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Laktoseunverträglichkeit: Isst man zu viel Laktose?

Laktoseintoleranz Laktose Dosis
Welche Rolle spielt die Laktose-Dosis bei der Laktoseunverträglichkeit? Bildquelle: M.Storr

Wann ist bei einer Laktoseunverträglichkeit zu viel Laktose der Grund für die Bauchbeschwerden? Verstärken sich die Beschwerden, wenn man hohe Laktosemengen isst? Kann man trotz Laktoseunverträglichkeit kleine Laktose-Mengen verzehren oder sollte man strikt laktosefrei leben? MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. med. Martin Storr, Gastroenterologe am Gesundheitszentrum Starnberger See (MVZ) und 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität e. V. über Fragen, die sich viele Betroffene stellen.

Autor: Sabine Jossé M.A.

Interviewpartner: Prof. Dr. med. Martin Storr

Herr Prof. Storr, ist bekannt, wie viele Menschen an einer Laktosunverträglichkeit leiden?

In Deutschland haben ca. 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung eine Laktoseintoleranz.

Welche Rolle spielt es bei einer Laktosunverträglichkeit für die Beschwerden, wie viel Laktose man isst?

Die aufgenommene Laktosemenge spielt eine große Rolle und das nicht nur bei Menschen, die an Laktoseintoleranz leiden. Auch Gesunde können Beschwerden bekommen, wenn sie sehr große Mengen an Laktose zu sich nehmen. Wenn eine gewisse Menge überschritten wird, kann es zu Bauchproblemen, man kann sich in eine Laktoseintoleranz hineinessen. Solange dies jedoch nicht der Fall ist und die Laktose-Dosis sich in Grenzen hält, spürt man das nicht. Deshalb können Laktoseintolerante auch problemlos Medikamente einnehmen, die Spuren von Laktose enthalten. Zu Beschwerden sollte es deshalb nicht kommen.

Wie lange halten bei einer Laktoseintoleranz die Beschwerden an?

Das ist sehr variabel und kann von kurzdauernd, 1 bis 2 Stunden, bis zu 1 bis 3 Tagen andauern.

Gibt es Tabletten bzw. Medikamente mit Laktase, die bei einer Laktosunverträglichkeit helfen?

Es gibt Präparate, die das Enzym Laktase ersetzen. Laktase ist das Enzym, das Laktoseintoleranten fehlt. Dies ist bis zu einem gewissen Grade hilfreich.

Welche Wirkung haben diese Laktase-Tabletten bei Menschen mit Laktoseunverträglichkeit?

Laktase-Enzympräparate ersetzen die fehlende selbst gebildete Laktase. Dieses Enzym spaltet den Milchzucker Laktose. Bei manchen Menschen können dadurch Beschwerden gelindert werden, bei manchen nicht. Das liegt daran, dass Tabletten Laktase nicht kontinuierlich genug freisetzen.

Wie nimmt man Laktase-Tabletten bei einer Laktoseunverträglichkeit richtig ein?

Präparate, mit dem Enzym Laktase kann man zum Beispiel im Notfall nach versehentlichem Milchprodukte-Verzehr einnehmen. Auch zur Behandlung von Restbeschwerden bei starker Laktoseintoleranz oder wenn man weiß, dass man beim Familienfest nicht darum herumkommt, laktosehaltige Speisen zu essen, kann man Laktase-Tabletten nehmen. Laktase-Präparate können Laktoseintoleranten dabei helfen, die Beschwerden etwas besser zu kontrollieren. Eine Dauerlösung sind sie aber eigentlich nicht.

Wie viele Laktase-Tabletten kann man pro Tag einnehmen? Was ist die richtige Laktase Dosierung? Kann man auch überdosieren? Wie merkt man das?

1 bis 2 Tabletten pro Mahlzeit erscheinen ein sinnvoller Versuch. Die weitere Dosierung gestaltet sich Selbst-wirksam nach dem verspürten Effekt. Eine „richtige“ medizinische Dosierung gibt es nicht, da der medizinische Rat lautet, auf Laktose in der Ernährung zu verzichten. Menschen, die dies nicht schaffen, können Präparate nehmen. Aber die medizinische Empfehlung lautet, Unverträgliches nicht zu essen.

Können auch Kinder im Notfall Laktase-Tabletten nehmen? Unterscheidet sich die Dosierung bei Kindern?

Es gibt für Kinder spezielle Kinder Laktase Präparate. Auch bei Kindern gilt der medizinische Rat, bei einer gesicherten Laktoseintoleranz auf Laktose in der Ernährung zu verzichten. Über eine eventuelle Dosierung bitte mit dem Kinderarzt Kontakt aufnehmen. Da Kinder in Entwicklung und Größe sehr unterschiedlich sein können verbietet sich ein pauschaler Rat.

Warum ist die Einnahme von Laktase-Tabletten keine Dauerlösung?

Weil eine solche Einnahme medizinisch nicht erforderlich ist. Der medizinische Rat ist auf Laktose zu verzichten. Es gibt in Anbetracht der Vielzahl an Ernährungsalternativen, wie zum Beispiel laktosefreien Lebensmitteln, keine Hinderungsgründe dies umzusetzen.

Ab welcher Laktose-Menge kann es zu unangenehmen Bauch-Symptomen kommen?

Einen für alle gültigen Grenzwert für verträgliche Laktose-Mengen gibt es nicht. Eine gewisse Menge an Laktose geht aber bei jedem Menschen „unverspürt“ durch den Darm. Die individuellen Grenzmengen für Laktose sind aber sehr variabel.

Gibt es denn für jeden mit Laktoseunverträglichkeit eine individuelle Laktosegrenze?

Es gibt Menschen mit einer messtechnisch nachgewiesenen Laktoseintoleranz, die nie Beschwerden haben, ganz gleich wie viel Laktose sie zu sich nehmen. Es gibt jedoch auch Patienten, die eine sehr niedrige Wahrnehmungsschwelle haben und bereits auf sehr geringe Laktose-Mengen reagieren. Andere haben keine Laktoseunverträglichkeit im Sinne eines Enzymmangels, essen sich jedoch in einen Laktose-Überfluss hinein und entwickeln dadurch Beschwerden. Die individuell verträgliche Laktose-Dosis muss bei jedem Patienten auch individuell herausgefunden werden. Aus meiner Sicht ist es jedoch bei einer nachgewiesenen Laktoseintoleranz das Beste für den Patienten, sich strikt laktosefrei zu ernähren. Man sollte hier keine Experimente mit der Ernährung machen.

Sollte man bei einer nachgewiesenen Laktoseintoleranz nicht ab und zu testen, ob sich die verträgliche Laktosemenge erhöht hat?

Das gilt mit gewissen Einschränkungen für die Fruktosemalabsorption, wobei es sich hier um ein Transporterproblem handelt. Das heißt, die individuell verträgliche Fruktosemenge ist starken Schwankungen unterworfen. Die Patienten ernähren sich deshalb nicht fruktosefrei, sondern nur fruktosearm. Verzichten die Patienten komplett auf Fruktose führt das dazu, dass der individuelle Schwellenwert für die Verträglichkeit von Fruktose immer mehr sinkt. Dann kann es bereits bei kleinen Fruktose-Sünden zu starken Beschwerden kommen.

Bei einer Laktoseintoleranz ist dies aber nicht so. Die Laktoseintoleranz ist zwar keine bedrohliche, aber dennoch eine relevante Erkrankung. Deshalb sollten Laktoseintolerante auch nicht mit der Ernährung „herumspielen“, sondern sich besser laktosefrei ernähren.

Wie kann man sich in eine Laktoseunverträglichkeit „hineinessen“?

Wenn ein Laktosegesunder permanent große Mengen an Laktose zu sich nimmt, hat das Auswirkungen. Aber meist fällt das den Betroffenen nicht so auf. Sie haben dann zwar einen weicheren Stuhl, messen dem aber keine Bedeutung bei.

Spielt es auch eine Rolle, durch welche Nahrungsmittel die Laktoseaufnahme erfolgt, beispielsweise ob die Laktose in einem Lebensmittel natürlicherweise enthalten ist, oder zugesetzt wurde?

Prinzipiell spielt das keine Rolle, denn Laktose wird immer eigenständig enzymatisch gespalten.

Es kommt aber darauf an, ob die Laktose verstoffwechselt wurde. Beim Joghurt wird Laktose häufig zugesetzt, damit das Endprodukt etwas stichfester ist. Im Joghurt wird die Laktose jedoch größtenteils durch die Bakterien, die im Joghurt enthalten sind, fermentiert und ist im Endprodukt quasi nicht mehr oder nur noch wenig enthalten. Deshalb ist es hier weniger entscheidend, ob Laktose zugesetzt wurde. Entscheidend ist vielmehr wieviel Laktose im Endprodukt noch enthalten ist. Beschwerden können jedoch, unabhängig von der Laktose, auch durch andere Kohlenhydrate, etwa Fruktose, auftreten.

Wenn die Bakterien im Joghurt die zugesetzte Laktose verarbeiten, gilt das sicher auch für andere Sauermilchprodukte…

Alle Produkte, die lebende Bakterien enthalten, wie etwas Dickmilch oder Kefir, enthalten weniger Laktose. Die Bakterien, die in Sauermilchprodukten enthalten sind, stürzen sich regelrecht auf die Laktose. Das bedeutet auch: Je länger der Joghurt reift, desto länger können die Bakterien die Laktose verstoffwechseln und desto laktoseärmer wird er. Wenn man seinen Joghurt selbst herstellt und nicht 10 sondern 20 Stunden reifen lässt, erhält man ein schmackhafteres, säuerliches Produkt, dessen Laktosegehalt fast gegen 0 geht. Dahingegen befindet sich ein Joghurt aus dem Supermarkt in der Kühlkette und enthält mehr Laktose. Auch dieser Joghurt enthält Bakterien, aber sie verarbeiten aufgrund der niedrigen Temperaturen weniger Laktose. Erst wenn man den Joghurt auf eine Temperatur bringt, die deutlich über der Raumtemperatur liegt, beginnen die Bakterien wieder zu arbeiten.

Sollten Menschen mit Laktoseunverträglichkeit ihren Joghurt selbst herstellen, weil er dann verträglicher ist?

Nein, das bedeutet nicht, dass man Laktoseintoleranten empfehlen sollte, ihren Joghurt selbst herzustellen. Bei nachgewiesener Laktoseintoleranz sollte man einfach strikt auf alle laktosehaltigen Nahrungsmittel verzichten, einen anderen Rat gibt es hier nicht.

Anders ist es, wenn nur eine milde Unverträglichkeit gegenüber Laktose besteht, die medizinisch weniger relevant ist. Dann kann es durchaus empfehlenswert sein, sein Joghurt selbst herzustellen und es auch länger reifen zu lassen, also durchaus 20 bis 24 Stunden. Dann haben die Joghurtbakterien deutlich mehr Zeit, die Laktose zu verarbeiten und der Joghurt ist sehr laktosearm. Das dürfte bei einer milden Unverträglichkeit ausreichen, um eine Beschwerdefreiheit zu ermöglichen.

Viele Laktoseintolerante vertragen Sahne nicht, obwohl sie nur wenig Laktose enthält, woran liegt das?

Sowohl Sahne als auch Butter enthalten so gut wie keine Laktose. Dass viele Menschen Sahne nicht vertragen, liegt deshalb nicht an der Laktose, sondern am hohen Fettgehalt. Alle fettreichen Nahrungsmittel können zu Übelkeit und Durchfall führen, dies ist ein ganz normaler Mechanismus. Auch wenn man ein Glas Öl trinkt, führt dies unweigerlich zu unangenehmen Symptomen. Das Öl passiert den Magen sehr rasch und kommt dann im Dünndarm an, hier signalisieren die Fette Sättigung und im Übermaß Übelkeit. Man nennt das die Ileum-Bremse (engl. ileal break). Öl trinkt man natürlich nicht, aber große Portionen Sahne sind auf oder im Kuchen oder in Saucen sehr häufig enthalten.

Sie hatten erwähnt, dass es bei Laktoseintoleranten auch durch Fruktose zu Beschwerden kommen kann…

Wenn man als Laktoseintoleranter Laktose zu sich nimmt und zusätzlich noch reichlich Fruktose, können Summationseffekte auftreten. Das bedeutet, zu den durch die Laktose hervorgerufenen Beschwerden kommen, unabhängig davon, jene Beschwerden hinzu, die durch ein „zu viel“ an Fruktose ausgelöst wurden. Davon können diejenigen betroffen sein, die, zusätzlich zu ihrer Laktoseintoleranz an einer Fruktosemalabsorption leiden. Es können aber auch Menschen betroffen sein, die nicht an einer Fruktosemalabsorption leiden.

Was versteht man im Zusammenhang mit Laktoseintoleranz bzw. Fruktosemalabsorption unter Summationseffekten?

Man muss sich vorstellen, dass alles, was man im Laufe eines Tages zu sich nimmt, im Körper wie in einer Art „Schüssel“ gesammelt wird. Wenn ein Laktoseintoleranter Laktose isst und dann auch noch eine große Menge Fruktose zu sich nimmt, läuft die „Schüssel“ irgendwann über. Die Beschwerden werden dann von der Gesamtheit der aufgenommenen Inhaltsstoffe ausgelöst, nicht vom zuletzt verzehrten Nahrungsmittel. Die einzelnen Auslöser müssen dennoch separat bewertet werden.

Übrigens: Dieser Summationseffekt ist auch verantwortlich dafür, dass manche laktoseintoleranten Patienten berichten, dass sie morgens Laktose gut vertragen und abends dann plötzlich nicht mehr. Sie haben dann einfach die für sie persönlich verträgliche Laktose-Dosis überschritten. Dieses Konzept der Summation von Beschwerde-auslösenden Lebensmitteln ist in der wissenschaftlich fundierten FODMAP-Diät umgesetzt, die darauf eingeht und beschwerdeauslösende Lebensmittel in der Gesamtheit reduziert und nicht einzelne Inhaltsstoffe separat reduziert.

Der Summationseffekt bezieht sich also auf die an einem Tag aufgenommenen Nahrungsmittel?

Nicht unbedingt. Es kann sogar passieren, dass man Beschwerden von Nahrungsmitteln bekommt, die man am Vortag, oder sogar noch früher, gegessen hat. Cashews, zum Beispiel, und in einer Tüte sind ca. 125 g, verweilen fast eine Woche lang im Dickdarm. Die Cashews können so den Schwellenwert für belastende Lebensmittel für einen recht langen Zeitraum hoch halten. Generell geht man durchschnittlich davon aus, dass die Nahrung drei Tage im Darm verbleibt.

Nicht umsonst tun sich die Patienten sehr schwer damit, zu rekonstruieren, was sie wann gegessen haben. In der Regel wird überlegt, was man als Letztes gegessen hat, obwohl dies ja nur „das Fass zum Überlaufen bringt“. Entscheidend ist, was man tagsüber, oder sogar die ganze Woche über, gegessen hat, und damit sind wir beim Ernährungs-Symptom-Tagebuch, das man sinnvollerweise führen sollte, so wird es in Fachleitlinien empfohlen.

Viele Patienten sträuben sich gegen das Führen eines Ernährungs-Symptom-Tagebuchs…

Klar, es ist anstrengend, ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch zu führen. Aber anders ist es eben kaum möglich, einen Zusammenhang zwischen Ursachen und Beschwerden herzustellen. Man kann sich einfach nicht im Detail daran erinnern, was man vor drei oder vier Tagen gegessen hat.

Deshalb sollte man unbedingt ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch führen, wenn man unklare Beschwerden hat oder wenn es darum geht, die individuell verträgliche Menge eines Nahrungsmittels herauszufinden. Alles andere bringt die Patienten oftmals nicht wirklich weiter.

Herr Prof. Storr, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

11. Oktober 2022

Autor: S. Jossé/M. Storr, www.mein-allergie-portal.com

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