopecia areata Betroffenen angab, nicht an Allergien zu leiden. Es gibt viele andere Faktoren, die eine Rolle dabei spielen, ob man Alopecia areata entwickelt oder nicht.

In Ihrer Studie haben Sie auch nach anderen Komorbiditäten zur Areata gefragt, was war das Ergebnis?

In unseren Fragebögen wurde speziell nach bestimmten begleitenden Autoimmunerkrankungen gefragt, aber es gab auch eine offene Frage nach anderen Begleiterkrankungen der Patienten. Nach der Analyse aller Autoimmun- oder Entzündungskrankheiten haben wir nur die Krankheiten analysiert, die bei mindestens 50 Areata-Patienten auftraten. Dies waren Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, Vitiligo und Psoriasis. Eine weitere Erkrankung, die mit allen drei klinischen Merkmalen - frühes Auftreten, schwerer Verlauf und langes Anhalten - assoziiert war, ist die Schilddrüsen-Erkrankung Hashimoto. Patienten mit begleitender Vitiligo berichteten ebenfalls signifikant häufiger über anhaltenden Haarausfall.

Was wären die nächsten Schritte bei der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen der Alopecia areata und Allergien oder weiteren Erkrankungen?

Ziel der Behandlung von Areata im Sinne der personalisierten Medizin ist es, die Therapie an die individuellen Gegebenheiten anzupassen. Dazu müssen klinische Subtypen der Erkrankung identifiziert werden, die auf unterschiedliche genetische und pathobiologische Faktoren zurückzuführen sind. Die Existenz solcher klinischer Subtypen würde auch erklären, warum das Ansprechen auf Therapien von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ist.

Viele Studien, einschließlich unserer eigenen, liefern Hinweise darauf, dass komorbide Konstellationen von Alopecia areata mit anderen Autoimmunerkrankungen oder atopischen Erkrankungen einige dieser klinischen Subtypen sein könnten. Als nächster Schritt sollten molekulargenetische und mechanistische Studien an genau definierten Subtypen der Erkrankung, zum Beispiel Alopecia areata + allergisches Asthma, durchgeführt werden, um die spezifische Pathobiologie zu identifizieren und damit den Weg für die Entwicklung verschiedener gezielter Therapieansätze zu ebnen. Es gibt bereits einige Studien in dieser Richtung, aber es werden noch mehr benötigt.

Es muss also noch viel geforscht werden...

Auf jeden Fall. Allerdings ist die Angelegenheit noch etwas komplizierter, als ich es hier dargestellt habe. Denn auch andere Autoimmunerkrankungen und Allergien selbst weisen klinische Subtypen auf. Zum Beispiel ist bekannt, dass es bei allergischen Erkrankungen IgE-vermittelte und nicht IgE-vermittelte Typen gibt, sodass die zugrunde liegende Biologie auch hier sehr heterogen ist. Aufgrund der Größe unserer Kohorte und der Art der Daten konnten wir diesen Aspekt nicht untersuchen, sodass wir beispielsweise alle Areata-Patienten, die angaben, Asthma zu haben, in einer Gruppe zusammenfassen mussten, unabhängig davon, wie ähnlich oder unterschiedlich ihr „Asthma“ war. Möglicherweise können große nationale Register mit Aufzeichnungen vieler Gesundheitsparameter analysiert werden, um homogenere komorbide Konstellationen von AA mit allergischen Erkrankungen weiter zu definieren und klinische Korrelate der Erkrankung bei diesen Patienten weiter zu identifizieren. Darüber hinaus könnte untersucht werden, ob beispielsweise allergische Erkrankungen häufiger vor dem Haarausfall auftreten oder umgekehrt. Auf diese Weise könnten Zusammenhänge entschlüsselt werden, die wertvolle Informationen für die Therapie und vielleicht sogar für die Prävention liefern könnten.

Auch wenn es sich nach viel Arbeit anhört, ist es eine Arbeit, die getan werden muss, denn es wird oft nicht gesehen, wie massiv diese Erkrankung das Leben der Betroffenen erschwert.

Inwiefern wird die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Areata unterschätzt?

Haarausfall gilt viel zu oft als ein Lifestylethema bzw. Schönheitsproblem und nicht als Erkrankung. Das der Verlust der Haare, Augenbrauen, Wimpern und zum Teil der gesamten Körperbehaarung, zum Rückzug von sozialen Kontakten, zu Vereinsamung und psychischen Beschwerden führen kann, wird nicht gesehen. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen und ganz besonders auch für Kinder. Man sieht das auch an der Weigerung der GKV, die Kosten für die JAK-Inhibitoren bei schweren Fällen von Haarausfall zu übernehmen. Gerade bei der Alopecia areata ist aber eine frühzeitige Behandlung für eine Gruppe von Betroffenen, die ein erhöhtes Risiko für eine schlechte Prognose, d.h. starken oder dauerhaften Haarausfall haben, sehr wichtig.

Warum ist es wichtig, die Alopecia areata möglichst früh zu behandeln?

Oft wird den Betroffenen geraten, erst einmal abzuwarten, ob der Haarausfall von selbst weggeht. Begründet wird dies damit, dass es bei der Areata zu einer Spontanremission kommen kann. Für manche Patientinnen und Patienten ist das Warten aber eine schlechte Option. Je länger sie warten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie später auf die Behandlung ansprechen. Die Ergebnisse unserer Studie und einiger anderer Studien deuten darauf hin, dass neben Patientinnen und Patienten mit schwerem Haarausfall auch diejenigen mit begleitenden allergischen oder Autoimmunerkrankungen zu der Gruppe von Patientinnen und Patienten gehören, bei denen die Behandlung nicht aufgeschoben werden sollte.

Frau Dr. Basmanav, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Quellen:

1) Annika Friedrich, Marie-Therese Schmitz, Yasmina Gossmann, Silke Redler, Bettina Blaumeiser, Gerhard Lutz, Ulrike Blume-Peytavi, Markus M. Nöthen, Regina C. Betz, F. Buket Basmanav, Comorbid Bronchial Asthma, Atopic Dermatitis and Hashimoto's Thyroiditis Are Risk Factors for Early-Onset, Severe and Prolonged Alopecia Areata, Allergy, First published: 08 January 2025 https://doi.org/10.1111/all.16468

2) Xingqi Zhang, Kevin J. McElwee, Allergy promotes alopecia areata in a subset of patients, First published: 03 September 2019 https://doi.org/10.1111/exd.14027

3) Emma Guttman-Yassky 1 , Yael Renert-Yuval 1 2 , Jennifer Bares 1 , Margot Chima 1 , Jason E Hawkes 3 , Patricia Gilleaudeau 2 , Mary Sullivan-Whalen 2 , Giselle K Singer 1 , Sandra Garcet 2 , Ana B Pavel 4 , Mark G Lebwohl 1 , James G Krueger 2 , Phase 2a randomized clinical trial of dupilumab (anti-IL-4Rα) for alopecia areata patients, Allergy, 2022 Mar;77(3):897-906, 10.1111/all.15071. Epub 2021 Sep 6

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

18. Februar 2025

Autor: S. Jossé/ B. Basmanav, www.mein-allergie-portal.com

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