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Salicylate, Salicylat-Intoleranz, Salicylat-Unverträglichkeit

Salicylat-Unverträglichkeit
Karina Woschek zum Thema: Salicylat-Unverträglichkeit - wo verstecken sich Salicylate? Quelle: K. Woschek

Nach der Diagnose „Salicylat-Unverträglichkeit“ stellt sich die Frage, ob man zukünftig Nahrungsmittel, die Salicylate bzw. Salicylsäure enthalten, aus dem Speiseplan streichen sollte. Die Betroffenen wünschen sich deshalb oft eine Art „Salicylsäure-Lebensmittel-Tabelle“. Aber wie sinnvoll ist das und muss man unbedingt wissen, wo genau Salicylate enthalten sind? MeinAllergiePortal sprach mit Karina Woschek, M.Sc., Diätassistentin, Master of Science Health Education, Ernährungsfachkraft Allergologie (DAAB), Ernährungspsychologie (Zertifikat HS Fulda) in der HNO-Gemeinschaftspraxis Wiesbaden.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Karina Woschek M. Sc.

Frau Woschek, was sind Salicylate und was ist eine Salicylat-Intoleranz?

Salicylate sind eine Art „Ausgangssubstanzen von Salicylsäure“. Sie könnten eine Rolle bei der Salicylat-Intoleranz spielen, die auch oft als Salicylat-Unverträglichkeit oder ASS-Intoleranz bezeichnet wird. Die Relevanz von Salicylaten bei dieser Unverträglichkeitsreaktion wird aber kontrovers diskutiert.

Ist die Salicylat-Intoleranz oder Salicylat-Unverträglichkeit eine Allergie?

Die ASS-Intoleranz gehört laut Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) zu den nicht IgE-vermittelten Überempfindlichkeitsreaktionen. Auch die DGE, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, zählte 2009 in den Beratungsstandards die Reaktionen auf Salicylate zu den nicht-allergischen Lebensmittelhypersensitivitäten. Die australisch-asiatische Gesellschaft für klinische Immunologie und Allergie sieht die Salicylat-Unverträglichkeit ebenso als nicht-immunologische, pharmakologisch-bedingte Reaktion. Bei wissenschaftlichen Publikationen oder Übersichten von Fachgesellschaften aus dem allergologischen Bereich, die Einteilungen von Nahrungsmittelunverträglichkeitsreaktionen vornehmen, ist diese Intoleranz nicht vertreten. Man kann also sagen, dass die Salicylat-Intoleranz allgemein nicht als Allergie gewertet wird.

In welchen Nahrungsmitteln können Salicylate enthalten sein?

Salicylate, in Form von freier und gebundener Salicylsäure, befinden sich vor allem in Gewürzen, aber auch in Gemüse, Obst, Getreide, Nüssen und Getränken.

Salicylathaltige Gewürze sind zum Beispiel:

  • Curry
  • Paprika
  • Thymian
  • Chili
  • Peperoni

Zu den salicylathaltigen Gemüsesorten gehören unter anderem:

  • Dosentomaten
  • Okraschoten in Dosen
  • Saubohnen
  • Pastinaken
  • Auberginen
  • Brokkoli
  • Chicorée
  • Chilischoten
  • Zucchini
  • Endivien
  • Chicorée
  • Grüne, eingelegte Oliven
  • Peperoni
  • Radieschen

Salicylathaltiges Obst ist zum Beispiel:

  • Orangen
  • Ananas
  • Pflaumen
  • Erdbeeren
  • helle Trauben
  • Brombeeren
  • Heidelbeeren
  • schwarze Johannisbeerev
  • Avocado
  • die meisten Apfelsorten
  • Melone
  • Kirschen
  • Frische Aprikosen
  • Preiselbeeren

Aus der Gruppe der Getreide sind vor allem Buchweizen, Hafer und Mais salicylatreich.

Bei den Nüssen sind viele eher reich an Salicylsäure. Ausgenommen sind lediglich Cashewkerne und Haselnüsse.

Salicylathaltige Getränke sind zum Beispiel:

  • Pfefferminztee
  • Liköre
  • Portwein
  • Wein
  • Rum
  • Fruchtsaftkonzentrate
  • aromatisierte Getränke mit Fruchtgeschmack
  • Frucht- und Gemüsesäfte
  • Kamillentee
  • Zichorien-Getreidekaffee

Gibt es Faktoren, die den Salicylsäuregehalt dieser Nahrungsmittel beeinflussen?

Der Salicylsäuregehalt in verschiedenen Lebensmitteln variiert stark, weil er von vielen Faktoren beeinflusst wird, etwa vom Anbaugebiet. Aber auch die Lagerung und Zubereitung der Nahrungsmittel spielen für den Gehalt an Salicylaten eine Rolle. Die Analysewerte eines Nahrungsmittels bezüglich des Salicylsäuregehalts zeigen zudem starke Abweichungen voneinander, auch dann, wenn das gleiche Bestimmungsverfahren angewandt wurde. Ein Beispiel: Beim Apfelsaft liegen die Werte zwischen 0,73 und 3,81 mg/kg. Das erschwert es, die Angaben zum Salicylsäuregehalt in Lebensmitteln als zuverlässige Quelle zu bewerten.

Wie kann die Zubereitung der Speisen den Gehalt an Salicylsäure beeinflussen?

Zum Beispiel haben frische Tomaten eher einen geringeren Gehalt an Salicylsäure, beim Tomatenketchup dagegen steigt der Gehalt um das 15-Fache. In Wasser gekochtes Gemüse enthält weniger Salicylate als rohes Gemüse, und auch das Schälen von Gemüse oder Obst hat einen Einfluss auf den Gehalt von Salicylaten. Bei eingelegten Lebensmitteln wiederum, steigt der Gehalt an Salicylaten.

Worauf sollten Patienten achten, die die Diagnose „Salicylat-Intoleranz bzw. Salicalat-Unverträglichkeit“ erhalten haben?

Bei den aktuellen Empfehlungen wird von der Meidung der salicylathaltigen Nahrungsmittel abgeraten, auch aus den eben genannten Gründen. Es macht also keinen Sinn, sich an Lebensmittel-Listen oder Salicylat-Lebensmittel-Tabellen zu halten. Das Problem bei der Meidung von Salicylaten: Wenn man Salicylsäure-haltige Nahrungsmittel strikt meidet, wird gleichzeitig der Konsum von Obst und Gemüse stark eingeschränkt. Das ist im Sinne einer ausgewogenen Kostform nicht gesundheitsfördernd. Die therapeutische Wirkung der antientzündlichen Ernährung hingegen, ist leicht umzusetzen

Das heißt, es wäre schädlich, wenn man aufgrund der Salicylate-Intoleranz auf alle salicylathaltigen Nahrungsmittel verzichten würde?

Salicylate gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen mit einer nachgewiesenen antikanzerogenen und antientzündlichen Wirkung. Betrachtet man die pathophysiologischen Vorgänge bei der ASS-Intoleranz, ist eine Meidung eines antientzündlichen Stoffes klinisch nicht effizient oder sogar kontraproduktiv. Das liegt daran, dass durch die Störungen im Arachidonsäurestoffwechsel Gewebshormone entstehen, die Entzündungsreaktionen im Körper noch verstärken können.

Was sind die typischen Symptome einer ASS-Intoleranz?

Bei einer ASS-Intoleranz könnten die Haut und die Schleimhäute betroffen sein. Auch der Respirations- und Gastrointenstinaltrakt kann in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn man Salycilate nicht verträgt.

Wie stark können die Symptome bei einer Salicylatunverträglichkeit sein?

Bei der ASS-Intoleranz sind auch schwere Krankheitsverläufe möglich, vor allem bei Samter-Trias als Syndromkomplex mit Polypen und Asthma bronchiale. Deshalb könnte man vermuten, dass eine hohe Salicylat-Aufnahme der Auslöser für diese Symptomatik sein könnte. Dies vor allem nach einer Mahlzeit mit vielen potenziell Salicylat-reichen Nahrungsmitteln, wobei eventuell eine kumulierte Wirkung zu erwarten wäre.

Wie sieht eine Salicylat-reiche Mahlzeit aus?

Ein Beispiel für eine potenziell Salicylat-reiche Mahlzeit wäre dies:

  • Ratatouille-Gemüse mit Paprika, Zucchini, gewürzt mit Thymian
  • Dazu ein 1 bis 2 Gläser Wein
  • Anschließend eine Süßspeise, die Ananas, Orangen und Nüsse enthält

Man würde dazu tendieren, diese geballte Salicylataufnahme verhindern zu wollen, um die schwere Symptomatik nicht zu provozieren. Allerdings sind, wie schon vorher erwähnt, die Ergebnisse der Salicylat-Analysen von Nahrungsmitteln recht breit gestreut und nicht eindeutig. Deshalb ist es gar nicht sicher, welche Lebensmittel tatsächlich einen hohen Salicylatgehalt aufweisen und welche nicht. Aus diesem Grund wird den Patienten nicht empfohlen, sich an Salicylat-Tabellen zu orientieren, um Nahrungsmittel mit einem hohen Salicylsäuregehalt zu vermeiden. Es dürfen und sollen eine große Vielfalt an Obst und vor allem an Gemüse verzehrt werden.

Wie wird die Diagnose Salicylatintoleranz gestellt?

Nasale, bronchiale oder orale Provokationstestungen sind Goldstandards in der Diagnostik der ASS-Intoleranz.

Was dürfen Patienten mit einer Salicylat-Unverträglichkeit dann essen?

Den Patienten mit Salicylat-Unverträglichkeit wird, basierend auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, eine antientzündliche Kostform mit einem höheren Anteil an Obst, Gemüse sowie an Omega-3-Fettsäuren empfohlen. Diese antientzündliche Ernährung findet schon bei den rheumatischen Erkrankungen Anwendung. Bei dieser anti-inflammatorischen Ernährungsform wird der Anteil an Arachidonsäure, die zu den Omega-6-Fettsäuren gehört, gesenkt, denn die Wirkung der Arachidonsäure wird als entzündungsfördernd beschrieben. Arachidonsäure befindet sich vor allem in fettreichen, tierischen Lebensmitteln, wie etwa in fettreichen Wurstwaren aus Schweinefleisch.

Es gibt aber auch Hinweise, dass Patienten mit Aspirin-asszoiierten Atemwegserkrankungen, aber auch mit Asthma, Rhinosinusitis und Urtikaria von der Salicylat-armen Ernährung profitieren. Dabei wird eine Salicylat-arme Ernährung individuell an den Patienten angepasst, damit nicht alle Lebensmittel aus der alltäglichen Ernährung gestrichen werden müssen. Den Patienten könnte diese Kostform im Rahmen der Diagnostik, als diagnostische Diät, empfohlen werden, um herauszufinden, ob eine salicylatarme Ernährung die erwünschten Effekte bringt. Allerdings sollte diese nur unter ernährungstherapeutischer Betreuung stattfinden, damit es nicht zur Energie- und Nährstoffdefiziten kommt, individuelle Toleranzgrenzen berücksichtigt werden und die Lebensqualität der Patienten nicht darunter leidet.

Was ist bei Medikamenten, die Salicylate enthalten, zu beachten, wenn man eine Salicylatintoleranz hat?

Es gibt unterschiedliche Wirkungsweisen von NSAIR, das sind nichtsteroidale Antirheumatika. Diese müssen je nach Form der Analgetika-Intoleranz oder je nach Therapieform - kausal oder symptomorientiert - eingesetzt oder gemieden werden. Daher werden die betroffenen Patienten bezüglich der Medikamenteneinnahme, deren Wirkungsweise und möglicher Kreuzreaktionen ausführlich von ärztlicher Seite beraten.

Frau Woschek, herzlichen Dank für dieses Interview!

Quellen:

1. Ascia (Australasian Society of clinical Immunology and Allergy): Food Intolerance. Information for patients, consumers and carers. 2019.

2. DGE (Hrsg) (2009) Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE-Beratungs-Standards, 10. vollständig überarbeitete Aufl. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Bonn

3. Kęszycka P.K.; Lange, E.; Gajewska, D. Effectiveness of Personalized Low Salicylate Diet in the Management of Salicylates Hypersensitive Patients: Interventional Study. Nutrients 2021, 13, 991. https://doi.org/10.3390/nu13030991

4. Kęszycka P.K; et al. Overall Content of Salicylic Acid and Salicylates in Food Available on the European Market. J. Agric. Food Chem. 2017, 65, 11085−11091

5. Klimek L. ASS-Intoleranz-Syndrom: Aktuelle Optionen der Therapie. Dtsch Arztebl 2017; 114(50): [28]; DOI: 10.3238/PersPneumo.2017.12.15.08

6. Laidlaw T. Clinical updates in aspirin-exacerbated respiratory disease. Allergy Asthma Proc. 2019 Jan; 40(1): 4–6.

7. Plank-Habibi S, Dölle S, Schäfer C. Diätetische Implikationen: Salicylsäure und ASS-Unverträglichkeit. Allergologie 41, Nr. 6/2018, 261-272

8. Schneider T, et al. Dietery Fatty Acid Modification for the Treatment of Aspirin-Exacerbated Respiratory Disease: A prospective Pilot Trial. The Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice. Vol. 6, Issue 3, 05-06 2018; 825-831

9. Sowerby L.J, et al. Effect of low salicylate diet on clinical and inflammatory markers in patients with aspirin exacerbated respiratory disease – a randomized crossover trial. Journal of Otolaryngology - Head and Neck Surgery (2021) 50:27

10. Wood A D, et al. A systematic review of salicylates in foods: Estimated daily intake of a Scottish population. Molecular Nutrition & Food Research 55 Suppl 1(S1), 05.201: S7-S14, DOI: 10.1002/mnfr.201000408

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

30. Januar 2023

Autor: S. Jossé/ K. Woschek, www.mein-allergie-portal.com

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