Mastzellaktivierungserkrankungen MCAD

Heinz Lamprecht über "Hilfe zur Selbsthilfe bei MCAD - MCAS", Bildquelle: Canva (Science Photo Library; Mr Doomits), H. Lamprecht

Hilfe zur Selbsthilfe bei MCAD - MCAS

Wer sich zu systemischen Mastzellaktivierungserkrankungen austauschen möchte, ist bei der Seite www.mastzellaktivierung.info an der richtigen Adresse. MeinAllergiePortal sprach mit Gründer Heinz Lamprecht über das Angebot.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Heinz Lamprecht

Herr Lamprecht, was bietet Ihre Seite www.mastzellaktivierung.info, eine Website zu systemischen Mastzellaktivierungserkrankungen?

MCAD bzw. MCAS sind sehr häufig. Um die 10 Prozent der Bevölkerung sollen betroffen sein. Der Bekanntheitsgrad ist jedoch selbst in der Ärzteschaft noch sehr gering, der Kenntnisstand ungenügend und veraltet. Eine sehr häufige Form beginnt man erst jetzt zu entdecken und zu verstehen. Das MCAS ist schwer zu diagnostizieren und wird meist übersehen oder mit Histaminintoleranz oder anderen Krankheitsbildern verwechselt.

Man muss deshalb davon ausgehen, dass ein erheblicher Teil der Patienten im Wartezimmer eigentlich wegen den Folgen einer MCAD den Arzt aufsucht. Nur fehlen den Ärzten noch das Wissen darüber sowie aussagekräftige Diagnosemethoden, um deren Beschwerden als Symptome oder Folgeerkrankungen einer unerkannten MCAD begreifen zu können. Wir möchten versuchen, dieses Phantom greifbar zu machen. Mit www.mastzellaktivierung.info tragen wir zu besserer Information zu der Erkrankung bei.

Zu welchen konkreten Krankheitsbildern findet man bei Mastzellaktivierung.info Informationen?

Das ist genau das grosse Problem: Es gibt kein einheitliches Krankheitsbild, anhand dessen man ein MCAS erkennen könnte.

Mastzellen sind die „Wächterzellen“ des Immunsystems. Sie dienen dazu, Körperfremdes, Schädliches zu entdecken und die umliegenden Zellen, vor allem die Zellen des Immunsystems, mittels Ausschüttung chemischer Botenstoffe zu alarmieren. Die im Knochenmark gebildeten Mastzellen wandern durch die Gewebe in sämtliche Organe, um dort ihre Funktion zu erfüllen.

Nun gibt es aber verschiedene körperliche Ursachen, die dazu führen, dass die Mastzellen sich entweder übermässig vermehren, oder überempfindlich werden und bis zu 200 verschiedene Botenstoffe (Mastzellmediatoren) im Übermass freisetzen, was im Körper sehr viele Prozesse durcheinanderbringen kann. Welches Krankheitsbild auftritt, hängt unter anderem davon ab, welche körperliche Ursache die Mastzellen beeinträchtigt, in welchen Organen oder Geweben die krankhaft veränderten Mastzellen auftreten, und durch welche mastzellaktivierenden Auslöser die Mastzellen getriggert werden. Mastzellaktivierungserkrankungen (MCAD) ist somit nur ein Überbegriff, dem wahrscheinlich unterschiedliche körperliche Ursachen oder Kombinationen davon zu Grunde liegen, von denen man noch nicht alle entdeckt und erforscht hat. Die Erkrankungen haben aber gemeinsam, dass sie für ständige oder häufige „Fehlalarme“ im Immunsystem sorgen, was wahrscheinlich alle Symptome und Erkrankungen begünstigen kann, die mit dem Immunsystem in Zusammenhang stehen.

Über welche Symptome klagen die Menschen, die www.mastzellaktivierung.info besuchen?

Welche Symptome auftreten, hängt davon ab, welchen mastzellaktivierenden Reizen man ausgesetzt ist, und welche Organe und Gewebe mit mutierten Mastzellen infiltriert sind. Eine besonders hohe Mastzelldichte findet sich in den Schleimhäuten, insbesondere im Darm, in der Haut und entlang von Nervenzellen und Blutgefäßen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Organsysteme mit betroffen sind. Ansonsten hängt es aber vom Zufall ab, in welchen Organen oder Körperstellen im Einzelfall Beschwerden auftreten. Möglich ist eine riesige Palette an unspezifischen Symptomen, aber jeder Betroffene zeigt wieder ein etwas anderes Krankheitsbild oder wechselnde Symptome.Die im Übermaß ausgeschütteten Botenstoffe vermögen auch gesunde Mastzellen sekundär zu aktivieren, bis sich je nach Schweregrad und Trigger-Exposition schließlich systemisch der ganze Körper grundlos im „Kriegszustand“ befindet. Der Körper reagiert auf normalerweise harmlose Umwelteinflüsse mit „Kranksein“, obwohl gar kein Krankheitserreger da ist.

Möglich sind sowohl akute wie auch chronische Symptome. Das Beschwerdebild kann beispielsweise einer Lebensmittelvergiftung, einer Erkältung oder einer Allergie gleichen. Auch viele Unpässlichkeiten, die wohl viele aus ihrem Alltag kennen, können dazugehören: Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen oder Migräne, Entzündungen, Schmerzen.

Wie wissen die Patienten, ob sie von MCAD bzw. MCAS betroffen sind?

Ob man betroffen ist, kann man aus oben genannten Gründen nicht anhand von Symptomen oder einem Krankheitsbild feststellen. Eine aussagekräftige laboranalytische Diagnosemöglichkeit existiert ebenfalls noch nicht. Zwar gibt es empfohlene Diagnosekriterien, aber viele Betroffene fallen bei der Diagnostik durch die Maschen, weil der geforderte, aber schwierige Nachweis von Mastzellmediatoren nicht gelingt. Am zuverlässigsten lässt sich der Verdacht erhärten, indem man die Therapie ausprobiert: Mittels Meidens der Auslöser und mastzellspezifischer Medikation lassen sich aktivierte Mastzellen wieder beruhigen, zumindest die sekundär aktivierten gesunden Mastzellen. Bei einigen seltenen Formen liegen jedoch daueraktivierte Mastzellen vor, die sich therapeutisch leider kaum beeinflussen lassen.

Was bietet www.mastzellaktivierung.info?

Wir versuchen, möglichst umfassend über das Thema zu informieren. Man findet wissenschaftliche Hintergründe über den Krankheitsmechanismus, die Diagnose und die Therapie. Ebenso findet man Ratschläge für Betroffene, wie man mit der Krankheit umgehen und möglichst viel Lebensqualität zurückgewinnen kann. Über eine gut strukturierte Seitennavigation, Querverweise und Zusammenfassungen soll in der Informationsflut das Gesuchte trotzdem auffindbar und übersichtlich dargestellt sein.

Findet man bei mastzellaktivierung.info auch Tipps zur Ernährung?

Ja, das ist einer unserer Schwerpunkte. Unverträgliche Zutaten in Lebensmitteln zu meiden, ist der Hauptpfeiler der Therapie. Jedoch ist es keine reine Nahrungsmittelunverträglichkeit. Mastzellaktivierende Auslöser lauern auch in vielen anderen Bereichen: Arzneimittel und deren Hilfsstoffe, Duftstoffe, Stress, Wetterwechsel etc. Wer sich für die Details interessiert, findet auf den Unterseiten der Seite „Therapie“ viele Informationen, die für den Therapieerfolg entscheidend sein können. Es ist leider kompliziert. Sich bloß an eine Liste zu halten, reicht beim MCAS nicht aus, da es viele Dinge gibt, die unter bestimmten Umständen verträglich, unter anderen Umständen unverträglich sind. Einiges ist auch individuell, so dass unsere Liste nur zu Beginn wichtig ist und mit der Zeit durch die eigene Erfahrung ersetzt werden sollte.

Sprechen Sie auf Ihrer Website auch das Leben mit MCAD für Betroffene an?

Ja. Beispielsweise findet man Informationen zum Restaurantbesuch, zu medizinischen Untersuchungen und Behandlungen, zum Zahnarztbesuch, zum Einkaufen und Kochen.

Findet man auf Ihrer Website auch Ärzte, die MCAS behandeln?

Das ist ein schwieriges Thema. Einen Link zu Adressen von Mastozytose-Kompetenzzentren findet man auf der Seite Diagnose. Beim MCAS halten wir es derzeit für die beste Strategie, sich in der Allergologie eines Universitätsklinikums abklären zu lassen. Der Allergologe kann dann jeweils die Hausarztpraxis informieren, mit welcher Medikation die Therapie begonnen werden kann und wie sie mit der Zeit experimentell an den individuellen Einzelfall angepasst werden kann. Der Hausarzt kann fortan die Dauerrezepte ausstellen und die Patientin beim Sammeln von Erfahrungen unterstützen. Den Hauptteil der Therapie, nämlich das Meiden der zahlreichen Auslöser, muss die Patientin jedoch selbst bewältigen.

Finden bei www.mastzellaktivierung.info auch Mitgliedertreffen statt?

Selbsthilfegruppen in der Schweiz, Deutschland und einigen anderen Ländern können sich bei uns in einer Liste eintragen. So können Betroffene Gruppen in ihrer Region finden und sich über deren Treffen informieren. Ich selbst leite ebenfalls Selbsthilfegruppentreffen an unserem Sitz in Marthalen. Die Teilnahme steht unabhängig von einer SIGHI-Mitgliedschaft allen offen.

Kann man bei www.mastzellaktivierung.info Mitglied werden?

Wer sich bei einer der beiden SIGHI-Sites (histaminintoleranz.ch, mastzellaktivierung.info) als Mitglied anmeldet, erhält vollen Zugriff auf beide Websites. Für Betroffene hat dies den Vorteil, dass man schon beim ersten Verdacht eine Mitgliedschaft beantragen und Zugriff auf alle Hilfsmittel zu beiden Themen erhalten kann, ohne zweimal bezahlen zu müssen. So trifft man sicher nicht die falsche Entscheidung, auch wenn im Laufe der ärztlichen Abklärungen längere Zeit nicht feststeht, welche der beiden manchmal schwer auseinanderzuhaltenden Erkrankungen vorliegt.

Was kostet die Mitgliedschaft bei www.mastzellaktivierung.info?

Die Preise sind auf der Seite „Kontakt“, Unterseite „Mitglied werden“ ersichtlich. Einzelne Inhalte kostenpflichtig zu machen, ist leider unumgänglich, um dieses Projekt finanzieren zu können. Trotzdem haben wir uns dazu entschieden, dass fast alle Informationen kostenlos abrufbar sein sollen, um möglichst viele Betroffene und Fachpersonen erreichen zu können.

Herr Lamprecht, herzlichen Dank für dieses Interview!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.