Milchprodukte: Gut oder schlecht für Verdauung und Immunsystem?
Milchprodukte werden kontrovers diskutiert. Für die einen gehören sie zur gesunden Ernährung, andere halten sie sogar für schädlich. Viele Verbraucher, und nicht nur Menschen, die unter einer Laktoseintoleranz leiden, sind deshalb verunsichert. Ist Milch nun gut oder schlecht für die Verdauung und das Immunsystem? Darüber sprach MeinAllergiePortal mit Stefanie Metty, Diätassistentin und Fachberaterin Allergologie (DAAB), akkreditierte Fettstoffwechseltherapeutin, Beraterin mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Onkologie und Nephrologie in Schwabach bei Nürnberg.
Autor: Sabine Jossé M. A.
Interviewpartner: Stefanie Metty
Frau Metty, welche Zusammenhänge gibt es zwischen Milchprodukten, der Verdauung und dem Immunsystem?
Vor allem die Sauermilchprodukte haben einen großen Einfluss auf die Verdauung. Sauermilchprodukte wie zum Beispiel Naturjoghurt, Dickmilch, Buttermilch und Kefir enthalten Bakterien und diese wirken sich positiv auf unsere Darmfunktion aus und sind gut für den Darm.
Ein großer Teil unseres Immunsystems ist im Darm verortet. Das bedeutet, wenn unser Darm „gut funktioniert“, kräftig ist und viele „gute“ Bakterien enthält und, wie der Laie sagt, eine "gute Darmflora" hat, dann ist auch unser Immunsystem stark und kann seine Aufgaben besser wahrnehmen.
Sind denn „gute“ Bakterien in allen Milchprodukten gleichermaßen enthalten?
Im Prinzip schon. Ganz besonders viele „gute“ Bakterien, zum Beispiel Lactobacillus bulgaricus, findet man jedoch im stichfesten Naturjoghurt. Deshalb sollte man diesen beim Einkaufen bevorzugen und darauf achten, dass das auch so auf der Verpackung steht. Ebenso wichtig ist der Hinweis „im Becher gereift“. Das bedeutet, der Joghurt enthält die „richtig guten“ Bakterien. Außerdem ist der Lactobacillus bulgaricus ein Säurebildner. Dadurch wirkt er sich sowohl bei Verstopfung als auch bei Durchfall positiv aus und kräftigt zudem auch unseren Darm.
„Gute“ Bakterien findet man aber nicht nur im stichfesten Joghurt. Auch in der Dickmilch, im Kefir und in der Buttermilch sind „gute“ Bakterien enthalten und natürlich auch in milden Joghurtsorten, im Quark und im Hüttenkäse.
Heißt das, dass Milch weniger „gute“ Bakterien enthält und auch weniger positiv auf die Verdauung wirkt?
Genau! Und tatsächlich sollte man auch zwischen „Milch“ und „Sauermilchprodukten“ unterscheiden. Eine verdauungsfördernde Stärkung des Immunsystems haben hauptsächlich die Sauermilchprodukte.
Wenn wir schon über die Unterschiede sprechen – wirken sich grundsätzlich alle Sauermilchprodukte positiv auf die Verdauung aus, egal ob naturbelassen oder mit Zusätzen?
Nein, nicht alle, sondern eher die naturbelassenen Sauermilchprodukte, also Naturjoghurt, reine Buttermilch etc. haben diese positive Wirkung. In Sauermilchprodukten mit Fruchtzubereitungen, also in einem Fruchtjoghurt zum Beispiel, ist auch sehr viel Zucker enthalten. Auch Light-Produkte bzw. Light-Joghurts, das heißt fettreduzierte Sauermilchprodukte, sind nicht empfehlenswert. Sie enthalten sehr häufig Süßstoffe oder zusätzlich Fruchtzucker und diese Zusätze können dann eher wieder einen negativen Einfluss auf unsere Verdauung haben, da sie auch abführend wirken können.
Wenn von „guten“ Bakterien die Rede ist und vom Immunsystem, geht es ja im Grunde um das Mikrobiom des Darmes…
Ja, genau! Die Zusammensetzung aller Bakterien, das Mikrobiom, kann man „füttern“, indem man Sauermilchprodukte isst, die „gute“ Bakterien enthalten. Aber natürlich müssen sich die „guten“ Bakterien im Darm dann auch „wohlfühlen“. Es reicht nicht, fleißig Sauermilchprodukte zu essen. Auch viel Gemüse sollte hinzukommen!
Man kann das so sagen: Genau wie unser Auto Benzin und Öl braucht, um eine gute Fahrleistung zu erbringen, brauchen wir Sauermilchprodukte und viel Gemüse, damit sich unsere Darmbakterien wohl fühlen.
Welche Gemüsesorten sind denn besonders gut geeignet als „Futter“ für unsere Bakterien?
Eigentlich ist jedes Gemüse gut für den Darm und die Verdauung. Allerdings sollte man schon individuell unterscheiden, wem man welche Empfehlungen gibt. Wenn ein Patient unter Blähungen leidet, sollte er nicht unbedingt große Mengen Rosenkohl oder Wirsing essen. Besser wären hier Blumenkohl, Brokkoli oder Erbsen. Bei einem empfindlichen Darm sollte man beim Gemüse auf die Ballaststoffe achten und den Darm nicht zu sehr beanspruchen. Man kann aber ganz behutsam starten mit Gemüsesorten, die eher gut vertragen werden. Dazu gehören durchaus auch Kohlrabi oder Karotten.
Zurück zu den Milchprodukten: Sollte man hier auch auf Qualitätsunterschiede achten, bzw. sind sie relevant im Zusammenhang mit der Verdauung?
Auch da gilt wieder: Je natürlicher desto besser! Denn was heutzutage lebensmitteltechnologisch mit Milchprodukten gemacht wird, ist schon bemerkenswert. Deswegen empfehle ich meinen Patienten immer, dass die Produkte so natürlich wie möglich sein sollten. Das heißt: Naturjoghurt, reine Buttermilch, Quark mit 20 Prozent Fettgehalt und nicht die Produkte mit Süßstoffen und Fruchtzubereitungen.
Natürlich wäre es am besten, wenn man einen Betrieb oder einen Dorfladen um die Ecke hätte, der diese Produkte noch in Eigenproduktion herstellt und anbietet. Das kann aber keine allgemeine Empfehlung sein, denn das gibt es ja wirklich nur vereinzelt.
Zum guten Schluss noch folgende Frage: Wie viele Sauermilchprodukte sollte man denn essen, wenn man Verdauung und Immunsystem stärken möchte?
Ich empfehle zwei Portionen Sauermilchprodukte à 150 Gramm in Form von Joghurt, Buttermilch oder Kefir, und dann noch ein Glas Milch, das sind ca. 250 ml, oder eine Portion Käse, wie Emmentaler oder Gouda. Das gewährleistet eine gut Kalzium- und Eiweißversorgung und dann wären wir bei insgesamt drei Portionen an Milchprodukten.
Was empfehlen Sie denn Ihren Patienten, die bisher gar keine Milchprodukte verzehrt haben und jetzt damit anfangen möchten?
Menschen, die lange keine Milchprodukte verzehrt haben, sollten tatsächlich „sanft“ einsteigen! Viele meiner Patienten haben lange Zeit wirklich keine Milch bzw- daraus hergestellte Produkte zu sich genommen, weil sie die Diagnose „Laktoseunverträglichkeit“ bekommen haben, oder weil sie unklare Beschwerden hatten und dann auf alle Milchprodukte verzichtet haben. Dann „entwöhnt“ sich der Körper und das schneller als gedacht. In diesem Fall werden Milchprodukte sehr vorsichtig und ganz langsam in den Speiseplan eingeführt. Man beginnt dann zum Beispiel mit 50 Gramm Quark oder Naturjoghurt. Meine Erfahrung ist, dass diese Produkte wirklich gut und schnell vertragen werden.
Es ist also auch bei einer Laktoseintoleranz sinnvoll, Milchprodukte hin und wieder zu verzehren?
Absolut! Auch Patienten mit einer Laktoseunverträglichkeit vertragen Sauermilchprodukte sehr gut. Ich komme wieder auf den stichfesten Naturjoghurt zurück, der den Lactobacillus bulgaricus enthält, welcher den Milchzucker sozusagen „abbaut“. Deswegen vertragen die Menschen bei Laktoseunverträglichkeit die Sauermilchprodukte schon recht gut. Spezielle laktosefreie Produkte brauchen diese Patienten in der Regel nicht.
Frau Metty, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/ S. Metty, www.mein-allergie-portal.com
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