Unerkannte Nahrungsmittelallergie: Endlich Klarheit mit der konfokalen Laserendomikroskopie (CLE)!

Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen – viele Betroffene vermuten dann eine Nahrungsmittelallergie. Wenn dann aber alle Tests negativ verlaufen und die Symptome auch nach Diätversuchen nicht verschwinden, ist die Verzweiflung oft groß, und das gilt insbesondere für die Ausschlussdiagnosen Reizdarmsyndrom (RDS) und Histaminintoleranz (HIT). Endlich Klarheit könnte durch eine neue Diagnosemethode möglich werden, die konfokale Laserendomikroskopie (CLE). MeinAllergiePortal sprach mit Dr. med. Kai Wiemer, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie in den Knappschaft Kliniken Kamen über diese Allergie-Provokationstestung am Darm.
Autor: Sabine Jossé
Interviewpartner: Dr. med. Kai Wiemer, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie in den Knappschaft Kliniken Kamen über diese Allergie-Provokationstestung am Darm
Herr Dr. Wiemer, was ist eine konfokale Laserendomikroskopie?
Die konfokale Laserendomikroskopie kann Biopsien ergänzenen und eröffnet neue Perspektiven in der gastroenterologischen Diagnostik. Mit dieser Technologie lassen sich mikroskopische Veränderungen bzw. dynamische Vorgänge im Zwölffingerdarm, der Teil des Dünndarms ist, in Echtzeit visualisieren. Das bedeutet, man kann während der Endoskopie beobachten, wie die Mukosa, die Schleimhaut, bzw. die Zellen des Zwölffingerdarms, reagieren, wenn sie mit einem Allergen in Kontakt kommen. Man sieht dann „live“, wie ein Leaky Gut entsteht. Aber auch ein bereits bestehender Leaky Gut kann mit der CLE gesehen werden.
Was ist der Unterschied zwischen einer klassischen Endoskopie und der konfokalen Laserendomikroskopie?
Die klassische Endosokopie wird zum Beispiel bei Verdacht auf eine Zöliakie oder eine entzündliche Erkrankung des Darmes durchgeführt. Man kann damit die Schleimhautoberfläche des Zwölffingerdarms biopsieren oder auf bereits sichtbare Veränderungen untersuchen. Das bedeutet man erkennt eine Zöliakie endoskopisch dann, wenn sie bereits fortgeschritten ist.

Normalbefund mit hellen Zottenanschnitten und dunklem Zwischenraum. Man sieht das einreihige Epithel der Barriere.
Im Unterschied dazu ist man bei der konfokalen Laserendomikroskopie nicht darauf angewiesen, dass krankhafte Schleimhaut-Veränderungen vorliegen, denn man kann „in die Schleimhautzellen hineinsehen“. Die zellulären Veränderungen treten zutage, wenn wir mit einem Allergen provozieren und dies mit der konfokalen Endomikroskopie beobachten. So lässt sich eine Nahrungsmittelallergie diagnostizieren, auch wenn es nicht zu makroskopisch sichtbaren Schleimhaut Veränderungen gekommen ist.
Im Video sieht man den Austritt des Fluoreszenz und das Cell Shedding, als die direkte Zerstörung der Zellen mit sichtbaren Zelltrümmern. Quelle: K. Wiemer
Wie funktioniert ein Laserendomikroskop?
Ein Laserendomikroskop ist im Prinzip ein Lichtleitermikroskop, das mit einem Niedrigenergielaser ausgestattet ist und die Bilder optisch aufbereitet. Das Gerät ist mit einem Monitor und einem Rechner verbunden und wird zusätzlich zum Endoskop über dessen Arbeitskanal genutzt. Wir nutzen zum Beispiel sogar ein Doppelkanal Endoskop, so dass wir über den einen Kanal das Mikroskop und über den anderen Kanal das Allergen aufbringen können.
In welchen Fällen wendet man eine konfokale Laserendomikroskopie an?
Die konfokale Laserendomikroskopie kann bei nicht diagnostizierten unspezifischen Bauchbeschwerden und dem Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit helfen eine präzisere Diagnose stellen, als das bislang möglich war. Das ist ein enormer Fortschritt, denn viele Betroffene, bei denen keine Nahrungsmittelallergie bzw. Nahrungsmittelintoleranz nachgewiesen werden kann, erhalten heutzutage die Ausschlussdiagnosen Reizdarmsyndrom oder Histaminintoleranz. Oft gelingt es dann aber trotz Symptomtagebuch und angepasster Ernährung nicht, die Symptome ausreichend in den Griff zu bekommen. In diesen Fällen liefert die konfokale Laserendomikroskopie wertvolle Erkenntnisse über die intestinale Barrierefunktion und mögliche immunologische Reaktionen. Zukünftig wird es aber noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten der CLE geben.
Bei welchen Erkrankungen könnte man die konfokale Laserendomikroskopie noch einsetzen?
Es gibt Studien zum Einsatz der CLE bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Zum Beispiel könnte man so die Wirkung von Medikamenten vorab testen. Man sieht mit der konfokalen Laserendomikroskopie das Ansprechen auf die Therapie bereits auf mikroskopischer Ebene in Echtzeit, und muss nicht lange abwarten, ob die Medikamenteneinnahme die Symptome kontrollieren kann. Auch beim Barret-Ösophagus könnte man die CLE nutzen, um die dysplastischen, also die abnorm veränderten, Areale früher zu finden, und gleiches gilt für Pankreaszysten. Als weitere Anwendungsmöglichkeit könnte man den Reizmagen sehen, ein hochkomplexes Thema, bei dem es in den nächsten Jahren sicher noch spannende Entwicklungen geben wird.
Wie genau wird eine konfokale Laserendomikroskopie durchgeführt?
Bei einer konfokalen Laserendomikroskopie wird zunächst ein Fluoreszin, das ist ein fluoreszierender Farbstoff, intravenös, über die Vene, gegeben. Dann wird eine Mikroskopsonde auf die Schleimhaut aufgebracht und das Allergen aufgespült. Das Fluoreszin zirkuliert im Blutkreislauf und wird aus den Kapilaren in das Darmlumen freigesetzt, wenn die Zellen der Darmschleimhaut durch die Allergenprovokation zerstört werden und platzen. Man kann dann live sehen, wie es zu einer Barrierestörung kommt. Die Tight Junctions, die sich rechts und links der Zelle befinden, öffnen sich und so entsteht ein „löchriger Darm“. Diesen Vorgang kann man dann mikroskopisch beobachten. Durch die gezielte Applikation aufgelöster Nahrungsmittel während der Gastroskopie können wir direkt, meist innerhalb von 2 Minuten, erkennen, wie die Darmschleimhaut auf bestimmte Substanzen reagiert. Diese Untersuchung ist die am wenigsten belastende Methode und ein entscheidender Fortschritt für die differenzierte Diagnostik und personalisierte Therapieansätze.
Welche Allergene werden bei der konfokale Laserendomikroskopie getestet und wie?
Bei der konfokale Laserendomikroskopie werden die häufigsten Auslöser von Nahrungsmittelallergien in einer vorher festgelegten Reihenfolge getestet: Milch, Weizen, Ei, Soja, Erdnuss und Hefe. Dafür werden die tatsächlichen Lebensmittel mit Wasser aufgeschlemmt. Bei Verdacht auf eine Weizenallergie würde man zum Beispiel Weizenmehl aus dem Supermarkt verwenden. Das entspricht der “normalen” Nahrungsaufnahme, bei der der Nahrungsbrei vom Magen in den Dünndarm gelangt.
In welcher Reihenfolge werden die Allergene bei der konfokalen Laserendomikroskopie getestet?
Die Reihenfolge der Testung, wird individuell festgelegt. Dabei wird im Zuge der Anamnese ermittelt, welches Allergen der wahrscheinlichste Auslöser ist. Man testet dann zunächst die anderen Allergene und erst zum Schluss das Hauptverdächtige. Der Grund: Sobald eine positive Reaktion auftritt, kommt es zu einem Leaky Gut und die Untersuchung muss beendet werden. Das bedeutet: Kommt es bereits bei einem weniger verdächtigen Allergen zu einer Reaktion, ist ein Allergen erkannt und man müsste die Untersuchung abschließen. Wenn die sich daran anschließende Ausslassdiät nicht zur Symptomkontrolle führt, würde man die CLE zu einem späteren Zeitpunkt wiederholen und ergänzen. Wichtig ist die Ernährungsberatung, die noch bei uns in der Klinik stattfindet.
Kann man mit der konfokalen Endomikroskopie auch Nahrungsmittelallergien diagnostizieren, die nicht von den klassischen Allergenen Milch, Weizen, Ei, Soja, Erdnuss und Hefe ausgelöst werden?
Wenn beobachtet wurde, dass die Beschwerden immer im Zusammenhang mit einem anderen Nahrungsmittel auftreten, wird die Provokation mit diesem Allergen durchgeführt. Erschwert wird die Diagnose jedoch dadurch, dass das auslösende Nahrungsmittel nicht immer so klar ist. Es gibt zahlreiche Zusatzstoffe in Fertigprodukten, und auch Stabilisatoren, Emulgatoren etc. können Bauchbeschwerden auslösen. Hinzu kommt, dass bei Unverträglichkeitssymptomen am Magen-Darm-Trakt auch Lifestyle Faktoren eine Rolle spielen können.
Wie wirkt sich der Lifestyle auf Symptome an Magen und Darm aus?
Die Rolle des westlichen Lebensstils, der von Umweltfaktoren, ungesunder Ernährung und übertriebener Hygiene geprägt ist, wird als eine der Ursachen für Bauchbeschwerden immer wieder diskutiert. In diesem Zusammenhang gibt es auch die Überlegung, Leistungssportler intensiver zu untersuchen, denn auffällig viele Athleten klagen über unerklärliche Bauchbeschwerden.
Wie lange dauert eine konfokale Laserendomikroskopie und wird sie ambulant oder stationär durchgeführt?
Eine konfokale Laserendomikroskopie wird stationär in der Klinik durchgeführt. Man sollte am Vortag ab 18.00 Uhr nichts mehr gegessen haben und im Anschluss an die Untersuchung eine Nacht zur Überwachung in der Klinik bleiben. Die Untersuchung selbst dauert zwar nur 20 Minuten, und man sieht die allergische Reaktion am Zwölffingerdarm schon innerhalb von 2 Minuten, aber die Bauchbeschwerden treten oft erst Stunden später auf. Manchmal kommt es sogar erst in der folgenden Nacht zu Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen oder auch Hautreaktionen, die dann in der Klinik behandelt werden können.
Ist eine konfokale Laserendomikroskopie schmerzhaft?
Die CLE-Untersuchung erfolgt unter Sedierung, einer Vorstufe der Narkose, so dass die Patienten keinerlei Beeinträchtigungen befürchten müssen.
Welcher Allergietyp liegt vor, wenn die allergische Reaktion ausschließlich über eine Allergen Provokation am Zwölffingerdarm nachweisbar ist?
Aktuell ist das noch nicht abschließend geklärt. Auf jeden Fall handelt es sich um eine atypische Allergiereaktion, der ein sehr komplexer immunologischer Mechanismus zugrunde liegt. Möglicherweise gibt es hier auch unterschiedliche Endotypen, denen unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen. Das bedeutet, dass man die Patienten stratifizieren kann, zum Beispiel wenn bereits eine Allergie vom Typ-1, wie etwa ein Heuschnupfen, vorhanden ist.
Kann man die konfokale Laserendomikroskopie auch bei Kindern durchführen?
Kinder, bei denen eine Gastroskopie möglich ist, können auch mit der konfokalen Laserendomikroskopie untersucht werden. Im Kinderbauchzentrum in Kassel werden diese Untersuchungen durchgeführt.
Welche Ergebnisse haben Sie bei Ihren konfokalen Laserendomikroskopien bislang beobachten können, gab es Überraschungen bei der Diagnose?
Ja, durch eine Untersuchung mit der konfokalen Laserendomikroskopie kommt es immer wieder zu Überraschungen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn es bereits zu einem Leaky Gut gekommen ist, ohne dass eine Ursache gefunden wurde. Auch wenn die Beschwerden schon sehr lange bestehen und die Betroffenen deshalb mit einer sehr eingeschränkten Diät leben, die oft nur noch aus Reis und Kartoffeln besteht, erleben wir dank der konfokalen Laserendomikroskopie immer wieder, dass die Ursache in Wirklichkeit allergisch bedingt ist. Ein Beispiel: Mit Hilfe der konfokalen Laserendomikroskopie haben wir vor kurzem bei einer Patientin, die schon viele Untersuchungen und Diäten hinter sich hatte, eine Soja-Unverträglichkeit diagnostiziert. Die Diagnose kam für sie sehr überraschend, da sie keinerlei Sojaprodukte aß. Soja ist aber in sehr vielen Fertigprodukten enthalten und so kann es tatsächlich mehrmals täglich zu einem Allergenkontakt kommen. Mit Hilfe einer Ernährungsberatung ist es aber sehr gut möglich, Soja zu meiden und die Symptome treten dann auch nicht mehr auf. Gerade beim Reizdarm-Syndrom sind das gute Nachrichten, denn man geht davon aus, dass zwischen 30 bis 60 Prozent der Betroffenen einen Leaky Gut haben, der von Nahrungsmittelallergenen ausgelöst wurde.
Übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine CLE?
In der Regel gilt die konfokale Laserendomikroskopie als orale Provokation und ist eine Krankenkassenleistung.
An wen können sich Patienten wenden, wenn sie eine konfokale Laserendomikroskopie durchführen lassen möchten?
In der Knappschaft Klinik Kamen setzten wir dieses Verfahren bereits ein, so wird es im Verbund der Knappschaft Kliniken erfolgreich genutzt. Die positiven Rückmeldungen aus der klinischen Praxis zeigen: Diese Methode hat das Potenzial, das Patientenmanagement nachhaltig zu verbessern und die Lebensqualität Betroffener zu steigern. Interessenten können sich gerne melden unter: gastro.westfalen@knappschaft-kliniken.de
Herr. Dr. Wiemer, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Wichtiger Hinweis
Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Autor: S. Jossé/K. Wiemer, www.mein-allergie-portal.com
Lesen Sie auch
-
Allergie auf Tomaten: Symptome & Maßnahmen
-
Ungewollter Gewichtsverlust: Was sind die Ursachen?
-
IgG-Wert: Was sagt ein IgG-Test aus, was nicht?