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EoE: Kann eine sublinguale Immuntherapie (SLIT) oder orale Immuntherapie (OIT) die Ursache einer eosinophilen Ösophagitis sein?

Mit einer Allergen-Immuntherapie – das heisst, mittels einer langdauernden Exposition eines Allergens in langsam steigender Dosierung – ist es möglich, bei Allergikern eine Toleranz gegen bestimmte Allergene aufzubauen. Klassischerweise wird das Allergen subkutan gespritzt oder epikutan aufgetragen. Die Behandlung wird aber zunehmend, auch mittels Einnahme des Allergen-Extraktes über den Mund, möglich. Dafür gibt es zwei Methoden, die sublinguale Immuntherapie (SLIT) und die orale Immuntherapie (OIT). Bei der SLIT werden die Allergen-Extrakte unter die Zunge gelegt (sublingual), während sie bei der OIT oral, also über den Mund, eingenommen werden, beides entweder in Form von Tropfen oder Tabletten. Bei beiden Formen gelangt aber ein Allergen in hoher Konzentration auf die Schleimhaut der Speiseröhre. Zudem ist zu bedenken, dass SLIT- und OIT-Kandidaten immer unter schweren Allergien leiden.Nun mehren sich aber Berichte, dass es durch SLIT oder OIT zu einer Eosinophilen Ösophagitis (EoE) kommen könnte. Darüber sprach Prof. Dr. med. Alex Straumann, Facharzt für Gastroenterologie FMH und Leiter des Swiss EoE Research Network mit MeinAllergiePortal.

Eosinophilen Ösophagitis
EoE durch SLIT oder OIT – eine mögliche Folge? Bildquelle: A.Straumann

Autor: Sabine Josse M.A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Alex Straumann, Facharzt für Gastroenterologie FMH und Leiter des Swiss EoE Research Network

Herr Prof. Straumann, kann eine sublinguale oder orale Allergen-Immuntherapie gegen Pollen, Milben, Schimmelpilze oder bestimmte Nahrungsmittel echt eine Eosinophile Ösophagitis (EoE) auslösen?

JA, das ist möglich. Es ist eine respektable Zahl von Fällen publiziert, bei denen Patienten unter laufender SLIT/OIT plötzlich über Schluckbeschwerden klagten und bei deren Abklärung endoskopisch und histologisch eine EoE gefunden wurde.

Wie häufig kommt es vor, dass durch eine sublinguale Immuntherapie oder orale Immuntherapie eine EoE entsteht?

Wir haben keine Ahnung, denn aus den zufällig rapportierten Fällen können wir keine soliden Zahlen betreffend der Häufigkeit ableiten. Bis anhin fehlt nämlich eine Studie, welche das Auftreten einer EoE unter SLIT/OIT systematisch untersucht hat.

Ist eine EoE, die durch eine SLIT oder OIT entstanden ist, eine typische EoE?

Zur Diagnose einer typischen EOE gehört neben den passenden Beschwerden und dem Nachweis der eosinophilen Entzündung in der Schleimhaut der Speiseröhre auch die Chronizität. Es gilt weitgehend das Prinzip „einmal EoE, immer EoE“. Aus den publizierten Fallberichten ist nun meistens nicht ersichtlich, ob Beschwerden und Entzündung nach Absetzen der SLIT oder OIT weiter bestehen blieben - das wäre dann eine echte EoE - oder wieder verschwunden sind - dann wäre es keine echte EoE.

Weiss man, wie es durch SLIT oder OIT zur EoE kommt und was dann im Körper passiert?

Bei einer SLIT oder OIT gelangt ein Allergen in hoher Konzentration in die Speiseröhre. Zudem sind Patienten welche eine SLIT oder OIT benötigen ja schwere Allergiker, das heisst, mit einer Prädilektion zu Allergien belastet. Weiter wissen wir, dass gut 70 Prozent der EoE Patienten ebenfalls mit klassischen Allergien, zum Beispiel Asthma oder Heuschnupfen, vorbelastet sind. Diese Risikokonstellation könnte die SLIT bzw. OIT-Komplikation erklären.

Welche Patienten tragen ein Risiko, durch eine SLIT oder OIT eine EoE zu entwickeln, wer sollte die Therapie meiden?

Diesbezüglich tappen wir noch völlig im Dunklen.

Können Vorsichtsmassnahmen zur Verhinderung einer EoE durch sublinguale Immuntherapie oder orale Immuntherapie empfohlen werden?

JA. Ich würde dringend empfehlen vor Beginn und bei jeder Kontrolle einer laufenden SLIT oder OIT jeden Patienten genau nach Beschwerden beim Schlucken solider, faseriger Speisen zu befragen. Bei vorbestehenden Schluckbeschwerden verbietet es sich, eine sublinguale Immuntherapie oder orale Immuntherapie durchzuführen, und der Patient sollte an einen Gastroenterologen überwiesen werden. Falls während einer laufenden sublingualen oder oralen Immuntherapie neu Schluckbeschwerden auftreten sollten, müsste die Immunotherapie sofort unterbrochen werden.

In einer neu publizierten Studie wurden 48 Allergiker vor Beginn einer SLIT oder OIT nicht nur mittels Befragung, sondern zusätzlich endoskopisch untersucht. Bei 36 Patienten wurden endoskopisch in der Speiseröhre deutliche Veränderungen gefunden und bei einem Drittel der Patienten wurde zudem eine bis anhin nicht erkannte EoE entdeckt. Es stellt sich somit die praktische Frage, ob man vor Beginn einer SLIT oder OIT nicht nur die oben empfohlene Befragung, sondern zusätzlich eine Endoskopie durchführen sollte. Ich wäre allerdings momentan diesbezüglich noch zurückhaltend, denn eine einzelne Studie erfordert immer eine Bestätigung und diese Empfehlung hätte doch grosse Konsequenzen.

Wie schnell nach Beginn der subligualen oder oraalen Immuntherapie kann es zu EoE-Symptomen kommen?

Leider besitzen wir auch diesbezüglich keine soliden Daten, aber ich würde während der gesamten Zeit einer laufenden SLIT oder OIT die Augen, respektive die Ohren (!) offenhalten.

Macht es in Bezug auf das EoE-Risiko einen Unterschied, gegen welches Allergen, zum Beispiel Lebensmittel, Pollen etc. sich die oralen Allergen-Immuntherapien richten?

Leider muss ich ihnen erneut antworten: „wissen wir noch nicht“.

Könnte man, wenn man durch eine SLIT oder OIT eine EoE erworben hat, auf eine subkutane Allergietherapie umsteigen oder ist auch diese ein potentieller Trigger für eine EoE?

Das Auftreten einer EoE unter einer laufenden Immunotherapie wurde bisher nur bei den oralen Formen beobachtet. Ich denke deshalb, dass ein Wechsel auf eine sub-kutane oder epi-kutane Form gewagt werden darf.

Herr Prof. Straumann, herzlichen Dank für dieses Interview!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

21. Juni 2025
Autor: S. Jossé/A. Straumann, www.mein-allergie-portal.com

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