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Neurodermitis Schub behandeln oder verhindern?

Neurodermitis Schub Behandlung
Neurodermitis Schub: Behandeln oder verhindern? Bildquelle: canva Science Photo Library, helivideo

Neurodermitis-Patienten stellen sich häufig diese zentrale Frage: Soll man erst dann behandeln, wenn der Neurodermitis Schub auftritt, oder schon vorher, um genau das zu verhindern? Diese Frage stellt sich dauerhaft, denn die atopische Dermatitis, ist eine chronische Erkrankung der Haut, die dauerhaft besteht. Sie äußert sich in stark juckenden, trockenen und entzündeten Hautstellen an verschiedenen Lokalisationen des Körpers, zum Beispiel am Rücken oder am Bauch, und tritt häufig in Schüben auf. So kann es zum Beispiel durch einen Infekt oder die Einnahme von Antibiotika zu Neurodermitisschüben bzw. einer Verschlimmerung kommen. Aber: Auch in symptomfreien Intervallen besteht die Erkrankung weiter. Es besteht einerseits die Möglichkeit, immer dann zu behandeln, wenn Hautsymptome auftreten, also eine Schubtherapie durchzuführen. Die andere Möglichkeit ist, präventiv zu behandeln, das heißt, in symptomfreien Intervallen eine Therapie anzuwenden, um Schübe bzw. eine Verschlechterung des Hautbildes zu vermeiden. Welche der beiden Therapien, die Langzeittherapie oder die Schubtherapie, ist besser für den Neurodermitis-Patienten?

Autor: Dr. med. Anna Eger

Neurodermitis behandeln oder verhindern? Nach welchen Kriterien entscheidet man sich für eine Schubtherapie oder eine präventive Therapie?

In der Regel ist es so, dass die Patienten zum Arzt gehen, wenn sie einen akuten Neurodermitis Schub haben, der behandelt werden muss und bis zu mehreren Wochen andauern kann. Der Arzt behandelt demnach zunächst die akuten Ekzeme, führt also eine wirksame Akutbehandlung durch. Danach kann man sich für eine proaktive Langzeittherapie entscheiden, die verhindern soll, dass es zu einem erneuten Schub kommt. Beide Therapieformen sind also gleichwertige Behandlungsstrategien und kommen je nach Gegebenheiten zur Anwendung.

Wird Neurodermitis immer therapiert – unabhängig von Symptomen bzw. Schüben?

Das Ziel der Neurodermitis-Therapie ist es, nicht immer nur kurzfristige Schubtherapien durchzuführen, sondern diese Hauterkrankung auch langfristig zu behandeln. Die Häufigkeit und Dauer der Neurodermitis-Schübe sind bei den Betroffenen sehr unterschiedlich. Manche erleiden nur einmal im Jahr einen Schub, andere müssen fast dauerhaft die juckenden Entzündungen ertragen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass es effektiver ist, eine proaktive Therapie an eine Schubtherapie anzuschließen. Für die Patienten bedeutet das, dass sie nach Abklingen der Neurodermitis-Symptome weiterhin mehrmals pro Woche eine topische Therapie mit Creme auf den zuvor betroffenen Hautstellen anwenden sollten. Hierfür eigenen sich besonders gut die Calcineurininhibitoren. Einige der Neurodermitis-Patienten haben jedoch Bedenken gegenüber der Langzeittherapie.

Was ist für Neurodermitis-Patienten an der proaktiven Neurodermitis-Therapie so störend?

Ca. 60 Prozent der Neurodermitis-Patienten lehnen eine dauerhafte lokale Kortisontherapie ab. Sie haben Bedenken hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen, da sie sich bereits während der Schübe regelmäßig mit Kortisonpräparaten behandeln müssen. Häufig ist es auch so, dass die Therapien nicht regelmäßig angewendet werden. Den Patienten wird aber auch vermittelt, dass eine reine Akutbehandlung bedeuten kann, dass es immer wieder zu Schüben kommt, die dann entsprechend mit einer Schubtherapie behandelt werden müssen. Es gibt eindeutige Daten, die besagen, dass die proaktive Therapie besonders wirksam ist, was auch in den Leitlinien Berücksichtigung findet.

Eine Schubtherapie sieht in der Regel so aus, dass akut betroffene Areale der Haut mit topischen Kortisonpräparaten behandelt werden. Aufgekratzte Läsionen therapiert man auch mit Kortikoiden in Kombination mit Antibiotika oder anderen unspezifisch antibakteriell wirksamen Wirkstoffen. Diese sind zum Beispiel Triclosan, Fusidinsäure oder Octenidin. Ziel ist es, damit die besiedelnden Bakterien zu eliminieren. Wenn ein anhaltend schwerer Verlauf der Neurodermitis vorliegt, sollte eine systemische Therapie erwogen werden.

Wie sieht die systemische Therapie bei schweren Verlaufsformen der Neurodermitis aus?

Reicht trotz guter Schulung und korrekter Anwendung der topischen Medikamente der Therapieeffekt nicht aus und der Patient leidet immer noch unter seinen Symptomen, dann muss man eine systemische Therapie in Erwägung ziehen. Bis vor einigen Jahren standen hierfür hauptsächlich orale Kortisonpräparate (OCS) oder Ciclosporin A (CsA) zur Verfügung. Die Dosierung für Kortisonpräparate kann man nicht verallgemeinern. Sie ist abhängig vom jeweiligen Präparat, da es verschiedene Dosisäquivalente gibt.

Diese Medikamente werden jeweils für eine begrenzte Zeit eingenommen. Sie haben Vor- und Nachteile. Vor allem aufgrund des ziemlich ungünstigen Nebenwirkungsprofils empfehlen die aktualisierten Neurodermitis-Leitlinien diese Behandlung nur noch in Ausnahmesituationen. Inzwischen stehen neue Therapieoptionen zur Verfügung, sogenannte Biologika.

Welche Vor- und Nachteile hat die Therapie mit oralen Kortisonpräparaten für Neurodermitis-Patienten?

Es gibt chronische entzündliche Erkrankungen, die einer dauerhaften niedrig dosierten Kortisontherapie bedürfen und bei denen die niedrig dosierten oralen Kortisonpräparate auch langfristig therapeutisch wirksam sind. Ein Beispiel hierfür ist die rheumatoide Arthritis. Anders ist es bei der Neurodermitis: Im akuten Schub benötigt man eine höhere Dosierung, welche dann aber auch sehr gut wirksam ist. Nach dieser kurzen Stoßtherapie sollte die Dosierung relativ schnell schrittweise reduziert, d.h. ausgeschlichen werden. Das Problem daran ist, dass man dadurch häufig den nächsten Schub provoziert. Des Weiteren sollte dennoch immer zeitgleich eine intensive topische Therapie mit kortisonhaltigen Cremes oder ähnlichem fortgeführt werden, damit das Therapieergebnis nicht gefährdet wird.

Zu welchen Nebenwirkungen kommt es, wenn man bei Neurodermitis lange Kortison-Präparate anwendet?

Häufig oder dauerhaft durchgeführte Kortikoid-Therapien in Form von Tabletten können zu folgenden Nebenwirkungen führen:

  • Kortikoide wirken diabetogen, d.h. sie können zu einem Diabetes mellitus führen bzw. die Stoffwechsellage eines bestehenden Diabetes mellitus akut verschlechtern.
  • Es kann sich ein sogenanntes Cushing-Syndrom entwickeln.
  • Eine Osteoporose kann entstehen.
  • Das Glaukom- und Katarakt-Risiko steigt.
  • Auch die Magenschleimhaut ist gefährdet eine Entzündung – eine sogenannte Gastritis – zu entwickeln, sodass die Behandlung mit Protonenpumpenblockern erforderlich wird.

Viele Patienten sind aus diesen Gründen sehr skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber einer topischen – und erst recht gegenüber einer systemischen – Kortisontherapie. Für topische Kortikoid-Präparate besteht aber ein deutlich geringeres Risiko, da nur ein kleiner Teil der Dosis resorbiert wird und im Blutkreislauf zirkuliert.

Welchen Stellenwert hat die Behandlung mit Ciclosporin bei der Neurodermitis-Therapie?

Wenn Kortison nicht hilft, ist Ciclosporin ein sehr gut wirksames und meist gut verträgliches immunsupprimierendes Medikament. Nach längerfristiger Anwendung kann es jedoch zu einem erhöhten Hautkrebsrisiko kommen, besonders nach vorangegangener Lichttherapie der Haut. Für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen oder einem metabolischen Syndrom ist Ciclosporin nicht geeignet, da sowohl Blutdruck als auch die Blutfettwerte unter einer Ciclosporintherapie ansteigen können. Auch eine eingeschränkte Nierenfunktion ist eine Kontraindikation. Da ein erheblicher Teil der älteren Patienten eine oder mehrere dieser Komorbiditäten, das heißt Vorerkrankungen, haben, scheidet Ciclosporin als Therapieoption für sie aus. Außerdem ist das Wechselwirkungsprofil von Ciclosporin mit anderen Medikamenten unbedingt zu beachten und macht eine Behandlung mit diesem Immunsuppressivum manchmal unmöglich.

Welche neuen Therapieoptionen gibt es in der Neurodermitis-Therapie?

Seit 2017 ist das Biologikum Dupilumab für die Therapie der mittelschweren bis schweren Neurodermitis, bei der eine intensive topische Behandlung nicht ausreicht, als First-line-Therapie zugelassen. Dieser monoklonale Antikörper richtet sich gegen die alpha-Kette des Interleukin-4-Typ-I-Rezeptors und des Interleukin-4/ Interleukin-13-Typ-II-Rezeptors und blockiert damit die Wirkung zweier Schlüssel-Zytokine der atopischen Entzündung.

Neu seit Juli 2021 ist der monoklonale IgG4-Antikörper Tralokinumab zur Behandlung der atopischen Dermatitis bei Erwachsenen zugelassen. Er bindet spezifisch am dem Zytokin Interleukin 13 und hemmt dessen Wechselwirkung mit seinem Rezeptor.

Weitere monoklonale Antikörper für die Therapie der Neurodermitis werden in Studien erforscht.

Welche weiteren Biologika sind zur Behandlung der Neurodermitis in der Entwicklung?

An der Entwicklung wirksamer und sicherer Biologika für die Therapie der Neurodermitis wird intensiv geforscht.

Ein Beispiel ein vielversprechendes Biologikum zur Behandlung der Neurodermitis ist Nemolizumab. Es richtet sich gegen den Interleukin 31-Rezeptor und scheint in Studien besonders den Juckreiz zu lindern und dadurch auch das Hautbild zu verbessern. Insgesamt scheint es auf Dauer zu einer Reduktion der Ekzeme zu kommen.

Ein weiteres Biologikum, Lebrikizumab, ein Interleukin 13- Inhibitor, hat in Kombination mit topischen Kortikosteroiden in einer Phase 3 Studie eine deutliche Verbesserung des Hautbildes und des Juckreizes erzielt.

Welchen Stellenwert haben JAK-Inhibitoren bei der Therapie der atopischen Dermatitis?

Einen weiteren therapeutischen Ansatz in der Neurodermitis-Behandlung stellen die Januskinaseinhibitoren dar. Sie gehören ebenfalls zu den Biologika und modulieren verschiedene Zytokine, die an der Pathophysiologie der Neurodermitis beteiligt sind. Mit Baricitinib, Upadacitinib und Abrocitinib wurden seit 2020 bislang drei verschiedene Präparate dieser Wirkstoffklasse für die Therapie der mittelschweren bis schweren Neurodermitis zugelassen.

Januskinasen sind an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt. Das bedeutet, dass sie nicht nur auf die zugrundeliegende Immunreaktion wirken, sondern auch in anderen Bereichen des Körpers. Beispielsweise können die Blutbildung oder die Infektabwehr beeinflusst werden.

Haben die JAK-Inhibitoren Nebenwirkungen?

Insgesamt scheinen die Januskinaseinhibitoren sehr gut verträglich zu sein. Hinweise für schwerere Nebenwirkungen gibt es zum aktuellen Zeitpunkt für die zugelassenen Wirkstoffe nicht. In etwa 10 Prozent der behandelten Patienten wurde eine unspezifische Konjunktivitis beobachtet, welche zwar lästig, aber gut behandelbar ist. Zu weiteren seltenen Nebenwirkungen zählen Übelkeit, Kopfschmerzen, Blutbildveränderungen mit Eosinophilie oder oraler Herpes.

Bedeutung der neuen Biologika für die Neurodermitis-Therapie

Wie alle Medikamente werden auch die Biologika vor ihrer Zulassung ausführlich in Studien hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit untersucht. Ihre Wirkung ist klar definiert und bei 70 bis 80 Prozent der Patienten konnte eine mindestens 50prozentige Hautverbesserung belegt werden. Die Nebenwirkungen sind gering. Die Akzeptanz dieser neuen Therapien ist bei den Patienten also wesentlich größer als für die herkömmliche Neurodermitis-Therapie. Aufgrund der geringen unerwünschten Arzneimittelwirkungen liegt ein weiterer Vorteil der Biologika darin, dass sie nicht nur zeitlich begrenzt, sondern auch langfristig eingenommen werden können.

Für welche Patienten ist die Behandlung mit Biologika indiziert, das heißt geeignet?

Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Formen der Neurodermitis dürfen laut Leitlinie unter bestimmten Voraussetzungen mit Biologika therapiert werden. Beispielsweise müssen die Möglichkeiten einer wirksamen Lokaltherapie wirklich gut ausgeschöpft sein. Auch sollten potentielle Triggerfaktoren wie trockene Haut, symptomverstärkende Aeroallergene, Nahrungsmittelallergene, Stress oder ähnliches ausgeschlossen sein. Wenn dies der Fall ist und der Patient immer noch unter den juckenden Hauterscheinungen leidet, stehen die zugelassenen Biologika für die Therapie zur Verfügung.

Wann spricht man von mittelschwerer, wann von schwerer Neurodermitis?

Es gibt ein Score-System, das die Neurodermitis in Schweregrade einteilt. Es nennt sich SCORAD und steht für „scoring atopic dermatitis“. Ab einem SCORAD von 25 liegt eine mittelschwere Neurodermitis vor. Dieses Messsystem bewertet den Hautzustand eines Neurodermitis-Patienten allerdings nur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Man sollte daher den gesamten Krankheitsverlauf, die Schubhäufigkeit und die Gesamtkonstellation des Patienten in die Bewertung mit einbeziehen.

Wie lange wird eine Langzeittherapie angewendet? Kann man die Medikation nach Abklingen der Symptome absetzen?

Durch eine Neurodermitis-Behandlung mit Biologika schafft man es, die Symptome der zugrundeliegenden Hauterkrankung zu kontrollieren. Die Ursache der Neurodermitis kann man hiermit leider nicht beseitigen. Man beendet die Therapie mit Biologika nicht, wenn die Symptome sich bessern, denn dann würde es zu einer erneuten Befundverschlechterung kommen und das möchte man ja dem Patienten ersparen. Es handelt sich also um eine auf Dauer ausgelegt Therapie.

Biologika werden aller zwei Wochen als Spritze subkutan, das heißt unter die Haut, verabreicht. Die Patienten können lernen, dies selbst zu tun.

Wann werden Langzeittherapien auch für Kinder und Jugendliche mit Neurodermitis zugelassen sein?

Für Kinder mit atopischer Dermatitis bis 6 Jahren gibt es noch keine Leitlinien-Empfehlung zur Behandlung mit Biologika. Zwar deuten die bisherigen Daten darauf hin, dass sowohl Sicherheit als auch Wirksamkeit mit denen Erwachsener vergleichbar sind, aber endgültige Empfehlungen hängen noch von den aktuellen Studien und Zulassungsprozessen ab. In einer Phase III-Studie mit schwer von Neurodermitis betroffenen Kindern ab sechs Monaten zeigte sich beispielsweise, dass Dupilumab das Hautbild und den Juckreiz innerhalb weniger Wochen deutlich reduziert. Das Sicherheitsprofil glich dem der Erwachsenen.

Man kann also hoffen, dass Biologika kurz- bis mittelfristig auch in der Therapie von Kindern mit schwerer Neurodermitis ihren Einzug halten.

 

Quellen:

https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/013_D_Dermatologische_Ges/013-027l_S2k_Neurodermitis_Aktualisierung-Systemtherapie_2021-05.pdf

https://www.amboss.com/de/wissen/Atopische_Dermatitis

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/neues-neurodermitis-medikament-zugelassen-130305/

https://arznei-news.de/atopische-dermatitis-lebrikizumab-verbessert-hautsymptome-juckreiz-in-kombination-mit-topischen-kortikosteroiden/

www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Tralokinumab_56479#Anwendung

www.pharmazeutische-zeitung.de/neurodermitis-antikoerper-schon-fuer-kinder-ab-sechs-monaten-geeignet-127735/

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

01. April 2022

Autor: Dr. med. Anna Eger, www.mein-allergie-portal.com

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