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Histamin-Provokationstest: Wie funktioniert diese Diagnose?

Histaminintoleranz Provokationstest
Prof. Knut Brockow zum Histaminintoleranz-Provokationstest!, Bildquelle: K. Brockow

Ein Histamin-Provokationstest wird dann durchgeführt, wenn der Verdacht besteht, dass der Patient eine Histaminintoleranz hat. Wie aber funktioniert diese Diagnose und was sagt der Test aus? MeinAllergiePortal sprach mit Prof. Dr. Knut Brockow, Klinik u. Poliklinik für Dermatologie u. Allergologie am Biederstein, Technische Universität München über die Diagnose einer Histaminintoleranz mit einem Provokationstest.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: Prof. Dr. Knut Brockow

Herr Prof. Brockow, wie funktioniert ein Histamin-Provokationstest zur Diagnose einer Histaminintoleranz?

Zur Durchführung eines Provokationstests auf Histamin zur Diagnose einer Histaminintoleranz wird dem Patienten eine sehr hohe Dosis Histamin verabreicht. Diese Dosis liegt deutlich über der Histaminmenge, die man durch eine stark histaminreiche Mahlzeit aufnehmen könnte.

Wie sieht die Vorbereitung des Patienten auf den Test auf Histamin?

Weil natürlich histaminreiche Nahrungsmittel die Ergebnisse verfälschen würden, dürfen Patienten während der Provokation auf Histamin und einen Tag vorher keine histaminreichen Nahrungsmittel zu sich nehmen. Dauerhaft eingenommene Medikamente, die Ergebnisse verfälschen könnten, insbesondere antiallergisch wirkende Antihistaminika und Kortison, nach Möglichkeit auch Schmerzmittel/Aspirin und manche Psychotherapeutika sollen je nach Halbwertszeit ausreichend vorher abgesetzt werden, zum Beispiel Antihistaminika mindestens 4 Tage vorher.

In welcher Form nimmt der Patient beim Provokationstest auf Histamin das Histamin auf?

Für den Histaminintoleranz-Provokationstest wird eine Histamin-Lösung einem Getränk beigemischt, zum Beispiel einem Pfefferminztee, und dem Patienten zu trinken gegeben.

Diese Histaminintoleranz-Diagnostik erfolgt verblindet. Der Patient weiß nicht, wann genau er das mit Histamin versetzte Getränk zu sich nimmt. Er erhält im Verlauf des Histamin-Tests mehrere Getränkeportionen und weiß nicht, was jeweils enthalten ist.

Muss der Histaminintoleranz-Provokationstest immer im Beisein von medizinischem Personal durchgeführt werden oder gibt es auch Provokationstests für zu Hause, zum selber machen?

Möglicherweise während des Provokationstests auftretende Symptome werden ärztlich dokumentiert und bewertet. Zudem kann jeder Provokationstest zu Symptomen führen, die ärztlich behandelt werden müssen. Darum ist die histaminfreie Diät zuhause gut möglich, aber ein Provokationstest wird nur stationär durchgeführt.

Wie schnell kommt es bei diesem Test auf Histamin zu Unverträglichkeitsreaktionen?

Die Resorption von Histamin erfolgt sehr schnell. Innerhalb von ein bis zwei Stunden nach Aufnahme des Histamins müssten Symptome auftreten, wenn eine Histaminunverträglichkeit vorliegt.

Wie lange dauert ein Histamin-Provokationstest insgesamt?

Wir provozieren mit verschiedenen Dosierungen Histamin und Plazebo in je drei Gaben an zwei Tagen. Bei manchen Patienten werden noch andere Nahrungsmittelallergien oder Nahrungsmittelüberempfindlichkeiten an einem dritten Tag getestet. Somit dauert der Test mindestens 2 Tage - mit jeweils Nachüberwachung über Nacht.

Wie würde die Reaktion beim Provokationstest aussehen, wenn eine Histaminintoleranz besteht?

Typisch für eine Histaminintoleranz wäre es, wenn es beim Test auf Histamin beim Patienten zu starken, plötzlich auftretenden Rötungen, dem sogenannten Flush kommt. Da ist die häufigste Reaktionsform. Auch Durchfälle sind häufige Symptome beim Histamin-Provokationstest. Aber man sollte wissen: Viele Patienten, die angeben, eine Histaminintoleranz zu haben, reagieren beim Histaminintoleranz-Provokationstest entweder gar nicht oder auf Placebo. Das bedeutet, die Patienten zeigen die Symptome einer Histaminintoleranz auf das Getränk, das gar kein Histamin enthält.

Gibt es noch weitere Symptome neben dem Flush und den Darm-Problemen, die nach dem Provokationstest bei Patienten mit einer Histaminintoleranz auftreten können?

Ja, weitere angegebene Symptome bei einem Provokationstest auf Histamin sind:

  • Erbrechen
  • laufende Nase
  • Herzrasen

und subjektive Beschwerden wie:

  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit
  • Globusgefühl
  • Juckreiz im Gesicht
  • Pruritus
  • Schläfrigkeit
  • Bauchschmerzen bzw. Bauchkrämpfe
  • Druck bzw. Schmerzen in der Brust
  • Müdigkeit
  • zu schnelle Atmung

Diese Symptome können jedoch auch unabhängig von Histamin durch Angst, Stress und Erwartung auftreten. Darum ist es wichtig, dass auch am ersten oder zweiten Tag mit Plazebo – das bedeutet Schein-Histamin - getestet wird.

Wie viele Patienten bekommen nach den Histamin-Provokationstest tatsächlich die Diagnose „Histaminintoleranz“?

Bei manchen Patienten zeigt sich durch den Provokationstest mit Histamin, dass deren Verdacht auf Histaminintoleranz begründet war. Aber bei den meisten Patienten können wir die anamnestischen Angaben nicht bestätigen und sie reagieren nicht, oder auch auf Plazebo. Dabei ist zu bedenken, dass wir ja bei diesem Histamin-Test viel höhere Histamindosen einsetzen, als die Patienten natürlicherweise mit einer histaminreichen Mahlzeit zu sich nehmen könnten, insofern eine Histaminintoleranz sicher ausgeschlossen wird.

Werden, zusätzlich zum Histamin-Provokationstest, weitere Tests durchgeführt, zum Beispiel zu den Schilddrüsenwerten?

Hauptsächlich wird bei diesem Provokationstest nur die Histaminintoleranz abgeklärt, manchmal auch andere Nahrungsmittel- oder Medikamentenallergien. Andere Ursachen für die Beschwerden des Patienten, zum Beispiel Zuckerintoleranz, werden nicht systematisch weiter untersucht. Wenn sich bereits aus der Vorgeschichte des Patienten Anhaltspunkte für eine Erkrankung ergeben, wie zum Beispiel der Verdacht auf Schilddrüsenerkrankung, für die eine einfache problemlos Testung möglich ist, zum Beispiel Blutentnahme, so kann diese Testung individuell natürlich ergänzt werden.

Was fehlt dann den Patienten, die beim Histamin-Provokationstest ein negatives Ergebnis erhalten, also keine Histaminintoleranz haben?

Die Symptomatik der Histaminintoleranz ist nicht sehr spezifisch. Die häufigsten Symptome sind Darmbeschwerden und Flush. Gerade bei Darmbeschwerden kommen jedoch viele Ursachen in Frage. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel die Ausschlussdiagnose Irritable Bowel Syndrome bzw. das Reizdarmsyndrom. Wenn nicht die Histaminintoleranz die Beschwerden verursacht, bleibt abzuklären, welche anderen Ursachen für die Beschwerden verantwortlich sein könnten.

Gibt es weitere Testverfahren, um eine Histaminintoleranz zu diagnostizieren?

Ja, zunächst sollte mit einem Ernährungs- und Symptomtagebuch geklärt werden, ob ein enger Zusammenhang zwischen histaminreichen Nahrungsmitteln und den Beschwerden besteht. In diesem Fall kann eine nachfolgende, zeitlich begrenzte histaminfreie Diät - 2 bis 4 Wochen - wertvolle Hinweise geben, ob eine Provokationstestung sinnvoll ist. Dieses sollte, falls möglich, begleitet von einem Ernährungswissenschaftler oder einer Ernährungswissenschaftlerin geschehen, weil diese auch andere Verdauungsbeschwerden erkennen und eine Ernährungsumstellung empfehlen können. Nur wenn die Symptome darunter weitestgehend verschwinden, ist eine Histaminintoleranz wahrscheinlich. Zudem sollten vorher andere Darmerkrankungen, wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen durch endoskopische Untersuchungen ausgeschlossen werden. Die weitverbreitete Praxis, die Diaminooxidase oder Histamin im Blut zu bestimmen wird laut Leitlinie nicht empfohlen. Die Studiendaten für diese selbst zu zahlenden Untersuchungen zum Nachweis einer Histaminintoleranz sind unzureichend und oft widersprüchlich.

Herr Prof. Brockow, herzlichen Dank für dieses Gespräch! 

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

27. Januar 2023

Autor: S. Jossé/K. Brockow, www.mein-allergie-portal.com

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