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Lupinen, gut für die pflanzliche Ernährung?

Lupinen Lebensmittel Ernährung
Lupinen: Ein gutes Lebensmittel für die pflanzliche Ernährung? Bildquelle: G. Jahreis

Lupinen enthalten sehr viel pflanzliches Eiweiß. Es liegt also nahe, Lupinenproteine in der Lebensmittelproduktion einzusetzen. Sind sie ein gutes Lebensmittel für die pflanzliche Ernährung? MeinAllergiePortal sprach mit em. Prof. Dr. Gerhard Jahreis, Lehrstuhl für Ernährungsphysiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena über die positiven Eigenschaften des Lupinenproteins, die Allergenität der Pflanze und die Verträglichkeit für Menschen mit Nahrungsmittelallergien oder Intoleranzen.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Prof. Dr. Gerhard Jahreis

Herr Prof. Jahreis, Sie haben sich intensiv mit der Erforschung der Lupine als Nahrungsmittel beschäftigt. Was waren die Gründe?

Ein Grund für mein Interesse an der Lupine ist, dass in Südamerika auf 17 Millionen Hektar Sojabohnen angebaut werden, die für den Markt der EU bestimmt sind. Angesichts der Tatsache, dass bei uns teilweise Ackerland ungenutzt bleibt, finde ich das eine Schande. Ich habe deshalb nach alternativen Möglichkeiten für den Anbau in Europa gesucht. Das sollten Pflanzen sein, die, genau wie Soja, einen hohen Proteingehalt haben. In Frage kommen dafür Erbsen, die europäische Version der Sojabohne, oder eben die Lupine.

Ist die Lupine aufgrund ihres hohen Proteingehaltes ein Fleischersatz?

Ja, auf jeden Fall. Der zweite Grund für meine Forschungen an der Lupine ist der Ansatz, Fleischproteine zumindest teilweise durch pflanzliche Proteine zu ersetzen. Deshalb haben wir verschiedene Studien, unter anderem mit Lupinenprotein, durchgeführt. So haben wir Wurst hergestellt, bei der ein Teil des Fleischproteins durch Lupinenprotein ersetzt wurde. Unser Ziel ist es, tierische Proteine zum Teil durch pflanzliche Proteine zu ersetzen, so dass das Proteinangebot insgesamt nicht darunter leidet.

Warum wollen Sie nur einen Teil der Fleischproteine durch pflanzliche Proteine ersetzen?

Weil das auch eine Frage der Ernährungsgewohnheiten ist und viele Menschen Produkte, die aus rein pflanzlichen Proteinen bestehen, ablehnen. Ich habe schon an der Entwicklung einer ganzen Reihe von guten Produkten mitgewirkt, aber wenn die Akzeptanz beim Verbraucher fehlt, bringt es nichts. Deshalb verfolgen wir eher den Ansatz, bestimmte Produkte mit Lupinenprotein oder auch mit Lupinenmehl anzureichern. Das funktioniert bei Brot und Brötchen sehr gut. In Südbayern hat man beispielsweise "Stangerln" mit Lupinenmehl gebacken, die ganz hervorragend schmecken. Hinzu kommt, dass das Lupinenprotein ein argininreiches Protein ist.

Welchen Vorteil hat es, dass das Lupinenprotein ein argininreiches Protein ist?

Pflanzliche Proteine haben auch andere vorteilhafte Eigenschaften, die wir in Humanstudien auch nachweisen konnten. Das Lupinenprotein enthält einen hohen Anteil an Arginin. Die Aminosäure Arginin trägt zur Stickstoffmonoxid-Synthese bei und hat damit auch eine günstige Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System. In einer unserer Studien konnten wir außerdem nachweisen, dass das Lupinenprotein eine blutdrucksenkende und cholesterinsenkende Wirkung hat.

Wie kommt es, dass das Arginin in Lupinen den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senkt?

Das ist vermutlich auf die gefäßerweiternde Wirkung des Arginins aus dem Lupinenprotein zurückzuführen.1 Das Lupinenprotein wirkt somit dem Bluthochdruck entgegen. Außerdem konnten wir zeigen, dass durch die Eigenschaften des Lupinenproteins das LDL-Cholesterin im Blut vermindert wird und sogar die Triglycerid-Konzentration absinkt. Die kombinatorische Wirkung von pflanzlichen Proteinen mit anderen Inhaltsstoffen ist sehr günstig. Deshalb ist es sinnvoll pflanzliches Protein auch zur Prävention von Zivilisationskrankheiten zu nutzen.

Ein weiterer Grund für den Verzehr von pflanzlichen Proteinen ist, dass es zur Unterdrückung des Hungergefühls beiträgt. Ein Brot, das Lupinenprotein enthält, sättigt, ohne dass man zusätzlich Fleisch oder Wurst essen muss. Durch den hohen Proteinanteil ist es aber dennoch eine vollwertige Mahlzeit. Das hängt damit zusammen, dass der Proteinstoffwechsel im Körper anders erfolgt als der Abbau von Kohlenhydraten und Fetten. Für die Vorbeugung von Adipositas ist das natürlich ein wichtiger Faktor.

Enthalten Lupinen auch Omega-3-Fettsäuren?

Lupinensamen sind relativ fettarm. Der Fettgehalt schwankt zwischen 6 und 8 Prozent 5,6. Davon sind etwa 7 Prozent Omega-3-Fettsäuren und 27 Prozent Omega-6-Fettsäuren. Somit hat das Öl der Lupine ein optimales n-6/n-3-Verhältnis von etwa 4:1. Ernährungsphysiologisch ist der Ölanteil von geringer Bedeutung, da die Fettaufnahme mit Lupinenprodukten gering ist.

Die Lupine ist eine alte Pflanze, die traditionell als Futterpflanze oder zur Gründüngung eingesetzt wurde. Warum entdeckt man erst jetzt die Lupine als Lebensmittel?

Das Problem war lange Zeit, dass die Lupine normalerweise Bitterstoffe enthält, was den Geschmack natürlich erheblich beeinträchtigt. Erst die neuen Züchtungen wie die Süßlupine, haben es ermöglicht, die Lupine als Fleischersatz oder generell als Nahrungsmittel, zu nutzen. Unsere Produkte, die mit Lupinenprotein angereichert wurden, wie das Brot, die Brötchen und die Wurst, haben ganz ausgezeichnet geschmeckt.2 Es gibt mittlerweile auch Produkte, die als Proteinquelle nur Lupine enthalten in Form von Wurst, Schnitzel oder Brotaufstrich.

Was muss man bei der Verarbeitung der Lupine beachten?

Die Lupine lässt sich relativ gut verarbeiten, denn das Lupinenprotein lässt sich ähnlich gut extrahieren wie das Sojabohnenprotein. Es hat auch günstige technologische Eigenschaften für die weitere Verarbeitung zu verschiedenen Lebensmitteln. Ähnliche ernährungsphysiologische Untersuchungen haben wir mit dem Rapsprotein durchgeführt, das aber technologisch sehr aufwändig isoliert werden muss.3

In einer Ihrer Studien haben Sie die allergene Wirkung der Lupine untersucht, gibt es eine Lupinen Allergie?

Um die Allergenizität des Lupinenproteins zu untersuchen, haben wir sowohl bei gesunden als auch bei allergischen Studienteilnehmern Pricktests durchgeführt.4

Das Ergebnis: Bei den Nicht-Allergikern haben 2 Prozent der Studienteilnehmer auf das Lupinenprotein allergisch reagiert. Dieser Wert ist vergleichbar mit den Werten, die beispielsweise für Sojabohnen üblich sind. Bei den Allergikern haben 6 Prozent der Studienteilnehmer allergische Reaktionen gezeigt. Auch das ist kein hoher Wert und vergleichbar mit anderen Leguminosen. Die allergene Wirkung der Lupine ist nicht größer als bei Soja, das ja in der Lebensmittelindustrie sehr intensiv genutzt wird.

In unserer Studie zeigten Menschen mit einer Erdnussallergie oder einer Sojaallergie mit 6 Prozent den höchsten Anteil allergischer Reaktionen auf das Lupinenprotein. Das liegt an den Kreuzreaktivitäten innerhalb der Leguminosen. Menschen mit einer Nussallergie sollten sich deshalb vor dem Verzehr von Lupinen beraten lassen und abklären, ob eine Kreuzallergie besteht. Die Allergenkennzeichnung gilt auch für Lupinen, so dass diese Zutat bei Fertigprodukten erkennbar ist.

Gibt es neben den Leguminosen noch weitere Kreuzreaktionen bzw. Kreuzallergien der Lupinen?

Theoretisch können auch Kreuzreaktionen gegenüber Birkenpollen, Erlenpollen oder Haselnusspollen auftreten. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass sich bei etwa 10 Prozent der Birkenpollenallergiker eine Allergie gegen Soja entwickeln kann. Bei diesen sekundären Allergien treten allerdings in der Regel nur lokale Effekte, wie zum Beispiel Schwellungen im Lippenbereich oder Atembeschwerden auf.

Heutzutage gibt es sehr viel mehr Produkte mit Lupinen: Joghurt, Eis, Milch, Lupinenflocken, Lupinen Eiweiß Tabs, Lupinensauce, Lupinenschrot, Lupinenaufstrich, Protein Shakes – werden in der Zukunft noch mehr Lebensmittel mit Lupinen hergestellt?

Die Lupine ist die Sojabohne des Nordens und in der Produktpalette noch lange nicht ausgereizt. Es werden ständig neue Produkte entwickelt, z. B. Pattys und Falafeln, zum Beispiel von Thomas Hidding, Inhaber des gleichnamigen Feinkostgeschäftes in Nordwalde. Aber auch die bekannten Hersteller von Lupinenprodukten, wie zum Beispiel Purvegan, erweitern kontinuierlich ihr Sortiment.

Wie sieht denn die Verträglichkeit von Lupinen bei Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten aus?

In unserer Studie haben wir nur Menschen mit und ohne Allergien untersucht. Für Personen mit Zöliakie bzw. Glutenunverträglichkeit oder Laktoseintoleranz ist die Lupine hervorragend geeignet. In Kombination mit Reis- oder Maisstärke stellt sie eine bessere Proteinquelle als das Getreideprotein dar.

Manche Menschen klagen über Blähungen oder Durchfall nach dem Verzehr von Lupinen. Mit welchen Symptomen macht sich eine Lupinen-Unverträglichkeit sichtbar?

Lupinen enthalten Tri- und Oligosacchariden, das heißt, Stachiose, Raffinose, und Verbascose, und geringe Mengen an Ciceritol. Diese Saccharide können Blähungen und Flatulenz verursachen, da sie im Dickdarm abgebaut werden. Durch wässrige Extraktion und Hitzebehandlung können diese Substanzen abgereichert werden.

Es ist zu bedenken, dass diese Substanzen, ähnlich wie lösliche Kohlenhydrate, auch positive Effekte haben, indem sie präbiotische Wirkungen entfalten. Die bei der Fermentation entstehenden kurzkettigen Fettsäuren, besonders Buttersäure, schützen vor Darmkrebs, und kurzkettigen Fettsäuren haben einen positiven Einfluss auf das Sättigungszentrum des Gehirns.

Können Menschen mit einer Histaminintoleranz zu Süßlupinen, Lupinenmehl etc. greifen? Wie hoch ist der Histamingehalt?

Während Sojaprodukte, besonders wenn sie fermentiert sind, bei Histaminsensitivität nicht zu empfehlen sind, eignen sich unter den Hülsenfrüchten besonders Erbsen und Lupinen für eine histaminarme Ernährung.

Sind Lupinen auch hinsichtlich der Versorgung mit Mikronährstoffen von Interesse?

Lupinen sind reich an den Vitaminen B1 (Thiamin), B2 (Riboflavin), B6 (Pyridoxin) und besonders an Folat. Auch zur besseren Versorgung mit den Mineralien Kalzium, Eisen, Magnesium und Zink können sie einen deutlichen Beitrag leisten.6

Was empfehlen Sie den Verbrauchern beim Umgang mit Lupinenprotein?

Man sollte Lupinenprotein einfach einmal ausprobieren, entweder die entsprechenden Fertigprodukte oder in Form von Lupinenmehl für die eigene Küche. Dabei hat es sich bewährt, Lupine gemeinsam mit anderen Zutaten einzusetzen, besonders mit Mehl aber die Kombination mit Kartoffeln ist ebenso möglich.

Auch Menschen, die ihr Gewicht reduzieren müssen, sollten ruhig einmal Lupinenmehl beim Backen und Kochen einsetzen und für Hühnerei-Allergiker und Kuhmilchallergiker ist die Lupine ein guter Eiweißlieferant.

Herr Prof. Jahreis, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Quellen:

1. Melanie Bähr, Anita Fechner, Julia Krämer, Michael Kiehntopf and Gerhard Jahreis, Lupin protein positively affects plasma LDL cholesterol and LDL:HDL cholesterol ratio in hypercholesterolemic adults after four weeks of supplementation: a randomized, controlled crossover study. Nutrition Journal 2013, 12:107. DOI: 10.1186/1475-2891-12-107

2. Bähr, M., Fechner, A., Kiehntopf, M., & Jahreis, G. (2014). Consuming a mixed diet enriched with lupin protein beneficially affects plasma lipids in hypercholesterolemic subjects: A randomized controlled trial. Clinical Nutrition, 2014. DOI: 10.1016/j.clnu.2014.03.008

3. Manja Fleddermann, Anita Fechner, Andrea Rössler, Melanie Bähr, Anja Pastor, Frank Liebert and Gerhard Jahreis, Nutritional evaluation of rapeseed protein compared to soy protein for quality, plasma amino acids, and nitrogen balance - A randomized cross-over intervention study in humans. Clinical Nutrition, 2013, 32:519. DOI: 10.1016/j.clnu.2012.11.005

4. Melanie Bähr, Anita Fechner, Martin Kaatz and Gerhard Jahreis, Skin prick test reactivity to lupin in comparison to peanut, pea, and soybean in atopic and non-atopic German subjects: A preliminary cross-sectional study. Immunity, Inflammation and Disease, 2014, DOI: 10.1002/iid3.24

5. Jahreis G, Brese M, Leiterer M, Schäfer U, Böhm V (2016) Legume flours: Nutritionally important sources of protein and dietary fiber. ErnahrungsUmschau 63(02): 36–42

6. Erbersdobler HF, Barth CA, Jahreis G (2017) Legumes in human nutrition. Nutrient content and protein quality of pulses. ErnahrungsUmschau 64(9): 134–139; 64(10): 140–14

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

14. März 2022

Autor: S. Jossé/G. Jahreis, www.mein-allergie-portal.com

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