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Histaminintoleranz: Was passiert im Körper? Symptome? Diagnostik?

Histaminintoleranz Körper Symptome Diagnostik
Histaminintoleranz: Was passiert im Körper? Symptome? Diagnostik?; Bildquelle: P. Zieglmayer

Die Histaminintoleranz gehört zu den sogenannten "nicht allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten". Das heißt, dass das Immunsystem nicht an der Unverträglichkeitsreaktion beteiligt ist. Den Betroffenen hilft dies jedoch wenig, denn die Symptome können, je nach Ausprägung und Schweregrad, sehr unangenehm sein und sind in vielen Fällen Allergiesymptomen durchaus ähnlich. Was passiert also im Körper von Menschen mit Histaminintoleranz? Wie sehen die Symptome aus? Und gibt es eine sichere Diagnose? MeinAllergiePortal sprach mit PD Dr. med. Petra Zieglmayer, Allergologin, Arbeitsmedizinerin und Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren Heilkunde in Wien und Dozentin an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems.

Autor: Sabine Jossé M. A.

Interviewpartner: PD Dr. Petra Zieglmayer

Frau Privatdozentin Zieglmayer, was macht Histamin im Körper?

Histamin ist ein Botenstoff des Immunsystems, der an verschiedenen sog. „Erfolgsorganen“ des Körpers Reaktionen vom Soforttyp auslöst, wie sie auch bei Allergien vorkommen. In der Nase ist das beispielsweise Juckreiz, Niesreiz und ein Laufen der Nase, im Magen- Darm- Trakt ist das ein Juckreiz und eine Schwellung der Mundschleimhaut. Histamin kann aber auch Bauchweh und Durchfall oder eine Flush-Reaktion, das ist eine aufsteigende Rötung des Gesichts, verursachen.

Was bedeutet Histaminintoleranz?

Die Histaminintoleranz gehört zu den Enzymdefizienz-Syndromen. Das heißt, bei diesen Patienten sind die Enzyme Diaminoxidase (DAO) und Histamin-N-Methyltransferase (HNMT), die mit der Nahrung zugeführtes Histamin im Körper abbauen, nicht ausreichend aktiv oder in ausreichender Menge vorhanden. Das bedeutet, je mehr Histamin aufgenommen wird, desto mehr reichert es sich im Körper an. Es wird langsamer abgebaut als bei einem gesunden Patienten. Und: Bei Erreichen einer gewissen, individuell unterschiedlichen, Konzentration, können dann Histamin-bedingte Symptome auftreten. Diese Symptome können den Symptomen einer Allergie sehr ähnlich sein.

Sie sagen, dass das Histamin sich im Körper anreichert. Heißt das, erst die Gesamtmenge an Histamin löst letztendlich die Beschwerden aus?

Ganz genau! Der "Klassiker" hierfür ist ein gemütlicher italienischer Abend. Man trinkt einen guten Rotwein, isst dazu immer mal wieder eine Scheibe Salami und dann noch einen schönen gereiften Käse. Mit einer solchen Mahlzeit hat man drei histaminreiche Nahrungsmittel, die sich zu einer Menge an Histamin summieren können, die den individuell verträglichen Grenzwert überschreitet. Der gleiche Patient würde aber unter Umständen die Salami, den Käse oder den Wein allein vertragen. Die Histaminintoleranz ist ein mengenabhängiges Problem.

Was ist der Unterschied zwischen der Histaminintoleranz und einer Nahrungsmittelallergie?

Anders als bei Nahrungsmittelallergien, wo schon kleinste Mengen schwere Reaktionen hervorrufen können, hat bei der Histaminintoleranz jeder Patient seinen individuellen Grenzwert. Erst nach dem Überschreiten dieses individuellen Grenzwertes entwickelt der Patient Symptome. Deshalb ist es aus meiner Sicht auch sehr problematisch, wenn Patienten aufgrund von pauschalen Listen histaminhaltiger Nahrungsmittelgruppen auf eine Vielzahl von Nahrungsmitteln verzichten.

Raten Sie von Listen mit histaminarmen oder histaminreichen Lebensmitteln ab?

Generell habe ich beobachtet, dass in der Praxis das, was für den einzelnen Patienten mit Histaminintoleranz verträglich ist, häufig nicht mit den Angaben auf vielen der veröffentlichten Listen übereinstimmt. Es ist durchaus nicht so, dass jeder Patient genau die histaminreichsten Nahrungsmittel auch am schlechtesten verträgt. Es gibt Patienten mit Histaminintoleranz, die Tomaten nicht tolerieren, ein anderer verträgt Käse nicht, der dritte hat ein Problem mit Thunfisch und der vierte reagiert stark auf Alkohol, verträgt aber die Salami ausgezeichnet. Deshalb muss ein Patient mit Histaminintoleranz sein individuelles Verträglichkeitsprofil ausprobieren. Unterschiede in Bezug auf die Verträglichkeit von Histamin gibt es aber auch innerhalb der Nahrungsmittel-Gruppen.

Lebensmittel, die als histaminreich gelten, sind also nicht in jedem Fall reich an Histamin?

Ein gutes Beispiel ist der Rotwein. Man kann eben nicht davon ausgehen, dass alle Rotweine gleichermaßen histaminhaltig sind. Vielmehr hängt der Histamingehalt von der Verarbeitung, der Lagerung oder sogar vom Jahrgang des Rotweins ab. Es gibt sortenspezifisch histaminreichere und histaminärmere Weine. Pauschal gesagt gehören die Süßweine, wie etwa die Trockenbeerenauslesen, eher zu den histaminreichen Weinen. Außerdem kann ein Weinbauer, der einen qualitativ hochwertigen Weinbau betreibt, in der Regel für sich reklamieren, dass er histaminarm produziert. Ein wichtiger Faktor bei der histaminarmen Weinproduktion ist die Verwendung von Schwefel. Je weniger Schwefel verwendet wird, desto weniger Histamin enthält der Wein.

Wie lange benötigt der Körper, um das Histamin wieder abzubauen?

Hier ist auch wieder der individuelle Grenzwert für klinische Reaktionen ausschlaggebend. Sobald dieser unterschritten ist, verschwinden auch die Beschwerden. Dies muss nicht zwei Tage dauern, aber wenn der Patient eine verminderte DAO-Aktivität aufweist, kann dies schon ein längerer Prozess sein. Es ist durchaus möglich, dass der Körper zum Histaminabbau längere Zeit benötigt.

In der Praxis ist es beispielsweise möglich, dass man von dem erwähnten italienischen Abend, der Beschwerden verursacht hat, am nächsten Morgen noch einen gewissen Restgehalt an Histamin im Körper hat. Wenn man darauf dann noch Tomaten zum Frühstück isst, kann dies erneut zu Beschwerden führen, obwohl Tomaten normalerweise vielleicht problemlos vertragen werden. Eine Rolle bei der Verträglichkeit von Histamin spielen aber auch die Histaminliberatoren.

Gibt es andere Möglichkeiten, den Histaminabbau auf natürliche Art und Weise zu beschleunigen?

Da die Histamin- abbauenden Enzyme in der Darmschleimhaut lokalisiert sind, ist eine intakte funktionale Darmbarriere die beste Ausgangsbasis für eine gute Enzymaktivität.

Was sind Histaminliberatoren und was bedeuten sie bei Histaminintoleranz?

Histaminliberatoren sind Substanzen, die zu einer vermehrten Freisetzung endogenen Histamins im Körper führen.

Zu den Histaminliberatoren zählen:

  • Medikamente, zum Beispiel aus dem Bereich der Röntgenkontrastmittel oder der nichtsteroidalen Antiphlogistika
  • Lebensmittelzusatzstoffe, sogenannte E-Nummern, wie zum Beispiel:
    • Azofarbstoffe
    • Konservierungsmittel
    • Geschmacksverstärker
    • Antioxidantien
    • Süßstoffe

Daher reagieren Patienten mit einer Histaminintoleranz oft auch auf Fertiggerichte oder Speisen aus dem China-Restaurant unverträglich.

Auch unter den Nahrungsmitteln selbst finden sich Histaminliberatoren, zum Beispiel:

  • Zitrusfrüchte
  • Meeresfrüchte

Weiter können manche Nahrungsmittel sogenannte biogene Amine enthalten.

Wie wirken sich biogene Amine auf die Verträglichkeit von Histamin aus?

Biogene Amine können die Aktivität von DAO hemmen und so den körpereigenen Abbau des Histamins stören.

Die folgenden Nahrungsmittel können biogene Amine enthalten:

  • Fleisch
  • Fisch
  • diverse Nüsse
  • bestimmte Getreide

Gibt es bestimmte Voraussetzungen dafür, dass man eine Histaminintoleranz entwickelt? Wer ist betroffen?

Die Histaminintoleranz ist weder angeboren noch erblich. Allerdings findet sich ein starkes Überwiegen weiblicher Patienten im gebärfähigen Alter. Man vermutet einen Zusammenhang mit dem Östrogenhaushalt. Prädisponierende Faktoren konnten bisher nicht in ausreichendem Maß nachgewiesen werden.

Apropos Östrogenhaushalt …. Wie sieht das bei schwangeren Frauen aus, verschlimmern oder verringern sich die Symptome einer Histaminintoleranz?

Da die Plazenta zum Schutz des ungeborenen Kindes sehr große Mengen DAO produziert, geht es betroffenen Frauen in der Schwangerschaft üblicherweise viel besser.

Kann die Histaminintoleranz auch plötzlich wieder verschwinden?

Ja, es ist möglich, dass die Histaminintoleranz im Laufe der Zeit weniger wird und sukkzessive wieder verschwindet. Die Diaminoxidasefunktionsstörung kann transient, das heißt eine vorübergehende Störung sein. Es ist auch möglich, dass eine solche Störung im Zusammenhang mit schweren gastrointestinalen Infektionen, aber auch Stresssituationen auftritt und sich dann wieder normalisiert. Eine Histaminintoleranz muss kein chronisches Problem sein, das einen ein Leben lang begleitet, es kann auch mit dem Alter wieder besser werden. Ich habe viele Patienten, die im mittleren Alter unter einer Histaminintoleranz gelitten haben und jetzt mit 70 Jahren keine Probleme mehr haben. Dies geht weder mit einer bestimmten Behandlung einher noch korreliert es mit messbaren Diaminooxidasespiegeln. Die Histaminintoleranz ist übrigens kein neues Phänomen, wir sind heutzutage nur sensibler. Früher hat man das Grummeln im Bauch oder auch Durchfälle nicht so sehr beachtet.

Histaminintoleranz wird manchmal lange nicht diagnostiziert, sind Folgeerkrankungen möglich?

Nein, es konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass eine unbehandelte Histaminintoleranz vermehrt zu chronischen Erkrankungen der Erfolgsorgane wie etwa Magen-Darmtrakt, Haut, zentrales Nervensystem, führt.

Wie sehen die Symptome bei der Histaminintoleranz aus?

Patienten mit Histaminintoleranz leiden vor allem unter:

  • Kopfschmerzen
  • Störungen im Magen-Darm-Bereich, wie Bauchschmerzen, Blähungen bzw. Blähbauch, Durchfall
  • Nesselsucht
  • Ödemen

Es treten aber durchaus auch Regelschmerzen, Müdigkeit und Schlafstörungen, eine rinnende Nase oder ein Reizhusten auf.

Treten die Symptome einer Histaminintoleranz sofort nach Kontakt mit Histamin auf, oder kann dies auch mit Verzögerung der Fall sein?

Diese Symptome bei Histaminintoleranz stehen immer in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme. Wir reden hier von einem Zeitfenster zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden. Allerdings hängt der Zeitpunkt, zu dem Beschwerden auftreten, auch von der Nahrungsmittelkategorie ab bzw. davon, wie schnell das Gegessene verstoffwechselt wird. Nur in Ausnahmefällen, bei massiver Darmträgheit, wäre es möglich, dass Symptome erst am nächsten Tag auftreten. Dann wäre diese Darmträgheit für den Patienten wahrscheinlich eine größere Belastung als die Histaminintoleranz.

Wie erfolgt die Diagnose einer Histaminintoleranz?

In der Literatur wird manchmal noch immer zur Diagnose der Histaminintoleranz zunächst ein Basisbefund von Histamin und DAO im Blut empfohlen, gefolgt von einer zweiwöchigen histaminarmen Diät. Eine erneute Messung der genannten Werte soll dann anhand der Veränderungen der Befunde die Diagnose einer Histaminintoleranz ermöglichen. In der Praxis hat sich für uns allerdings herausgestellt, dass wir mit diesen Befunden relativ wenig anfangen können.

Hinzu kommt, dass der DAO-Spiegel im Blut nicht linear mit der klinischen Symptomatik korreliert. Es gibt Patienten, die einen nur gering reduzierten DAO-Wert haben, der nur knapp unter der Norm liegt und dennoch haben sie massive Beschwerden. Andere Patienten weisen lediglich die Hälfte des normalen DAO-Spiegels auf, haben aber so gut wie keine Probleme.

Heißt das, es gibt bei der Histaminintoleranz eigentlich gar keine verlässliche Diagnose?

Nein, denn bis heute gibt es keine validierten Testsysteme für Intoleranzreaktionen gegen Histamin und Nahrungsmittelzusatzstoffe. In einzelnen Studien wurden Konzentration bzw. Funktionalität von DAO in Serum und Darm sowie Histamin in Serum, Stuhl und Urin (Methylhistamin) bestimmt, aber eine Korrelation mit der klinischen Symptomatik der Patienten konnte in keiner der Studien gefunden werden. Für eine Re-Exposition nach vorheriger Karenz gibt es Empfehlungen, aber kein standardisiertes Vorgehen. Die Empfehlungen der Leitlinie gehen dahin, unter kontrollierten Bedingungen einen titrierten Belastungstest zur Festlegung der individuellen Toleranzgrenze, die allerdings in Abhängigkeit von Kofaktoren stark schwanken kann, durchzuführen

Deshalb arbeiten wir in erster Linie klinisch-anamnestisch mit der Frage nach reproduzierbaren Zusammenhängen mit definierten Nahrungsmitteln und Getränken. Der Patient kann am besten sagen, welche Nahrungsmittel von welchem Hersteller mit welchem Reifegrad und in welcher Menge ihm Probleme verursachen und welche nicht. In diesem Zusammenhang ist auch die Unterstützung durch eine Ernährungsberatung hilfreich. Dabei wird der Patient auf potenzielle Histaminquellen hingewiesen und er wird in Bezug auf die Auswahl der Nahrungsmittel und die individuell verträgliche Menge beraten. Der Patient führt dafür ein Ernährungstagebuch. Das Ergebnis ist dann keine standardisierte histaminarme Diät, sondern ein individueller Ernährungsplan, der nur die wirklich unverträglichen Nahrungsmittel ausschließt.

Was halten Sie von den zur Zeit verfügbaren Online-Tests, die eine Histaminintoleranz diagnostizieren sollen?

Da die klinische Reaktivität von vielen Falktoren bestimmt wird, sind solche Tests nicht hilfreich.

Welche Möglichkeiten der Therapie gibt es bei Histaminintoleranz, kann man sie heilen?

Grundsätzlich gilt für Histaminintolerante die Empfehlung, Nahrungsmittel und Getränke, die nachweislich Beschwerden verursachen, nur in geringen Mengen zu sich zu nehmen (cave: Summationseffekt) bzw. zu meiden. Dennoch auftretende Symptome können mit einem Antihistaminikum behandelt werden.

Weiter kann in manchen Fällen DAO in Kapselform zum Essen eingenommen werden. Die Evidenz zur DAO-Supplementation ist nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten aber nicht vollständig zufriedenstellend. Meine Patienten berichten mir, dass sich ihre Beschwerden durch das Enzym zwar teilweise verbessern, aber nicht vollständig verschwinden.

Woran liegt es, dass DAO bei manchen Patienten mit Histaminintoleranz hilft und bei anderen nur teilweise oder gar nicht?

Man kann nicht zwangsläufig voraussetzen, dass das zugeführte Enzym DAO die gleiche biologische Aktivität entfaltet wie das endogene Enzym, das vom Körper erzeugt wird- hier sollte der Patient einfach ausprobieren, was für ihn erfolgreich ist.

Abgesehen von der nicht immer gegebenen Wirksamkeit, gibt es beim Enzym DAO auch Nebenwirkungen?

Nein, Nebenwirkungen gibt es beim Enzym DAO nicht.

Und die letzte Frage: Ist Histaminintoleranz vererbbar?

Nein, vererbbar ist die Histaminintoleranz nicht.

Frau Privatdozentin Dr. Zieglmayer, herzlichen Dank für das Gespräch!

Wichtiger Hinweis

Unsere Beiträge beinhalten lediglich allgemeine Informationen und Hinweise. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose, Selbstbehandlung oder Selbstmedikation und ersetzen nicht den Arztbesuch. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

01. Oktober 2022

Autor: S. Jossé/ P. Zieglmayer, www.mein-allergie-portal.com

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